The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

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Woke Zionism – Call for Papers / 31. Oct. 2025

 

CfP Book Project Woke Zionism

 

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) invites scholars, authors, intellectuals, columnists, activists and others to send us papers and articles dealing with the timely topic of “woke Zionism”.

The unprecedented crimes of Oct. 7, when Muslim and Palestinian men butchered, gang raped, tortured, burned alive, shot 1200 Jewish women, men, children, babies and Holocaust survivors and other nationals and abducted 251 Jews and others to Gaza, were the worst crimes against the Jewish people since the Shoah.

It was precisely the unthinkable brutality of the killing, the fun of torturing Jewish women and men alike, the burning alive of entire families and the joy of the murderers. Survivors, who were in their safe rooms, heard Palestinian women enjoying the homes of Israelis, they were cooking or watching Arab TV – while their husbands, brothers or sons killed all Jews they could find like in kibbutz Nir Oz.

Today we see an equally unprecedented wave of antisemitism and Jew hatred around the globe. Calls for killing Zionists appear on posters, stickers and are slogans like in Berlin, Naples, Paris, Madrid, London or New York City, to name but big European and American cities.

This book wants to give left-of center, left-wing and woke Zionists a public voice: Fighting antisemitism, including Islamism and secular anti-Zionism, while pursuing peace in the middle east, against Jewish supremacism, racism, the occupation, the War in Gaza and ultra-nationalism as well as religious messianism.

This book project is looking for papers and articles to deal with the very unusual but tremendously timely perspective of left-wing or woke Zionism. Is there still an option for a Palestinian state without abandoning the Jewish and democratic state of Israel? What about violence in the Westbank or the consequences of projects such as E1? What about the judicial overhaul by the Netanyahu government? How to fight queer anti-Zionism?

How can we heal the unprecedented shock of the brutality of Oct. 7 without aligning ourselves with the disastrous and murderous policies of the current Israeli government and the IDF in Gaza? Hunger may never ever become a strategy of war – but Israel does use hunger as a weapon, against Zionist and IDF principles of equal treatment of human beings. When did the „justified war“ against Hamas end and become an „endless war“? Why did the government abandon the hostages and when?

Then, what about Reform Judaism’s role in the current fight against antisemitism and against the War in Gaza? What about women’s rights and current far-right policies in Israel? What about the analysis of capitalist economy and the history of left-wing Zionism, including the socialist kibbutz movement?

Finally: Why do many people in the Diaspora and the (anti-woke) Zionist camps reject any public criticism of Israeli policies? Doesn’t that endanger both Jews outside of Israel and the Zionist project as such? Zionism is not a given. We have to fight for its future in a democratic and Jewish state of Israel, alongside a future Palestinian state, as Resolution 181 from November 29, 1947 stated.

 

These are some of the core topics of “woke Zionism” today. We look very much forward to your contributions. Please send us your papers and articles via email – ranging between 1000 and 5000 words, written in an essayistic or scholarly style – by Oct. 31, 2025. The book will be published by the end of 2025.

Contact information: bicsa@bicsa.org

Editors:

– Clemens Heni, PhD, Director of The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), former Post-Doc at Yale, former Fellow at the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) at Hebrew University of Jerusalem, currently teaching at Heidelberg University.

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

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„Kulturschaffende“ und Israel

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Ein Aufruf von über 350 sogenannten Kulturschaffenden, vor allem Schauspieler*innen wie Daniel Brühl, Heike Makatsch oder Anna Thalbach, Moderator*innen wie Klaas Heufer Umlauf, Joko Winterscheidt oder Paula Essam, Musiker*innen wie Helmut Zerlett, Clueso oder Sarah Lesch und Regisseur*innen wie Mehmet Akif Büyükatalay, Paulita Pappel  oder Fatih Akin  sowie Autoren wie Marc-Uwe Kling, von dem sich das Känguru sicher spätestens jetzt glasklar und linkszionistisch distanziert, fordern einen kompletten Stopp von Waffenlieferungen an Israel und verlieren – wen wundert es – kein Wort über die 50 Geiseln, die immer noch in den Händen der Muslim-Faschisten in Gaza festgehalten werden, wovon vielleicht 20 noch am Leben sind. Einige von ihnen werden aktuell von den Muslim-Faschisten der Hamas zu Tode gehungert und in Bildern, die an Nazi-Propaganda erinnert, gedemütigt und zum Tode geweiht.

Dazu nicht ein Wort dieser „Kulturschaffenden“, bis auf einen Satz, der geradezu absichtlich nichts explizit sagt zum schrecklichsten Massaker an Juden seit dem Holocaust vom 07. Oktober 2023:

Auch wir verurteilen die grauenvollen Verbrechen der Hamas aufs Schärfste. Aber kein Verbrechen legitimiert es, Millionen von unschuldigen Menschen auf brutalste Weise kollektiv zu bestrafen.

Forderung nach Freilassung der Geiseln? Von wegen:

  • Stoppen Sie umgehend alle deutschen Waffenexporte an Israel
  • Unterstützen Sie das Aussetzen des Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel
  • Fordern Sie mit Nachdruck einen sofortigen Waffenstillstand und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe

Das sind typische deutsche Stimmen, die sich gegen Israel wenden und nicht dafür bekannt sind, direkt nach dem 7. Oktober sich gegen muslimischen Judenhass und palästinensischen Terrorismus oder die sofortige Freilassung aller Geiseln eingesetzt zu haben.

Erst NACH dem Publizieren dieses offenen Briefes schreibt das Kampagnen-Netzwerk AVAAZ unter dem offenen Brief:

Dieser Brief, den die Kulturschaffenden gemeinsam mit Avaaz lanciert haben, sorgt bereits deutschlandweit Schlagzeilen – von Spiegel und Stern bis hin zu Deutschlandfunk und ZEIT.

Auch wir sind zutiefst erschüttert und betroffen durch die neu erschienen Aufnahmen der israelischen Geiseln. Es muss politisch und diplomatisch alles getan werden, um sie umgehend zu befreien. Aber wie im Brief beschrieben, kann kein Verbrechen es legitimieren, Millionen von unschuldigen Menschen auf brutalste Weise kollektiv zu bestrafen. Und doch hat Netanyahu gerade angekündigt, den gesamten Gazastreifen zu besetzen – mit unabsehbaren Folgen sowohl für die Zivilbevölkerung als auch die Geiseln.

Warum war ihnen das bei dem offenen Brief mit den Geiseln nicht aufgefallen, immerhin sind sie seit 670 Tagen in Geiselhaft der Muslim-Faschisten in Gaza?

Sehr typisch ist auch das dümmliche Reden von Menschen als „Eltern“, als ob man so unfähig sein muss, ungeschützt Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, um gegen das Aushungern von Menschen aller Altersgruppen, auch von Kindern, zu sein:

Kinder, abgemagert bis auf Haut und Knochen, die Augen leer, die Handgelenke dünn. Babys, vor Hunger zu schwach, um zu weinen. Alte, schwache und kranke Menschen, die keine ausreichende Versorgung erhalten.

Die in Gaza sterben. Tag für Tag.

Dabei sind es Menschen. Mütter. Väter. Kinder.

Kinder wie unsere. Kinder wie Ihre.

Gab es ähnliche Aufrufe dieser Schauspieler und Regisseurinnen zu Hungersnöten im Sudan oder ist das zu kompliziert, weil in diesem Konflikt keine Juden involviert sind?

Zudem: Wer obiges Eingangsstatement liest, merkt, dass wirklich alle Unterzeichner*innen Kinder zu haben scheinen. Das wäre eine bemerkenswert erbärmliche homogene Gruppe von „daddiots“ und „mombies“, wie die Fachbegriffe des Radikalfeminismus für natalistische Ideologinnen und Akteure heißen. „Kinder wie Ihre“ hätten sie bei dem letzten Kanzler und der letzten Kanzlerin gar nicht schreiben können, by the way.

Jedenfalls strotzt der Text vor Selbstgerechtigkeit – jetzt geifern sie los. Und das passiert weltweit. Juden und Jüdinnen werden weltweit für die unsägliche Politik Israels in Haftung genommen und angegriffen.

Ganz anders ein seriöser offener Brief an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu von liberalen Zionistinnen und Zionisten aus England, darunter Milliardäre und Multimillionäre, Philanthropen und langjährige Unterstützer*innen des einzigen Judenstaates. Diesen Brief haben schon über 2000 jüdische Philanthropen, bekannte Aktivistinnen und Aktivisten und Mitglieder von jüdischen Organisationen unterschrieben. Sie stellen erst einmal ganz klar fest:

Wir sind Mitglieder jüdischer Gemeinden auf der ganzen Welt, die den Staat Israel als nationale Heimat des jüdischen Volkes leidenschaftlich unterstützen. Unsere Solidarität gilt stets Israel und den Bürgern Israels, insbesondere seitdem die Hamas am 7. Oktober ihren barbarischen Angriff gestartet hat. (Alle Übersetzungen aus dem Englischen von CH)

Doch diese zionistische und jüdischen Aktivist*innen sind schockiert:

Wir fordern Sie daher auf:

1) Die Versorgung der Bevölkerung in Gaza mit Lebensmitteln und humanitärer Hilfe dauerhaft wiederherzustellen und zu ermöglichen.

2) Beenden Sie den Krieg. Bringen Sie die Geiseln in einem einzigen Deal nach Hause und legen Sie den Schwerpunkt auf ihre Freilassung. Angesichts der unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Geiseln leiden, und der Grausamkeit ihrer Entführer von der Hamas kann die Dringlichkeit nicht genug betont werden. Der Verhandlungsprozess mit einer verkommenen Terrororganisation ist natürlich komplex und schwierig. Aber jede Gelegenheit zur Freilassung aller Geiseln muss genutzt und hat Vorrang vor der Beschwichtigung extremistischer Mitglieder Ihrer Koalition. …

3) Setzen Sie das Gesetz im Westjordanland durch, wo die Häufigkeit und Intensität tödlicher Gewalt durch jüdische Extremisten beispiellos ist. …

4) Verpflichten Sie sich, dass weder Sie noch irgendein Mitglied Ihrer Regierung jemals wieder Hungersnöte oder Vertreibungen als Kriegswaffen einsetzen werden. Mitglieder Ihrer Regierung haben ohne Kritik rassistische, hasserfüllte und aufrührerische Äußerungen getätigt. So prahlte beispielsweise Kulturminister Amichai Eliyahu kürzlich, dass „die Regierung darauf hinarbeitet, Gaza auszulöschen … Gott sei Dank löschen wir dieses Übel aus … Ganz Gaza wird jüdisch sein.” Solche Aussagen sind moralisch verwerflich und ein Chilul Hashem – eine Entweihung jüdischer Werte und der Gründungsprinzipien Israels. …

Die Times of Israel schreibt:

Zu den Unterzeichnern gehören Charles Bronfman, der jüdisch-kanadisch-amerikanische Milliardär und Philanthrop, die Philanthropin Marcia Riklis, Dame Vivien Duffield, Vorsitzende der Clore Foundation, und Trevor Chinn, Präsident der United Jewish Israel Appeal, einer führenden britischen jüdischen Wohltätigkeitsorganisation, die Initiativen in Israel finanziert.

Der Brief ist eine Initiative eines neuen liberalen zionistischen Netzwerks namens The London Initiative, das Anfang dieses Jahres gegründet wurde, um „die israelische Demokratie zu stärken, eine gerechtere gemeinsame Zukunft für alle Bürger Israels zu fördern, die Hoffnung auf die Aussicht auf einen sicheren Frieden wiederzubeleben und die Beziehungen zwischen allen Israelis und dem Weltjudentum zu verbessern“.

Das wird von einem Video von 19 ehemaligen führenden Militärs (Chiefs of Staff u.a.) und Geheimdienstleuten Israels vom 3. August 2025 unterstützt, die ebenfalls ein sofortiges Ende des Krieges fordern. Sie halten fest, dass der Krieg anfangs gerecht war im Kampf gegen die Hamas, und auch erfolgreich, aber dass er seit sehr langer Zeit kein Ziel mehr hat außer Zerstörung des Erreichten. Sie sehen religiöse Fanatiker und nationalistische Verbrecher am Werke und attackieren Netanyahu frontal. Sie sind wahre Zionisten und wollen Israel schützen, also auch die Palästinenser, da es zwei Staaten für zwei Völker geben muss.

Schließlich betont die israelische Soziologin Eva Illouz, dass es sich viele mit ihrer Kritik Israels zu leicht machten und wiederholt, was zionistische Kritiker*innen seit langer Zeit sagen: wer nicht aktiv gegen Antisemitismus kämpft hat gar kein moralisches Recht, erst jetzt Kritik zu üben, wenn Israel im Visier ist, so richtig und wichtig die Kritik an der unerträglichen und für Palästinenser*innen mörderischen Politik Israels aktuell ist.

Wie der Journalist Peter Nowak betont, kann man gerade als Linker gegen die Hamas und gegen Netanyahu sein, aber für Israel – wie zum Beispiel eine Plakatkampagne der Berliner „Emanzipative & antifaschistische Gruppe“ (EAN) zeigt:

Die „Emanzipative & Antifaschistische Gruppe“ (EAG) wurde 2005 in Pankow gegründet. Damals wie heute ging es uns darum den Neonazis im Berliner Nordosten entgegenzutreten. Allerdings war es uns immer zu wenig, ausschließlich Anti-Nazi-Arbeit im Stadtteil zu leisten. Vielmehr gehörte von Anfang an eine umfassende Herrschaftskritik und linksradikale Theoriebildung zu unserem Anspruch. Darüber hinaus wurde die Gruppe auch aus der Kritik am Antisemitismus innerhalb linker Strukturen gegründet sowie den antifeministischen Tendenzen der Antideutschen Szene.

Das unterscheidet auch solche pro-israelischen Gruppen von ach-so-jüdischen Gruppen für Frieden im Nahen Osten, die meist nur antizionistisch sind und gerade keinen Frieden für Juden in einem jüdischen Staat wollen, neben einem palästinensischen Staat.

Was Illouz in der ZEIT vom 06. August 2025 schreibt, passt exakt zu den gut 350 typisch links-deutschen „Kulturschaffenden“ und dem oben zitierten offenen Brief an Bundeskanzler Merz:

Mein Punkt ist ein schlichter: Weil die Kritik an Israel so oft gefährlich nah am Antisemitismus liegt, muss sie Sprache und Behauptungen sorgfältig prüfen. Wer bloß über minimales Wissen zur Geschichte des Konflikts verfügt, sollte aufhören, Israel zum alleinigen Schuldigen zu machen.

Die Soziologin resümiert:

Die rote Linie für die Welt muss lauten: Wenn Netanjahus Regierung – wie von ihm selbst verkündet – eine dauerhafte Besatzung Gazas anstrebt und zugleich die Unabhängigkeit der Justiz endgültig aushebelt, werden Sanktionen zu einer angemessenen Antwort. Bis dahin dürfen Israels Freunde nicht die Augen verschließen vor dem Charakter der Regierung in Jerusalem: vor ihrer Inkompetenz, ihren Kriegsverbrechen, der von ihr verschuldeten humanitären Katastrophe und einem Gaza-Krieg, der längst jede Rechtfertigung verloren hat. Zugleich gilt es zu bedenken, dass ebenjener Extremismus und jene Paranoia der Regierung genährt werden vom Antisemitismus der arabischen wie der westlichen Welt.

Kritik aus Israel und USA: Zionisten dürfen zu den Verbrechen Israels in Gaza nicht schweigen

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Nehmen wir typische Aktivist*innen, die gegen Antisemitismus sind und sich für Israel einsetzen. Sie sind im privaten Gespräch klar gegen die Politik von Benjamin Netanyahu, finden es aber höchst suspekt, ja im Zweifelsfall antizionistisch oder zumindest den Antisemitismus befördernd, wenn das jemand öffentlich sagt.

Von daher ist – wie immer – der unabhängige Diskurs in Israel, aber auch und zumal in der Diaspora wie in den USA viel schärfer, politischer, öffentlicher und relevanter. Während die bekannten NGOs in USA ähnlich angepasst agieren wie in Deutschland, gibt es in USA und natürlich immer noch in Israel eine sehr vielfältige und kritische Publizistik.

