The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Schlagwort: Solidarität

Hilferuf aus Israel: „Wir halten es nicht mehr aus“

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Treffen sich zwei alte Bekannte am Bahnhofskiosk in Berlin, Zoologischer Garten, der eine ist Abonnent einer linken Publikumszeitschrift und hatte sie heute schon im Briefkasten gefunden, der andere blätterte grade in ihr rum:

„Eine Hungersnot! Eine Katastrophe! Stell dir das vor. Zwei!, sagt der Abonnent.

Ja, zwei. Von der Hungersnot bedroht, in unterschiedlicher Intensität. Ja, einfach unglaublich. Und alle schauen weg, grade ‚wir Linken‘.

Ganz genau.

Also zwei Millionen.

Hallo? Ich meinte „ZWEI“ – zwei Menschen sind von der Hungersnot bedroht, zwei israelische Geiseln, es gibt doch die schockierenden Videos der Hamas.

Ja, das ist unerträglich, Nazi-style Propaganda dieser Muslim-Faschos. Aber es gibt neben diesen zwei hungernden Geiseln noch zwei Millionen Palästinenser die hungern.

Spinnst du? Die hungern doch nicht, die essen absichtlich zu wenig, damit Israel wieder als der Böse dasteht.

Das meinst du nicht ernst, oder?

Doch.“

Diese Szene hat es heute wirklich in Berlin am Zoologischen Garten gegeben. Es gibt Zeuginnen und Zeugen.

 

Die Verkommenheit der Linken ist seit Jahren mit Händen greifbar. Aber jetzt dieser Realitätsverlust in Bezug auf israelische Kriegsverbrechen. Diese Autoren dünken sich pro-israelisch, dabei schaden sie dem Judenstaat ganz extrem, wenn sie die Propaganda der israelischen Regierung für die Wahrheit nehmen, dass es keine Hungersnot gebe. Oder dass es keine absichtlichen Morde an Zivilist*innen geben würde. Oder dass es keine Siedlergewalt in extremem Ausmaße im Jahr 2025 im Westjordanland gebe. Oder dass es keine Aufrufe der rechtsextremen Regierungsmitglieder für „ethnische Säuberung“ und Wiederbesiedelung Gazas geben würde.

Während laut dem französischen Soziologen Emile Durkheim von 1893 die „mechanische Solidarität“ die traditionelle, ’stammesgebundene‘ vorindustrielle Solidarität meint, ist die „organische Solidarität“ auf der kapitalistischen Arbeitsteilung basierend. Sie meint auch und gerade die Solidarität der Atomisierten, der Fremden, der Arbeitskolleg*innen, die nicht mit einem verwandt sind. Und diese „organische Solidarität“ gebe es in Israel nicht, so die Haaretz-Journalistin Noa Limone am 28. August 2025. Zwar habe es in Israel eine ganz außergewöhnliche und beeindruckende innerisraelische Solidarität nach dem genozidalen Massaker der Muslimfaschisten der Hamas vom 7. Oktober 2023 gegeben. Ärztinnen und Ärzte halfen spontan und kostenlos, Menschen zu versorgen oder zu therapieren, Bürger*innen spendeten Kleider, Nahrung, boten Wohnungen an, es war ein großer Zusammenhalt in Israel spürbar. Doch was ist jetzt mit der Solidarität israelischer Wissenschaftler*innen mit denen in Gaza, wo es dort keine Unis mehr gibt? Wo die Solidarität israelischer Kameramänner oder TV-Journalist*innen mit den von der IDF im Nasser-Krankenhaus vorsätzlich in einem perfiden Doppelschlag ermordeten Kolleg*innen? Noa Simone sieht da keine Solidarität:

Aus dieser Perspektive ist jeder Journalist, Arzt und Professor aus Gaza automatisch ein Terrorist. In Israel triumphiert immer die nationale Identität, wodurch andere Identitäten und Perspektiven marginalisiert und minimiert werden. Deshalb ist die Solidarität in Israel begrenzt. Deshalb ist auch die Zivilgesellschaft, die wir so sehr gelobt haben, nicht wirklich zivil.

