The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Kategorie: Allgemein Seite 17 von 21

Hegemonieverschiebung des Antisemitismus in Spanien

Von Dr. Benno Herzog, Institut für Soziologie und Sozialanthropologie der Universität Valencia (Spanien)

Dr. Benno Herzog

www.uv.es/herben

@bennoherzog

 

Die Ereignisse um die Ein-, Aus- und Wiedereinladung des amerikanischen Juden Matisyahu zeigen ein tiefes Problem Spaniens und besonders der spanischen Linken mit dem Antisemitismus. Ein Problem, das sich durch die Kommunal- und Regionalwahlen im Mai diesen Jahres und die Parlamentswahlen am Ende des Jahres wohl noch verschärfen wird.

Am 28. Juli eröffnete der amerikanisch-jüdische Sänger Matisyahu die European Maccabi Games 2015 in Berlin. Am 25. August sang der Rapper und Reggae-Künstler in einer Synagoge vor Auschwitz und am 31. August im Rahmen des Jewish Culture Day der Heinrich Böll Stiftung in Berlin. Die Konzerte sind Ausdruck der Bemühungen, jüdischem Leben, jüdischer Kultur wieder einen Platz in Europa zu geben. Doch diese Bemühung wird nicht von allen geteilt wie die Vorgänge um das Konzert bei Europas größtem Reggae-Festival, dem Rototom Sunsplash im spanischen Benicàssim in der Nähe von Valencia, zeigten.

Matisyahu singt das Lied „Jerusalem“ auf dem Festival in Valencia

Was war geschehen? Die lokale BDS-Gruppe (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel) hatte gegen den Auftritt des Sängers mobil gemacht, der, obwohl selbst kein Israeli, so doch nach eigenem Bekunden ein „Freund Israels“ sei. Vor allem über soziale Netzwerke machte die Gruppe Druck auf andere Teilnehmer und erreichte schließlich, dass die Festivalleitung von Matisyahu als einzigem von 250 Künstlern ein klares Bekenntnis zu einem palästinensischen Staat verlangte. Nachdem Matisyahu auf diese Aufforderung nicht reagierte, wurde er ausgeladen. Erst jetzt reagierten Politiker, jüdische Verbände, Massenmedien und andere Gruppierungen wie die Vereinigung der Roma in Spanien mit einer scharfen Ablehnung dieses antisemitischen Angriffs. Auch die deutschsprachige Presse berichtete relativ ausführlich, wie z.B. der Tagesspiegel, die Frankfurter Rundschau oder auch die Jungle World. Nach breiten Protesten entschuldigte sich die Festivalleitung bei Matisyahu, lud ihn wieder ein und er durfte wie geplant am Abschlussabend auftreten. Einige Palästinafahnen, Pfiffe und Mittelfinger begleiteten sein Konzert.

Die Vorgänge um den Künstler sind leider nicht nur eine isolierte Anekdote, sondern symptomatisch für weite Teile der spanischen Gesellschaft, deren Antisemitismus hegemonial zu werden droht. In Spanien ist der sekundäre Antisemitismus, also derjenige welcher den Juden Auschwitz nicht verzeiht und ihnen im Gegenteil vorwirft, aus dem Holocaust nur Profit ziehen zu wollen, relativ gering ausgeprägt. Gleiches gilt für den islamischen Antisemitismus. Doch sowohl im rechtskonservativen als auch im linken Spektrum sind Ressentiments gegen Juden weit verbreitet.

Auf der rechten Seite mischt sich der nationalistische und rassistische Antisemitismus mit dem tief sitzenden und nie wirklich aufgearbeiteten katholischen Antijudaismus. Ignoranz und Unkenntnis gepaart mit einer Sozialisation durch den Franquismus, welcher im Juden das Gegenbild zum Nationalkatholizismus sah, sorgen hier dafür, dass Blutgerüchte über die Juden unhinterfragt weitergetragen werden können. So geschehen zum Beispiel an Ostern 2014, als die rechtskonservative Tageszeitung ABC von jüdischen Ritualmorden im Mittelalter berichtete, oder als die öffentlich-rechtliche Radioanstalt im Sommer 2015 ein Programm sendete, in welchem die Juden als Anbeter Satans beschrieben wurden. Natürlich muss man schon recht naiv sein um zu glauben, dass es solche abstrusen Positionen in einer pluralen Gesellschaft nicht gäbe, aber dass es bei renommierten Medien niemandem aufgefallen ist, welch gefährliche und haarsträubende Lügen hier veröffentlicht wurden, zeigt die Akzeptanz antijüdischer Vorurteile in weiten Kreisen der spanischen Gesellschaft.

Dieser rechtskonservative Antijudaismus ist zwar weit verbreitet, aber besitzt keine politische Hegemonie. So wurden beide erwähnten Beiträge nach entsprechenden Protesten schnell zurückgezogen. Auch zählt die spanische Beobachtungsstelle Antisemitismus eine Vielzahl von rechten antisemitischen Schmierereien, Tweets und Kommentaren, doch bewegen diese sich glücklicherweise im Abseits des öffentlichen gesellschaftlichen Konsenses.

Ganz anders sieht die Situation beim Antisemitismus von links aus, welcher in der Regel, wie im Falle der Kampagne gegen Matisyahu, als Antizionismus auftritt und stets bestreitet antisemitisch zu sein. Diese Form, welche von der enormen Macht der jüdischen, israelischen oder zionistischen Lobby ausgeht, arbeitet in der Regel mit doppelten Standards, deslegitimiert die Existenz Israels und dämonisiert das Verhalten des jüdischen Staates bei gleichzeitigem Stillschweigen über islamischen und antisemitischen Terror. Dieser Antisemitismus wird offen in breiten, linken Kreisen, von der Vereinigten Linken über die neue Partei Podemos bis hin zu den Sozialdemokraten der PSOE vertreten sowie in einer Vielzahl von sich antirassistisch und antifaschistisch verstehenden Gruppen.

Wenn es aus diesem Spektrum zu antisemitischen Ausfällen kommt wie im Falle der Boykottkampagne gegen Matisyahu, dann werden diese bei Protest eben nicht zurückgezogen. Das Verhaltensmuster der BDS-Gruppe und deren Anhänger kann dabei als typisch angesehen werden. Die Kritik an der Boykottkampagne zeige lediglich, wie sich zionistische Lobby und Machteliten verbündeten. Jegliche Kritik an der israelischen Politik werde gleich als Antisemitismus abgestempelt. Und im Übrigen sei man antizionistisch und nicht antisemitisch, wobei man letzteres schon deshalb nicht sein könne, weil die Palästinenser ja auch Semiten seien und man sich doch als pro-palästinensisch verstehe.

Der ehemalige sozialistische Präsident Spaniens, Zapatero, der sich auch schon mal mit Palästinenserschal fotografieren ließ, brachte die Einschätzung vieler Linken vor einiger Zeit auf den Punkt: „Es gibt keinen Antisemitismus in Spanien […] Antisemitismus, das war die Franco-Diktatur.“ Die spanische Linke ist so sehr damit beschäftigt mit dem Finger nach rechts zu zeigen, dass sie es komplett versäumt, eine differenzierte Haltung zu Israel zu entwickeln und sich von antisemitischer Rhetorik in den eigenen Reihen zu distanzieren. Die Rede von den zwei Spanien, dem rechten und dem linken, zwischen denen eine tiefe ideologische Kluft liegt, hilft, dieses Phänomen zu erklären. Zu klar steht der Feind gerade für die Linken in den Reihen der anderen, zu erbittert wird der (notwendige) Streit um die Aufarbeitung der spanischen Vergangenheit geführt, um den Gedanken zulassen zu können das eine Selbstkritik etwas anderes sein könnte als ein Verrat an der Sache.

Das neue Selbstbewusstsein der Linken durch den Wahlerfolg bei Kommunal- und Regionalwahlen im Mai dieses Jahres und wahrscheinlich auch bei den Parlamentswahlen Ende 2015, könnte dazu beitragen das dieser antizionistische Antisemitismus noch stärker und offener vertreten wird als bisher. Es gibt kaum eine öffentliche Instanz, die dieser Hegemonieverschiebung etwas entgegenzusetzen hätte. Eine Linke ohne Antizionismus ist derzeit in Spanien schwer vorstellbar.

Aufgrund dieser Polarisierung hat es bei der Auseinandersetzung um Matisyahu auch keinen Sieger geben können. Die Einschätzung von Alex Feuerherdt, wonach die BDS-Kampagne mit dem offensichtlichen Antisemitismus ein Eigentor geschossen hätte, da nun ihre üblen Methoden und Ziele deutlicher geworden wären, teile ich ausdrücklich nicht. Sehr wohl mag es von außen nach einer großen Blamage des BDS ausgesehen haben. Die Kritik von Seiten der nationalen und internationalen Medien, die Stellungnahmen aus der spanischen, amerikanischen und israelischen Politik, die Wortmeldungen internationaler Verbände haben den Boykottaufruf als antisemitisch motivierte Untat aufgezeigt. Das Festival hat schließlich Matisyahu wieder eingeladen, womit gezeigt wurde, dass es möglich ist, dieser Art Hetzkampagnen etwas entgegenzusetzen.

In Spanien selbst aber hat sich in den Augen der meisten Linken der BDS jedoch leider überhaupt nicht diskreditiert. Im Gegenteil, die valencianische BDS-Gruppe hat enorme Zustimmung von linken Organisationen, Parteien und Einzelpersonen gerade auch nach der internationalen Schelte erhalten. Sie habe es gewagt, als David gegen den zionistischen Goliath anzutreten. Vor allem aber hat die BDS-Kampagne ihre Position tagelang in den verschiedensten Medien vertreten können. Der Angriff auf Matisyahu war dabei sowieso nur Mittel zum Zweck.

 

Komplizen des Terrors: NGOs machen Stimmung gegen Israel

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Vor einem Jahr, am 27. August 2014, hatte der Hamas-Führer Ismael Haniya nichts als gute Nachrichten für die Bevölkerung Gazas. Der Krieg, den seine Organisation mit »Raketen auf Haifa« begonnen habe, so der Islamist, sei mit »Raketen auf Haifa« erfolgreich beendet worden. »Unmöglich« sei es, die Tragweite dieses »beispiellosen Sieges mit Worten zu beschreiben«.

 

»›Der Sieg kennt keine Grenzen in Raum und Zeit. Dieser Krieg ist eine Schlacht, für die es in der Geschichte des Konflikts mit dem Feind kein Beispiel gibt‹, erklärte er und betonte, seine Organisation bereite bereits die ›ultimative Schlacht‹ vor.«

 

Dennoch ist es Israel, das auch zwölf Monate später sich Vorwürfen ausgesetzt sieht, gegenüber dem von der Hamas beherrschten Gaza eine nicht zu rechtfertigende Politik zu betreiben – bereits knapp 600.000 Unterschriften konnte eine Petition zahlreicher NGOs sammeln, die pünktlich zum Jahrestag des »unbeschreiblichen Sieges« verstärkten internationalen Druck auf Israel fordert.

 

Von Avaaz über das Büro der deutschen Heinrich Böll Stiftung in Ramallah, das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS), Medico International,Oxfam und Pax Christi bis hin zu World Vision International verlangen mehr als drei Dutzend Organisationen mit der Petition ein Ende der »Blockade« Gazas, die ihrer Ansicht nach eine »Hauptursache« des Konflikts ist.

 

Mit ihrer Aktion, die im Sekundentakt Unterstützer aus aller Welt findet, beweisen die Organisatoren, daß es ihnen tatsächlich nicht um das Wohl von Palästinensern geht, sondern um die Verleumdung Israels. So leugnen sie zwar terroristische Angriffe auf Israel nicht und deuten an, sie abzulehnen, zugleich aber bestreiten sie Israels Recht (und Pflicht!) zur Selbstverteidigung.