So schreibt der Zionist, Publizist und Rabbiner Dr. Donniel Hartmann im Herbst 2021:

Bis vor kurzem waren die „unentschlossenen Unentschlossenen“ relativ marginal. Die eigentliche Sorge in der amerikanischen zionistischen Community bestand bis vor einigen Jahren darin, dem Wachstum der „unbesorgten Unentschlossenen“ entgegenzuwirken – jener Menschen, die sich einfach entfremdet hatten und kein Interesse mehr an Israel zeigten.

Die neue Angst ist jedoch die Abwanderung der „besorgten Engagierten“ in das wachsende Lager der „besorgten Unentschlossenen“. Die Ereignisse in Sheikh Jarrah und die jüngste Gaza-Kampagne waren ein Wendepunkt: Die „unentschlossenen Unentschlossenen“ sind in den Mainstream des jüdischen und nordamerikanischen Lebens und Diskurses eingetreten. Jüngste Umfragen zeigen, dass fast ein Drittel der amerikanischen Juden es für legitim hält, Israels Politik mit Apartheid in Verbindung zu bringen. (Alle englischen Zitate in diesem Text sind von mir übersetzt, CH)

Hartmann machte 1971 Alijah – und merkte schon damals als Teenager, dass Israel als Besatzungsmacht dem Zionismus enorm schadet. Das wurde seither nur noch schlimmer. Dabei weiß er natürlich, dass die Palästinenser keine Chance ausließen, eine Zweistaatenlösung anzunehmen – aber das entbindet Israel nicht von seinen eigenen Fehlern und der Siedlungspolitik und dem Rassismus.

Auf diesen Text weist der Kolumnist des Jewish Forward und Professor an der Brown University Dany Bahar am 29. Juli 2025 hin und resümiert:

Ein Israel, das bei der Mehrheit der Juden in der Diaspora kein Vertrauen und keine Verbundenheit mehr weckt, ist vielleicht nicht unmittelbar einer militärischen Bedrohung ausgesetzt. Aber es läuft Gefahr, seine Daseinsberechtigung zu verlieren: ein Staat, der nicht nur auf Souveränität, sondern auch auf einem gemeinsamen Schicksal gründet.

Wenn der israelische Außenminister Sa’ar jetzt sagt, es habe „noch nie einen Staat Palästina gegeben“ und Juden hätten das Recht in Judäa und Samaria zu siedeln, dann ist das rechtsextreme Propaganda. Es gibt die UN-Resolution 181 vom 29. November 1947, darin heißt es:

Unabhängige arabische und jüdische Staaten und das in Teil III dieses Plans festgelegte besondere internationale Regime für die Stadt Jerusalem sollen zwei Monate nach dem Abzug der Streitkräfte der Mandatsmacht in Palästina entstehen. (Herv. CH)

Der Zionist und Schriftsteller David Grossmann hat sich im Sommer 2023 für einen jüdischen und demokratischen Staat Israel ausgesprochen (David Grossmann (2024): Frieden ist die einzige Option. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer und Helene Seidler, München: Hanser, S. 27-39).

Er war nach dem Massaker der Hamas und der Palästinenser vom 7. Oktober 2023 fassungslos und fragte:

Ich spreche von der Tiefe des Israelhasses, von der schmerzhaften Einsicht, dass wir Israelis nun wohl auf ewig unter höchster Anspannung und in ständiger Kriegsbereitschaft leben müssen. Ununterbrochen bemüht, Athen und Sparta gleichzeitig zu sein. Immerzu fragend, ob uns jemals ein normales, von Angst und äußerer Bedrohung freies Leben vergönnt sein wird. Ein dauerhaft geborgenes Dasein. In einem behüteten Heim.

(Ebd., S. 47)

Der Staat Israel ist weltpolitisch im August 2025 so isoliert wie vielleicht noch nie in seiner Geschichte seit 1948. Das liegt an der rechtsextremen Politik der Regierung von Benjamin Netanyahu.

Ja, es gibt unglaublich viele Antisemit*innen, die am 7. Oktober jubelten und schon im Oktober 2023 „Genozid“ geschrien haben – und damit nicht das in der Tat genozidale Massaker der Hamas meinten, sondern Israel, noch bevor sich der Judenstaat zu wehren begann. Das sind jene, die am 7. Oktober stolz mit ihren Blut beschmierten Palästinensertüchern durch Heidelberg, Frankfurt, Duisburg, Berlin-Neukölln oder Berlin-Kreuzberg, Mannheim oder Heilbronn liefen. Das ist ein gefährliches und zu Gewalt bereites Antisemitenpack, schlichtweg.

Aber das darf Zionist*innen nicht abhalten, weiter kritisch und selber zu denken. Sie sollten endlich aufhören, nachzubeten, was die rechtsextreme israelische Regierung oder deren deutsche Sprachrohre sagen.

Man kann viel sinnvolle und zionistische Kritik an Israel im Jewish Forward, der Haaretz, in der Times of Israel und anderen Medien finden und man sollte vor allem immer eines tun: selber denken.

Wissenschaft ist immer noch das höchste Gut, das wir haben – und nicht Aktivismus, so wichtig der hie und da auch ist.

Der Herausgeber der Times of Israel David Horovitz schreibt am 30. Juli 2025:

Wird der Premierminister verspätet die am wenigsten schlechte der miserablen Optionen zur Beendigung des Krieges wählen – ein Abkommen, um alle möglichen Geiseln zurückzuholen, und die Bereitschaft, einen von den USA geführten internationalen und regionalen Mechanismus zum Aufbau eines nicht mehr gefährlichen Gazastreifens zu schaffen – zum Preis einer streng überwachten Rolle für die zutiefst problematische PA, aber ohne Rolle für eine entwaffnete, abgelöste Hamas? Ein solcher Schritt würde auch den globalen diplomatischen und potenziellen wirtschaftlichen Druck für eine palästinensische Staatlichkeit verringern, die die Hamas belohnen und Israel erneut bedrohen würde.

Oder ist er, der bereits Israels Justiz und demokratischen Charakter attackiert, entschlossen, eine unhaltbare, langfristig nicht tragbare Besetzung des Gazastreifens zu initiieren, die Israels Isolation vertiefen und es zu einem erweiterten Staat mit schwindendem jüdischen Anteil machen würde – was das vollständige Scheitern der jüdisch-demokratischen zionistischen Vision bedeuten würde?

Gleichzeitig verurteilen im Juli 2025 auf einer Konferenz in New York City, die von Frankreich und Saudi-Arabien initiiert wurde, arabische Staaten wie Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Jordanien und andere den Terror der Hamas vom 7. Oktober, fordern ein Ende der Hamas – und Übergabe der Waffen etc. an die Palästinensische Autonomiebehörde – und erkennen den jüdischen Staat Israel an und fordern eine Zweistaatenlösung. Gerade jetzt!

Das ist eine ungeheuerliche Ungleichzeitigkeit – Israel begeht die wohl schlimmsten Verbrechen in seiner Geschichte – als völlig aus dem Ruder gelaufene Reaktion auf das schrecklichste Massaker an Juden seit der Shoah durch Palästinenser, die Hamas und dem Islamischen Dschihad am 7. Oktober 2023 – und die arabischen Staaten erkennen den einzigen Judenstaat endlich an und fordern: Frieden. Zwei Völker, zwei Staaten.

Update, 4. August 2025:

Der Fellow bei der Foundation for the Defense of Democracies Hussain Abdul-Hussain schreibt in einem Blog-Text für die Times of Israel, dass diese Initiative allerdings auf der UN-Resolution 194 vom 11. Dezember 1948 basiert, die ein „Rückkehrrecht“ für palästinensische und jüdische Flüchtlinge vorsieht. Es ist natürlich eine absurde Resolution, da sie den jüdischen Charakter Israels in Frage stellt, damals wie heute. Wobei die damals ca. 700.000 vertriebenen und auch aus eigenen Stücken gegangenen Araber sich heute auf ca. 5,9 Millionen vermehrt haben. Das Absurde ist, dass sich dieser Flüchtlingsstatus vererbt, was natürlich völkerrechtlich höchst zweifelhaft ist – da nahe alle heute lebenden Palästinenser nach 1948 geboren wurden und gar nicht vertrieben wurden. Wie Hussain Abdul-Hussain festhält, haben 5 Millionen der heute 5,9 Mio. behaupteten palästinensischen „Flüchtlinge“ eine andere Staatsangehörigkeit, z.B. deutsch, niederländisch, amerikanisch. Die Einfügung dieses Passus in das 30-seitige Dokument ist insofern für Israel nicht tragbar:

14. We urged rnernber States, the United Nations, its agencies, international organizations to provide resources and assistance at scale to support recovery and reconstruction, including through a dedicated reconstruction international Trust Fund to that airn. We underlined the indispensable role of UNR W A, and expressed our cornrnitrnent to continue supporting, including through the appropriate funding, the agency in the irnplernentation of its rnandate and welcorned its cornrnitrnent and ongoing efforts to irnplernent the recornrnendations of the Colonna report. Upon the achievernent of a just solution to the Palestinian refugee issue to be agreed upon in accordance with U.N. General Assernbly Resolution 194, UNRWA will hand over its public-like services in the Palestinian territory to ernpowered and prepared Palestinian institutions.

Von daher ist es auch so wichtig, von Israel als jüdischer Staat zu sprechen – genau genommen jüdisch und demokratisch, was in der Tat in Frage steht aufgrund der rechtsextremen Politik von Netanyahu seit vielen Jahren – und nicht nur von Israel. Denn Palästinenser würden gegebenenfalls ein Israel, das kein jüdischer, sondern ein binationaler Staat mit einer potenziell arabischen Mehrheit wäre, auch leichter anerkennen.

Dass eine Anerkennung eines Staates Palästina am Ende des Friedenssprozesses stehen sollte, war lange Jahre Konsens. Jetzt erodiert das – Frankreich wird Palästina anerkennen, vermutlich auch UK und Kanada, was die FAZ auf die Palme bringt.

Doch was, wenn gerade die arabischen Staaten die Hamas ausschalten wollen, diplomatisch?

Man hätte doch, wenn der Judenhass so groß ist in der arabischen Welt, erwarten müssen, dass die arabischen Staaten sich jetzt so stark gegen Israel wenden wie selten zuvor.

Aber was tun sie? Sie bieten Frieden an – WENN, ja nur wenn Israel eine Zweistaatenlösung akzeptiert – was wie gesagt mit der UN-Resolution 194, die Israel zwar taktisch unterschrieben hat, aber nicht umsetzen wird und kann, niemals gehen wird. Es gibt kein Rückkehrrecht für Palästinenser, die überhaupt nicht vertrieben wurden und selbst jene, die vertrieben wurden, haben kein solches Recht – denn dann hätten völkerrechtlich gesehen auch über 12 Millionen Deutsche direkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein Rückkehrrecht nach Pommern, Schlesien etc. bekommen müssen, was sie natürlich nicht bekamen. Sie haben einen Krieg verloren – so wie die Araber 1948 den Krieg gegen Israel verloren haben.

Das heißt: Ende der Siedlungen im Westjordanland und jene, die dort sind, können Teil eines Staates Palästina werden, womit auch die Palästinenser lernen könnten – wie die Juden in Israel -, was es heißt, mit einer ca. 20-prozentigen nationalen Minderheit im Staat zu leben. Völlig unrealistisch, in der Tat. Aber in Israel klappt es seit 1948 …..

Wenn das hier und heute nicht ein historischer Moment ist, was dann?

Schlechter als Israel kann man eine solche Mega-Krise gar nicht kommunizieren.

Warum lässt Israel keine Journalist*innen aus Gaza berichten? Weil niemand sehen soll, was dort passiert, ganz einfach. Würde Israel sich an das Kriegsrecht halten, müsste es keine Angst vor unabhängigem Journalismus haben. Dass es viele böswillige und antisemitische Journalist*innen gibt – klar. Aber es könnten ja auch die zionistischen und trotzdem unabhängigen Journalist*innen berichten und Fake News korrigieren etc. pp.

Doch Netanyahu wird alles tun – alles – um den Krieg weiter zu verlängern, an der Macht zu bleiben, die Besatzung im Westjordanland auszubauen und die Siedlergewalt offensiv zuzulassen und Pläne für die völlige Zerstörung Gazas zu forcieren, inklusive der Hungerpolitik gegenüber Gaza – ein Bruch mit dem Völkerrecht und dem Kriegsrecht.

In den USA schwindet der Rückhalt für Israel dramatisch.

Der bekannte, junge, zionistische Journalist und Senator Jon Ossoff aus dem US-Bundesstaat Georgia hat sich vor wenigen Tagen gegen bestimmte Waffenlieferungen wie Gewehre an Israel ausgesprochen („Erstmals Mehrheit von Linksliberalen im US-Senat für Blockade von Waffenlieferungen an Israel„), zugleich aber grundsätzlich betont, dass Israel Waffen braucht, um sich vor Angriffen zu schützen – aber er will keine Waffen an den Fascho Ben Gvir schicken lassen, der Oberster Polizeichef in Israel ist.

Wenn jetzt Deutschland und Jordanien Hilfsgüter über Gaza mit Flugzeugen und Hubschraubern via Fallschirmen abwerfen – ist das ein Katastrophe für Israel. Zwar sind die geringen Mengen an Nahrung oder Medizin, die auf diese Weise in den Gazastreifen gelangen, wirklich nur symbolisch – aber noch symbolischer ist es, dass eine Demokratie, die Israel ja auf dem Papier ist, eine ganze Bevölkerung aushungert und andere Länder mit solchen Maßnahmen helfen müssen, was gerade von engen Freunden wie Deutschland bemerkenswert ist.

Das brachte die bekannte Fernsehmoderatorin Yonit Levi von Channel 12 dazu, von einem „moralischen Versagen“ Israels zu sprechen  – live im TV – und nicht nur von einem „Versagen der PR-Kampagne“. Dafür wird sie von rechten Medien und Hetzern aller Art unter anderem als „Sprecherin der Hamas“ diffamiert, wie die Haaretz berichtet. Yonit Levi betreibt auch den Podcast Unholy mit dem Guardian-Kolumnisten Jonathan Freedland, der meist die liberal-zionistische Position vertritt, während sie immer eher mainstreamiger und angepasster redet und wirkt. Das hat sich jetzt etwas geändert, wie auch die Haaretz festhält.

Der Professor für Jüdische Studien an der University of California Los Angeles David N. Myers, der auch viel zu Zionismus und zu Antisemitismus forscht, schreibt am 31. Juli 2025 – und das, was er meint, kann man sicher auch säkular übersetzen und man kann Solidarität mit den Palästinensern haben ohne gleich einen „Gottesdienst“ mitzumachen, das ist eh klar:

Tisha B’Av [dieser jüdische Feiertag beginnt am heutigen Samstagabend, CH] erinnert in der Regel an eine Reihe von Katastrophen, die das jüdische Volk heimgesucht haben, beginnend mit der Zerstörung des Ersten und Zweiten Tempels in der Antike. Letztes Jahr wurde an Tisha B’Av das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 in die lange Kette jüdischen Leidens aufgenommen, und es wurden neue Kinot, poetische Klagelieder, verfasst, um den unerträglichen Schmerz dieses Tages zum Ausdruck zu bringen.

Aber dieses Jahr ist es anders. Die Juden sind nicht die Opfer. Wir sind die Täter.

(…)

Zunächst müssen wir die palästinensischen Opfer dieser schrecklichen Gewalt beim Namen nennen, sie menschlich machen und bei jeder Gelegenheit laut für ihr Wohlergehen beten, genauso wie wir für die Rückkehr der israelischen Geiseln beten, die noch immer in Gaza festgehalten werden.

Zweitens müssen wir neue liturgische Formen in unsere Gottesdienste integrieren, die nicht nur die verzweifelte Lage der Palästinenser in Gaza zum Ausdruck bringen, sondern auch ihre grundlegende Menschlichkeit. Dabei sollten wir der Bitte eines der bedeutendsten Dichter aus Gaza, Refaat Alareer, Folge leisten, der prophetisch schrieb, bevor er bei einem israelischen Luftangriff ums Leben kam: „Wenn ich sterben muss, lebe du, um meine Geschichte zu erzählen.“

Dany Bahar läutet die Alarmglocke – doch wer wird sie hören? Die schweigenden ach-so-dermaßen-unbedingt-pro-israelischen Aktivist*innen und Publizist*innen hierzulande? In USA sind sie da hellhöriger und kritischer:

Für viele von uns haben die Argumente, mit denen wir Israel lange Zeit erklärt, verteidigt und uns mit ihm solidarisiert haben, angesichts der glaubwürdigen Berichte über die aktuellen Ereignisse vor Ort keine Gültigkeit mehr.

