The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Schlagwort: FAZ

Dank an die Rote Armee – gegen eine exkulpierende Erklärung des deutschen Kapitals in der FAZ zum 8. Mai 2025

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Ganz normale Deutsche haben seit 1945 alles getan, um ihre Verbrechen an den Juden Europas zu vertuschen oder zu feiern. Es wurden Straßen, Schulen, Plätze nach ehemaligen Nazis und Antisemiten benannt und welches Unternehmen hat sich je dafür eingesetzt, eine Straße, die nach einem führenden Mitglied des jeweiligen Unternehmens benannt wurde, umzubenennen? Welches Unternehmen hat sich für die eigene Selbstauflösung nach 1945 ausgesprochen? Welches Unternehmen löst sich wenigstens heute auf, inklusive seiner Stiftungen, und verteilt das Geld an die Opfer der deutschen Barbarei?

Wer war eigentlich Opfer, ‚damals‘?

Eine Erklärung der führenden Vertreter des deutschen Kapitals zum 8. Mai sagt uns alles über die aktuelle deutsche Ideologie. Die CEOs dieser kapitalistischen Unternehmen sind irgendwie gegen einen „Schlussstrich“, gegen „Hass“ und sogar gegen „Antisemitismus“ (den sie aber nicht näher definieren), aber vor allem wollen sie wieder wie damals gegen ‚den Russen‘ kämpfen, was sie so ausdrücken:

Der Sieg der Alliierten über die Nationalsozialisten hat einem ganzen Kontinent, der ganzen Welt Hoffnung gegeben. Der mit dem Ende des Kalten Krieges erreichte europäische Zusammenhalt, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind Errungenschaften, die wir gemeinsam schützen müssen.

Damit wird der Nationalsozialismus oder deutsche Faschismus mit dem Kalten Krieg gleichgesetzt. Letzterer wurde vor allem von den USA ab 1947 vom Zaun gebrochen. Damit konnten sie erstens einen Schlussstrich ziehen unter die Verfolgung und Bestrafung deutschen Nazis und zweitens alte Nazis in die USA bringen und ihre „Verdienste“ würdigen, sie einbinden im Kampf gegen den Kommunismus.

Damit wird der Kampf der Alliierten und der Zweite Weltkrieg mit dem Kalten Krieg von 1947 bis 1989 analogisiert, auch das eine typische Strategie von Antikommunisten und Reinwaschern der deutschen Schuld, speziell der Schuld nach 1945, sich mit den Verbrechern im eigenen Unternehmen oder der eigenen Familie zu beschäftigen.

Im Wörtchen „schützen“ in obigem Zitat, dieser penetrant sich selbst exkulpierenden Erklärung, gerade im Reden von der Hilfe des deutschen Kapitals für die Nazis, liegt der Auftrag an die Deutschen, „bis 2029“ wieder „kriegstüchtig“ zu werden, wie es der alte und neue Kriegs- – offiziell „Verteidigungs“ – minister Boris Pistorius (SPD) ganz ehrlich in Worte fasste. Wer immer noch naiverweise (nach den Erfahrungen von 1918/19, „Bluthund“ Noske, beauftragt von Ebert etc. pp.) meint, dass nur Rechte Kriegstreiber seien, sollte sich das Parteibuch von Pistorius zeigen lassen.

Da lacht die pro-deutsche Antifa, die in Putin den heutigen „Faschisten“ sieht und Waffen für die Ukraine fordert, die derweil Denkmäler für Holocausttäter und Nazikollaborateure baut oder Straßen, Plätze oder Gebäude nach solchen Antisemiten benennt, seit Jahren, genauer gesagt seit dem Ende der Sowjetunion und der eigenen Unabhängigkeit als Staat Ukraine.

Wer wurde laut dieser Erklärung der führenden Kapitalisten in Deutschland eigentlich ermordet und wie? Juden? Gaskammern? KZs? Massenerschießungen durch Polizeibataillone? Sicher, aber Juden machten nur 10 Prozent der Kriegstoten aus – und Kriegstote sind vor allem auch die deutsche BdM-Frau aus Dresden, exakt das meint dieser strunzdeutsche Satz in diesem Pamphlet in der heutigen FAZ (online am 7. Mai, offenbar im Druck für die morgige Ausgabe):

Heute vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Dieser Tag ist ein Tag des Gedenkens an all die Menschen, die verfolgt und ermordet wurden, an die Verbrechen und Zerstörungen, an die weltweit mehr als 60 Millionen Toten.