 

Die »Blockade«, die ja tatsächlich keine ist – die Vereinten Nationen zählten in den ersten sieben Monaten 2015 über 44.000 Truckladungen, die die Grenzen nach Gaza passierten –, sondern den Personen- und Güterverkehr von und nach Gaza kontrollieren soll, wird als eine Maßnahme gegen Terrorismus ebenso abgelehnt wie ein militärisches Vorgehen gegen ihn.

 

Gleichzeitig verzichten die Initiatoren der Petition auffällig auf eine Kritik der Hamas-Herrschaft in Gaza. Erklärte Ziele der Islamisten sind die Vernichtung des jüdischen Staates und der Genozid an Juden. All ihr Handeln ordnet die Hamas diesen Zielen unter, was exemplarisch Ismael Haniyas »Siegesrede« demonstriert oder jüngst Ferienlager, in denen Kinder für den Jihad gedrillt wurden.

 

Daß manch ein Sponsor unter solchen Umständen sich fragen mag, welchen Sinn Hilfe zum Wiederaufbau einer Infrastruktur hat, die in der schon angekündigten »ultimativen Schlacht« wahrscheinlich doch nur erneut zerstört wird, ist nachvollziehbar. Statt gebrochene Geldzusagen zu beklagen, sollte die Verwendung bisheriger Zuwendungen hinterfragt werden.

 

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier lag nicht ganz falsch, als er vor einer »Wiederaufbaukonferenz« im ägyptischen Kairo erklärte, »Gaza darf nicht mehr von der Hamas und anderen Extremisten als Waffenlager missbraucht werden«. Wäre diese Forderung erfüllt, ließe sich über den schon wieder weniger überlegten Wunsch des Sozialdemokraten nachdenken:

 

»Die Menschen in Gaza müssen wirtschaftliche Perspektiven und Bewegungsfreiheit erhalten.«

 

Gewiß jedenfalls ist, daß Israel nicht zuzumuten ist, dieser zweiten Forderung vor der Erfüllung der ersten nachzugeben. Uneingeschränkte Freiheit für Gaza kann es ohne Freiheit von der Hamas nicht geben, ohne Freiheit von Jihadismus und Antisemitismus. Wer sich dieser Erkenntnis verweigert und einseitig die »Blockade« verdammt, an dessen Redlichkeit darf getrost gezweifelt werden.

 

Bedauerlich ist, daß den Menschenfängern von Avaaz, Böll-Stiftung, HEKS& Co., die mit ihrer Petition sich zu Komplizen der Hamas machen, so viele Unterzeichner auf den Leim gehen. Sie sind, ob sie wollen oder nicht, die Wegbereiter für die nächste Runde jener »Schlacht, für die es kein Beispiel gibt«, und von der nur Gestalten wie Ismael Haniya wirklich schwärmen können.

Vertraulichkeit und Vertrauen: Wer wird Parchin inspizieren?

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Mit einer Meldung über den Inhalt einer Verabredung zwischen der Islamischen Republik Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sowie der späteren Veröffentlichung einer als authentisch vorgestellten Abschrift des Dokuments ist es der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) gelungen, Zweifel am Atomabkommen mit Teheran zu wecken oder zu bestätigen.

 

Der am 14. Juli in Wien vorgestellte Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), mit dem die Islamische Republik Iran nach optimistischeren Einschätzungen sich im Gegenzug für eine internationale Rehabilitierung für mindestens zehn Jahre verpflichtet, auf die Entwicklung von Kernwaffen zu verzichten, sieht die Untersuchung vergangener iranischer Aktivitäten vor.

 

Sollte diese Überprüfung ursprünglich auch als Test der Ernsthaftigkeit des Mullah-Regimes dienen und mit ihr erst die Voraussetzungen für ein umfassenderes Abkommen geschaffen werden, wurde sie im Laufe der Gespräche zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – den P5+1-Staaten – sowie Teheran zum Bestandteil des JCPOA gemacht.

 

Darum, wie diese in die Vergangenheit gerichteten Untersuchungen, mit denen die IAEA ebenso betraut wurde wie mit der Überwachung der weiteren Umsetzung des JCPOA, konkret aussehen sollen, entbrannte früh ein Streit im US-Kongreß, der das Abkommen, das zwar schon den UN-Sicherheitsrat passiert hat, noch bis Mitte September einer intensiven Prüfung unterzieht.

 

Im Juli konfrontiert mit damals noch Gerüchten, nicht Experten der IAEA, sondern von Teheran beauftragte Spezialisten würden die Anlagen in Parchin inspizieren, wich US-Außenminister John Kerry aus. Er wisse nicht, was Teheran und die IAEA vertraulich miteinander ausgemacht hätten, erklärte er dem demokratischen Senator Bob Menendez ebenso wie dem Republikaner Jim Risch.

 

Die IAEA berichtete bereits früh von verdächtigen Aktivitäten in Parchin, die nach ihren Angaben bis in das Jahr 2000 zurückreichen. Zwar konnten danach IAEA-Kontrolleure 2005 den Komplex Parchin besuchen, jedoch hätten sie dabei nicht jene Gebäude untersucht, in denen möglicherweise an Kernwaffen geforscht worden war. Seither fehlt der IAEA der Zugang zu Parchin.

 

Nach Angaben von AP, die freilich frühere Aussagen von Vertretern des Regimes in Teheran nur bestätigen, soll sich daran nichts ändern: »Dem Iran wird von der Internationalen Atomenergiebehörde erlaubt, eine zentrale Atomanlage von eigenen Experten überprüfen zu lassen«. Zitierte die Nachrichtenagentur anfänglich nur aus dem Dokument, publizierte sie es später.

 

Und in der Tat bestätigt das »Separate arrangement II«, was bereits die früheren Gerüchte befürchten ließen. Die IAEA keine eigenen Experten nach Parchin entsenden, sondern allenfalls ein paar »vom Iran bereitgestellte« Proben, Photographien und Videos bekommen. Ob das ausreichen wird, ein Urteil über in Parchin vermutete illegale Aktivitäten zu fällen, muß bezweifelt werden.

 

Selbst wenn man annimmt, die Islamische Republik Iran kooperiere bereitwillig, litte die Glaubwürdigkeit unter solchen Umständen gewonnener Erkenntnisse doch gehörig unter ihnen. Und war es nicht US-Präsident Barack Hussein Obama, der am 14. Juli versicherte, »dieses Abkommen basiert nicht auf Vertrauen, es baut auf Kontrollen auf«? Was wurde aus diesem Versprechen?

 

Yukiya Amano, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, erklärte, AP fehlinterpretiere die Verabredung seiner Organisation mit Teheran, ausdrücklich widersprechen wollte er der Nachrichtenagentur indes nicht. Die Regierung in Washington beharrt unterdessen darauf, »die IAEA überlasse ›in keiner Weise‹ die Verantwortung für Kontrollen dem Iran«.

 

So steht nun Aussage gegen Aussage. Auf der einen Seite haben Repräsentanten des Mullah-Regimes immer wieder betont, ausländischen Inspektoren werde kein Zugang zu Anlagen wie der in Parchin gewährt, und scheint das »Separate arrangement II« doch genau diese Ankündigungen umzusetzen. Auf der anderen Seite steht eine Regierung, die das Gegenteil behauptet.

 

Dafür, daß die gleiche Regierung eben noch jede genauere Kenntnis von Nebenabreden zum Wiener Abkommen bestritt, ist sie plötzlich erstaunlich gut informiert. Dieses Verhalten kann nur Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit wecken. Immerhin aber ist jetzt nachvollziehbar, weshalb das Weiße Haus es so eilig hatte, im UN-Sicherheitsrat über den JCPOA abzustimmen. Der Deal steht. Leider.

Whither Germany?

By Ron Jontof-Hutter, BICSA Senior Research Fellow

In 321 CE, Constantine made reference to Jewish communities living along the Rhine. At about the same time, pagan Germans started a process over some centuries of adopting Christianity. In the 8th century, Charlemagne saw the value of Jews, who despite discrimination thrived under his rule. However, the Crusaders in 1096 massacred Jewish communities along the Rhine and five centuries afterwards in 1543, Martin Luther advocated the destruction of Jewish life—his wish would be granted about 400 years later when the Nazis implemented their Final Solution. After the European Enlightenment and its limited extension of civil rights for Jews, 700-800 Jews in Germany and Austria converted annually in the 19th century through to the Weimar period so as to advance their social and professional lives. Famous examples were Heine who could not get employment despite being a doctor of law, and Mahler who had to convert in order to take the post of conductor of the Vienna Court Opera . After the First World War, German Jews were finally admitted to all universities.

Jewish and Christian Germans have had a long symbiotic relationship extending about 1800 years. With liberation and in many cases conversion, about 22% of Germany’s pre-1933 Nobel laureates were Jews despite being less than 1% of the population. So what happened to this prosperous symbiotic relationship?

Germany’s greatest cultural icons are arguably Luther, Goethe, Wagner and more recently Gunter Grass who posed as the ‘post-war conscience of Germany’. While Luther ‘s hatred of Jews was mostly theologically based, the others also included a cultural-ethnic hatred. Apart from Grass who served in the Waffen SS, Hitler embraced Goethe and Wagner as reflecting his national-socialist worldviews.

The basis of the modern church has been the teachings of Augustine who inter alia condemned Jews to pariah status with his ‘eternal witness’ dictum. This status has been a central feature of European art, literature, politics and European soccer that persists to this day. One result of this pariah status has been Europe’s cold and ambivalent attitude towards Israel, both before and after the Six Day War of 1967. Augustine’s ‘eternal witness’, which glaringly contradicts the notion of a thriving independent Jewish state— Israel—has never been repudiated. Indeed, Israel became the personification of Augustine’s unwanted, wandering Jew which Wagner depicted metaphorically in his operas.

In 2017, Luther’s Reformation of 500 years ago will be celebrated in Germany and much of Europe. The Jewish community of Germany has requested that his violent hatred of Jews be finally condemned. It should have been repudiated at least 70 years ago after the Shoah—without prompting.

Gunter Grass, the pacifist who accused Israel of being a threat to world peace, as the Nazis did with the Jews, claimed that though he served in the SS, he never killed anyone. Groening, also in the SS, recently convicted as the Auschwitz ‘bookkeeper’ and accessory to mass murder, also claimed he had never killed anyone. But then neither did Wagner nor Luther. Yet all were ideologically similar in their hatred of Jews and belief in the betterment of the world free of Jews.

Some years after the Shoah, Germany embarked on a ‘special relationship’ with Jews and Israel though not without objection. German scientists were instrumental in developing rockets for Egypt.

The ‘special relationship’ has been a mixed success. This year has marked the 50th anniversary of German-Israel diplomatic relations. Dr Merkel has stated that Germany’s raison d’etre is the State of Israel. While well meaning, Merkel’s Germany is ambivalent to the Jewish State. Most Germans surveyed in a recent BBC Poll as well as other polls, regard Israel negatively which includes Holocaust inversion. True, despite opposition by some lawmakers, Germany sells submarines to Israel. On the otherhand, Germany does not have a good voting record with Israel at the UN including the recently one-sided UNHRC resolution.

Germany’s ambivalence to Israel has been a feature of its ‘special relationship’. While Germany was a major supplier of military equipment to Israel until 1967, it nevertheless backed out of an agreement in 1965 to supply tanks to Israel. In 1970, Chancellor Willy Brandt knelt in contrition at the Warsaw Ghetto Uprising Memorial , yet the same Willy Brandt denied German landing rights to American planes bringing urgent military supplies to Israel, which was facing defeat in the initial stages of the Yom Kippur War. In 2011, Deutsche Bahn (German Railways) under government pressure pulled out of the Tel Aviv-Jerusalem fast train project because it passed through ‘occupied territory’.
Also in 2011, Germany decided to phase out nuclear power following the Fukushima disaster. It was considered potentially too dangerous for German citizens. Yet recently, Germany slammed Israel for criticising the Iran-P5+1 agreement which appeased an Iran that is developing a nuclear-missile program, supports international terror organizations and regularly threatens to wipe out Israel. Apparently remote nuclear-power accident risks for Germans are not OK, but close-by nuclear holocaust risks for Israel are worth taking.