Israel sollte alarmiert sein, wenn die schweigende Mehrheit der Juden in der Diaspora – viele von ihnen „besorgte, engagierte Zionisten“ –, die ihm mit Liebe und Kampfgeist zur Seite gestanden haben, beginnt, sich abzuwenden. Und es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass dies der Fall ist.

Es ist antisemitisch, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Das tut die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Man sieht das auch auf T-Shirts oder Postern antizionistisch-antisemitischer Gruppen und Aktivist*innen, da die Landkarte dort nur ein Land kennt: Palästina, womit Gaza, die Westbank und Israel gemeint sind. Jetzt hat ein Richter des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin eine Aktivistin freigesprochen, die diesen Vernichtungsslogan gegen den einzigen Judenstaat hinausschrie und sich auch dazu bekennt. Der Richter hat „Hochachtung“ vor dem Engagement der Täterin, die Staatsanwaltschaft ist konsterniert und legt erstmal ein „unbestimmes Rechtsmittel“ gegen den Freispruch ein.

Das macht natürlich in der Pro-Israel Szene seine Runde, zu Recht. Aber dafür schweigen die meisten dieser Aktivist*innen zur rechtsextremen und Hungerpolitik von Netanyahu, der israelischen Regierung wie der israelischen Armee IDF.

Daher eine weitere jüdisch-zionistische Stimme aus dem Forward, der Kolumnist Sruli Fruchter schreibt am 25. Juli 2025:

Rabbi Abraham Isaac Kook, der geistige Großvater des religiösen Zionismus, verurteilte Nationalismus oft als eine Form von unmoralischem Chauvinismus, der zwangsläufig in Brutalität enden würde. Was den jüdischen Nationalismus seiner Meinung nach von anderen unterschied, war, wie Rabbi Yoel Ben-Nun einmal schrieb, sein Engagement für die Menschheit „als Paradigma für Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und Gesetz für alle Völker“.

Man braucht nur einen Blick auf die Fotos und Videos aus Gaza zu werfen, um das dortige Grauen zu sehen – ausgemergelte Kinder, hungernde Mütter, zerstörte Hoffnung – und zu erkennen, wie sehr Israel versagt. Der größte Verrat besteht darin, diese Hungersnot weitergehen zu lassen, anstatt zuzugeben, dass sie stattfindet.

Für unabsehbar lange Zeit werden Bilder von Hungernden jetzt mit Israel assoziiert. Ein unfassbarer Vorgang, an dem Israel Schuld trägt und niemand sonst – es ist die Besatzungsmacht und könnte unendlich viele LKWs in den Gazastreifen lassen, damit die Hamas gar nicht hinterherkäme, die zu plündern und der Preis auf dem Schwarzmarkt würde ins Bodenlose fallen. Doch das will Israel absichtlich nicht. Sie wollen Hunger verbreiten. Und das muss aufhören – der Schaden ist ohnehin auf Jahre und Jahrzehnte angerichtet. Hungernde Kinder und Israel ist Schuld – das bleibt in Milliarden Köpfen jetzt hängen. Gerade auch nicht-antisemitische Menschen können einen solchen Staat nicht mehr bedingungslos unterstützen, das sagen alle hier zitierten Autorinnen und Autoren.

Denn schließlich sagt der berühmteste von ihnen, der oben zitierte, zionistische, preisgekrönte und in über einem Dutzend Sprachen übersetzte israelische Schriftsteller David Grossmann am 1. August 2025 Folgendes:

Der preisgekrönte israelische Autor David Grossman bezeichnete am Freitag erstmals die Militäraktion seines Landes im Gazastreifen als „Völkermord“ und erklärte in einem Gespräch mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica, dass er diesen Begriff mit „großem Schmerz und gebrochenem Herzen“ verwende.

Seine Äußerungen erfolgten vor dem Hintergrund wachsender weltweiter Besorgnis und Empörung über die weit verbreitete Hungersnot in dem vom Krieg zerrütteten Gebiet aufgrund unzureichender Lebensmittelversorgung.

„Viele Jahre lang habe ich mich geweigert, den Begriff ‚Völkermord‘ zu verwenden“, sagte der bekannte Schriftsteller und Friedensaktivist der Zeitung. „Aber jetzt, nachdem ich die Bilder gesehen und mit Menschen gesprochen habe, die dort waren, kann ich nicht anders, als ihn zu verwenden.“

Sicher wird der Großteil der deutschen Oberlehrer*innen, die in der Pro-Israel Szene aktiv sind, David Grossmann als Israelfeind, Antizionist oder Antisemit diffamieren. Weil eigentlich, wenn wir mal ehrlich sind, niemand so gut weiß, was für Juden wirklich gut ist, als (nicht-jüdische) Deutsche aus der Pro-Israel Szene.

Sapere aude.

Der Militärstratege Maxim Biller, eine Hungersnot und Waffengewalt in Gaza

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Viele Deutsche und vor allem die kulturelle Elite des Landes, die sich doch sonst zu allem sofort und wortgewaltig äußern, haben am 7. Oktober 2023 geschwiegen oder gelacht – es ging ja auch nur um Juden, die massakriert wurden. Die Täter waren Palästinenser, nicht nur die Hamas und der Islamische Jihad, auch Zivilistinnen machten mit und feierten das Abschlachten von Jüdinnen und Juden oder kochten einen Hirsebrei für die verschwitzten und blutverschmierten Söhne und Brüder – in den Häusern der massakrierten jüdischen Israelis in den Kibbutzim, zum Beispiel in Nir Oz.

Wir haben es täglich mit Antisemitismus im Alltag zu tun, seien es verschleierte muslimische Frauen, die sich ein Palästinensertuch um die Schulter legen, wenn sie in den Bus einsteigen, säkulare linksradikale Antisemiten, die mit ihren Graffiti „Free Gaza“ Tod den Juden und Israel meinen, oder aber verdruckster und erinnerungsabwehrender im deutschen Mainstream, wie die Jüdische Allgemeine am 29. Mai 2025 berichtet:

Endlich ist die Vergangenheit Geschichte oder die Geschichte Vergangenheit. Das jedenfalls erklärt Gabor Steingart, Ex-Handelsblatt-Chefredakteur und Gründer von Media Pioneer, in seinem jüngsten Kommentar im Nachrichtenmagazin »Focus«. Denn »Deutschland war Gefangener der Hitlerzeit«, so behauptet er, und mit den kritischen Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz an Israels Kriegsführung im Gazastreifen »hat diese Haltung ein Ende«.

Das ist der Ausgangspunkt.

Es muss darum gehen, Israel zu unterstützen und den Zionismus zu verteidigen.

Israel muss als jüdischer und demokratischer Staat erhalten bleiben.

Kampf gegen Antisemitismus heißt logisch auch Kampf gegen den Antizionismus.

Daher ist es auch so eine Katastrophe, dass ein Linker und Antizionist jetzt beste Chancen hat, Bürgermeister der Stadt mit den meisten Juden weltweit zu werden – in New York City.

Worum geht es? Der Schriftsteller Maxim Biller hat in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit eine seiner Kolumnen publiziert – Morbus Israel. Warum regen sich die Deutschen immer so über die Juden des Nahen Ostens auf?

Darin rechtfertigt er die Strategie, dass Palästinenser*innen in Gaza Hunger leiden und nimmt achselzuckend zur Kenntnis, ja verteidigt, dass immer wieder Palästinenser von israelischen Soldaten offenbar willkürlich erschossen werden.

Maxim Biller schreibt (Die Zeit, 26. Juni 2025, Feuilleton, S. 44):

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß.

Dass auch die israelischen Geiseln dann hungern – was juckt das den Superstrategen und Kolumnisten Biller? Hat er sich je mit den Angehörigen der Geiseln unterhalten, die seit über einem Jahr einen Deal fordern und panische Angst haben um ihre Liebsten, die durch die Hungersnot noch zusätzlich leiden?

Es gibt in der Tat Millionen ganz normale Deutsche, die wie ihre Großväter gegen ‚den‘ Juden kämpfen oder Israel mit den Nazis vergleichen, man schaue sich die täglichen Leserbriefe in jeder ganz normalen deutschen Tageszeitung an.

Das hat aber exakt gar nichts mit der internationalen Kritik an den vermuteten Kriegsverbrechen in Gaza oder der Siedlergewalt im Westjordanland zu tun und der religiös-extremistischen Ideologie und Praxis der israelischen Regierung.

Aktuell kritisieren zumal Zionisten in Israel ihr eigenes Land und die Kriegsführung.

Es geht um die Verteilung von Essenspaketen im Gazastreifen. Dazu schreibt die Haaretz, die links und zionistisch ist, am 27. Juni 2025 (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

„Es ist ein Schlachtfeld“, sagte ein Soldat. „Wo ich stationiert war, wurden jeden Tag zwischen einem und fünf Menschen getötet. Sie werden wie eine feindliche Macht behandelt – keine Maßnahmen zur Kontrolle der Menschenmenge, kein Tränengas – nur scharfes Feuer mit allem, was man sich vorstellen kann: schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser. Sobald das Zentrum geöffnet wird, hören die Schüsse auf, und sie wissen, dass sie sich nähern können. Unsere Art der Kommunikation ist das Gewehrfeuer“.

Der Soldat fügte hinzu: „Wir eröffnen frühmorgens das Feuer, wenn jemand versucht, sich aus einigen hundert Metern Entfernung zu nähern, und manchmal stürmen wir einfach aus nächster Nähe auf sie zu. Aber es besteht keine Gefahr für die Truppen.“ Ihm zufolge „ist mir kein einziger Fall von Gegenfeuer bekannt. Es gibt keinen Feind, keine Waffen.“

Was schreibt Maxim Biller nur einen Tag zuvor in der Zeit?

Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: »Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?« »Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten«, sagt der Arzt, »aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.«

Das ist nicht lustig oder ‚scharf‘, sarkastisch oder polemisch, das ist zynisch und menschenverachtend.

Biller verachtet nicht ’nur‘ palästinensische Zivilist*innen (so übel die in weiten Teilen sein mögen und am 7. Oktober mitgemacht haben auf die eine oder andere Weise), sondern auch israelische Soldaten, die das nicht mehr aushalten und mit der Haaretz darüber sprachen.

Er verachtet noch mehr die Palästinenser*innen in Gaza, die ja schon zuvor zu Zehntausenden Opfer von israelischen Angriffen wurden, wovon offenbar sehr wohl auch bis zu 20.000 Hamas-Kämpfer waren, aber darüber hianus ca. 30.000 Zivilist*innen.

Die Redaktion der Zeit hat diese Abgründe des Textes nicht erkannt und der Text wurde gedruckt.

Dann gab es einen Aufschrei von einigen Leser*innen der Zeit und die Redaktion hat auf lächerliche Weise den auch online publizierten Text wieder depubliziert – nachdem er Hunderttausendfach gedruckt in jedem Kiosk vorliegt.

Das ist lachhaft und zeigt die doppelte Unprofessionalität der Zeit.

Wer von einer „strategisch richtigen Hungerblockade“ schreibt, ist ein Zyniker, kein Kritiker des Antisemitismus der Deutschen, den es ja ohne Ende in der Tat gibt.

Der Text von Maxim Biller schadet Israel und den Juden.

Biller ist keineswegs ein Polemiker wie es zum Beispiel Eike Geisel war, der den Antisemitismus der ganz normalen Deutschen zumal der frühen 1990er Jahre luzide attackierte und offenlegte.

Doch Biller ist kein Polemiker, er ist ein Zyniker, der im Kern die schlimmen Zustände, womit hier die israelische Kriegsführung gemeint ist, affirmiert und nicht aufheben oder bloßlegen möchte.

Er lebt offenkundig in einer Zeitschlaufe der Jahre 1998 bis 2002, als der antisemitische Schriftsteller Martin Walser im Oktober 1998 in seiner Paulskirchenrede die Abwehr der Erinnerung an den Holocaust im deutschen Mainstream fest verankerte und dafür vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Bundeskanzleramt eingeladen wurde, am 8. Mai 2002.

Zwar ist die Abwehr der Erinnerung weiterhin sehr weit verbreitet und hat mit dem Postkolonialismus noch ein weiteres linkes Muster des Antisemitismus hinzubekommen.

Doch heutzutage, nach 25 Jahren Pro-Israel-NGO-Szene, haben wir einen konservativen Kanzler, der sich bei Israel bedankt, das islamfaschistische Regime in Teheran in seine Schranken gewiesen zu haben, und „die Drecksarbeit“ für uns gemacht zu haben, einmal abgesehen davon, dass militärisch noch gar nicht klar ist, was genau erreicht wurde mit den israelischen und amerikanischen Militärschlägen im Iran. Ein Ende des islamistischen Regimes in Teheran ist leider nicht absehbar – doch Israel hat die Möglichkeit, jederzeit dort militärisch einzugreifen, was sehr wichtig ist.

Was Biller nicht erwähnt, weil es nicht passt: Der Bundestag, der den Ukraine-Krieg nicht diplomatisch beendet sehen möchte, sondern ihn weiter anfachen tut und auch die unerträgliche Aufrüstung beschlossen hat und Deutschland zu einem Militärstaat machen wird, der 20 bis 30 Prozent des gesamten Bundeshaushalts für Kriegsvorbereitung („Verteidigungshaushalt“) ausgeben wird die nächsten Jahrzehnte, hat die letzten Jahre Resolutionen gegen die antisemitische Boykottbewegung gegen Israel BDS sowie für den Schutz jüdischen Lebens verabschiedet.

Gleichzeitig haben wir eine aggressive zumal linke antisemitische Szene, die am 7. Oktober 2023, als Palästinenser und die Hamas 1200 Jüdinnen und Juden in einem genozidalen Massaker im Süden Israel, in Kibbutzim, Moshavs und auf einem Musikfestival auf unschilderbare Weise abschlachteten, lachte, kicherte, klatschte oder aber großteils schwieg. Es wurden von der Hamas und den Palästinensern 251 Geiseln genommen, viele wurden in „Geiseldeals“ freigelassen – im Gegenzug zum Freilassen von kriminellen und blutbeschmierten palästinensischen Terroristen, die aus israelischen Gefängnissen freikamen – von denen vermutlich nur noch 20 leben.

Der Krieg, den die Hamas am 7.10.23 begann und den Israel einige Wochen später als Abwehrkrieg gegen den Jihad, Islamismus und antizionistischen Palästina-Kult als Abwehrkrieg fortführte, war notwendig und berechtigt. Es wurde aber seit langer Zeit klar, dass ein Krieg gegen eine in der Zivilbevölkerung vernetzte Terrororganisation nicht zu gewinnen ist. Die Angehörigen und Freund*innen der Geiseln, das Hostage Forum, sind seit 2024 in höchster Alarmbereitschaft, weil sie der israelischen Regierung vorwerfen, nicht genug zur Freilassung der Geiseln zu tun.

Die rechtsextreme israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu, der selbst eher ein Opportunist war, konservativ, aber nicht rechtextrem wie Ben Gvir oder der selbst ernannte Faschist Smotrich, hat mehrere Geiseldeals offenbar vorsätzlich nicht gemacht, weil das das Ende des Gaza-Krieges bedeutet hätte. Das Ziel ist aber nach der Zerstörung von Gebäuden (50 Prozent aller Gebäude sind vollständig zerstört), auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen zu vertreiben oder zur Emigration zu bewegen.

Biller schreibt:

Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß. Das Drama, das sie dann aufführen, begleitet von der bigotten Beschwörungs-
formel »Das Völkerrecht! Das Völkerrecht!«, mit der sie niemals Leute wie Sinwar oder Ali Chamenei belegen würden, hat nichts mit einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung zu tun.

Richtig. Aber: Nur weil Antisemiten mit dem Wort „Völkerrecht“ herumfuchteln, gerade und fast immer nur, wenn es um Israel und die Juden geht, heißt das nicht, dass es kein Völkerrecht gibt!