Das ist Geschichtsrevisionismus mit bestem Gewissen, da lacht Helmut Kohl posthum, der exakt auf solche Formulierungen sein Leben lang hinarbeitete – Neue Wache in Berlin.“Wir“ sind doch alle irgendwie Opfer gewesen, damals, darum geht es.

Es ist keine direkte Holocaustleugnung, aber was sind schon 6 Millionen tote Juden unter 60 Millionen Toten? Unter diesen 60 Millionen Toten sind auch alle ganz normalen Deutschen gemeint, die dem Führer zujubelten, Autos, Panzer und KZs bauten und Juden denunzierten, deren Vermögen arisierten und sie schließlich minutiös geplant deportierten, vergasten oder erschossen.

Die deutsche Kapitalfraktion sagt noch nicht einmal, wen wundert’s, dass ein Großteil der Opfer des deutschen Vernichtungskrieges Sowjets waren. Die Täter-Opfer-Umkehr läuft hingegen wie am Schnürchen, vom Zweiten Weltkrieg und dem präzedenzlosen Verbrechen von Auschwitz und der Shoah – beides taucht in der Erklärung selbstredend nicht auf – hin zum läppischen Kalten Krieg liegt  – nichts. Ein Kontinuum des Schreckens, das ist gemeint, Rot gleich Braun, das ist EU-Ideologie, die in den USA schon seit 1947 Staatsideologie ist.

Manche wurden verfolgt, andere ermordet, dann gab es ganz allgemein und allüberall auf allen Seiten Verbrechen und natürlich Zerstörungen, vor allem in den deutschen Großstädten, das ist der Tenor oder die dog whistle, die jeder ganz ordinäre Deutsche sofort heraushört wie sonst nichts.

In dieser ganzen Erklärung von Heidelberg Materials, Siemens, Commerzbank, Mercedes, BMW und so weiter und fort, das ganze Elend des deutschen Kapitalismus steht unter dieser Erklärung, wird der Holocaust nicht erwähnt. Auch das Wort Shoah oder der Begriff „Vernichtung der europäischen Juden“ kommen nicht vor. Dafür aber der revisionistische Ausdruck „60 Millionen Tote“ – womit Täter und Opfer auf eine Stufe gestellt werden, was durch das Wort „Zerstörungen“ noch potenziert wird, denn bei „Zerstörungen“ und Nationalsozialismus denkt ein ganz normaler Deutscher oder FAZ-Abonnent nicht an die zerstörten Synagogen vom 9. November 1938, sondern an Dresden, Hamburg oder Frankfurt und den Luftkrieg oder Bombenkrieg gegen das verbrecherischste Regime, das es je auf Erden gab.

Endlich haben wir im Mai 2025 wieder einen Kanzler, dessen Großvater ein ganz gewöhnlicher Nazi war, was für goldene Zeiten!

Der 8. Mai war die Befreiung Europas von den Deutschen. Eine Befreiung der wenigen Überlebenden. Und eine Niederlage für die Deutschen, die sich ja fast alle nicht als befreit ansahen, sondern als besiegt.

 

Unser unendlicher und ewiglicher Dank gilt an diesem 8. Mai 2025 der Roten Armee der Sowjetunion – und dazu den drei anderen Alliierten Amerika, England und Frankreich.

Niemand hätte die Heuchelei und aggressive Selbstüberhebung des deutschen Kapitals, das sich in dieser heutigen Erklärung in der FAZ zeigt, besser auf den Punkt bringen können als HLG – den wir alle sehr vermissen.

 

Türen zu für Antisemiten: Zur Rolle des Jüdischen Museums Berlin (mit Michael Kreutz)

„Der Ex-Direktor bot BDS-Unterstützern und Forschern, die Islamophobie und Antisemitismus vergleichen, eine Plattform. Das geht nicht. Ein Gastbeitrag.

Im Streit um das Jüdische Museum Berlin ist im Juni 2019 Peter Schäfer vom Amt des Direktors zurückgetreten. Ihm folgt im April Hetty Berg aus Amsterdam. Die Diskussion um die Institution geht indessen weiter: Der Politikwissenschaftler Max Czollek hat im Tagesspiegel vom 27. 12. 2019 für das Jüdische Museum als ein offenes Haus plädiert. Hier antworten ihm Clemens Heni, Direktor des International Center for the Study of Antisemitism Berlin, und der Islamwissenschaftler Michael Kreutz.

Clemens Heni / Michael Kreutz
in: Der Tagesspiegel, Freitag, 03. Januar 2020

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