Dr Merkel has acknowledged that Jews in Germany require synagogues to be guarded which she deems shameful. A post –war generation has not rid itself of prejudice. In German schools, the word ‘Jew’ is a common curse word among children. Moreover, crude anti-Semitic cartoons have occasionally been depicted in respectable newspapers such as the Sueddeutschezeitung. Recently a journalist with NDR (North German Broadcasting) referred to the new conductor of the Berlin Philharmonic as a ‘ Jewish caricature and… gnome’, while Die Welt commented that three of Berlin’s prominent conductors were Jews. Seventy years after the fall of Nazi Germany, participants in the annual Iranian-sponsored Al Quds Day March through Berlin call for the death of Israel and curse Jews. Each year, the government has been deaf to appeals to ban this anti-Semitic event. Yet giving the Nazi salute is punishable.

As Holocaust survivors die out, it appears that Germany will align itself more with the EU foreign policy. Policy makers will at best pay lip service to the ‘special relationship’. Trade with Iran that regularly threatens Israel’s very existence, is seen as the last major economic frontier to be exploited, regardless of Israel. Economics minister and Merkel’s deputy Gabriel, who shamefully referred to Israel as an ‘apartheid-state’ rushed to visit Iran to advance lucrative deals with a regime that executes some three people per day including gays, juveniles and religious minorities. His formal PC statement of ‘Israel’s right to exist’ rang hollow which was immediately rejected by the Iranian president.

Avarice and opportunism appear to be part of German and European determination to advance agendas regardless of the consequences. Germans believe they have paid their debt to the Jewish people, despite Merkel’s raison d’etre assertions. While Germany supports Israel’s ‘right to exist’, it nevertheless supports policies that endanger that right, including the demand to return to the 1948 cease fire lines that most military experts deem indefensible.

Germany’s ambivalence to Jews and Israel is rooted in the beliefs of Augustine and Luther. Their call to ostracise Jews has never been repudiated. It is long overdue, because it is the basis of the BDS campaign, EU hypocrisy at the UN, as well as European and church-sponsored NGOs that have radical anti-Israel agendas. NGO Monitor has documented these activities in detail.

In 2012, the Bundestag-appointed Longerich Commission on anti-Semitism recommended new strategies to combat widespread prejudice, clichés and ignorance about Jews and Judaism. The report gathered dust. Occasionally dramatic incidents like the Paris Hyper Cacher supermarket or Copenhagen synagogue murders elicit public handwringing. The ambivalence continues.

Germany can help lead the way in Europe by embarking on new creative strategies to uproot its anti-Semitic culture. Some points of departure:

  • Repudiate Augustine’s ‘eternal witness’ dictum and denounce Luther’s incitement against Jews. It is long overdue.
  • Recognise and teach that Jews, though the indigenous people of Israel, have a unique history that includes a symbiosis with Germans over 1800 years. Additionally, German school children should learn about the Jewish contribution to civilization over 4000 years—not just about the Shoah which in any case is now often viewed as having ‘victimised’ the Palestinians.
  • Educate audiences at relevant cultural events like the prestigious Wagner Festival, by explaining the meaning of Wagner’s opera metaphors in the program notes.
  • The churches should come clean with their double-speak about Jews and Israel’s ‘right to exist’ while indirectly supporting the overthrow of the Jewish state though radical NGOs. The recent warm welcome given to Bishop Tutu promoting his mendacious BDS activities is inappropriate, while the explicit rejection of the inflammatory Kairos Palestine Document would be a good start.
  • Include Hebrew in university studies of the Classics. The language of the Bible and a basis of western thought should surely be studied along with the cultures of Ancient Greece and Ancient Rome. That Hebrew has never been included in Classical Studies is puzzling.

Germany as the leading nation in Europe, can demonstrate its sincerity and determination in checking anti-Semitism. It can move beyond the Holocaust as the alpha and omega of its Jewish problem, its increasing alignment to European hostility towards Israel, and embark upon a bold new direction. Does it have the political will to do so? Or will Germany maintain the status quo and manage rather than try and resolve its anti-Semitism?

Ron Jontof-Hutter was born in South Africa from German parents. He has a background in the performing arts, clinical psychology and professional writing. His satirical novel called ‚The Trombone Man: Tales of a Misogynist‘ on political correctness, misogyny and anti-Semitism is to be released soon.

First published with the Times of Israel, August 13, 2015.

Formfragen? Obama und der traditionelle Antisemitismus

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

In vier Wochen wird der Kongreß in Washington nach einer eingehenden Prüfung über den am 14. Juli in Wien vorgestellten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) abstimmen. Mindestens bis dahin dürfte der Vertrag zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats sowie Deutschland und dem Regime der Islamischen Republik Iran noch für Diskussionen sorgen.

 

Und diese Auseinandersetzungen werden, obschon das Abkommen bereits den Segen des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen hat, bis zum Votum des amerikanischen Parlaments wohl noch an Schärfe gewinnen, nicht jedoch an Würze. Denn schon jetzt scheinen vor allem den Anhängern des Abkommens die sachlichen Argumente ausgegangen, nicht hingegen die Beleidigungen.

 

Seit er in der vorvergangenen Woche mit einer von beachtlicher Nachdenklichkeit geprägten Erklärung angekündigt hat, dem JCPOA nicht zustimmen zu können, ist es dabei der demokratische New Yorker Senator Charles »Chuck« Schumer, der den blinden Zorn von Anhängern des amerikanischen Präsidenten Barack Hussein Obama in besonderem Maße zu spüren bekommt.

 

Wurden Kritiker des Abkommens mit dem Regime in Teheran bisher schon vom Team Obama der »Kriegstreiberei« gescholten, ist der Antisemitismus im am 8. August veröffentlichten Cartoon des bekannten Online-Magazins Daily Kos, das den Demokraten nahesteht, nicht zu übersehen: Charles Schumer wird dort offen als Jude attackiert, dessen Loyalität Israel gälte und nicht den USA.

 

Einige Tage zuvor hatte bereits die New York Times in einem Editorial über republikanische Abgeordnete geklagt, die nicht nur ihrem »eigenen Oberbefehlshaber«, gemeint ist Präsident Barack Hussein Obama, widersprechen, sondern auch noch gemeinsame Sache mit einem »ausländischen Führer«, nämlich dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu, machen würden.

 

Es sind vielleicht diese beiden Veröffentlichungen, der Leitartikel der New York Times und der Daily Kos-Cartoon, die das Umschlagen von einer engagierten Debatte, deren Teilnehmer sich zwar nichts schenken, sich aber mit Respekt begegnen, in eine üble Schlammschlacht markieren. Und es ist alarmierend, daß die Regierung in Washington antisemitischen Untertönen nicht widerspricht.

 

Vielmehr verfehlt sie selbst einen noch satisfaktionsfähigen Tonfall. »Als Obama eine Verbindung herstellte zwischen Geld, jüdischer Macht (einer proisraelischen Lobby) und der Möglichkeit, daß sie Amerika in einen sinnlosen Krieg hineinziehe, klang es beinahe, als zitiere er die abscheulichen Protokolle der Weisen von Zion«, schreibt der Politikwissenschaftler Prof. Abraham Ben-Zvi.

 

»Dieser Gebrauch antijüdischer Hetze als Mittel in der politischen Auseinandersetzung in Amerika stellt eine erschreckende neue Entwicklung dar«, analysiert das Tablet Magazine, »und wir haben, noch bedauerlicher, auch aus unserem Weißen Haus und von unseren Repräsentanten davon zuletzt mehr als genug gehört«, eine »rote Linie« sei in der Diskussion um den Deal überschritten worden.

 

Auch Abraham Foxman, der ehemalige Vorsitzende der Anti Defamation League (ADL), warnt eindringlich, die Rhetorik Barack Hussein Obamas könnte antisemitische Ressentiments schüren, selbst wenn dies sicherlich nicht beabsichtigt sei. Zuletzt forderte das Simon Wiesenthal Center den US-Präsidenten auf, »Dual Loyalty«-Vorwürfe einzustellen und zu Sachlichkeit zurückzukehren.

 

Und, möchte man hinzufügen, sich daran zu erinnern, was noch vor knapp zwei Jahren als ausgemacht galt: »Unser Ziel ist es, den Iran dazu zu bringen, zu begreifen, daß er sein Atomprogramm aufgeben muß«. Der damit für einen besseren Deal und um Wählerstimmen warb, war weder Jude noch Republikaner noch ein Kriegstreiber, sondern der kurz darauf im Amt Bestätigte.

Kontrollverlust

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Noch kurze Zeit vor der Präsentation des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) war es ausgerechnet Federica Mogherini, die Hohe Außenbeauftragte der EU, die wiederholte, was bis dahin Konsens unter den mit dem iranischen Regime über dessen Atomprogramm verhandelnden Staaten war: Ohne Aufklärung über vergangene Aktivitäten könne es keinen Deal geben.

 

Als das Abkommen von Wien am 14. Juli dann vorgestellt wurde und US-Präsident Barack Hussein Obama erklärte, »this deal is not built on trust; it is built on verification«, war aus der Vorbedingung ein Vertragsbestandteil geworden, die Klärung der Frage also, ob das Mullah-Regime in der Vergangenheit versucht hatte, in den Besitz von Kernwaffen zu gelangen, auf später verschoben.

 

Ein Standort des iranischen Atomprogramms, für den sich – freilich weitgehend vergeblich – bereits bisher immer wieder die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) interessierte, ist Parchin. Vor zehn Jahren konnte die IAEA Parchin zwar besuchen, wie ihr Generaldirektor Yukiya Amano aber einräumte, habe man »nicht genügend Informationen gehabt, ›um die richtigen Orte zu prüfen‹«.

 

Seit 2012 bemüht sich die IAEA wieder darum, Parchin zu inspizieren, nachdem die Islamische Republik dort die Detonation einer Atombombe simuliert und versucht haben sollte, Spuren des Experiments zu beseitigen. »On 25 May [2012], satellite pictures showed the demolition of two buildings at the scene, leaving nothing but the trails of the bulldozers that cleared the buildings«.

 

Nun werden erneut Vermutungen laut, das Regime in Teheran könnte in Parchin versuchen, Spuren früherer Aktivitäten zu vernichten, die nicht zu seinen Versicherungen passen, nie nach nuklearen Waffen gestrebt zu haben. Wie Bloomberg berichtet, haben amerikanische Nachrichtendienste den Kongress vertraulich über verdächtige Bautätigkeiten in Parchin unterrichtet:

 

»Intelligence officials and lawmakers who have seen the new evidence, which is still classified, told us that satellite imagery picked up by U.S. government assets in mid- and late July showed that Iran had moved bulldozers and other heavy machinery to the Parchin site and that the U.S. intelligence community concluded with high confidence that the Iranian government was working to clean up the site ahead of planned inspections by the IAEA.«

 

Während die iranische UN-Vertretung in New York nach Angaben der amtlichen FARS News Agency abwinkt, »construction operations in there are natural and common« [sic!], zeigen diese Vorgänge, wie wichtig es wäre, nicht bloß zu verkünden, »this deal is not build on trust«, sondern auch in der Realität über ein »historisch beispiellose[s] Sonder-Überwachungsregime« zu verfügen.

 

Ein solches hatte mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch im April ein weiterer »Architekt« des Abkommens von Wien versprochen. Doch einerseits ist der JCPOA noch nicht ratifiziert und könnten andererseits unter seinen Bedingungen sich UN-Kontrolleure eben nicht ins nächstbeste Flugzeug setzen, um den »Straßenbauarbeiten« alsbald vor Ort zuzuschauen.

 

Was immer sich in Parchin zutrug oder zuträgt – es wird wohl ein Geheimnis derer bleiben, die daran beteiligt sind. Dass vor diesem Hintergrund aber US-Außenminister John Kerry im Kongress nachgerade realsatirisch auftritt oder US-Präsident Barack Hussein Obama Kritikern des Deals Säbelrasseln und Alternativlosigkeit vorwirft, kann und muss bedenklich stimmen.