Der Springer-Konzern und Andreas Rosenfelder von der Tageszeitung Die Welt stellen sich hinter Biller:

Wer auch nur ein paar Zeilen von Maxim Biller gelesen hat, der weiß, dass dieser tragische Sarkasmus, der die jüdische Literaturtradition von der deutschen mit ihrer auftrumpfenden Thomas-Mann-Ironie unterscheidet, ein Wesensmerkmal seiner Texte ist. Anstatt zu vertuschen und zu verschleiern, spricht der Witz die unerträgliche Realität aus, dass der Kampf gegen den Hamas-Terror im Alltag der Soldaten konkret bedeutet, „auf Araber zu schießen“. Und in der Antwort des Arztes benennt der Witz die noch brutalere Wirklichkeit, dass es für diese Unerträglichkeit keine Therapie gibt. Denn sie betrifft die Existenz jedes Juden in Israel.

Das ist eben Ideologie und faktenfrei. Das Erschießen von nach Nahrung anstehenden Zivilist*innen ist ein Verbrechen – wenn der Haaretz-Bericht so stimmt und es gibt außer Dementi der IDF keinen Grund, ihm nicht zu glauben – und hat mit der „Existenz jedes Juden in Israel“ nichts zu tun – abgesehen von dem ethischen und moralischen Schaden für Juden in Israel, die durch solche IDF-Aktionen entstehen.

Die Berliner Zeitung hingegen schreibt:

Ausführlich hat sich auf Instagram der Autor und Verleger Dinçer Güçyeter zu Billers Text geäußert. Der 2023 für seinen Roman „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnete Schriftsteller wendet sich direkt an Maxim Biller: Kollegen öffentlich zu diffamieren gehöre eigentlich nicht zu seinem Geschäftsmodell, schreibt Gücyeter. „Gestern, beim Lesen deiner Kolumne, habe ich mich gefragt, wie ein Autor so über seine Wut stolpern kann. Die ganze Nacht habe ich nach einer Antwort gesucht. Dieser Zynismus, dieses Gemetzel unter dem Schleier des Wortes ist genauso schmerzhaft wie die Meinung von Ahnungslosen, die sich für Nahostexperten halten, weil sie mal eine Shisha von unten gesehen haben.“

Die kapitalistische Weltwirtschaft verstößt tagtäglich seit Jahrzehnten gegen das „Völkerrecht“. Das juckt von den Eliten kaum jemand, das ist klar. Weltweit hungern aktuell ca. 735 Millionen Menschen. Das ist aber kein Grund, auch die mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen in Gaza vorsätzlich und perfide hungern zu lasen – und die jüdischen Geiseln somit auch.

Das Institut für Menschenrechte hält fest:

Nach Angaben der Vereinten Nationen hungern weltweit 735 Millionen Menschen. Und das, obwohl jeder Mensch ein Recht auf Nahrung hat. Warum ist das so?

Sarah Luisa Brand: Gleich vorab: Im Jahr 2024 müsste kein Mensch mehr hungern, denn es wird genug Nahrung für alle produziert. Hunger ist also vor allem die Folge ungleichen Zugangs zu Nahrung. Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht genug zu essen haben, beispielsweise Armut, Diskriminierung oder soziale Benachteiligung. Kriege und bewaffnete Konflikte führen dazu, dass Menschen ihr Zuhause und ihr Einkommen verlieren und landwirtschaftliche Flächen, Betriebe oder Infrastruktur zerstört werden.

(…)

Das Menschenrecht auf Nahrung besagt, dass Nahrung für jeden Menschen angemessen, verfügbar, zugänglich und bezahlbar sein muss. Völkerrechtlich verbindlich ist es in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 verankert. 2004 verabschiedete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom „Freiwillige Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssicherung“.

In der Berliner Zeitung heißt es weiter zu Maxim Biller, dem großen Strategen ohne Empathie und Ethik:

Die Kolumne, die in ihrer Drastik einen Einblick in das Denken vieler Unterstützer Israels erlaubt, mag sich zwar vor allem an vielen Deutschen und ihren Doppelstandards etwa bei der Kritik an Israels Regierung abarbeiten und mit der Wucht des durchaus nachvollziehbaren Hasses Punkte treffen. Dieser rhetorische Angriff Billers geht aber vor allem auf die Kosten der Palästinenser. Und deshalb kommt nun vehementer Widerspruch.

Das ist die Pointe. Es geht Biller nur um die deutschen Befindlichkeiten, die Schuldabwehr und Schuldumkehr. Dieses Muster gibt es, aber es greift hier nicht, weil man sieht, wie wenig Biller im internationalen Diskurs über den sinnfreien Krieg in Gaza drinsteckt. Er ignoriert offenkundig die von IDF-Soldaten beschriebenen und nicht widerlegten Verbrechen.

Zudem schreibt die Berliner Zeitung in dem zitierten Text:

Auf Instagram hat sich auch der 1987 in Haifa geborene Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus geäußert, der seit 2010 in Berlin lebt und 2023 mit seinem Romandebüt „Birobidschan“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, ein Buch, das auch im Feuilleton der Zeit sehr gut besprochen worden ist. Nicht nur, dass Dotan-Dreyfus sein Zeit-Abonnement aufgrund von Billers Text gekündigt hat und zum Boykott der Zeitung aufruft. Er schreibt:„Das Problem, liebes Zeit-Team, ist nicht ein Text von Maxim Biller. Das Problem ist, dass ihr eine Atmosphäre kreiert habt, in der ein solcher Text entstehen kann.“

 

Richtig: Ohne die Islamfaschisten der Hamas gäbe es diesen Krieg gar nicht. Punkt.

Aber ohne Netanyahu und seine ignorante Fan-Basis wäre es vermutlich gar nicht zum 7.10 gekommen – Warnungen wurden absichtlich ignoriert, unter anderem weil sie von weiblichen IDF-Sicherheitsexpertinnen kamen und die patriarchale Führungsstruktur der IDF das lächerlich machte; es war zu wenig Militär vor Ort und der Grenzzaun war alles nur nicht unüberwindbar –  und zumal dieser Krieg vermutlich längst beendet und die Geiseln endlich befreit.

Die Zerstörungen im Gazastreifen, das Zerstören von Tausenden von Häusern sind militärisch nicht zu begründen, die Rückkehr der Geiseln haben sie nicht gebracht. Das offen ausgesprochene Ziel der israelischen Regierung ist die Vertreibung oder Zusammenpferchung der Palästinenser auf ca. 25 Prozent der Fläche des Gazastreifens und die Wiederbesiedelung mit jüdischen/israelischen Siedlern.

Es gibt also eine rechtsextreme Regierung in Jerusalem, die alles dafür tut, die Zweistaatenlösung – die seit 1947 von den Arabern und Palästinensern abgelehnt wird! – unmöglich zu machen.

Wenn die von Israel bewaffneten islamistischen Gruppen wie die Shabab-Miliz und andere in Gaza für dieses Töten von Zivilist*innen auch mitverantwortlich sein sollten, liegt auch hierbei die Verantwortung bei der Besatzungsmacht, Israel.

Das ist der ethische Grundgedanke des Philosophen Emmanuel Levinas, auf den ich ja die letzten Monate schon hinwies, da er 1982 in Beirut bei dem (christlichen) Massaker an Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila die Besatzungsmacht Israel verantwortlich machte, da sie es hätte verhindern können und müssen:

„Aber es gibt auch eine ethische Grenze dieser politischen Existenz, eine ethisch notwendige“ sagt er am 28. September 1982 in dem Gespräch mit Shlomo Malka und Alain Finkielkraut, wenige Tage nach dem Massaker an einigen Hundert bis zu Tausenden Palästinensern in Sabra und Schatila.

Levinas wendet sich auch gegen den „Messianismus“ und betont die Bedeutung der Verinnerlichung von Gewalt durch den (so überlebensnotwendigen) Sieg im Sechstagekrieg 1967, wovon 1970 auch der Linkszionist Amos Oz in einem Gesprächsband mit israelischen Soldaten berichtet hat („Man schießt und weint“). Von diesem Leiden ist Biller weit entfernt, er schreibt auch nicht „sarkastisch“, wie viele seiner rechten Freund*innen (von express.at bis Nius etc. pp.) meinen, sondern wie gesagt: zynisch. Und Zynismus ist mit dem Bestehenden – hier der Gewalt der IDF in Gaza – einverstanden.

Dass es die über 500 Toten jedoch gibt, ist unbestritten, fast täglich berichten ja die Medien darüber wie die Times of Israel. Doch Biller stellt nicht mal in Abrede, dass die Verbrechen passieren, sondern behauptet, im Witz verkleidet, dass sie notwendig seien wie das Aushungern von über zwei Millionen Menschen.

Und das ist nicht mehr eine freie Meinungsäußerung, sondern das ist Affirmation und Agitation und hat mit einer Kritik am deutschen Antisemitismus rein gar nichts zu tun.

Natürlich hat Biller mit seiner Attacke auf Markus Lanz grundsätzlich Recht:

Neulich zum Beispiel, bei Lanz, der politischen Talkshow für politische Anfänger, das war noch kurz vor dem Israel-Iran-Krieg. Gerade ging es um die EU, Flüchtlinge und den opaken Minister Dobrindt, als sich im entspannt fragenden Gastgeber plötzlich alles zusammenzog. Denn jetzt war der Nahe Osten dran! Er ging in seinem Moderatorenstuhl in eine raubtierhafte Angriffshocke, er zischte und fauchte, statt zu sprechen, und versuchte immer wieder, von seinen Gästen die Aussage zu erpressen, dass Israel im Gazastreifen der Al-Kassam-Brigaden »Kriegsverbrechen« begehe. Und während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ihm erklärte, wie selbstkritisch und demokratisch die israelische Gesellschaft sei und dass er dieses Land nie aufgeben würde, rollte der nervlich stark angegriffene Moderator mit den Augen wie Elon Musk auf Ketamin.

Nur weil ein deutscher Dampfplauderer, der von allem und nichts wirklich eine Ahnung hat, von möglichen Kriegsverbrechen in Gaza redet, heißt das doch nicht, dass es die nicht geben kann! Wo lebt denn Maxim Biller? In Berlin, alles klar.

2019 schrieb ich:

Am Dienstagabend, 5. März 2019, hatte sich der gebührenfinanzierte Dampfplauderer vom Dienst, Markus Lanz, neben Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, den ehemaligen Bundesminister und das SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi zum Plausch in die nach ihm benannte Sendung im ZDF geladen. Was der Gast dabei von sich gab – und der Moderator durchgehen ließ, ohne nachzufragen, ließ tief blicken und indiziert, wie die politische Kultur in diesem neuen Deutschland funktioniert, auch ganz ohne AfD.

Für einen ganz normalen Deutschen ist Wissenschaft unnötig. Er oder sie weiß es aus eigener Anschauung ohnehin besser. Jeder gute Deutsche hat einen „gesunden Menschenverstand“, was Kritiker als ungesund oder krank dastehen lässt. Dohnanyi machte in der Sendung den Austritt der SPD aus der Reichsregierung 1930 für den Aufstieg der NSDAP verantwortlich. Widerstand habe es massenhaft in Deutschland gegeben, nach 1933, fast jeder und jede hatte einen Juden, der versteckt oder versorgt wurde, das war der Tenor des SPDlers. So klang dieser mit vollem Kalkül vorgetragene Schrei gegen die heutige Schonzeit für Juden aus dem Munde eines SPD-Vordenkers. Es müsse Schluss sein mit der Erinnerung an die „Judenvernichtung“, die Zukunft rufe, so sprach er.

Da wird der zapplige, nie den Status des pubertierenden Strebers loswerdende Lanz, der sich quasi freut wie Oskar, der seinen ehemaligen verknöcherten autoritären Schulleiter wiedertrifft und der alleine für das Wackeln mit seinen aalglatten Schuhen einen Werbevertrag einer großen Schuhfirma erhalten sollte, ganz hellhörig. Er habe jüngst ein Interview mit dem Historiker Götz Aly gelesen, der darauf abheben würde, dass „Hitler den Sozialstaat aufgebaut habe“. Hitler und Sozialstaat, da werden Deutsche ganz wuschig, das ist spannend und irgendwie doch fast verboten. Sind eventuell gar Juden im Publikum? Oder vor den TV-Geräten? Wurden die Juden von einem ganz modernen Sozialstaat ermordet? War es gar nicht böse gemeint?

Wenn Maxim Biller Lanz so oder ähnlich kritisiert hätte, warum nicht? Hat er aber nicht, sondern er affirmiert eine nicht mehr zu rechtfertigende Kriegsführung, die den Palästinensern und Israel extrem schadet, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die einen sind tot, die anderen psychisch traumatisiert und diplomatisch isoliert.

Und nochmal, an die ganzen Biller-Fans, die jetzt heulen: Es ist klar, ohne die Hamas gäbe es diesen Krieg nicht.

Hat sich Biller mit den Berichten aus Israel mit dem offenkundig willkürlichen Feuern auf Zivilisten, die verzweifelt Nahrung von den LKWs erwarten, überhaupt näher beschäftigt?

Ist es ihm vollkommen egal, was real auf der Welt passiert, solange es nicht in sein Weltbild passt? Offenkundig hat er sich erkundigt, er weiß, dass die IDF auf Araber schießt – und er behauptet auf unerträgliche, zynische Weise, dass es halt nicht anders gehen würde.

Amos Oz dreht sich im Grab um.

Es muss um ein „neues Sprechen“ gehen, um ein Reflektieren innerhalb der völlig eingeigelten und fanatisierten Pro-Palästina- und Pro-Israel-Camps – so fordert es die pro-israelische, gegen Antisemitismus anschreibende Volontärin bei der Zeit, Anastasia Tikhomirova, vor einigen Wochen („Raus aus dem Freund-Feind-Schema„). Das wäre mal eine Lektüre gewesen für Maxim Biller.

Aber hätte Die Zeit wenigstens ein paar linkszionistische Redakteur*innen, wäre diese Kolumne von Maxim Biller, so wie sie da gedruckt steht, nicht erschienen.

 

 

 

 

 

Ein linker muslimischer Feind des jüdischen und demokratischen Staates Israel als nächster Bürgermeister von New York City? Geht’s noch?

Von Dr. phil. Clemens Heni, ehemals Post-Doc, YALE University, New Haven, CT, USA

Die folgenden Worte sprach der Bürgermeister-Kandidat von New York City von November 2025 Zohran Mamdani, den bis vor einem Jahr nahezu niemand kannte, im Mai 2025 in einer Talkrunde in New York City, als er gefragt wurde, ob er die Existenz Israels als jüdischer Staat akzeptiere:

Israel has a right exist. It has a right to exist with equal rights for all.

Man kann sich das hier anschauen (ab Min. 32). Und das ist der wirklich ganz neue Antisemitismus – der natürlich in der taz in der ganzen Euphorie vergessen oder goutiert wird („Lichtblick in New York„), die wie alle Medien jetzt über diesen linkspopulistischen Star schreibt, ohne seinen Israelhass zu erwähnen -, in zwei Sätzen.

Warum ist das der wirklich ganz neue Antisemitismus?

Er lehnt Israel als „zionistisches Gebilde“ zwar ab, aber viel raffinierter als die meisten bisherigen Antisemiten, da er ja so tut, als ob er Israel anerkenne. Der Trick geht exakt so:

In einem ersten Schritt wird so getan, als ob Israel akzeptiert würde.

Doch in einem zweiten Schritt wir sofort klar gemacht, dass Israel nicht als jüdischer Staat akzeptiert wird – also die Zerstörung des jüdischen Staates gemeint ist.

Mamdani wurde explizit gefragt, ob er Israel als jüdischen Staat akzeptiere – und er lehnt das ab. Aber er lächelt dazu und wirkt nicht unbedingt wie ein Totschläger oder Jihadist, trotz identitärem Bart.

Und so ein Typ wird vermutlich Bürgermeister der größten und mächtigsten Stadt des mächtigsten Staates dieser Erde. Zudem ist New York City die Stadt mit der größten jüdischen Bevölkerung weltweit, viel größer als Tel Aviv oder Jerusalem.