(alle Übersetzungen aus dem Englischen in diesem Text von CH)

Wir haben es in Deutschland, dem Land mit der größten Moral und den intelligentesten Autor*innen, grade bei den Linken, überhaupt mit einer Volksgemeinschaft der philosemitischen Antisemiten zu tun, die sich hinter Israelfahnen verstecken und weder Emmanuel Levinas noch Eva Illouz oder die Haaretz je gelesen haben oder heute lesen und diskutieren.

Wir haben es mit Leuten zu tun, die so obsessiv dabei sind, der israelischen Regierung noch jede Lüge zu glauben, dass man sie weder als Journalisten oder Autoren noch als Menschen jemals wieder ernst nehmen kann.

Und trotzdem: Es gibt noch etwas Hoffnung in diesen Zeiten des Niedergangs und der moralischen Abgründe.

Ein Journalist der Haaretz schreibt am 27. August 2025 einen Hilferuf an die Welt und vor allem an Europa. Jene, die Israel liebten, sollten die aktuelle Regierung mit allen Mitteln bekämpfen, das ist die Kernforderung. Es geht dem Autoren, Uri Misgav, nicht um die rein formale Anerkennung eines Staates Palästina, er wendet sich logisch gegen einen BDS-mäßigen Boykott Israels. Misgav ist Zionist. Er ist aber ein Linkszionist und er kann es ethisch, moralisch und persönlich nicht mehr ertragen. Er möchte befreit werden von der rechtsextremen, religiös-faschistoiden Regierung von Benjamin Netanyahu:

Wir brauchen dringend Ihre und eure Hilfe. Wir wurden von einer kriminellen Bande entführt, die unser demokratisches System ausgenutzt hat, um an die Macht zu kommen, und nun versucht, diese Demokratie zugunsten eines tyrannischen Regimes mit faschistischen und ultranationalistischen Zügen zu zerstören. Das ist eine alte und bekannte Geschichte, die sich schon an anderen Orten abgespielt hat. Dieses Mal ist es uns passiert. Wir dachten, wir könnten das alleine bewältigen; es schien sogar, als wären wir auf dem richtigen Weg.

Er erwähnt den U2-Musiker Bono, der für seinen Zionismus und seine scharfe Attacke auf Benjamin Netanyahu legendär ist.

Der in Israel für Skandale, Aufdeckungen, aber auch Fehleinschätzungen bekannte Haaretz-Autor Uri Misgav endet seinen Text mit folgender flehender Bitte, die die paar wenigen linken und liberalen Israelfreunde aufwecken sollten, wenn sie noch einen Restbestand an Menschen- und Zionsliebe in sich tragen sollten:

Deshalb brauchen wir Sie, um einen wirksamen Weg zu finden, den Krieg und diese Regierung zu stoppen. Berufen Sie eine große internationale Konferenz ein, wie es in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen ist, unter der Führung Europas. Es stimmt, dass sowohl wir als auch Sie ein ernstes Problem mit der aktuellen amerikanischen Regierung haben. Versuchen Sie, ohne sie voranzukommen. Machen Sie Europa wieder großartig.

Es besteht keine Notwendigkeit, Tel Aviv zu bombardieren, wie Sie es in Serbien getan haben.

Ein Embargo für Angriffswaffen und die Androhung, die Beziehungen abzubrechen, werden ausreichen.

Bringen Sie einfach Netanjahu und seine verabscheuungswürdigen Gefolgsleute in die Knie und helfen Sie uns, ihn in den Mülleimer der Geschichte zu befördern.

Wir flehen Sie an: Jetzt ist es an der Zeit. Wir halten es nicht mehr aus.

Was jedoch die selbst ernannten Israelfreund*innen in Deutschland am wenigsten leiden können, sind nicht Nazis oder die Hamas, nein, was sie wirklich am allermeisten regelrecht hassen sind Linkszionist*innen aus Israel. Sie hassen die Kritik an Netanyahu. Sie hassen den Realitätsbezug der Kritiker*innen in Israel.

Diese „Israelfreund*innen“ lieben den Realitätsverlust und die staatliche Propaganda aus Jerusalem.