 

Auf seiner Website zum »historischen Abkommen« belehrt das Weiße Haus derweil, »›anytime, anywhere‹ inspections sound good«, nur um zu erklären, weshalb gerade solche Kontrollen nicht nötig seien: »›Anytime, anywhere‹ inspections are simply unnecessary thanks to the deal.« Und weil eine iranische Atombombe im JCPOA einfach nicht vorgesehen ist, wird es sie nicht geben.

Ein kleiner Palast für Israelhass im Herzen von Berlin? Die Bundesregierung, die Barenboim-Said-Akademie und der Antisemitismus

Von Thomas Weidauer und Clemens Heni

Dieser Text erschien als Originaltext auf der Seite www.juedische.at am 19. Juni 2015

 

Am Montag, den 15. Juni 2015, wurde in Berlin das Richtfest der Barenboim-Said-Akademie gefeiert. Die deutsche Bundesregierung unterstützt den Bau mit 20 Millionen Euro, was 2/3 der Gesamtkosten ausmacht, und wird sich auch später an der Finanzierung der laufenden Kosten des Prestigeprojektes beteiligen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte:

 

„Mit der Barenboim-Said Akademie feiern wir heute ein wegweisendes kulturelles Versöhnungsprojekt, das uns auch in Berlin einen kleinen Beitrag zum Friedensprozess im Nahen Osten leisten lässt. Jeweils drei Jahre lang werden hier bis zu 100 israelische und arabische junge Menschen, entlastet von dem oft kriegerischen Lärm ihrer Heimat, aufeinander hören, miteinander musizieren, sich gegenseitig achten und, so hoffen wir, die Botschaft in die Welt tragen: Frieden ist möglich.“

 

Zugegen beim Richtfest waren auch der Barenboim-Said-Akademie-Präsident Michael Naumann, der Kulturstaatssekretär des Berliner Senats, Tim Renner, sowie ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, Andreas Görgen. Der kanadisch-amerikanische Stararchitekt Frank Gehry hat das Gebäude entworfen und wurde per Video-Botschaft zugeschaltet. Barenboim war ganz euphorisch.

 

„Frieden ist möglich“ – das hört sich vielversprechend an, doch entspricht es der Wahrheit? Wer war Edward Said? Und wer ist Daniel Barenboim? Für was steht seine Stiftung, die Daniel-Barenboim-Stiftung, auf deren Homepage die Akademie vorgestellt wird?

 

Auf Barenboims Homepage steht:

 „Über die Jahre hat das West-Eastern Divan Orchestra Beziehungen zu vielen Organisationen in Israel, Palästina und anderen Teilen der Welt aufgebaut. Einige Organisationen existierten – mit vergleichbaren Zielen – schon vor dem Divan und einige wurden von Mitgliedern oder Ehemaligen des Orchesters gegründet, aber alle gemeinsam verdienen unsere volle Unterstützung.“

Sodann werden fünf Gruppen aufgeführt:

Al-Kamandjati (www.alkamandjati.com)
Barenboim-Said Conservatory / Orpheus (www.orpheus-music-edu.org)
Friends School Ramallah (www.palfriends.org)
Palestinian Medical Relief Society (www.pmrs.ps)
Musikkindergarten Berlin (www.musikkindergarten-berlin.de)

 

“Al-Kamandajati” verweist gleich auf der Startseite (aufgerufen am 17.06.2015) auf folgenden Text von Juli 2014 bezüglich des Abwehrkrieges Israels gegen die Hamas:

 

“This latest Israeli attack against Gaza is a crime that must be understood within the context of Israeli occupation and apartheid. For over six decades Palestinians have been systematically bereaved of their lands, their water and their freedom of movement.”

 

Die bloße Existenz Israels wird hier in Abrede gestellt, wenn keineswegs von der Besatzung des Westjordanlandes seit 1967, vielmehr von einer Besatzung „seit über sechs Jahrzehnten“ geredet wird, also seit 1948, der Gründung des Staates Israel. Auch die Diffamierung Israels als „Apartheid“ kommt hier vor – ist das das „kulturelle Versöhnungsprojekt“, von dem die Bundesregierung beim Richtfest am Montag sprach?

 

Die nächste von Barenboim unterstützte Einrichtung ist die „Friends School of Ramallah“. In deren „Summer Newsletter 2015“ wird die „Nakba“ erwähnt, die palästinensische „Katastrophe“ von 1948, ohne zu erwähnen, warum es zu Vertreibungen kam: weil die Araber sich im November 1947 weigerten, den UN-Teilungsplan für Palästina anzunehmen und neben dem jüdischen Staat Israel einen (weiteren) arabischen Staat zu gründen. Schon 1937 hatten die Araber einen Teilungsplan der Briten abgelehnt, während die Zionisten ihn angenommen hatten. Zudem haben die umliegenden arabischen Staaten die Palästinenser gezwungen, Israel zu verlassen, da ein Dortbleiben dem jüdischen Staat Akzeptanz verschafft hätte. Zwar kam es von jüdischer Seite auch zu einzelnen Verbrechen gegen Palästinenser, die in Israel heute breit diskutiert werden – während in der arabischen Welt kaum jemand über die nach 1948 vertriebenen fast eine Million Juden spricht.

 

Barenboim selbst scheint ein Anhänger des palästinensischen Rückkehrrechts zu sein und propagiert somit die Zerstörung des jüdischen Staates Israel, wenn er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung 2012 sagt:

 

„Es ist doch absurd“, sagt er, „dass Woody Allen noch heute Abend nach Israel ziehen könnte, eine palästinensische Familie, die tausend Jahre lang dort gelebt hat, aber nicht.“

 

Barenboim erwähnt gar nicht den grotesken Charakter dieser palästinensischen angeblichen Flüchtlinge. Es handelt sich hierbei um ca. 5 Millionen Menschen, davon sind jedoch nur ein paar Zehntausend tatsächlich 1948/49 geflohen bzw. vertrieben worden. In krassem Gegensatz zu allen anderen Flüchtlingen weltweit wird nämlich bei Palästinensern der Flüchtlingsstatus vererbt! Das wird durch die ausschließlich für die Palästinenser zuständige United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), die auch von der deutschen Bundesregierung finanziell unterstützt wird, organisiert und perpetuiert. Während Israel ca. eine Million jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern nach 1948 in die Gesellschaft integrierte, weigern sich arabische Staaten wie Syrien, der Libanon, Jordanien und weitere Staaten die Palästinenser als Staatsbürger zu integrieren. Vielmehr wird auf zynische Weise deren Flüchtlingsstatus zementiert, die Flüchtlingslager dienen als Faustpfand im Kampf gegen Israel. Dabei haben die Araber in Israel gar kein Interesse an einer Rückkehr dieser angeblichen (und der wenigen noch lebenden tatsächlichen) Flüchtlinge! Die UN haben 1947 – so wie die britische Peel Commission 1937, die bereits die unüberbrückbaren politischen und weltanschaulichen Differenzen von Arabern/Muslimen und Juden erkannte – ausdrücklich von einem jüdischen und einem arabischen Staat gesprochen, doch die Araber („Palästinenser“) lehnten das ab.

 

Und da wären wir beim Thema arabischer und muslimischer Antisemitismus. Jede Präsenz von Juden auf „arabischem“ oder „muslimischem“ Land wird abgelehnt, so die antisemitische Ideologie. Jene, die eine Einstaatenlösung (oder einen binationalen Staat) propagieren, wollen Juden lediglich als Minderheit am Leben lassen, gerade ohne jede politische Eigenständigkeit und Souveränität. Und, nochmal: selbst die Mehrheit der Araber in Israel möchte keinen solchen Staat, da sie keine demokratieunfähigen oder –unwilligen, verhetzten und antisemitischen Palästinenser an ihrer Seite haben wollen. Ganz davon zu schweigen, dass in Paris, Chicago, Brüssel oder Berlin geborene „Palästinenser“ keinerlei Bezug zu Israel haben und es völlig absurd ist, ihnen ein „Rückkehrrecht“ zu gewähren. Das erinnert vielmehr an ewiggestrige Nazis in Deutschland, die bis heute von einem Rückkehrrecht der vertriebenen Deutschen nach Polen oder der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumänien oder Bulgarien etc. träumen. Auf das historisch gesehen unlogische und absurde palästinensische „Recht auf Rückkehr“ weist auch der bekannte israelische Journalist Ben Dror Yemini in seinem Buch „The Industry of Lies“ (Hebräisch 2014) hin. Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe Volker Beck (Die Grünen) sprach sich wie andere Politiker und Redner im April 2015 gegen eine Konferenz des „Palestinian Return Center“ aus London und der Palästinensischen Gemeinde in Deutschland in Berlin-Treptow und somit gegen das palästinensische Rückkehrrecht aus, da dies Israel zerstören würde. Es ginge um das gleichberechtigte Nebeneinander von Israel und einem möglichen Staat „Palästina“ Seite and Seite mit Israel, so mehrere Redner.

 

Es ist in der politischen Kultur der Bundesrepublik Konsens, dass das Plädieren für eine Rückkehr der Deutschen nach Polen oder der Tschechischen Republik und anderer Länder Revanchismus ist und zudem Flüchtlinge niemals ihren Status hätten auf ihre Nachfahren übertragen können. Warum also wird via UNRWA bezüglich der Palästinenser anders geurteilt? Das ist unlogisch und nicht nachvollziehbar. Es scheint ein antijüdisches Ressentiment dahinter zu stecken, da Juden und Israel anders behandelt werden denn andere Gruppen bzw. Länder. Was wäre in Europa und in Polen zu Recht für ein Aufschrei zu vernehmen, wenn die deutsche Bundesregierung mit 20 Millionen Euro eine Akademie unterstützen würde, die von Personen und mit ihnen assoziierten Gruppen getragen bzw. geprägt wird, die von einem „Rückkehrrecht der Schlesier nach Polen“ daher reden?

 

Die Araber in Israel ziehen ihre geschützte Minderheitenposition im jüdischen Staat Israel einer möglichen Mehrheit im Staate mit aus aller Welt kommenden, fünf Millionen Arabern vor. Niemand leugnet, dass es auch in Israel, wie in jedem westlichen Land, Rassismus gibt – doch im Gegensatz zur PA oder den arabischen Ländern wird dieser Rassismus gegen Araber in Israel von der überwiegenden Mehrheit kritisiert und bleibt niemals unwidersprochen.

 

 

In einer Art Gedicht wird sodann im Sommernewsletter 2015 der Boys School Ramallah „lyrisch“ der Mord an Juden in Israel angekündigt, wenn die Palästinenser endlich ihr „Rückkehrrecht“ in Anspruch nehmen könnten:

 

„We don’t only hold our keys

We will return and forget about ever being refugees

And you will leave or “rest in “peace” “. [Anführungszeichen so im Original, d.V.]

 

Im selben hetzerischen Text eines Schülers, der die von Barenboim unterstützte und angepriesene Schule in Ramallah besucht, wird das Märtyrertum propagiert:

 „I’d rather be a martyr than be on your unjust venue
Which causes us to call for another menu
Whether it consists of harm and pain
You, Israel, are one to blame.”

Das ist Ramallah im Frühsommer 2015! Mit deutscher Unterstützung?

Als weiteres Vorzeigeprojekt wird von der Daniel-Barenboim-Stiftung die „Palestinian Medical Relief Society“ (PMRS) aufgeführt. Die hat auf ihrer Website einen, nun ja, Bericht über den Krieg im vergangenen Sommer, der eine einzige Verleumdung Israels ist:

Darin wird Israel nicht nur das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen, sondern etwa behauptet,

“The war Israel is waging on Gaza right now is not about self-defense, it is not even about destroying Hamas. It is a war about complete control over a territory and a people and it is being conducted with complete disregard for human life.“

Die PMRS steht dem vor zehn Jahren ins Leben gerufenen BDS Movement nahe. Diese Bewegung ruft dazu auf, Israel mit Boykotten auf allen Ebenen zu bekämpfen, nicht in Israel zu investieren und die jüdische Demokratie mit Sanktionen für ihre Existenz zu bestrafen. BDS-Aktivisten bedrohen Menschen, die ihre Ansichten nicht teilen, nicht selten mit Gewalt, in Südafrika gehört der Ruf „Shoot the Jew“ offenbar zum festen Repertoire dortiger BDS-Anhänger. In Berichten von der „First Palestinian Conference for the Boycott of Israel“ (2007) heißt es: „The organizing committee expresses its special thanks to (…) PMRS-Palestinian Medical Relief Society“.