Dieser extrem schmierige, aalglatte, aber doch auch äußerst aggressive junge, muslimische, sozialistische „Demokrat“ möchte den einzigen Judenstaat, die einzige Demokratie im ganzen Nahen Osten, offenkundig durch einen binationalen Staat ersetzen, also den jüdischen Staat zerstören.

Er machte auch mit Kopftuch tragenden, also islamistischen Frauen Wahlkampf, wie man auf Bildern sehen kann.

Das schmierige und wirklich ekelerregende philosemitische Herumeiern um zentrale Fragen im Leben – wie die Anerkennung von Israel als jüdischer Staat – bei gleichzeitiger geheuchelter Trauer ob zweier massakrierter Zionist*innen am Abend zuvor in Washington, D.C., hat dieser Bubi mit seinen 33 Jahren schon mega drauf.

Aus so einem wird etwas, er hat ein aggressives Sendungsbewusstsein wie Donald Trump.

Gleich zu Beginn des Interviews betont dieser das Volk aufstachelnde Liebling der New Yorker, dass er total entrüstet sei ob des Mordes an den zwei jungen Zionist*innen, die von einem linken Antisemiten, der auch gegen den jüdischen und demokratischen Staat Israel ist, am Abend zuvor massakriert worden waren.

Vor Beginn des Gespräches möchte der Linkspopulist in einem Statement so tun, als sei er ein Freund der Juden und natürlich gegen Gewalt. Schon da wird klar: hier hat einer die Schleimspur eines großen Politikers schon von frühauf gelernt zu produzieren.

Das kommt gut an: Sich für Juden einsetzen, Krokodilstränen vergießen ob zweier Opfer des antiisraelischen Antisemitismus, aber zugleich Israel als jüdischen Staat ablehnen.

Seine offensive Unterstützung der antisemitischen BDS-Bewegung, die er auch in diesem Gespräch im Mai 2025 zum Ausdruck bringt, die ja keineswegs ’nur‘ den Boykott von israelischen Institutionen meint, sondern vor allem das „Rückkehrrecht“ von Millionen von Palästinenser*innen, die keine Sekunde in Palästina (bis 1948) lebten, sondern Urenkel von damals tatsächlich vertriebenen oder gegangenen arabischen Palästinensern sind, zeigt seinen antiisraelischen Fanatismus.

Zohran Mamdani ist eine große Gefahr für Juden in den USA und eine riesige Gefahr für New York City.

Es ist noch viel abstoßender und vor allem gefährlicher, wirklich gemeingefährlich und linkspopulistisch, dass er sein antijüdisches Programm mit sozialistischen Markern garniert wie einem günstigen oder kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, einem Einfrieren von Mietpreisen, staatlichen Supermärkten mit günstigen Preisen – also Sozialismus, Religion (heute: Islam) und Antisemitismus/Antizionismus koppelt.

Oh Amerika, wenn die gesamtgesellschaftliche Alternative zum Fascho und Autokraten Trump, der jetzt auch noch in die unabhängige Justiz in Israel eingreift und seinen Buddy Netanyahu freischießen möchte von einem gerechten Prozess, ein solcher antiisraelischer und somit antisemitischer Linkspopulismus ist, dann ist das Ende jedenfalls des amerikanischen Traums wirklich nah.

Und vermutlich macht „The Boss“ kein Lied gegen die Mamdamis dieser Welt, sondern nur gegen Trump…

 

 

Endlich: Das Ende des Atomprogramms der islamistischen Diktatur in Teheran?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Das islamistische oder islam-faschistische Regime in Teheran konnte nur tatenlos zuschauen, als Freitag Nacht 200 israelische Kampfflugzeuge über das Land flogen und militärische Einrichtungen, Terroristen und Anlagen zur Anreicherung von atomwaffenfähigem Material angriffen. Es ist der größte Angriff Israels auf den Iran überhaupt. Die Vernichtungsdrohungen Irans seit Jahrzehnten, seitdem die Mullahs 1979 die Macht an sich rissen, haben es unabdingbar gemacht, dass Israel wenigstens versucht, militärisch den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern.

Iranische Oppositionelle wie die Journalistin Masih Alinejad jubeln:

Removing a terrorist is not a tragedy, it is a step toward justice for all the innocent lives they destroyed. Israel strikes deep into Iran: Hossein Salami, the commander-in-chief of the IRGC, was reportedly killed by Israel، an outcome rooted in the Islamic Republic’s own actions: exporting terror, provoking wars, and pursuing nuclear weapons instead of answering the demands of its own people.

Freitag der 13. ist ein Tag der Freude – die selbstredend getrübt ist dadurch, dass ganz Israel sich unweit der Schutzräume und Bunker aufhalten muss, weil nicht klar ist, mit was für Drohnen oder Raketen die Islamisten zurückschießen. Doch insgesamt war die Gefahr erst einmal einschätzbar, die ersten 100 Drohnen wurden allesamt von Israel abgefangen, die meisten bevor sie überhaupt Israel erreichten.

Jedoch: In der Nacht von Samstag auf Sonntag gab es besonders brutale Raketenangriffe des Iran auf Wohngebiete in Israel, bislang sind dabei 11 Menschen gestorben und Dutzende verletzt worden. Es gab Treffer in Hochhäusern mit 33 Stockwerken, wie durch ein Wunder ist nicht das ganze Haus kollabiert und hat Hunderte Bewohner*innen in den Tod gerissen. Kleinere Häuser jedoch wurden teils komplett zerstört und Menschen dabei ermordet, auch arabische Israelis sind unter den Ermordeten.

Ob Israel den Iran mit den Angriffen tatsächlich von dem Bau einer Atombombe abhalten kann, ist wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. Speziell die Atomanlage in Fordo, die teils Hunderte Meter unter der Erde liegt, ist nicht leicht zu zerstören. Die ganz schweren Bunker zerstörenden Waffen haben nur die USA bzw. die können nur mit großen Bombern der US-Air Force transportiert werden.

Es hat jedenfalls ein Ende mit dem Herumlavieren, was das iranische Atomprogramm betrifft. Es muss und wird ausgeschalten werden. Die Vernichtungsdrohungen des islamistischen Regimes seit Jahrzehnten sind unerträglich.

Vor allem aber braucht es einen Regime Change im Iran – eine Revolution gegen die das Kopftuch und ihren Hass auf Frauen und Juden täglich zum Ausdruck bringenden Mullahs und ihrer Mittäter im ganzen Iran.

Fast alle Israelis, Juden wie Araber und alle anderen, mussten die letzten beiden Nächte konstant oder immer wieder in Sicherheitsräumen oder Bunkern verbringen.

Manche wie die ZDF-Fernsehgarten-Journalistin, Jüdin und Israelin Andrea Kiewel sitzen im Land fest und können nicht hinausfliegen, da der Flughafen Ben-Gurion geschlossen ist, ja der ganze Luftraum über Israel ist gesperrt.

Israelis können nicht einfach mit dem Auto in Nachbarländer fahren und von dort losfliegen, wie wir es zum Beispiel in der Bundesrepublik gleich in neun Nachbarländern tun könnten (Dänemark, Polen, Tschechische Republik, Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Niederlande). Die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien helfen im Fall der Fälle überhaupt nicht und kein Israeli kann einfach so nach Syrien oder in den Libanon fahren.

Militärisch und atomtechnologisch waren die Angriffe vermutlich gerade jetzt wichtig, auch wenn wir das noch nicht wirklich gesichert wissen, da die letzten Jahrzehnte schon zu oft davon die Rede war, dass der Iran in einigen Wochen oder Monaten in der Lage gewesen sei, die Bombe zu bauen.

Dazu kommt das schreckliche Schicksal der Geiseln in Gaza. Haben sie noch eine Chance? Dazu müsste die IDF ihren Plan aufgeben, 70 Prozent des Gazastreifens zu beherrschen und diese Gegenden menschenleer (!) zu machen, also alle Palästinenser*innen in die mini-kleine Gegend von 25 Prozent des Gazastreifens zu zwingen.

Viele liberale und linke Israelis sind schockiert über diesen Plan, vorneweg IDF-Soldat*innen und Forscher*innen am Institute for National Security (INSS) der Tel Aviv University. Pnina Sharvit Baruch und Tammy Caner schreiben schon im Mai 2025, dass die Operation Gideon’s Chariots der IDF im Gazastreifen vermutlich „rote Linien“ überschreiten wird und sie sehen die Gefahr von „ethnischer Säuberung“, was nicht den Massenmord an Palästinenser*innen bedeuten muss, aber die Vertreibung einer ganzen ethnischen Gruppe zähle zu einem solchen Verbrechen.

Das also passiert zeitgleich, neben den innenpolitischen Verwerfungen wegen Rechtsextremismus in der Regierung und der weiterhin geplanten „Justizreform“, die sich primär gegen die Gewaltenteilung ausspricht.

Doch das wohl größte Thema für Israel seit ca. dem Jahr 2000 war die iranische Gefahr einer islamistischen Atombombe. Und diese Gefahr scheint jetzt aktuell und vielleicht für sehr lange Zeit und bei einem Regime Change gar für immer gebannt zu sein!

Eine säkulare Revolution im Iran gegen Islamismus, Kopftuch und religiösen Wahn sowie anti-westliche Propaganda und Antisemitismus wäre das Allerbeste, was den Iranerinnen und Iranern, der ganzen Region und der Welt passieren könnte.

 

P.S.:

Der Korrespondent in New York der israelischen Tageszeitung Haaretz, Etan Nechin, ist pessimistisch, er schreibt am 14. Juni 2025 angesichts der Angriffe auf den Iran bzw. des Iran auf Israel:

The days roll on. From one protest to the next, from hostage to hostage, another soldier killed, four more, cease-fire talks begin and end, delegations arrive in and depart from Doha, missiles shot at and from Yemen, and nothing changes.

We may again be saved by an Iron Dome. But not by a god from the sky. If anything is going to end us, it won’t fall like fire from above. It will rot from beneath: from the tunnels where the hostages sit, from the scorched roots of olive trees, from the silence we’ve taught ourselves to live with.

If this is victory, why does it feel like collapse?

Was den einen die Paraglider sind, ist den anderen die Drohne

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Angriff der Ukraine auf russische Kampfflugzeuge, die Atomsprengköpfe tragen können, zu dem sich der ukrainische Präsident mit Stolz bekannt hat, ist ein extremer Schritt in Richtung Drittem und letztem Weltkrieg.

Das hat mit einer Abwehr des russischen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs, der diplomatisch im April 2022 hätte beendet werden können, wie wir alle wissen, nichts mehr zu tun.

Ist jetzt auch Selenskyi ein Kriegsverbrecher? Diese Frage stellt sich.

Telepolis schreibt:

Die Operation wirft schwerwiegende völkerrechtliche Fragen auf. Die Nutzung ziviler Lastkraftwagen zur Tarnung militärischer Drohnen durch ukrainische Streitkräfte könnte gegen fundamentale Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstoßen.

Das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen aus dem Jahr 1977 verbietet in Artikel 37(1)(c) ausdrücklich perfide Kriegshandlungen, zu denen auch „das Vortäuschen eines zivilen, nichtkombattanten Status“ zählt. Durch die Tarnung von Kampfdrohnen unter zivilen LKW-Dächern könnte genau dieser Tatbestand erfüllt sein.

Nun ist es ganz grundsätzlich ein Verbrechen, Atomwaffen herzustellen, sie zu besitzen und zu lagern.

Die größten Verbrecher in dieser Kategorie sind bekanntlich die Amerikaner, die laut dem Philosophen Günther Anders die letzte Etappe der Menschheit exakt am 6. August 1945 eingeläutet haben. Mit dem Angriff auf Hiroshima und dem Abwurf der ersten Atombombe haben diese Existenzen gezeigt, dass sie in der Lage sind, die ganze Menschheit auszulöschen. Eine Atombombe ist keine Waffe – es ist die Drohnung vollständiger Vernichtung allen Lebens, von Pflanzen, Tieren und den Menschen, was so schlimm wiederum nicht wäre.

Es ist ja kein Zufall, dass Putin gegen linke Ansätze eines queeren, selbstbestimmten Lebens oder eines Lebens ohne Mini-Me gesetzgeberisch vorgeht und Bücher, die zu kinderfreiem oder homosexuellem oder jedenfalls nicht der Normfamilie entsprechenden anregen können, verbietet. Kein Wunder auch, dass viele Männer im Alter von 18 bis 65 aus der Ukraine geflohen sind, weil sie nicht Kanonfutter werden wollen.

Doch unterm Strich reüssiert doch meistens, bei Rechten, AfDlern wie Linken und der EU-Elite oder syrischen Flüchtlingen und so weiter und so fort das „wahnwitzige Gebärenmüssen“, wie der Philosoph Ulrich Horstmann in den 1980er Jahren analysierte:

Alles Existierende ist nach Schopenhauer Objektivation eines grundlosen und vorvernünftigen Willens, verdankt sich einem zwanghaften und blindwütigen Lebensdrang, dem wahnwitzigen Gebärenmüssen von Organischem, das, sobald es ins Leben getreten ist, übereinander herzufallen beginnt, um sich eben dieses Leben für Augenblicke zu erhalten. Und das Untier macht keine Ausnahme, steigert sich vielmehr schon gattungsimmanent in die Krämpfe und Konvulsionen, in die delirierende Agonie des sich zerfleischenden Vitalen.

(Ulrich Horstmann 1983/85: Das Untier. Konturen einer Philosophie der Menschenflucht, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 47).

Den ganzen Paraglider- und Drohnen-Anhänger*innen ist eine solche philosophische und anti-natalistische Kritik selbstredend zu schwer, zu kritisch, zu viel hinterfragend. Dann doch lieber noch ein paar Runden ungeschützten Geschlechtsverkehr, damit die Drohnen und Paraglider auch weiter produziert, verfeinert und bedient werden können in Zukunft, auf die ja alle so erpicht sind.

Wenige Jahre nch 1945 zogen die Sowjets nach und bauten auch Atombomben, haben sie aber noch nie in einem Krieg eingesetzt.

Es gibt jetzt viele, sehr viele in der Pro-Israel oder auch der Anti-Rechtsextremismus-Szene, die feixen und feiern, dass tief im Herzen Russlands das ukrainische Regime so raffiniert, perfide und allem Anschein nach gegen das Völkerrecht agiert hat. Über 1,5 Jahre haben sie diese Aktion vorbereitet, Tiny Houses gekauft, unweit der Militäranlagen platziert und dann Drohnen hineingebracht oder dort zusammengebaut, das wird sich alles noch zeigen. Die dortige russische Bevölkerung war völlig arglos und konnte nichts davon wissen, dass hier Staatsterroristen aus der 3000 oder 4000 km entfernten Ukraine am Werke sind.

Und ganz normale Deutsche feiern diesen Angriff. Sie posten in den a-sozialen Medien Bilder von Drohnen, die offenkundig in Russland umherfliegen – zwinker, zwinker, selten sooo lustig gelacht.

Halt, doch, viele andere lachten exakt auch soooo lustig, und zwar am 7. Oktober 2023, als palästinensische Jihadisten mit Paraglidern nach Israel flogen und an den schlimmsten Massaker an Juden und Jüdinnen seit der Shoah mit beteiligt waren.

Den Russenhassern, Geschichtsrevisionisten, die endlich gegen „den“ Russen gewinnen wollen und dafür die für ihre Nazi-Kollaboration beliebte ukrainische Nation instrumentalisieren, sind die Drohnen so lieb wie dem links-antisemitischen Mob in Berlin-Neukölln das Paragliden.

Der Telepolis-Artikel stellt wichtige Fragen. Wenn die NATO involviert war, wovon jeder halbwegs informierte Militärexperte ausgehen dürfte, dann war das wie eine Kriegserklärung Deutschlands, Englands oder Amerikas gegen Russland.

Und wenn die NATO nichts davon wusste – ja dann ist es doch ein Zeichen, wie gefährlich die Ukraine ist, denn wenn sie 3000 oder 4000 km im tiefsten Russland eine solche Operation an gut gesicherten Militäranlagen einer Atommacht durchführen kann, dann kann sie das auch in Frankreich oder England (Atommächte) oder in jedem anderen europäischen Land oder in Nordafrika oder in Israel.

