Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)
Vor einem Jahr, am 27. August 2014, hatte der Hamas-Führer Ismael Haniya nichts als gute Nachrichten für die Bevölkerung Gazas. Der Krieg, den seine Organisation mit »Raketen auf Haifa« begonnen habe, so der Islamist, sei mit »Raketen auf Haifa« erfolgreich beendet worden. »Unmöglich« sei es, die Tragweite dieses »beispiellosen Sieges mit Worten zu beschreiben«.
»›Der Sieg kennt keine Grenzen in Raum und Zeit. Dieser Krieg ist eine Schlacht, für die es in der Geschichte des Konflikts mit dem Feind kein Beispiel gibt‹, erklärte er und betonte, seine Organisation bereite bereits die ›ultimative Schlacht‹ vor.«
Dennoch ist es Israel, das auch zwölf Monate später sich Vorwürfen ausgesetzt sieht, gegenüber dem von der Hamas beherrschten Gaza eine nicht zu rechtfertigende Politik zu betreiben – bereits knapp 600.000 Unterschriften konnte eine Petition zahlreicher NGOs sammeln, die pünktlich zum Jahrestag des »unbeschreiblichen Sieges« verstärkten internationalen Druck auf Israel fordert.
Von Avaaz über das Büro der deutschen Heinrich Böll Stiftung in Ramallah, das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS), Medico International,Oxfam und Pax Christi bis hin zu World Vision International verlangen mehr als drei Dutzend Organisationen mit der Petition ein Ende der »Blockade« Gazas, die ihrer Ansicht nach eine »Hauptursache« des Konflikts ist.
Mit ihrer Aktion, die im Sekundentakt Unterstützer aus aller Welt findet, beweisen die Organisatoren, daß es ihnen tatsächlich nicht um das Wohl von Palästinensern geht, sondern um die Verleumdung Israels. So leugnen sie zwar terroristische Angriffe auf Israel nicht und deuten an, sie abzulehnen, zugleich aber bestreiten sie Israels Recht (und Pflicht!) zur Selbstverteidigung.
Die »Blockade«, die ja tatsächlich keine ist – die Vereinten Nationen zählten in den ersten sieben Monaten 2015 über 44.000 Truckladungen, die die Grenzen nach Gaza passierten –, sondern den Personen- und Güterverkehr von und nach Gaza kontrollieren soll, wird als eine Maßnahme gegen Terrorismus ebenso abgelehnt wie ein militärisches Vorgehen gegen ihn.
Gleichzeitig verzichten die Initiatoren der Petition auffällig auf eine Kritik der Hamas-Herrschaft in Gaza. Erklärte Ziele der Islamisten sind die Vernichtung des jüdischen Staates und der Genozid an Juden. All ihr Handeln ordnet die Hamas diesen Zielen unter, was exemplarisch Ismael Haniyas »Siegesrede« demonstriert oder jüngst Ferienlager, in denen Kinder für den Jihad gedrillt wurden.
Daß manch ein Sponsor unter solchen Umständen sich fragen mag, welchen Sinn Hilfe zum Wiederaufbau einer Infrastruktur hat, die in der schon angekündigten »ultimativen Schlacht« wahrscheinlich doch nur erneut zerstört wird, ist nachvollziehbar. Statt gebrochene Geldzusagen zu beklagen, sollte die Verwendung bisheriger Zuwendungen hinterfragt werden.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier lag nicht ganz falsch, als er vor einer »Wiederaufbaukonferenz« im ägyptischen Kairo erklärte, »Gaza darf nicht mehr von der Hamas und anderen Extremisten als Waffenlager missbraucht werden«. Wäre diese Forderung erfüllt, ließe sich über den schon wieder weniger überlegten Wunsch des Sozialdemokraten nachdenken:
»Die Menschen in Gaza müssen wirtschaftliche Perspektiven und Bewegungsfreiheit erhalten.«
Gewiß jedenfalls ist, daß Israel nicht zuzumuten ist, dieser zweiten Forderung vor der Erfüllung der ersten nachzugeben. Uneingeschränkte Freiheit für Gaza kann es ohne Freiheit von der Hamas nicht geben, ohne Freiheit von Jihadismus und Antisemitismus. Wer sich dieser Erkenntnis verweigert und einseitig die »Blockade« verdammt, an dessen Redlichkeit darf getrost gezweifelt werden.
Bedauerlich ist, daß den Menschenfängern von Avaaz, Böll-Stiftung, HEKS& Co., die mit ihrer Petition sich zu Komplizen der Hamas machen, so viele Unterzeichner auf den Leim gehen. Sie sind, ob sie wollen oder nicht, die Wegbereiter für die nächste Runde jener »Schlacht, für die es kein Beispiel gibt«, und von der nur Gestalten wie Ismael Haniya wirklich schwärmen können.