Edward Saids Witwe Mariam Said ist eine Vertraute Barenboims und aktiv involviert im „West-Eastern-Divan-Orchestra“ (WEDO). Im März 2010 verteidigte sie Barenboim auf der antiisraelischen Seite „Electronic Intifada“ und versicherte den Agitatoren, dass Barenboim ganz im Sinne Edward Saids agiere, wenn auch mit unterschiedlichen Methoden. Mariam Said unterstrich, dass viele aus den Reihen von WEDO und dem Umfeld von Daniel Barenboim den Boykott Israels unterstützen würden.

Alle diese Beispiele zeigen: Die von Daniel Barenboim und seiner Stiftung unterstützten und promoteten Projekte fördern die Hetze gegen den jüdischen Staat Israel, sie verlangen ein palästinensisches Rückkehrrecht, welches einer, wenn nicht der Hauptgrund für das Scheitern der seit vielen Jahren geführten Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde ist. Sie preisen zudem das Märtyrertum, schweigen zum Islamismus der Hamas und des islamischen Jihad und drohen Juden mit Gewalt.

Von all dem hat man beim Richtfest am 15. Juni 2015 in Berlin nichts gehört. Die Frage ist: schaut sich die deutsche Bundesregierung die Projekte, die sie mit 20 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt, überhaupt an? Wenn ja, unterstützt die Bundesregierung den in diesem Text dokumentierten Antisemitismus einiger jener Gruppen, die von Daniel Barenboim auf seiner Seite hochgelobt werden? Hat sich die Bundesregierung, haben der Berliner Senat oder Michael Naumann jemals mit der Ideologie von Edward Said beschäftigt, nach dem nun im Herzen von Berlin eine luxuriöse Akademie benannt wird?

Schon 1969 bezeichnete Edward Said (1935–2003) die Araber als „die neuen Juden“. 1979 setzte er Israel mit dem südafrikanischen Apartheidstaat gleich. In seinem bekanntesten Buch Orientalismus von 1978, denunzierte er Israel als das letzte orientalistische, also imperialistische, westliche und rassistische Land. 1987 sagte Said in einem Interview, die Juden hätten die Lehren aus ihrem eigenen Leiden unter Nazi-Deutschland nicht gezogen. Für ihn verhalten sich die Juden/Israeli gegenüber den Palästinensern heute so, wie die Nazis sich gegenüber den Juden verhalten haben.

Diese Ideologie wird nun offenbar sehenden Auges von der deutschen Bundesregierung mit 20 Millionen Euro Baukosten plus Teilen der laufenden Kosten nach Eröffnung der Akademie unterstützt.

Deutschland, Deutschland, du tüchtiges Land.

 

Thomas Weidauer ist Blogger und Vorsitzender des Vereins für Gesellschaftskritik und Antisemitismusforschung e.V.

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

The End of an Era: in memory of my Friend, the Historian of Antisemitism and Zionist Intellectual Prof. Robert S. Wistrich

By Dr. Clemens Heni*

 

Robert S. Wistrich was the world’s most renowned scholar on anti-Semitism of our time. He was one of the most famous Israeli researchers in all of the humanities. The son of Polish-Jewish parents, Wistrich was born on April 7, 1945, in Kazakhstan. He was the Neuburger Professor for Modern European and Jewish History at The Hebrew University of Jerusalem, and since 2002 served as Director of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), founded there in 1982, which established a reputation as a unique research institution under his leadership. Robert Solomon Wistrich died of a heart attack in Rome on May 19, 2015, during a lecture tour.

His death is unfathomable to his family and friends, but also to the global community of Zionists and critical researchers on anti-Semitism. Truly a shock.

In retrospect, it might seem like a miracle that Wistrich lived to be 70, as his son said at the funeral in Jerusalem on May 21, 2015—when he was 27, he was diagnosed with a type of cancer whose survival rate the Encyclopaedia Britannica puts at 2%.

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, 16. September 2014

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, September 16, 2014

On May 14, 2015, the last time we met, Robert at first seemed tired and lacking vim and vigor. Yet even in such moments, he was able to be as brilliant as no other public intellectual. He delivered a lunchtime speech at the Global Forum for Combating Antisemitism, the world’s largest conference against anti-Semitism. Dan Shapiro, a young and rising diplomat, the US ambassador to Israel, had just spoken, singing hymns of praise about Obama’s battle against anti-Semitism. Whereupon Wistrich began his remarks with a „classic Jewish question“: „If things are so good, (…) why are things so bad?“ His last great lecture, before an audience of 600 at the Jerusalem Convention Center, was the intellectual highlight of the Global Forum.

Robert Wistrich Clemens Heni Perry Trotter May 14, 2015, Jerusalem

(right to left:) Robert Wistrich, Clemens Heni, and Perry Trotter, Global Forum for Combating Antisemitism, May 14, 2015, Jerusalem

Later, Robert attended one of the working groups (on Holocaust trivialization), after which we spoke for a very long time and were the very last people to leave the Global Forum. He told me that he had to make a decision about his successor as the Director of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) as of October, 2015. The Hebrew University had given him a list of names, and oddly enough, all of them were faculty members. Finally, Robert told me with a shrug that he had selected the person who was presumably least problematic…

Robert S. Wistrich’s death marks the end of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), even if it will continue to exist in formal terms for a time. Yet he is irreplaceable as the leading Zionist intellectual, as the most important scholar on anti-Semitism and historian of Jewish history. SICSA was Robert Wistrich and vice versa.

Perhaps we would meet again on Sunday at Ben Gurion International Airport, he said, since he would be flying back to Rome, and my partner Susanne and I would be returning to Berlin. And so it happened that on Wednesday morning, I received an e-mail from Anat Varon, Robert’s last doctoral candidate, with the terrible news. There were many signs of his truly poor health, but he was apparently a stranger to caution, taking things slowly, or concern for himself. Anat showed me Robert’s favorite places at The Hebrew University, his second office (besides the one at SICSA), which hardly anyone knew about, and she talked about him delighting in chocolate while they spoke about her dissertation on Franz Werfel, Austria, and Jewish history.

 

Door of Prof. Dr. Robert S. Wistrich's working room at Hebrew University

Door of Prof. Dr. Robert S. Wistrich’s working room at Hebrew University

 

Door of working room

In his talk at the Global Forum, Robert sketched out the link from combating anti-Semitism to Jewish empowerment to active advocacy for Israel as the land of the Jews, as it emerges with phenomenal clarity in a groundbreaking exhibition by the Simon Wiesenthal Center that Wistrich prepared and that was shown even at UNESCO and the UN headquarters in New York—after protests by Arab states alleging that it could endanger the „peace process“ had resulted in the exhibition being renamed and its opening postponed „People, Book, Land: The 3500 Year Relationship of the Jewish People with the Holy Land.“

It was Robert Wistrich who invited me to visit Israel for the first time, which I did in December 2002, in the middle of the second Intifada. My lecture—on media, anti-Zionism, and political culture in the Federal Republic of Germany—at his first major conference as head of SICSA caused the cultural attaché of the German Embassy in Israel, who had helped finance my trip, to go bright red in the face and the German Embassy to lodge an official complaint with the President of The Hebrew University of Jerusalem about me (as well as my colleague Martin Ulmer of the University of Tübingen). The embassy called on The Hebrew University to discontinue (or lessen) its support of the center. At this time, Robert Wistrich was by no means established as the Director of SICSA, even though he had been a prominent researcher on anti-Semitism for a long time.

It was an honor for me to be perceived in this way by official quarters, as I had only recently been granted a scholarship for my doctorate by the Hans Böckler Foundation. The outcome: the President of The Hebrew University approved of our lectures as scientifically unobjectionable; since then, there has been no contact at all between SICSA and the German Embassy. In 2003 and 2004, I received a Felix Posen Fellowship from SICSA. Robert himself mentioned this conflict with the German Embassy when we met at SICSA on May 12, 2015.

Wistrich’s succinct and by now internationally established characterization Antisemitism: The Longest Hatred was the title of one of his books as well as a three-part 1991 television series based on it.

In his 1985 book, Hitler’s Apocalypse (published in German in 1987), Wistrich described how he had detected a new form of anti-Semitism as early as ten years before in England: anti-Zionist anti-Semitism, which today is a significant part of what is called „new anti-Semitism“ today. At first, it originated mainly from Leftists, often well-educated people at universities.

What took place at the margins of society at the time has long become mainstream. Islamic anti-Semitism vitally requires the anti-Semitism of the Left and the mainstream in Western countries. In the absence of sympathetic Leftists, liberals, and naive multiculturalists who downplay the topic of Muslim anti-Semitism and seek to banish it from the universities, the Islamists would not have such an easy time of it.

Robert S. Wistrich’s academic career began at the renowned Wiener Library in London in the 1970s following his studies in the late 1960s at Stanford and elsewhere. In 1982, Wistrich was named professor at The Hebrew University in Jerusalem, the capital of Israel. His research can be divided into five categories, whereby only his books will be mentioned in the following. In addition, he edited a number of volumes and wrote hundreds of articles, introductions to volumes, brochures, and other texts, almost all of which also fall into these categories:

1) The Left and anti-Semitism. This category includes the following monographs: Revolutionary Jews from Marx to Trotsky (1976); Trotsky: Fate of a Revolutionary (1979); Socialism and the Jews: The Dilemmas of Assimilation in Germany and Austria-Hungary (1982); From Ambivalence to Betrayal. The Left, the Jews and Israel (2012).

2) The history of the Jews with a focus on German-language Jewry in Europe from the mid-19th century until 1933. This includes his award-winning 700-page work The Jews of Vienna in the Age of Franz Joseph, completed in 1987 and published in English in 1989 (in German in 1999: Die Juden Wiens im Zeitalter Kaiser Franz Josephs); Between Redemption and Perdition. Antisemitism and Jewish Identity (1990); Austrians and the Jews in the Twentieth Century: From Franz Joseph to Waldheim (1992); Austrian Legacies: Jews and National Identity (2004); Maabada le-heres ha-olam. Germanim ve-yehudim be mercaz-europa (2006); Laboratory for World Destruction. Germans and Jews in Central Europe (2007).

3) Hitler, Nazism, and the Holocaust. Who is Who in Nazi Germany (1982; 1983 and in further editions in German, titled Wer war wer im Dritten Reich?); Hitlers Apocalypse: Jews and the Nazi Legacy (1985; German 1987 Der antisemitische Wahn: von Hitler bis zum Heiligen Krieg gegen Israel); Weekend in Munich: Art, Propaganda and Terror in the Third Reich (1995; German 1996 Ein Wochenende in München: Kunst, Propaganda und Terror im Dritten Reich); Hitler and the Holocaust (2001; in German Hitler und der Holocaust).

4) Theories and analyses of anti-Semitism and anti-Zionism. Antisemitism: The Longest Hatred (1991); also Hitler and the Holocaust and A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad (2010).

5) Muslim anti-Semitism. Wistrich first studied this topic inHitler’s Apocalypse (see [3]), then in the brochure Muslim Antisemitism. A Clear and Present Danger (2002,) as well as in broad sections of A Lethal Obsession (2010), which covers the other analytical categories in addition to (4) and (5).

Anyone reading Wistrich’s books, articles, and brochures or listening to interviews with him, talking to him, or experiencing his lectures in person immediately realized: In the midst of a loquacious world of research full of scholars pleased to contemplate their own egos and quote one another, this was a person who had something to say, who wanted his analyses debated publicly, and who did not hide in the ivory tower. His books have a history.