Telepolis schreibt:

Die völkerrechtliche Bewertung hängt letztlich von den konkreten Umständen ab. Sollte sich bestätigen, dass ukrainische Einheiten systematisch zivile Fahrzeuge zur Tarnung von Waffensystemen nutzten, läge ein klarer Verstoß gegen mehrere Bestimmungen des Kriegsvölkerrechts vor – mit gefährlichen Präzedenzwirkungen für künftige Konflikte.

Die Operation öffnet zudem eine gefährliche Büchse der Pandora. Wenn kostengünstige Drohnenschwärme strategische Militäranlagen erreichen können, sind auch zivile Infrastrukturen verwundbar. Ein ähnlicher Angriff könnte beispielsweise Israels zivile Luftfahrt dauerhaft lahmlegen oder kritische Energieinfrastruktur in Europa treffen.

Schließlich, militärstrategisch gedacht:

Für die russische Führung ist dies bereits der zweite systematische Angriff auf die nukleare Infrastruktur nach den Attacken auf die Über-Horizont-Radarsysteme. Aus russischer Sicht fügt sich dies zu einer koordinierten Kampagne zur systematischen Entnuklearisierung zusammen.

Besonders brisant ist die Nato-Reaktion. Sollte sich bestätigen, dass die Ukraine ohne westliches Wissen handelte, stellt dies ihre Zurechnungsfähigkeit als Partner in Frage. Ein Verbündeter, der eigenständig Angriffe auf die nukleare Triade einer Atommacht durchführt, gefährdet die Sicherheit aller NATO-Staaten. Logisch wäre eine sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen – doch diese Reaktion wird vermutlich ausbleiben, was aus russischer Sicht die systematische westliche Unterstützung für eine Entnuklearisierung Russlands bestätigt.

Wer diesen Angriff der Ukraine feiert oder begrüßt, handelt fanatisch, kriegstreiberisch und geschichtsrevisionistisch, weil bei Deutschen oder Österreichern, die derart obsessiv hinter die Ukraine sich stellen, nicht trotz, sondern wegen den vielen Denkmälern für antisowjetische und Pro-Nazi-Kriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah, sich unwillkürlich der Eindruck aufdrängt, endlich eine ganz alte Rechnung begleichen zu wollen: es „dem“ Russen heimzuzahlen, der uns 1945 besiegt hatte.

Viele dieser heutigen Ukraine-Fans waren in den 1990er Jahren vielleicht noch zu schüchtern und nicht bereit dazu, Renegat zu werden, anders wie jene französischen Ex-Maoisten, die vom „Schwarzbuch des Kommunismus“ fabulierten, damit doch der Holocaust endlich im Orkus der Geschichte verschwinde.

Viele wurden dann 1999 Renegat und feierten Bomben auf Belgrad.

Doch allerspätestens seit Februar 2022, mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russland in der Ukraine, sind die letzten Hemmungen verflossen, jetzt wird zurückgeschossen mit allem, was deutsche Intelligenz, KI und Drohnen- wie Panzer- und Munitionstechnik zu bieten hat.

Die Analogie von den antisemitischen Paraglider- und Hamas-Fans und den heutigen Fans ukrainischer Drohnen ist evident.

Der Unterschied ist, dass sich die Drohnen-Fans als cool, weltoffen und westlich imaginieren, dabei sind sie einfach nur moralisch am Ende, wollen Deutschland wieder gut machen und Russland besiegen, endlich, endlich, und schweigen zu dem Land mit dem meisten Pro-Nazi-Kollaborateuren-Denkmälern auf der ganzen Welt, ja feiern es und wollen es weiter militärisch unterstützen – bis zum Ende, dem Ende der ganzen Welt, denn:

Als eine ukrainische Sängerin im Bundeskanzleramt auf einer Veranstaltung im März 2022 unwidersprochen sagen durfte: „Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“, zeigte sich der Fanatismus des Mainstream exemplarisch: lieber sterben, als denken, lieber töten als verhandeln.

Wem kommt da nicht das Lied „Deutschland muss sterben“ in den Sinn, dass sich genau gegen diese nihilistische Ideologie und den Deutsch-Nationalismus wendet:

Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen
Inschrift auf einem 1934 errichteten
Kriegerdenkmal am Hamburger Dammtorbahnhof

Deutschland muss sterben, damit wir leben können
Slime: »Deutschland muss sterben«, 1981

Mir kommt es vor allem deshalb in den Sinn, weil mir ein Freund am 8. Mai schrieb:

Slime statt Weizsäcker.

Doch der Mainstream liebt Deutschland und die Haubitzen und die Drohnen und das Tätscheln von Selenskyi und das Kichern ob dieser Drohnen jetzt in Sibirien.

Und angesichts dieser ukrainischen Autorin, die im Bundeskanzleramt sagte: „Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“, verbeugen sich 2022 die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und heute auch Autoren linker Publikumszeitschriften und unzählige andere – ja der gesamte Mainstream –  vor Ehrfurcht und genießen den Kitzel des Schauers vor dem letzten Tag, nach diesem Drohnenagriff auf atomare Infrastruktur so sehr wie nie zuvor.

DAS ist die Zeitenwende.

 

 

 

Was, wenn auch zionistische Journalistinnen, Tausende israelische Akademikerinnen oder Pro-Israel Politiker für ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza sind?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Der Krieg in Gaza muss beendet werden. Sofort. HEUTE.

Alle Geiseln müssen freikommen.

Ausschließlich die Hamas ist verantwortlich für den Ausbruch dieses Krieges.

Die unschilderbaren Massaker durch Palästinenser, nicht nur durch die Hamas und den Islamischen Dschihad, im Süden Israels am 7. Oktober 2023 mit 1200 Ermordeten, lebendig Verbrannten, vergewaltigten, zerhackten, gefolterten, erschossenen Jüdinnen und Juden und anderen waren das schrecklichste Ereignis jüdischer Geschichte seit dem Holocaust.

Die wenigen noch lebenden Geiseln, vielleicht 23 oder auch nur 10 oder gar keine –  wir wissen es nicht – haben offenkundig nach 19 Monaten Krieg nur und wirklich nur eine Chance, wenn Israel ankündigt, dass der Krieg zu Ende ist – nicht nur für 60 oder 90 Tage, sondern komplett beendet wird.

Warum? Weil nur Irrationalisten und Fanatiker meinen, eine Terrororganisation, die eng mit der Bevölkerung verwoben ist wie die Hamas, auslöschen zu können. Offenbar gibt es in Israel zu viele Militaristen, die weder von der Niederlage der USA in Vietnam je gehört haben – das war 1975 – noch von jener der Sowjetunion in Afghanistan, das war 1989. Die Feinde waren jeweils viel größer und stärker als die Hamas – aber strukturell ähnlich, Guerilla- und Terrortruppen, die eng mit der Bevölkerung verwoben waren. Der Vietcong hat sich 1977 aufgelöst. Der Islamismus und Jihadismus wie die Taliban bekamen gerade nach 1989 noch mehr Auftrieb, was auch zum 11. September 2001 führte.

Viele moderatere arabische Staaten wollen keineswegs eine Weiterführung der Herrschaft der Hamas. Vielmehr sind diese arabischen Staaten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko, aber auch und zunehmend Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten (deren Friedensverträge ja nur auf dem Papier existieren) oder Katar, ja sogar muslimische Staaten am Ende der Welt – von Nahost aus betrachtet – wie Indonesien bereit, Frieden zu schließen mit Israel – Frieden und diplomatische Beziehungen! -, wenn der Krieg aufhört UND ein Staat Palästina entsteht. Indonesien hat das diese Woche angekündigt: Anerkennung Palästinas heißt dann für das mit Abstand größte muslimische Land der Erde, Anerkennung Israels!

Ich war nach dem 7. Oktober gegen eine Anerkennung „Palästinas“, wie viele andere auch. Das wäre ja wie ein Entgegenkommen gewesen, ein Preis für die schrecklichsten Massaker an Juden seit der Shoah.

Doch die Situation hat sich geändert. Der Krieg hat kein Ziel mehr, anfangs war es das Zerstören der Raketen in Gaza, auch wenn bis heute immer wieder mal Raketen nach Israel abgefeuert werden – es sind nur noch sehr wenige, verglichen mit dem Raketenterror die vielen Jahre bis zum 7. Oktober 2023 und noch die Wochen danach.

Das veränderte Klima und die veränderte Situation zeigen sich auch an den Aktionen und Reaktionen in den letzten Tagen. So schreibt eine Feuilleton-Redakteurin der FAZ, Tania Martini, am 30. Mai über eine Resolution von israelischen Akademiker*innen mit dem Titel „An Urgent Call to the Heads of Academia in Israel“, die sich für ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza aussprechen, weil sie nicht länger mitschuldig sein wollen. Ihr Schweigen bedrückt diese mittlerweile über 1400 Unterzeichnenden massiv. Sie betonen, dass sie es für unerträglich halten, dass gerade jene – eher links-liberalen oder linken – Wissenschaftler*innen, die zumal 2023 und bis heute gegen die geplante Justizreform demonstrierten, jetzt schweigen oder abwiegeln würden.

Martini hat auch ein Buch zum 7. Oktober mit herausgegeben – Klaus Bittermann/Tania Martini (Hg.) (2024): Nach dem 7. Oktober. Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen, Berlin: Edition Tiamat -, sie weiß ob des linken, islamistischen wie postkolonialen oder des Mainstream-Antisemitismus.

Aber sie schreibt jetzt, im Mai 2025, gegen den Krieg, der Israel nämlich selbst beschädigen würde:

Im Aufruf „An Urgent Call to the Heads of Academia in Israel“ bezeichneten sie die Tötung von 53.000 Menschen, darunter 15.000 Kinder und mindestens 41 israelische Geiseln, die Verwandlung des Gazastreifens in ein unbewohnbares Gebiet sowie die Ideen zur Vertreibung der Palästinenser als „Kriegsverbrechen und sogar Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

(…)

Der israelische Soziologe Natan Sznaider stellte kürzlich in einem Artikel eine entscheidende Frage: „Wie viel Leid von anderen kann man rechtfertigen, um selbst nicht mehr zu leiden?“ Eine Frage, die freilich für beide Seiten gelte. Dass jedoch oft nur eine gesehen wird, ist tatsächlich auch ein moralischer Zusammenbruch.

Ganz ähnlich argumentiert eine Volontärin der ZEIT, Anastasia Tikhomirova. Sie hat viele Texte über den 7. Oktober und den grassierenden Antisemitismus in Deutschland und anderswo publiziert. Doch sie sieht eine zunehmende Fanatisierung nun beider Seiten: Der ohnehin schon fanatischen Pro-Palästina-Szene, die sich fast nie als Pro-Palästina UND Pro-Israel positioniert, sondern fast immer antisemitisch ist und Israel zerstören sowie Juden töten möchte, und der Pro-Israel-Szene, die das Leid in Gaza entweder nicht sehen möchte, oder aber es herunterspielt nach dem Motto: „Selbst schuld, nur die Hamas ist Schuld“.

Sie möchte raus aus diesem Freund-Feind-Denken und zitiert in ihrem Text „Raus aus dem Freund-Feind-Schema“ vom 31. Mai 2025 moderate palästinensische Stimmen wie Hamza Howidy oder Ahmed Fouad Alkhatib, der „Realign for Palestine“ mitgründete. Ich habe beide, Howidy wie Alkhatib, im März 2025 auch schon als sehr bedeutende Stimmen für eine moderate und pro-israelische wie tatsächlich pro-palästinensische Position zitiert.

Tikhomirova schreibt:

Ein neues Sprechen lernen

Zwischen den Fronten finden sich Menschen, die für ein Ende des Krieges und der Besatzung einstehen, für eine Rückkehr der israelischen Geiseln und den Kampf gegen islamistischen Terrorismus. Die vor der teils genozidalen Rhetorik der israelischen Regierung erschrecken (wenn beispielsweise der Polizeiminister wörtlich von „auslöschen“ spricht), aber auch vor den Vernichtungsfantasien der Hamas. Die Druck auf die israelische Regierung ausüben wollen, ohne Israel als Ganzes zu dämonisieren. Die auch die große Mitverantwortung der Islamischen Republik Iran sehen, die die Hamas mit Waffen versorgt. Sowie der Türkei, die der Hamas Geld gibt und ihre Anführer mit türkischen Pässen ausstattet. Auch zu diesen Ländern unterhält Deutschland wirtschaftliche und politische Beziehungen.

Solche differenzierten, zionistischen und Anti-Kriegs-, Pro-Palästina-Positionen sind aber weiterhin die Ausnahme, doch sie gewinnen an Kraft.

In der typischen Pro-Israel-Szene dominiert eher die Position der Jüdischen Allgemeinen wie von Michael Thaidigsmann, der am 30. Mai 2025 festhält:

Es wirkt wie ein Paradoxon: 600 Tage nach den Massakern der Hamas scheint Europa sich doch noch auf eine gemeinsame Haltung verständigen zu können. Und die lautet: Israel ist zu weit gegangen und muss gestoppt werden. Zur Not auch mit Sanktionen.

Dabei gibt es viele ganz normalen Deutschen, welche sich in der Tat von Juden und Israel abwenden und hinausbrüllen, dass jetzt endlich, na klar, Hitler überwunden sei. So im Focus der Journalist Gabor Steingart:

Deutschland war Gefangener der Hitlerzeit – mit Merz hat diese Haltung ein Ende.

Auf Gabor Steingart hat die Jüdische Allgemeine mit Ralf Balke die treffende Antwort:

Da ist von der ‚Unterwerfung‘ die Rede, die jetzt vorbei sei, weshalb Deutschland ‚Selbstbewusstsein‘ demonstriere. So wird die Kritik von Merz an Israel zu einer Art Zeitenwende hochgejazzt, die man sehnsüchtig erwartet habe, um aus dem ‚langen Schatten der Geschichte‘ heraustreten zu können. Auch das ist eigentlich wenig originell – schließlich forderten das viele Deutsche schon seit dem 9. Mai 1945. Schluss sei nun jedenfalls mit der ‚Leisetreterei‘, ‚Israel erfährt eine Behandlung ohne Samthandschuhe‘. Oder anders formuliert: Endlich zeigt jemand den Juden, was eine Harke ist.

Die Pointe ist darüber hinaus: die neu-deutsche Frechheit und Unverschämtheit setzte exakt am 9. November 1989 ein, als sie alle im Deutschen Bundestag in BONN die deutsche Nationalhymne sangen, auch und gerade die SPD.

Das war der Tag, als Hermann L. Gremliza, den nicht nur ich hier und heute vermisse, aus der SPD ausgetreten ist.

 

Danach kam die von den Steingarts so geliebten anschwellenden Bocksgesänge des neuen Deutschland, die „selbstbewusste Nation“, wie die Neuen Rechten es hinausposaunten.

Es kamen die Neonazis und die Brandanschläge in Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und so weiter. Später kam dann – unter Rot-Grün – der erste Bundeswehr-Kriegseinsatz, der erste Einsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg, gegen – na klar, ein Opfer des Zweiten Weltkriegs – Jugoslawien. Damals sahen Deutschlandnormalisierer ein „Auschwitz“ in Kosovo, wo es doch eine brutale nationalistische Politik war – aber nie im Leben auch nur im Ansatz mit Auschwitz in einem Atemzug zu nennen. Aber spätestens seit 1999 kämpft Deutschland wieder – diesmal gegen ein imaginiertes Auschwitz.

Dazu kommt die militaristische „Zeitenwende“, die – so der Professor für Erwachsenenbildung Klaus Ahlheim (1942-2020) – seit Herbst 2012 im Schloss Bellevue, von der damaligen Bundesregierung und Thinktanks geplant wurde. Mehr Militär, mehr Militarismus, ja, sich „der Welt zuwenden“, darum geht es seit dem Kosovo-Krieg 1999, aber noch expliziter, als außenpolitische Strategie, seit 2012/2014, so Ahlheim:

Auch unser Bundespräsident und Prediger der Nation Joachim Gauck mischte eifrig mit im Konzert der Kriegsbefürworter, aber, gelernt ist gelernt, er sagte es auf gehobene, getragene Weise. Ende Januar 2014 verkündete er bei der Münchener Sicherheitskonferenz ohne das Wort ‚Krieg‘ zu benutzen, Deutschland müsse sich ‚früher, entschiedener und substantieller einbringen‘ und forderte die Deutschen auf, ’sich der Welt zuzuwenden‘.
(Klaus Ahlheim (2014): Ver-störende Vergangenheit. Wider die Renovierung der Erinnerungskultur. Ein Essay, Hannover: Offizin, S. 60).