Daher wird auch dieser Hilferuf aus Israel bei diesen Fanatiker*innen nicht gehört werden. Aber der bürgerliche Mainstream, welche Ironie, der könnte dafür offen sein. Vorneweg ein Mann, der Israel retten möchte: der französische Präsident Macron, womit sich die Haaretz die letzten Tage intensiv beschäftigt hat.

Was die Linken in Israel gelernt haben, haben die strunzdeutschen Linken nie verstanden: Der Feind steht im eigenen Land. Wenn das in jedem bestehenden Land erkannt wird, dann kommt die Revolution.

Five for Fighting – OK – Piano and Solidarity for Israel

 

Die ehemalige kanadische Botschafterin Vivian Bercovici ist eine politische Kommentatorin zur aktuellen Situation in Israel und lebt im State of Tel Aviv, wie auch ihr publizistisches Projekt und ihr Podcast heißen.

Ihre Podcasts haben schon jetzt legendären Charakter, ihr sonntägliches Diskutieren mit dem Journalisten Yaakov Katz gehört sicher zum Interessantesten, was man zur aktuellen Situation in Israel hören kann, von den Podcasts der Times of Israel und vor allem den Texten in der Times of Israel nicht zu schweigen – die im Gegensatz zu allen anderen Zeitungen alle online frei lesbar sind und das bei allerhöchster journalistischer Qualität.

Heute bringt Vivian ein Gespräch mit dem Musiker John Ondrasik, der unter dem Namen Five for Fighting bekannt ist. Kurz vor 9/11 schrieb er den Song Superman (it’s not easy), der nach 9/11 zu einem Hit wurde, weil er den Überlebenden Kraft gab, es geht um Ich-Identität und die Schwere des Lebens und um Supermann, der es gerade nicht leicht hat – vor 9/11 und dann nach 9/11.

 

Sodann berichtet Vivian Bercovici von einem Konzert, das Five for Fighting letzten Samstag Abend in Tel Aviv live auf dem Hostage Square gab.

Wenige Stunden vor dem präzedenzlosen Angriff der Islam-Faschisten aus Teheran, die mit über 300 Drohnen, ballistischen Raketen und Cruise Missiles Israel angriffen (99 Prozent wurden von Jordanien, den USA, UK, Frankreich und Israel unschädlich gemacht, ein siebenjähriges Mädchen wurden von herabfallenden Raketenteilen getroffen und ist jetzt gestorben ist auf dem Weg der Besserung, Update, 20.04.2024).

Er zeigte seine Solidarität mit den Angehörigen der Geiseln der Hamas, ja seine Solidarität mit Israel in der schwierigsten und härtesten Zeit für den einzigen Judenstaat seit seiner (Wieder) Gründung am 14. Mai 1948. Das war der erste Besuch von Five for Fighting in Israel.

Vivian Bercovici betont, wie unglaublich wichtig es für Israelis ist, diese Solidarität zu sehen und zwar live in Israel.

 

We’re gonna give you four wordsWe are not alright, we are not alrightWhen we see young girls pulled from their homeAnd dragged to the streetsWhen we see grandmothers being pulled awayAnd children shot in front of their family’sWe are not alright when right here in the city of New YorkYou have those who celebrate, at the same timeWhen the devastation is taking place
This is a time for choosingThis is a time to mournThe moral man is losingForbidden, lost for long
I don’t understand, I don’t understandHow you can look yourself in the mirrorI don’t understand, I don’t understandHow did that blood flood your eyes
We, we are, we are notWe, we are, we are notOK, hey, hey, yeahOK, hey, hey, yeah
Yeah, hide behind your babiesYeah, hide behind your kidThe Harvard hands has rabiesThey’d hold acost again
I don’t understand, I don’t understandHow you can look yourself in the mirrorI don’t understand, I don’t understandHow did that blood spill from your eyes
We, we are, we are notWe, we are, we are notOK, hey, hey, yeahOK, hey, hey, yeah
Evils on the march, evils on the marchTime to face the test, yeah, hey, ohEvils on the march, evils on the marchNeed every good woman, every good man
We, we are, we are notWe, we are, we are notOK (we), OK (we are), OK (we are not), OKOK (we), OK (we are), OK (we are not), OKOK, OK, OK, OK
OK

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