Wistrich did not research and publish with an attitude not infrequent today, namely to be able to show off a long list of publications with little care about one’s subject. His prefaces to many of his studies bear witness to a personal relationship to the research at hand. His work on The Jews of Vienna in the Age of Franz Joseph, the history of the Jews in the Hapsburg empire (the oldest European ruling dynasty lasting from the late 13th century until 1918), had a lot to do with his own descent. He dedicated the book to his four grandparents (Salomon and Anna Wistreich as well as Simon and Helena Silbinger), who were citizens of Cracow, which at the time belonged to the Austro-Hungarian monarchy. As early as 1969/70, as a student at The Hebrew University of Jerusalem, he began to work on Vienna and the fin de siècle—a project that resulted in the above-mentioned study almost 20 years later. Wistrich tied much to individuals, for example Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Karl Kraus, and the rabbi, politician, and author Joseph Bloch.

Around 1900, Friedrich Nietzsche was to many Zionists an inspiration for a Jewish awakening, a zestful, aesthetic, powerful critique of the prevailing intellectual standstill of Christian Europe with its growing anti-Semitism, particularly in Austria-Hungary and Germany, but also in France. To German chauvinists, Christians, and anti-Semites, Nietzsche was a provocation. Wistrich demonstrated how Nietzsche battled against anti-Semitism in the 19th century and turned away from his sister and from Richard Wagner in nothing less than disgust. In Laboratory for World Destruction, Wistrich also analyzed how it was possible for the Right and Nazism to re-interpret some of Nietzsche’s texts or phrases, such as „Übermensch,“ in their own völkisch direction, which of course amounted to a complete reversal. In fact, Nietzsche had a Jewish „superman“ (according to Wistrich) in mind and above all „de-Germanization“ instead of a Teutonic monster, which also explains the fascination of the Zionists and other intellectuals, outsiders, and social critics around 1900 and later. Wistrich goes into the analysis of the Bible penned by the more pro-Jewish philosopher. Nietzsche made fun of Christians and celebrated Judaism without being a clumsy „philo-Semite“—too strong were his sarcasm, his criticism, and his re-evaluation of the all-too-German values, „dynamite“ incarnate, with Heinrich Heine’s venom as an example. In Die Genealogie der Moral, Nietzsche makes a distinction between the Old and the New Testament: „The Old Testament—now that is a completely different matter: all honour to the Old Testament! There I find great men, a heroic landscape, and something of that rarest quality on earth, the incomprarable naiveté of the strong heart.“

Robert Solomon Wistrich was not only a historian of European history. Important elements of his research included in particular the intellectual developments from the 19th century onward, often in connection with outstanding protagonists. It is interesting how he drew out a political-philosophical connection between historical events and current-day politics and contextualized modern-day phenomena, for example in Lethal Obsession, where he mentioned Iranian revolutionary leader Ayatollah Khomeini and the Iranian principle of wali al-faqih, which places the supreme ruler above the executive, judicial, and legislative branches of government, and declared this principle to be a dynamic, Shiite version of Plato’s philosopher-king.

As a historian, he was as familiar with the works of Franz Mehring, Karl Marx, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg, Theodor Herzl, and Victor Adler as he was with contemporary Islamist literature and journalism from Iran, Egypt, the Gulf States, Syria, and Iraq as well as the Palestinian Authority. He was a proponent of the Enlightenment, yet aware of the dialectics of the Enlightenment. Voltaire was not only an important Enlightenment figure in the 18th century, he was also a „rabid enemy of the Jews“ with a major impact not only on French anti-Semitism (e.g., the anarchist Pierre-Joseph Proudhon). Wistrich was aware of the importance of education in this day and age, yet against the background of the history of Western anti-Semitism and the contribution of the educated and the elites to it from the Middle Ages up to our modern and postmodern times, he was also aware that „it is not sufficient,“ as he said in a lecture in Canada in 2009. Anyone studying the research tendencies at universities and recognizing that it is especially the supposedly highest-educated circles who trivialize and obscure, if not massively support anti-Semitism and Islamism, realizes how naive appeals such as „more education for all“ or „migrants in Germany need more education“ can be.

Wistrich’s doctoral dissertation, mentioned above, was the more than 700-page work Socialism and the Jews; alongside all his other works, it was displayed at his house during the shiva, like a single common thread running through his life: the history of the Left and that of the Jews.

His father, Jacob Wistreich, was a member of the Leftist Zionist group Hashomer Hatzair for a short time, but forced resettlement under Stalin in 1940 robbed him of his dreams of a „socialist paradise,“ as Wistrich wrote. Yet more importantly: this was how his father survived the Holocaust; the same is true of Sabina, Robert Wistrich’s mother, to whom he dedicated several of his books. Almost half of Wistrich’s family was lost in the Shoah, so the history of the Jews in Europe was of outstanding interest to Robert S. Wistrich both in the biographical and the scientific sense. He grew up in England, but his first languages were Polish and French. He also learned English, German, and Hebrew; in addition, he spoke Yiddish, Russian, Ukrainian, Czech, Italian, Spanish, Latin, Dutch, and Arabic.

Wistrich was familiar with a tremendous number of documents, published and unpublished, and conducted research in many important historical archives from Paris to New York, Jerusalem, Tel Aviv, Washington, DC, London, Rome, and Vienna, to name just a few cities. He had the talent to delve into the details while not losing sight of the whole of society and to get to the heart of the matter. For example, he quoted from an April, 1923, letter from Viennese composer Arnold Schönberg to painter Wassily Kandinsky in which Schönberg mentioned increasing anti-Semitism using the example of the Bauhaus Architecture School in Germany and stated resignedly that as a Jew, he felt almost excluded from humanity—so aggressive had the anti-Semitic climate become at the time. Wistrich placed this in the context of anti-Semitism up to the Holocaust, beginning with the Hapsburg Empire, multiethnicity, and modernity through to Germanity, nationalism, Karl Lueger, and Hitler.

Prof. Dr. Robert S. Wistrich's room as head of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), Hebrew University of Jerusalem

Prof. Dr. Robert S. Wistrich’s room as head of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), Hebrew University of Jerusalem

In 2010, Wistrich published the currently most comprehensive and important monograph on the history and the current manifestation of anti-Semitism: A Lethal Obsession: Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad. In this 25-chapter work of more than 1,100 pages and chock-full of sources, he presents a comprehensive history of anti-Semitism—with a clear focus on the 20th and especially the 21st centuries. It is a scientific standard reference for research on anti-Semitism and at the same time an eminently political book, an intervention, by no means an assemblage of esoteric details for careerists hoping for a professorship.

One could tell by his outer appearance: a jacket and turtleneck sweater have been the insignia not only of critical philosophical circles since the 1960s. Anyone who appears in public in this garb, like Wistrich, including his last major appearance on May 14, 2015, in Jerusalem, is also making a statement. It is tempting to say: Etiquette is for wannabees, intellectuals are above it. Or in simpler words (with Hegel in mind): substance trumps form. His calm and matter-of-fact, but personal and deeply committed tone as well as his historical and philosophical allusions were extraordinarily inspiring. From time to time, Wistrich would point out who had animated him to his diverse studies, for instance Simon Wiesenthal, who asked him in the mid-1980s to examine the relationship between anti-Zionism and anti-Semitism. This topic became one of the focal areas of Wistrich’s research and resulted in the above-mentioned analysis in book form and the TV series Antisemitism: The Longest Hatred.

Right at the beginning of this book Lethal Obsession 20 years later, Wistrich emphasized that the current heyday of anti-Semitism in the Middle East surpassed anything seen since the end of the Nazi period. Anti-Semitism has migrated from Germany to the Middle East, and was not merely exported. Nobody in their right mind can ignore the outrageous quantity or the dangerous new quality of Muslim anti-Semitism.

Wistrich was also a critic of some explanations of the Holocaust (in his book Hitler and the Holocaust) and of the thesis that modernity, population policy, or an „economy of the Final Solution“ were responsible for the Shoah, and not ideological hatred and anti-Semitism. Hitler and Nazism in its entirety had a millenarist, apocalyptic ideology of annihilation, with anti-Semitism at the center, as Wistrich underlined. As in his most current analyses of Islamist anti-Semitism, in his analysis of the Holocaust, he opposed rationalizations and attempts to understand anti-Semitic agitation and actions, after all, irrational hatred were beyond reason or economic logic. As he wrote, there is no logic of modernization in the fact that the Germans deported 2,200 Jews from the Greek island of Rhodes to Auschwitz.

Conventional research has ignored and failed to take up the international discussions about anti-Semitism in the last ten years. It is not interested in Israeli researcher and Holocaust survivor Manfred Gerstenfeld’s writing about the resignation of the Jews in the Netherlands, where many Jews no longer see a future for themselves in a country increasingly dominated by aggressive Muslims or Islamists. The situation is similar in Sweden. In Germany, Jews hardly dare to walk around in public openly wearing a Star of David, and heavily armed police officers guard every synagogue and every Jewish kindergarten to protect Jews from anti-Semitic attacks. Even a glance at the Internet reveals anti-Semitism that is in part inconceivably brutal and vulgar. In recent years, Robert Wistrich too was increasingly pessimistic about the future of the Jews in Europe.

The realities in the virtual space in Europe and Germany, but also in editorial offices, on the streets, at research colloquia, when shopping, at demonstrations, etc., have been determined by enormous anti-Semitism, especially since the year 2000 and then following 9/11. Most researchers fail to recognize it because it usually is not neo-Nazi-style anti-Semitism, but is cloaked as „criticism of Israel“ and has its roots in mainstream society. The unanimous decision of the German Bundestag on July 1, 2010, concerning the so-called Gaza Flotilla is evidence of the increasing enmity toward Israel even in a country that projects an image of being a friend of the Jewish state. And then came the anti-Semitic summer of 2014 with the most brutal, massive, and large anti-Jewish rallies across Europe in decades.

In November, 2011, the first report on anti-Semitism by the German federal government was published („Antisemitismus in Deutschland. Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze,“ „Anti-Semitism in Germany. Manifestations, conditions, approaches to prevention“). It was prepared by an „independent circle of experts on anti-Semitism“ consisting of ten researchers, of whom some could draw on extensive experience. Not only does the report fail to address German-Iranian relations and refuse to analyze and criticize Islamofascism (in its historical as well as its current-day version). It also intentionally ignores most of the internationally important researchers on Muslim anti-Semitism. Although some researchers (on anti-Semitism) authoring English-language texts are indeed taken up, the report ignores, for example, all of Robert S. Wistrich’s books and articles, despite the fact that they are even available in German. Such ignorance would be commensurate to a study on The history of physics from 1900 to 1925 that failed even to mention Albert Einstein.

If most German researchers (on anti-Semitism) were familiar with the debates in the Jewish communities, e.g. in Europe, Israel, and the US, then they would be informed about the anxieties present there in the past ten years and would not publish texts that claimed in earnest, referring to surveys, that although 47 % of Leftists were „anti-Israel,“ only 3 % of them were anti-Semitic. As if rejection of the Jewish state of Israel did not constitute a core of present-day anti-Semitism. Anyone opposing (a Jewish state of) Israel is of course an anti-Semite today, since Israel is the state of the Jews.

The situation in Europe and Germany is dramatic, and research is failing to a large extent. Anti-Semitism is not difficult to detect if only one examines it clearly and does not only surf along the surface. A media analysis is very important.