Also schon nach 1989, nach 1999 und seit 2012/14 war Deutschland wieder gut gemacht.

Schon in den 1990er Jahren schrieb der Publizist Eike Geisel, den nicht nur ich hier und heute ebenso vermisse:

Die Deutschen wollen aus dem Exil, aus der Kälte der Gesellschaft in die Wärme, in die Gemeinschaft, sie wollen zu sich kommen. So ist aus der Asche der Ermordeten der Stoff geworden, mit dem sich der neue Nationalismus das gute Gewissen macht, jetzt können die Landsleute statt Menschen Deutsche sein.
(Eike Geisel (1998): Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer. Die Nationalisierung der Erinnerung, Berlin: Edition Tiamat, S. 60)
***

Neu sind im Frühsommer 2025 die schon zuvor pro-israelischen, aber jetzt auch Anti-Kriegs-Stimmen wie Martini oder Tikhomirova sowie der massive Aufschrei israelischer Akademiker*innen, darunter sind sicher auch antizionistische Stimmen, aber vor allem zionistische und einflussreiche Stimmen wie von der Soziologin Eva Illouz oder der Historikerin Fania Oz-Salzberger.

Der Aufruf der israelischen Akademiker*innen ist sprachlich gleichwohl problematisch, da er zwar nicht von „Genozid“ spricht, der in Gaza passiere, aber das Wort von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verwendet, was ja bekanntlich „Verbrechen gegen die Menschheit“ heißt und sich historisch auf den Holocaust bezieht.

Es passiert nichts ansatzweise Vergleichbares zum Holocaust in Gaza. Das sind keine „Verbrechen gegen die Menschheit“ – es sind befürchtete oder tatsächliche Kriegsverbrechen. Punkt. Das ist schrecklich genug!

Dazu zählen das gezielte Aushungern, was nicht dadurch relativiert wird, dass die Jihadisten immer wieder die nun wieder aufgenommenen Hilfslieferungen stehlen und zu horrenden Preisen weiterverkaufen – das zeigt nur die abgrundtiefe Verachtung der Palästinenser*innen – durch die Hamas. Aber es gab und gibt diese Hungersnot.

Es geht aber exakt so wie es Anastasia Tikhomirova schreibt, um die moderaten Stimmen für Israel und für Palästina. Meine Rede. Nur wird es hier niemals Israelfahnen auf angeblichen Pro-Palästina-Demos geben. Dafür müsste nahezu das gesamte Personal dieser Szene ausgetauscht werden, worunter ja häufig Terroranhänger*innen der Hamas sich befinden.

Doch das gilt eben auf ganz andere Weise auch für die Pro-Israel-Szene, die sehr häufig, nicht immer!, keinen Blick hat für die Situation in Gaza oder im Westjordanland.

Kaum jemand erkennt in diesen Kreisen, dass Netanyahu ein mittlerweile ganz gewöhnlicher neu-rechter Politiker geworden ist, der mit Faschisten und religiösen Fanatikern kooperiert UND deren Ziele in zentralen Teilen wie der Kriegsführung in Gaza oder der Besiedelung und Annektierung (!) des Westjordanlandes teilt.

Und dann gibt es noch etwas Wichtiges. In einem Gespräch des Journalisten Henryk M. Broder und seinem Freund, dem Publizisten Hamed Abdel-Samad mit der Jüdischen Allgemeinen vom 27. Mai 2025 zeigt sich, wie Dialog gehen kann. Die beiden sind seit 15 Jahren befreundet und trafen sich erstmals in Kopenhagen, ausgerechnet in der Kommune Christiania, wo Leute offen Drogen verkaufen und fotografieren verboten ist. Als Broder trotzdem Bilder machte, trotziger Junge bleibt trotziger Junge, obwohl Hamed das für keine wirklich gute Idee hielt, wurde ihm von sechs oder sieben kräftigen jungen Männern doch die Kamera schließlich abgenommen und in eine brennende Tonne geworfen, wo sie Broder herausholen wollte, die Geschichte erzählt Abdel-Samad ganz lustig.

Denn die beiden sind Freunde und Broder betont, dass er diese Freundschaft wegen Abdel-Samads Rede vom „Genozid“, der in Gaza passiere, nicht aufs Spiel setzen werde.

Entgegen Leuten wie Jakob Augstein, Günter Grass oder Martin Walser sei Abdel-Samad ein Kritiker, keiner, der Ressentiments habe oder gegen die Existenz Israels anschreibe:

Ja, Hameds Kritik war nie fundamental, immer nur punktuell, bezogen auf das, was Israel tut oder unterlässt. Ganz anders als bei Leuten wie Martin Walser, Jakob Augstein oder Günter Grass.

Später sagt er:

Es hat eine andere Wertigkeit, wenn Studenten ‚From the River to  the Sea‘ schreien oder ‚Free Gaza from German Guilt‘. Das hat Hamed nie getan. Er hat bei mir ein Guthaben – und das ist nicht aufgebraucht.

Eine solche Offenheit und das Ertragen von in Teilen unterschiedlichen Positionen sieht man in der heutigen Zeit, speziell seit – ja – Corona UND der Ukraine, sehr selten.

Ich kenne viele Ex-Freund*innen oder Ex-Bekannten, die nicht in der Lage sind, ihren eigenen Irrationalismus zu überdenken und die selbst auf Diskurs-Angebote nicht eingehen, weil sie auf ihrer irrationalen, antidemokratischen, medizinisch absurden oder bezüglich der Ukraine antidiplomatischen (seit März 2022! und schon zuvor) Position beharren.

Während ich diese Positionen kritisiere, aber trotzdem einige solcher Menschen kontaktierte oder auch weiter in Kontakt bin, wo ich weiß, dass sie mitunter irrational oder unwissenschaftlich sind, ist es die Gegenseite speziell bei Corona oder der Ukraine sehr häufig nicht.

Bei Israel wiederum ist es anders: Wer am 7. Oktober kicherte oder schwieg, ist kein Freund oder Bekannter mehr. Punkt.

Doch Abdel-Samad hat nicht geschwiegen, er war nach dem 7. Oktober so pro-israelisch wie zuvor. Aber er sieht die aktuelle Situation in Gaza und die ist unerträglich und mörderisch und schadet auch den Tätern.

Das gesteht auch Broder zu:

Und ich glaube, dass du leider recht hast mit der belasteten jüdischen Seele. Die Frage wäre nur, was nach dem 7. Oktober eine adäquate Reaktion gewesen wäre. Also sicher nicht die Bitte, das Musikfestival jetzt gemeinsam fortzusetzen. Was wäre adäquat gewesen?

Abdel-Samad wiederum führt – ganz ähnlich wie Eva Illouz – die Ermordung von Rabin durch einen israelischen Rechtsextremen an, der zur Ausweglosigkeit führte:

Ich bin kein großer Fan von Joe Biden gewesen. Ich hielt ihn für einen unfähigen Präsidenten. Aber er hat Netanjahu nach dem 7. Oktober eingeladen, nach Amerika, und hat gesagt: Macht nicht den Fehler, den wir im Irak gemacht haben. Wir waren nach dem 11. September so schockiert, dass wir um uns geschlagen haben, und das hat die Sache nur noch schlimmer gemacht. Sowohl in Afghanistan als auch im Irak. Und ich fürchte, es wiederholt sich genau das.

Sodann:

Es gab viele verpasste Chancen, von beiden Seiten. Die größte Chance war damals, als Rabin dieses Angebot gemacht hatte. Und die Palästinenser waren bereit. Und du weißt ja, was danach kam. Rabin wurde ermordet, und keine andere israelische Regierung hat sich erneut getraut.

Dass es natürlich auch später noch Angebote gab, ist bekannt, aber die Ermordung des Friedensnobelpreisträgers Rabin war für die politische Kultur Israels schon prägend. Danach kam Netanyahu – bis heute mit wenigen Unterbrechungen …

Das Gespräch von Broder mit Abdel-Samad ist ein gutes Zeichen, dass man miteinander reden kann, wenn die Basis klar ist: Gegen Jihad und Islamismus, für Israel und für einen Staat Palästina (für den jedenfalls Abdel-Samad plädiert). Es ist aber bitter, wenn die jüdische Gemeinde Düsseldorf Abdel-Samad nun ausgeladen hat und er von anderer Seite gar als „Antisemit“ diffamiert wird, so falsch das Wort vom Genozid auch ist.

Man kann nicht sehen, dass die IDF gezielt ein ganzes Volk ermorden möchte, was Genozid wäre, auch wenn das Aushungern, wäre es weitergegangen, sicher in die Kategorie Genozid fallen würde, da es gezielt gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen gerichtet war (oder wieder sein wird). Aber so weit kam es nicht und darf es niemals kommen. Auch eine Trump’sche Vertreibung aller Palästinenser*innen darf es niemals geben – auch das wäre kein Genozid, aber eine ethnische Säuberung, wobei auch dieser Begriff unsauber ist, da damit meist Massenmord und Massaker assoziiert werden, was eine Abschiebung oder Vertreibung ja nicht ist.

Diese Beispiele zeigen: Es braucht neuen Mut zu Diskussionen, die über die ausgetrampelten Pfade der bisherigen Pro-Israel wie der ach-so-pro-palästinensischen (de facto fast immer: antisemitischen) Gruppen hinausreichen. Letztere wollen die Zerstörung Israels und nur wenige tatsächlich ein Palästina Seite an Seite mit dem einzigen Judenstaat (also noch ein arabischer Staat, aber so ist es halt).

Natürlich kann man die Hamas klein halten, kein Geld mehr aus Katar und sonst wo her, kein Waffenschmuggel mehr, was eine ganz enge Kooperation mit Ägypten voraussetzte. Das wäre möglich, weil zum Beispiel Saudi-Arabien, trotz seiner völlig grotesken und mörderischen Ideologie und Praxis, ja bereit wäre, Frieden mit dem einzigen Judenstaat zu schließen, weil sie merken, dass internationale Anerkennung on the long run nur geht, wenn sie keinen Terror mehr finanzieren und sich von der Hamas distanzieren. Der tatsächliche Feind sitzt in Teheran – das war vor dem 7. Oktober auch den arabischen Ländern klar, sowie Israel war das klar – aber diese Klarheit hat eine völlig fanatische Politik von Benjamin Netanyahu vernebelt und Israel wie seit Monaten beschrieben, so stark isoliert, wie das kein Regierungschef seit 1948 geschafft hat.

Wenn selbst zionistische Akademikerinnen, Politiker oder Journalistinnen, die nicht ansatzweise im Verdacht stehen, den Jihad oder den 7. Oktober klein zu reden, sondern alle als Kritiker des Antisemitismus einen Namen haben, ein sofortiges Ende des Krieges in Gaza fordern, dann braucht es ein Ende des Krieges in Gaza sofort.

Im Sinne Israels und des Judentums – und im Sinne der Palästinenser.

Wenn die FAZ in dem zitierten Text erkennt, dass

Die unsäglichen Taten in Gaza zerstörten die israelische Gesellschaft von innen heraus

und sich dabei auf Stimmen aus Israel bezieht, sollte man das wahr und ernst nehmen und endlich über die Fehler der Regierung Netanyahu diskutieren. Seine rechtsextreme Koalition muss zerbrochen werden, sonst hat Israel kaum noch eine diplomatische Zukunft und viele Israelis werden abwandern, da ja nicht alle rechtsextrem sind.

Zionismus heißt nicht nur sich pro-israelisch zu positionieren.

Zionismus heißt nicht nur Kritik am Antisemitismus und Antizionismus.

Zionismus heißt auch Kritik an der israelischen Politik zu üben, wenn sie Kritik verdient hat.

 

 

Die Lage ist dramatisch in Israel und in Gaza: Vier Stimmen für ein Ende des Krieges und für die Freiheit der Geiseln in Gaza

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for The Study of Antisemitism (BICSA)

Die Sache ist super komplex und eigentlich sehr einfach.

Hätten die Araber 1947 den UN-Teilungsplan für Palästina, die UN-Resolution 181, die einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah, akzeptiert, gäbe es seit 1947/48 einen Staat Israel neben einem Staat Palästina. Doch der Judenhass der Muslime, Araber und Palästinenser war und ist bis heute stärker.

Dabei gilt es, in der arabischen Welt und bei den Palästinenser*innen moderate Stimmen auf vielfältige Art und Weise zu unterstützen.

Doch der enorme Antisemitismus im Westen wie in Deutschland hat sich seit dem 7. Oktober so massiv und brutal gezeigt wie wohl noch nie seit 1945. Nicht nur, aber vor allem – weit überproportional – migrantische und linksextreme Antisemiten feierten den 7. Oktober und feiern jetzt die Hinrichtung von zwei jungen jüdischen Aktivisten, die letzten Mittwoch auf einer Veranstaltung des American Jewish Committee in Washington, D.C., im Jüdischen Museum von einem linken Judenhasser erschossen wurden. Die Frankfurter Rundschau berichtet:

Der Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky und seine Partnerin Sarah Milgrim starben im Kugelhagel.

Es gibt jetzt Plakate wie in Berlin, die mit einem roten Dreieck auf die Opfer von Washington zeigen und feiern, dass diese „Zionisten“ ermordet wurden, was die Frankfurter Rundschau in ihrem Beitrag schockiert festhält.

Wir leben also in extrem krassen Zeiten.

Das heißt aber keineswegs, dass Israel nicht auch Fehler begeht oder gar Kriegsverbrechen.

Israel führt seit Ende Oktober 2023 einen Krieg gegen die Hamas, der völlig berechtigt war, aber seit langer Zeit seine Berechtigung verloren hat – weil es unmöglich ist, eine Terrorgruppe wie die Hamas zu eliminieren.

Das gezielte Aushungern des Gazastreifens über 10 Wochen hinweg, was erst vor wenigen Tagen mit der Wiederaufnahme von Hilfslieferungen leicht gemildert wurde, ist schockierend.

Klar ist die Hamas für das Elend verantwortlich, sie hat Terror und Judenhass gesät und die Infrastruktur des Gazastreifens nicht ausgebaut und seit Jahrzehnten Terror gegen Juden und Israel als Waffe eingesetzt.

Ohne das präzedenzlose Massaker des 7. Oktober gäbe es den aktuellen Krieg nicht, das darf man nie vergessen.

Es könnte im Gazastreifen viel mehr Landwirtschaft, zivile Einrichtungen, viel mehr Entsalzungsanlagen und so weiter geben – dafür gibt es Hunderte Kilometer Tunnel dieser islamistisch-faschistischen Horrortruppe – die gebaut wurden und alle wussten es.

Doch deshalb kann man nicht Millionen Menschen von Hilfslieferungen abschneiden. Das ist anti-zionistisch und schadet Israel extrem.

Die israelische Armee, die am 7. Oktober unfassbar versagt hat, möchte offenbar auch nach 18 Monaten Krieg immer noch wieder gut machen, was sie an diesem schlimmsten Tag für Juden seit der Shoah versäumten. Das ist aber nicht wieder gut zu machen. Dazu kommen die rechtsextremen Tendenzen der israelischen Regierungspolitik, die im Jahr 2023 bis einschließlich zum 6. Oktober zu den größten und am längsten anhaltenden Massenprotesten in der gesamten Geschichte Israels führten – gegen die geplante Justizreform, die eine Gewaltenteilung aushebeln würde und Israel wäre damit keine liberale Demokratie mehr.

Es geht also kurzgesagt um zwei zentrale Aspekte:

Ein Ende des Krieges gegen die Hamas und damit die Freilassung der Geiseln und somit zweitens eine Stärkung Israels, eine Rückkehr zur rationalen Bekämpfung des Antisemitismus und zum Zionismus.

Doch die IDF planen exakt das Gegenteil: keinen „Deal“ zur Freilassung der Geiseln, sondern eine Besatzung des Gazastreifens zu 75 Prozent, während die 2 Millionen Bewohner*innen in den restlichen 25 Prozent Fläche leben sollen. Das ist der aktuelle Plan (Stand 26. Mai 2025).

Aus pro-israelischer Sicht weisen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Schärfe und Diktion aktuell viele Stimmen auf die untragbare Situation hin. Vier dieser Stimmen möchte ich heute kurz zitieren.

Erstens wendet sich am 22. Mai 2025 der Musiker Bono der Rockband U2 in einem Statement, das er live während der Preisverleihung der Ivor Awards für britische Musiker*innen in London gab, für die sofortige Freilassung aller verbliebenen Geiseln der Hamas. Und zugleich hofft er darauf, dass Israel endlich von Benjamin Netanyahu „befreit“ werde. Bono ist seit vielen Jahren pro-israelisch aktiv und hat auch der Opfer des islamistisch-antisemitischen Massakers vom 7. Oktober gedacht, weswegen ihn der Unterstützer der antisemitischen BDS-Bewegung Roger Waters (Pink Floyd) disst.

Zweitens betont der Beauftrage der deutschen Bundesregierung für die Bekämpfung des Antisemitismus, Felix Klein, in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 25. Mai 2025, dass die Sicherheit und Existenz Israels deutsche Staatsräson ist. Er wendet sich selbstredend gegen die Terrorgruppe Hamas und den weit verbreiteten Antisemitismus in Deutschland. Doch Felix Klein, man hätte das von ihm nicht erwartet, distanziert sich jetzt von seiner eigenen Zustimmung zum Trump-Plan, den Gazastreifen zu einer „Riviera“ des Nahen Ostens zu machen, einem Eldorado für Immobilienmakler und Großkapitalisten wie Trump bei gleichzeitiger Entvölkerung des Gazastreifens. Er wendet sich auch gegen manche Kriegshandlungen oder die Blockade der Hilfslieferungen und sagt kategorisch:

Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Sicherheit ­Israels und der Juden weltweit zu bewahren. Aber wir müssen auch klar sagen, dass das keine Rechtfertigung für alles ist. Die Palästinenser auszuhungern und die humanitäre Lage vorsätzlich dramatisch zu verschlimmern, hat nichts mit der Sicherung des Existenzrechts Israels zu tun. Und es kann auch nicht deutsche Staatsräson sein.

Drittens betont der Gründer und Herausgeber der Times of Israel David Horovitz am 21. Mai 2025, dass der Krieg sofort aufhören muss, damit die wenigen noch lebenden Geiseln freikommen. Dadurch würde zwar Netanyahu seine rechtsextreme Regierungskoalition verlieren, da Hetzer wie Smotrich oder Ben Gvir die Regierung verlassen würden, aber das solle es Netanyahu wert sein, zumal dann seine Chancen bei Neuwahlen steigen würden – was natürlich absurd wäre, wenn Israel nochmal Netanyahu wählen würde, obwohl er doch einer der Hauptverantwortlichen für das nie dagewesene Versagen der IDF und der Geheimdienste am 7. Oktober 2023 war und ohnehin eine rechtsextreme Agenda fährt. Horovitz ist sehr dramatisch und wohlüberlegt mit seinen Worten und sagt:

End the war to get back the hostages. Save Israel

Viertens betont der Journalist Jan Roß von der Wochenzeitung Die Zeit, der regelmäßig Texte zu Israel und Nahost schreibt, am 22. Mai 2025,  dass es an der Zeit sei, sich gerade als Pro-Israeli gegen die aktuelle Regierungspolitik und gegen den Krieg in Gaza zu stellen:

Auch wenn Deutschland der israelischen Regierung widerspricht und ihr sogar entgegenarbeitet – mit dem Staat Israel muss es solidarisch sein.

Als vor wenigen Tagen die IDF ein Haus beschoss und neun Kinder unter zwölf Jahren tötete, nur ein Kind und der Vater überlebten, die Mutter war zuvor vom Vater zur Arbeit gefahren worden (beide Eltern sind Ärzte), gab es einen Aufschrei in Israel (die Pro-Israel Szene in Deutschland ist da meist eher ruhig oder ignorant). Die linkszionistische Szene in Israel lebt aber sehr wohl, man sieht das an den Demonstrationen, die sich ja nicht gegen den eigenen Staat wenden, sondern gegen diesen Krieg und sich für ein Ende des sehr brutalen Krieges ausspricht, der die Leute ja auch zermürbt, da er Mitte Januar beendet worden war und jetzt plötzlich wieder aufflammte, Jan Roß berichtete sehr eindrücklich darüber. Und Roß ist wie zitiert ein Pro-Israeli, darum geht es.

In Israel demonstrieren daher die letzten Tage schockierte Israelis gegen diesen Angriff, der nicht mit der ja nicht falschen, aber hier nicht nachvollziehbaren Begründung erfolgte, die Hamas würde sich unter Zivilisten verstecken. Dieses Argument war nicht immer falsch, ist aber zumal in diesem Krieg zu oft als Lüge erkannt worden, gerade von jungen Israelis, die doch alle selbst in der IDF dienten oder dienen.

Israel hat mittlerweile selbst jahrzehntelange Alliierte wie das Vereinigte Königreich (UK), Deutschland und die USA (die keineswegs nur aus Trump bestehen, sondern auch aus dem Senat etc.) gegen sich aufgebracht.

Vermutlich kein Politiker Israels seit 1948 hat den jüdischen Staat dermaßen isoliert wie Benjamin Netanyahu.

Also: Zionismus heißt, für ein Ende des sinnlosen Krieges einzutreten – eine Terrorgruppe wie die Hamas kann man nicht besiegen, da sie auch ohne Tunnel oder Waffen einfach Teil der ‚Zvilgesellschaft‘ wird, Zehntausende Kämpfer – , für die sofortige Freilassung aller Geiseln und für ein Ende des politischen Regimes unter Benjamin Netanyahu.

Es muss darum gehen, den Anti-Hamas Palästinenser*innen eine Perspektive zu geben.

Und es geht darum, jenen in die Augen zu schauen, die jetzt brüllen, dass Israel Verbrechen begehe und ihnen sagen: WAS hast du am 7. Oktober getan? Geweint oder gekichert?

Wir, die wir pro-zionistisch sind, haben das Recht, Israel zu kritisieren. Wer aber den Antisemitismus nicht bekämpft, sondern nur wartet, bis eine Reaktion Israel zu brutal oder gar kriegsverbrecherisch ausfällt, der oder die hat gar kein moralisches Recht, zu urteilen.

So einfach ist das im Zweifelsfall.

Ein Leben ohne Jihad und ohne Hunger, ein westliches, demokratisches Leben, mit freien Wahlen in einigen Jahren und mit der Perspektive mit dem Westjordanland die Zweistaatenlösung umzusetzen. Ein jüdischer Staat Israel und ein demilitarisierten Staat Palästina mit einer starken jüdischen Minderheit (den Siedlern im Westjordanland z.B.). Es ist schockierend genug, dass in Gaza keine Juden mehr leben – wie in fast allen arabischen Ländern kaum noch Juden leben, während in Israel von Anbeginn ca. 20 Prozent Araber/Palästinenser*innen leben.

Am Israel Chai.

 

Ist Benjamin Netanyahu ein antizionistischer Politiker ?

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Zionismus bedeutet jüdische Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit. Das war 1948. Ein wahrhaft historischer Moment.

Die Araber lehnten den einzigen jüdischen Staat ab und wollten den jungen Staat wenige Jahre nach der Shoah an seiner Gründung hindern und umgehend wieder zerstören. Fast alle arabischen Staaten und vor allem der Iran lehnen Israel bis heute ab. Dazu kommen unzählige sogenannte Akademiker:innen, NGO-Aktivist:innen, Neonazis und Linke sowie Islamist:innen sowie weite Teile im bürgerlichen Mainstream, die Israel kategorisch ablehnen und am 07. Oktober 2023 Jubelschreie von sich gaben, kicherten oder schwiegen. Während Hunderttausende völlig zu Recht gegen die Gefahr des Rechtsextremismus und der AfD auf die Straße gingen und gehen, ging von den gleichen Leuten fast niemand für Solidarität mit Juden und Israel auf die Straße. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Das exkulpiert aber nicht Netanyahu. Der israelische Ministerpräsident ist aktuell die wohl größte konkrete Gefahr für den einzigen Judenstaat. Er wollte schon 2023 vor dem 07. Oktober mit einer geplanten Justizreform Israel in einen autoritären Staat ohne wirkliche Gewaltenteilung verwandeln. Das wird er heute fortführen und den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, entlassen. Bar war wie Netanyahu hauptverantwortlich für das Versagen Israels, trotz offenkundiger Warnungen, das Massaker vom 07. Oktober 2023 durch die Hamas und die Palästinenser zu verhindern.

Netanyahu ist angeklagt wegen Korruption und international wird er wegen Kriegsverbrechen gesucht. Nicht nur in der Haaretz werden diese Verbrechen auch angeklagt – von zionistischer Seite. Also ist Netanyahu ein antizionistischer Kriegsverbrecher, das ist die Pointe. Das wiederum macht weite Teile Israels nicht weniger verantwortlich für die Verbrechen der IDF im Gaza-Krieg. Die israelische Militärpolizei untersucht zum Beispiel, ob die israelische Armee palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht hat. Hingegen sieht ein geplantes Gesetz in Israel vor, Menschen, die dem internationalen Strafgerichtshof – so umstritten der auch bekanntlich ist – Dokumente vorlegt, die mögliche israelische Kriegsverbrechen belegen sollten, mit einer Gefängnisstraße von bis zu fünf Jahren (!), zu verurteilen:

Tamar Meggido, an expert in international law, warned that ‚the definitions in this dangerous bill are so broad that even someone sharing on social media a photo or video of a soldier documenting themselves committing what appears to be a war crime could face imprisonment.‘

According to her, any journalist publishing an investigation that suggests a crime committed by IDF forces would also be at risk of imprisonment if the bill is passed.

Dazu kommt, dass dem israelischen Ministerpräsidenten die Geiseln vollkommen egal sind. Vermutlich werden die Dutzenden noch in den Händen der Muslim-Faschisten der Hamas befindlichen jetzt auch ermordet werden. Überlebende berichteten ja schon, dass nach jedem Scheitern von Verhandlungen und neuerlichen Kriegshandlungen sie gefoltert, geschlagen, gedemütigt und andere gar ermordet wurden. Das weiß Netanyahu, aber es ist im völlig egal. Der Zionismus ist ihm auch völlig egal, der möchte kein souveränes Israel Seite an Seite mit einem palästinensischen Staat – wie ihn zum Beispiel der Anti-Hamas Aktivist und Flüchtling aus Gaza, der jetzt in Deutschland lebt, Hamza Howidy, möchte. Netanyahu möchte nicht wegen Korruption ins Gefängnis. Dafür geht er über Leichen. Es sind vor allem palästinensische Leichen, aber auch jüdische und nicht zuletzt die Leiche des – Zionismus.

Nächste Woche lädt Netanyahu rechtsextreme Politiker:innen aus Europa und der Welt nach Israel zu einer Konferenz gegen Antisemitismus ein, was selbst dem sicher nicht gerade linken Beauftragten der deutschen Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, zu heftig ist und er wird wie der französische Intellektuelle Bernard-Henri Lévy nicht hinfliegen.

Das Drama ist, dass die extreme Gefahr, die Jüdinnen und Juden in Deutschland und weltweit speziell und verschärft seit dem 07. Okober 2023 erleben, von israelischen Politikern wie Netanyahu, Ben Gvir oder Smotrich noch angeheizt wird.

Zionismus hieße, den „Anderen“ ernst zu nehmen als möglichen Verhandlungspartner, was ganz sicher nicht die Hamas inkludiert, aber ebensowenig die gesamte palästinensische Bevölkerung in Gaza ausschließen kann. Der wahnwitzige Vertreibungsplan von Trump bezüglich Gaza fiel ja in Israel auf fruchtbaren Boden.

Joe Biden ist ein alter und kranker Mann, er war ein typischer amerikanischer Kapitalist und Imperialist (und fanatischer Antikommunist), aber er war gleichwohl auch ein zionistischer amerikanischer Präsident. Er hat mehr für den Zionismus gemacht als ein Netanyahu. Ironischerweise war der Antikommunist Biden dem Sozialismus des Zionismus von 1948 unendlich näher als es Netanyahu je war. Er war für Ausgleich und Kompromiss, für Gerechtigkeit, ohne je die jüdische Selbstbestimmung aus dem Auge zu verlieren. Er hatte einen Begriff von Zionismus – das hat Netanyahu nicht, er kennt nur sich selbst und seine rechtsextremen Kumpel, die in Israel aktuell nach Millionen zählen.

Es ist nicht nur rassistischer Fanatismus, der Netanyahu antreibt, nicht nur sein eigenes politisches Überleben, sondern auch bodenlose Dummheit. Eine faschistisch-muslimische Bewegung wie die Hamas kann man nicht komplett eliminieren. Wer das nach fast eineinhalb Jahren Krieg in Gaza und den widerwärtigen Geiselübergaben durch die Hamas-Faschisten nicht kapiert hat, hat wirklich gar nichts verstanden.

Es muss um eine mühsame aber mögliche Deradikalisierung der Palästinenser:innen gehen, primär in Gaza, aber auch in der Westbank und weltweit. Es muss um eine zionistische Antwort auf das genozidale Massaker vom 07. Oktober gehen – nicht um einen Krieg, der nicht zu gewinnen ist und es darf nicht mit weiter mit rechtsextremen, sexistischen, ja in Teilen offen faschistischen Politiker:innen wie Smotrich oder Ben Gvir zusammengearbeitet werden.

Der Zionismus und Israel und die Welt haben Besseres verdient als die aktuelle israelische Regierung. Dazu jedoch muss die gesamte israelische Bevölkerung aufstehen und nicht nur ein paar Zehntausend Demonstrant:innen. Das mehrheitliche Schweigen der ach-so Pro-Israel-Szene zu Netanyahus kriminellen und antidemokratischen Aktivitäten oder seinen Kriegsverbrechen tut ein Übriges.

Wer gegen die Zweistaatenlösung ist, ist Antizionist. Das meint ironischerweise nicht nur linke Israelhasser:innen oder Fans einer selbstmörderischen Einstaatenlösung oder eines binationalen Wahngebildes, das der vormalige Anhänger dieser Idee und Zionist Gershom Scholem spätestens seit Mitte der 1930er Jahre als naiv und eben selbstmörderisch erkannte, sondern gerade auch die aktuelle israelische Regierung und den Mainstream der israelischen Gesellschaft, der weiter paralysiert ist wegen dem 07. Oktober und „den Anderen“ nicht sehen kann oder will und seien es pro-israelische palästinensische Anti-Islamisten, die „Freiheit für Palästina“ fordern

Ein jüdischer Autor aus Ungarn bringt es in der Haaretz angesichts von geplanter Mangelernährung und bewusster Unterversorgung mit Grundnahrungsmitteln in Gaza durch Israel – von den sonstigen brutalen Kriegshandlungen ganz zu schweigen – so auf den Punkt:

Many Jews believe that they have a duty to defend Israel, regardless of its conduct. I believe that, besides our natural support and commitment to the Jewish state, we must draw a line. We cannot sacrifice the universal and Jewish ideal of justice and humanity on the altar of defending Israel, right or wrong, even when it acts in an unjust manner.

Moreover, we are not helping Israel either: we are failing to hold up a mirror to it and continue to allow it to fall into an ever deeper moral abyss. Israel has as much right to exist in the world as any other nation, and when it is attacked, it must be supported in the same way as any other country, but we must also speak out against violations and abuses, including those committed by Jews or the Jewish state. It is the only way to preserve our own moral integrity and, in my view, the only right way to show solidarity with Israel.

Der ehemaligen israelische Ministerpräsident Ehud Barak erkennt bei Netanyahu einen „toxischen Narzissmus„, auch eine Form des Antizionismus.

„Once again, it was a frontal assault launched by Netanyahu against state institutions, particularly Shin Bet, which is responsible for the investigation. And he, Netanyahu, is once again the victim.

‚Netanyahu has completely succumbed to self-delusion. He doesn’t even feel a trace of cognitive dissonance. On the contrary, he remains convinced that he is still saving Israel and even the entire West from an Islamo-Nazi conspiracy,‘ says former Israelis Prime Minister Ehud Barak, 82, who spent four years as Netanyahu’s defense minister beginning in 2009. Barak knows Netanyahu better than most and says the prime minister is suffering from a case of ‚toxic narcissism.’”

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