A joke that Robert S. Wistrich told at the official launch of this masterpiece A Lethal Obsession on January 5, 2010, at the Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington, DC, in the presence of renowned historian Jeffrey Herf may illustrate how anti-Semitism often works in Europe today. The joke goes like this: A pit bull attacks a little girl standing all alone in the terminal of the Paris airport. A man who happens to be nearby immediately shoots the dog, saving the girl’s life. Of course, throngs of journalists descend on him, take photos, praise the hero, and say, „Tomorrow, Paris newspaper headlines will read: ‚Parisian saves girl from dog attack.'“ The man replies, „But I’m not from Paris.“ „Okay, then we’ll write, ‚Frenchman saves girl from dog attack.'“ „But I’m not French.“ „Well then, we’ll write, ‚European saves girl.'“ „But I’m not European, either. I’m from Israel.“ The journalists agree, „Oh, okay. Then the headline will read: ‚Israeli kills little girl’s dog.'“

Since the mid-1980s, Wistrich pointed out (as in his 1985 book Hitler’s Apocalypse) that Muslim anti-Semitism is a great danger. This can be demonstrated empirically, and it shows that this matter was recognized much earlier in Israel and the US, while in Germany, the overwhelming majority of university researchers and mainstream politicians, journalists, and political activists refuse even to make it a topic of discussion. Wistrich was in the Federal Republic of Germany as a researcher and fellowship holder even in the early 1970s and since then studied the discussions around anti-Semitism in Germany intensively and continuously. In Lethal Obsession, he refers both to Henryk M. Broder’s criticism of Leftist anti-Zionism in 1970s and 1980s West Germany and to the criticism of Islamism, looking away, moral cowardice, and pleas for unquestioning dialogue that Broder formulated in his 2006 book Hurra, wir kapitulieren.

In the autumn of 2014, Robert asked me if I saw an opportunity to republish his 1987 book Hitler’s Apocalypse; its German title was Der antisemitische Wahn. He saw many aspects of current-day anti-Semitism anticipated in the book and wanted to publish it with an up-to-date preface in 2015. Of course I agreed to publish the book. When I met him at SICSA a week before his death in Rome, Robert gave me a hard copy of his newly written foreword. It is a review of his research as well as of the political developments of anti-Semitism over the past 30 years. The text will be published in German in the summer of 2015 as a part of the new edition of Der antisemitische Wahn. Now, Robert S. Wistrich’s foreword can be read as nothing less than a kind of scholarly and political testament, as it is one of the last longer texts he wrote directly prior to his death, and since it summarizes very fundamentally what he considered research on anti-Semitism to be.

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Announcement of the passing of Prof. Dr. Robert S. Wistrich, z“l, at his home in Jerusalem

It was always so enjoyable to talk with him—with whom else?— about the strange research conducted by many of our colleagues. For many years, his agreement as well as his criticism were an inspiration and were characterized by a motivation beyond description. He had many problems with mainstream research that in the past and the present has preferred ramblings and esoteric details to criticism and lucid analysis. Robert knew that, and it pained him. He once told me that he accepted invitations to speak from people whom he felt (or learned to feel) very problematic scientifically speaking.

The core of his numerous public appearances was the following: Like no other, he was capable of stepping back and viewing the big picture, for example at the large farewell conference as a professor at The Hebrew University in Jerusalem in the early summer of 2014. He had an overview, and he drew out the broad lines. Seldom was the postmodern chatter about the end of the great ideas and Foucaultianism so strongly accused of being untrue as in lectures and texts by Robert Wistrich. The history of the Jews in the age of Franz Joseph, one of Wistrich’s greatest studies, is a chapter of Jewish history in Europe, a central one. At the same time, it is a history of rising anti-Semitism as well as the emergence of Zionism.

If the city of Jerusalem means „Body and Soul,“ as in the title of a film by Gloria Greenfield in which Robert Wistrich played a central role, and thus is the urban embodiment of the connection of Jews to the land of Israel, then Robert Wistrich was the intellectual embodiment of Jewish history and Zionism.

It is this history of Jewish empowerment that was so central to the oeuvre of Robert S. Wistrich. The calm manner in which he spoke, his way of peering at his audience to see whether the horrific, terrible thing he was analyzing was even recognized as such, was so fascinating and captivating, even intellectually inspiring. As Robert’s widow Danielle mentioned in her remarks, Robert became more religious in his last years, which nonetheless was in contrast, or in a dialectical relationship to his quasi youthful delight in having an entirely unkosher sausage with French fries with us in the autumn of 2014 in Berlin and enjoying it in the sunshine. His irony was hilarious when he photoshopped himself into pictures as the fifth Beatle.

It was moving when Danielle showed a few visitors at Robert’s shiva his study and also private photos from his, and for many years also their shared life. The word „loss“ cannot capture it.

Robert occasionally spoke about himself as „marathon man,“ which is understandable in light of discussions like the ones in Berlin or New Haven that lasted five or six hours He became sharper and sharper over the course of a day or a long discussion, and now and again, it was past midnight when he had flashes of genius. Robert had legendary powers of recollection from episodes from Hannah Arendt’s life—whom he did not really appreciate highly—to the Zionist Ben Halpern—who had once been his neighbor.

As a historian of how the Left deals with Jews, or Leftist anti-Semitism and the history of the Jews in Europe, Wistrich encountered the topic of Islamism and anti-Jewish and anti-Western jihad as early as the mid-1980s. The eminent significance of this analysis particularly of Muslim anti-Semitism is to be seen against the background of the prevailing defenses within the disciplines of history, sociology, political science, Islamic and Middle Eastern Studies, literature, American and Arabic Studies, Iran Studies, and research on anti-Semitism. There, numerous researchers prefer to indulge in postcolonial and post-Orientalist theory and foment anti-Western resentment instead of addressing and criticizing the reality of the murderous jihad and Islamic anti-Semitism operating worldwide

In the German edition of Muslim Anti-Semitism, which he encouraged me and Edition Critic to publish in 2011 after the American Jewish Committee (AJC) in Berlin had refused years before to have the brochure, which had originally been published in English by the US AJC, translated, Robert S. Wistrich examined the entire history of Islamic anti-Semitism since the days of Mohammed. Of course, numerous aspects are merely touched upon, since a brief text cannot deal in depth with more than 1,400 years. The focus is on the analysis of Islamic anti-Semitism since the early 20th century. Written a few months after the mass murder of September 11, 2001, with its Islamist motivation, the study was up-to-date at the time and is still enormously current today.

Countering activists and publishers proud to be German, who reject Islam, but sing the praises of the „shared values of Christianity and Judaism,“ Wistrich takes care to emphasize that in the Middle Ages, life was better for the Jews (as Dhimmi) under Islam than under Christianity. Without Christian anti-Judaism and anti-Semitism, German anti-Semitism would not have developed and the Holocaust would not have occurred. Those who now agitate against Muslims prefer to disregard this. In contrast, Wistrich analyzes and criticizes the close relationship between Christian and Islamic anti-Semitism; current-day Arabic and/or Muslim leaders like to flatter Christians by pointing this relationship out to them. Wistrich studied the historical relationship of the Grand Mufti to the Germans, and also the relationship between Nazism and Islamism, as well as exposing the current danger of „Islamic fascism.“

In Lethal Obsession, Wistrich studied a particular feature of the Islamism coming from Tehran: Khomeini, from 1979 to 1989, his successor Khamenei, and then President Ahmadinejad saw themselves as the advocates of the world’s oppressed and poor. The Shiite Islamist Regime in Iran continues to seek to forge global alliances with „anti-imperialist forces“ against America, the West, and Israel. It is also hardly surprising that some Iranian thinkers and philosophers are turning to the anti-Western Nazi intellectual pioneer Martin Heidegger, as Wistrich notes in Lethal Obsession.

In that book, Wistrich quoted many anti-Semitic speeches and utterances by Ahmadinejad, who stood for the regime whose „president“ he was, calling for the annihilation of Israel and the expulsion of the Jews from the Holy Land. Just as Hitler’s threat of January 30, 1939, that an impending world war would bring about the „annihilation of the Jewish race in Europe“ was not an empty threat, the Iranian leadership’s threats are no „empty threats,“ either, as Wistrich emphasized.

German and European anti-Semitism influence(d) anti-Semitism in the Middle East and vice versa, not least thanks to modern communications technology and migration. In his 1985 book, Hitler’s Apocalypse, Wistrich examined the relationship between old Nazis and Arabic anti-Semites. Many Germans went to Egypt and were warmly welcomed there, after all, they were „experts“ in anti-Semitism, for example the notorious anti-Semite Johann von Leers, the former SS officer Leopold Gleim, or another ex-Nazi, Louis Heiden.

To Wistrich, anti-Semitism research was of enormous significance above and beyond scientific and societal trends. The continuity with which he studied the most varied facets of anti-Semitism scientifically is remarkable. While for some time, research areas such as „comparative genocide research,“ „research into racism and prejudice,“ or even „Islamophobia“ have been en vogue and nonetheless only relativize current-day anti-Semitism and the unprecedented Holocaust, Wistrich’s research on anti-Semitism—as I read it—is concerned with studying the specific features of anti-Semitism, this „longest hatred.“

In his last lecture on May 14, 2015, Robert Wistrich also underlined the enormous danger lying in the fact that it has become nothing less than an ideology of salvation to see the solution of the Arab-Israeli conflict as a symbol of peace for the entire Middle East or even the whole world. He called this „Palestinianism,“ i.e., the focus on this one particular conflict. His analysis of the lethal obsession that anti-Semitism has been for thousands of years makes clear how important it is to first of all analyze anti-Semitism and then to reject the naive (and anti-Zionist) notion of a world without anti-Semitism. To be sure, there is no harm in dreaming, but Jews have had the unspeakably painful experience called reality. According to Wistrich, it is not about the legitimate rights of the Palestinians, but about nothing less than the hope for salvation that many, all too many people around the world conflate with the term „Palestine“—and what is more, many mean a country from the Jordan to the Mediterranean and not a peaceful and perhaps even democratic state of Palestine side by side the Jewish state of Israel.

Research on anti-Semitism will change following the death of Robert S. Wistrich; his passing is an epochal rupture. This was emphasized not only by Martina Weisz, his longstanding colleague at the Vidal Sassoon Center, on the day of his funeral in a private conversation at The Hebrew University.

Anti-Semitism research and public intellectuals supporting Israel have lost a unique source of inspiration and ideas. There will be no more of the inspiring moments that characterized Robert Solomon Wistrich’s public and private appearances. Perhaps it will be the looks and the smiles that we will miss the most, since they expressed as much reflection and criticism as intellectual charm.

As Manfred Gerstenfeld stressed in an obituary, Robert’s legacy will live on; great intellectuals have enormous effects over time. In Robert’s case, it is the persistent inspiration for those who have been part of the struggle against anti-Semitism and for Zion, even if not with his energy and unspeakable dynamism, and who will continue the struggle in his spirit, or will at least try.

May your memory be a blessing, dear Robert Solomon Wistrich, z“l.

 

 

* This article was first published in German, May 27, 2015. Translated from the German by Sandra H. Lustig. The author, Clemens Heni, PhD, is a political scientist, he has published five books so far (on the New Right in Germany 1970-2005, the history of German antisemitism, Islamic Studies and Antisemitism in Germany after 9/11, Antisemitism: A Specific Phenomenon (original in English), and Critical Theory and Israel), and is the director of the Berlin International Center for the Study of Antisemitism (www.BICSA.org). As of July 2015, he will be working at the Centre of Garden Art and Landscape Architecture (CGL) of Leibniz University Hannover (Germany) in a joint project with Technion, Haifa, about “Jewish horticultural and agricultural schools / training centers in Germany and their impact on horticulture, agriculture and landscape architecture in Palestine / Israel.”

Ende einer Epoche: Zum Tode meines Freundes, des Historikers und zionistischen Intellektuellen Robert Solomon Wistrich, z‘‘l

Robert S. Wistrich war der weltweit bekannteste und renommierteste Antisemitismusforscher unserer Zeit. Er war einer der berühmtesten israelischen Forscher in den Geisteswissenschaften überhaupt. Der am 7. April 1945 in Kasachstan als Sohn polnisch-jüdischer Eltern geborene Historiker war „Neuburger Professor“ für „moderne europäische und jüdische Geschichte“ an der Hebräischen Universität Jerusalem und seit 2002 Direktor des dort 1982 gegründeten Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), das sich seither einen Ruf als einzigartige Forschungsstätte erworben hat. Robert Solomon Wistrich starb am 19. Mai 2015 während einer Vortragreise in Rom an einem Herzinfarkt.

 

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, 16. September 2014

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, 16. September 2014

Sein Tod trifft seine Familie und Freunde, aber auch die weltweite Community von Zionisten und kritischen Antisemitismusforscherinnen- und forschern wie ein unfassbares Beben. Ein Schock.

 

Dabei mag es rückblickend wie ein Wunder wirken, dass Wistrich 70 Jahre alt wurde, wie sein Sohn auf der Beerdigung am 21. Mai 2015 in Jerusalem sagte – denn im Alter von 27 wurde bei Wistrich eine Krebsart diagnostiziert, bei der die Überlebenschancen laut Enzyclopaedia Britannica bei 2% liegen.

 

Robert wirkte am 14. Mai 2015, dem Tag, als wir uns das letzte Mal sahen, zuerst müde. Doch selbst in solchen Momenten vermochte er es wie kein zweiter public intellectual zu brillieren. Er sprach auf dem Global Forum for Combating Antisemitism, der weltgrößten Konferenz gegen Antisemitismus, zum Lunch. Vor ihm hatte Dan Shapiro, ein junger aufstrebender Diplomat, Botschafter der USA in Israel, eine Rede gehalten. Dessen Lobeshymnen auf Obamas Kampf gegen Antisemitismus ließ Wistrich nicht unkommentiert. Er begann gerade in diesem Rahmen seine Rede mit einer „ganz typischen jüdischen Frage“: „Wenn alles so wunderbar ist, warum ist es dann so schlimm?“ Seine letzte große Rede, vor 600 Gästen im Jerusalem Convention Center, war der intellektuelle Höhepunkt des Global Forums.

Robert Wistrich Clemens Heni Perry Trotter May 14, 2015, Jerusalem

Robert Wistrich, Clemens Heni, Perry Trotter, Jerusalem, 14. Mai 2015, Global Forum for Combating Antisemitism

 

Später ging Robert noch in eine der working groups (über Holocaust-Trivialisierung), und wir sprachen noch sehr lange und waren bei den Allerletzten, die das Global Forum verließen. Er erzählte mir, dass er seine Nachfolge als Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) ab Oktober 2015 regeln müsste. Merkwürdigerweise legte ihm die Hebräische Universität eine Liste mit Namen vor, darunter ausschließlich eigene Dozenten. Schließlich sagte mir Robert mit einem gewissen Schulterzucken sinngemäß, er habe schließlich die womöglich am wenigsten problematische Person gewählt…

 

Der Tod von Robert S. Wistrich besiegelt das Ende des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA), auch wenn das Zentrum formal erstmal weiterexistieren wird. Doch als führender zionistischer Intellektuelle, als der bedeutendste Antisemitismusforscher und als Historiker jüdischer Geschichte ist er nicht zu ersetzen. SICSA war Robert Wistrich und vice versa.

 

Er meinte, vielleicht würden wir uns ja am Sonntag am Ben Gurion International Airport treffen, da er nach Rom und wir zurück nach Berlin fliegen würden. So kam es, dass ich am Mittwochmorgen von Anat Varon, Roberts letzter Doktorandin, eine E-Mail bekam mit der schrecklichen Nachricht. Es gab vielfach Anzeichen für seinen wirklich schlechten Gesundheitszustand, doch Vorsicht, Zurückhaltung oder die Sorge um sich selbst waren ihm offenbar unbekannt. Anat zeigte mir Roberts Lieblingsplätze an der Hebräischen Universität, seinen quasi kaum bekannten zweiten Arbeitsraum (neben jenem bei SICSA) und sie erzählte wie genussvoll er bei Gesprächen über ihre Dissertation zu Franz Werfel, Österreich und jüdische Geschichte, Schokolade aß, die sie immer mitbrachte.

Prof. Dr. Robert S. Wistrichs Arbeitszimmer an der Hebräischen Universität Jerusalem

 

In seiner Rede auf dem Global Forum spannte Robert den Bogen vom Kampf gegen den Antisemitismus hin zum jüdischen „Empowerment“, zum aktiven Eintreten für Israel als das Land der Juden, wie es in einer bahnbrechenden Ausstellung des Simon Wiesenthal Centers, die Wistrich erarbeitet hat und die – nachdem Proteste arabischer Staaten, sie könne den „Friedensprozess“ gefährden, für eine Verschiebung ihrer Eröffnung und Umbenennung gesorgt hatten – selbst bei der UNESCO in Paris und dem UN-Hauptquartier in New York gezeigt wurde, so phänomenal deutlich wird: „People, Book, Land: The 3500 Year Relationship of the Jewish People with the Holy Land“.

 

Robert Wistrich war es, der mich im Dezember 2002 zu meiner ersten Israelreise einlud, mitten in der zweiten Intifada. Mein Vortrag auf seiner ersten großen Konferenz als Leiter von SICSA – über Medien, Antizionismus und politische Kultur in der Bundesrepublik – verursachte eine tomatenroten Kopf des Kulturattachés der Deutschen Botschaft in Israel, die meine Reise mitfinanziert hatte, und eine offizielle Beschwerde der Deutschen Botschaft beim Präsidenten der Hebräischen Universität Jerusalem über meine Person (und über meinen Kollegen Martin Ulmer von der Universität Tübingen). Die Botschaft forderte die Hebräische Universität auf, das Zentrum nicht weiter (oder weniger stark) zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt war Robert Wistrich noch keineswegs als Leiter von SICSA etabliert, wenngleich als Antisemitismusforscher schon längst eine Berühmtheit.

Es war eine Ehre als frisch gebackener Promotionsstipendiat der Hans Böckler Stiftung (HBS) von offizieller Seite so wahrgenommen zu werden. Konsequenz: der Präsident der Hebräischen Universität befand unsere Vorträge als wissenschaftlich einwandfrei, es gab seither keinerlei Kontakt mehr zwischen SICSA und der Deutschen Botschaft. Ich bekam 2003 und 2004 ein Felix Posen Fellowship von SICSA. Robert selbst erwähnte diesen Konflikt mit der Deutschen Botschaft bei unserem Besuch am 12. Mai 2015 bei SICSA.

 

Wistrichs Bezeichnung des Antisemitismus als „der längste Hass“, wie sein gleichnamiges Buch und eine daran angelehnte dreiteilige Fernsehserie 1991 hießen – Antisemitism: The Longest hatred –, ist so prägnant wie mittlerweile international etabliert.

 

1985 beschrieb Wistrich in seinem Buch Hitler’s Apocalypse (auf Deutsch 1987: Der antisemitische Wahn: Von Hitler bis zum Heiligen Krieg gegen Israel), wie er bereits zehn Jahre zuvor in England eine neue Form des Antisemitismus bemerkt hatte: den antizionistischen Antisemitismus, der heute ein wesentlicher Teil dessen ist, was man „neuer Antisemi­tis­mus“ nennt. Dieser ging zunächst vor allem von Linken, häufig gut ausgebildeten Leuten an Universitäten aus.

Was damals noch am Rande der Gesellschaft sich zutrug, ist längst Mainstream. Der islamische Antisemitismus benötigt den Antisemitismus der Linken und des Mainstreams in westlichen Ländern dringend. Ohne wohlwollende, abwiegelnde Linke, Liberale und naive Multikulturalisten, die das Thema muslimischer Antisemitismus aus den Universitäten zu verbannen suchen, hätten die Islamisten kein so leichtes Spiel.

 

Robert S. Wistrichs wissenschaftliche Karriere begann an der berühmten Wiener Library in London in den 1970er-Jahren, nachdem er Ende der 1960er-Jahre unter anderem im kalifornischen Stanford studiert hatte. 1982 erhielt Wistrich eine Professur an der Hebräischen Universität in Jerusalem, der Hauptstadt Israels. Man kann seine Forschungen in fünf Kategorien einteilen, wobei im Folgenden nur seine Bücher aufgeführt werden. Hinzu kommen etliche von ihm herausgegebene Bände, Hunderte Artikel, Einführungen zu Bänden, Broschüren und andere Texte, die fast alle ebenfalls in diese Kategorien fallen:

 

1) Die Linke und Antisemitismus. Hierzu zählen folgende Monografien: Revolutionary Jews from Marx to Trotsky (1976); Trotsky: Fate of a Revolutionary (1979); Socialism and the Jews: The Dilemmas of Assimilation in Germany and Austria-Hungary (1982); From Ambivalence to Betrayal. The Left, the Jews and Israel (2012).

2) Die Geschichte der Juden mit einem Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Judentum in Europa von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1933. Hierzu zählen seine 700 Seiten starke, mehrfach preisgekrönte Arbeit The Jews of Vienna in the Age of Franz Joseph, 1987 abgeschlossen, 1989 auf Englisch publiziert (1999 auf Deutsch Die Juden Wiens im Zeitalter Kaiser Franz Josephs); Between Redemption and Perdition. Antisemitism and Jewish Identity (1990); Austrians and the Jews in the Twentieth Century: From Franz Joseph to Waldheim (1992); Austrian Legacies: Jews and National Identity (2004); Ma’abada le-heres ha-olam. Germanim ve-yehudim be mercaz-europa (2006); Laboratory for World Destruction. Germans and Jews in Central Europe (2007).

3) Hitler, der Nationalsozialismus und der Holocaust. Who is Who in Nazi Germany (1982; 1983 und in weiteren Auflagen auf Deutsch unter dem Titel Wer war wer im Dritten Reich?); Hitler’s Apocalypse: Jews and the Nazi Legacy (1985; auf Deutsch 1987 Der antisemitische Wahn: von Hitler bis zum Heiligen Krieg gegen Israel); Weekend in Munich: Art, Propaganda and Terror in the Third Reich (1995; auf Deutsch 1996 Ein Wochenende in München: Kunst, Propaganda und Terror im Dritten Reich); Hitler and the Holocaust“ (2001; auf Deutsch 2003 Hitler und der Holocaust).

4) Theorien und Analysen des Antisemitismus und Antizionismus. Antisemitism: The Longest Hatred (1991); ebenso in Hitler and the Holocaust und in A Lethal Obsession. Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad (2010).

5) Muslimischer Antisemitismus. Diesen betrachtete Wistrich zunächst in Hitler’s Apocalypse (siehe [3]), sodann in der Broschüre Muslim Antisemitism. A Clear and Present Danger (2002,) sowie in weiten Teilen von A Lethal Obsession (2010), das neben (4) und (5) auch die anderen analytischen Kategorien behandelt.

 

Wer Wistrichs Bücher, Artikel und Broschüren liest, Interviews von ihm hörte, mit ihm diskutierte oder seine Vorträge live erlebte, bemerkte sofort: Inmitten einer geschwätzigen, sich am liebsten selbst bespiegelnden und innerhalb der eigenen Schulrichtung untereinander sich zitierenden Forscherwelt sprach hier jemand, der etwas zu sagen hat, der seine Analysen öffentlich diskutiert wissen wollte und sich nicht im Elfenbeinturm versteckte. Seine Bücher haben eine Geschichte.

 

Wistrich forschte und publizierte nicht, um eine lange Publikationsliste vorweisen zu können, wie es heute nicht selten mit Indifferenz zum Sujet der Fall ist. Seine Vorworte zu vielen seiner Studien zeugen von einer persönlichen Beziehung zu der jeweiligen Forschung. Sein Werk über die Juden Wiens im Zeitalter Kaiser Franz Josephs, die Geschichte der Juden im Habsburgerreich (dem ältesten europäischen Herrschaftsverbund, der von Ende des 13. Jh. bis 1918 währte), hat viel mit seiner Herkunft zu tun. Er widmete das Buch seinen vier Großeltern (Salomon und Anna Wistreich sowie Simon und Helena Silbinger), die Bürger von Krakau waren, das damals zur österreichisch-ungar­ischen Monarchie gehörte. Bereits 1969/70 fing er an, sich als Student an der Hebräischen Universität Jerusalem Wien und dem Fin de Siècle zu widmen – ein Projekt, das knapp 20 Jahre später in die genannte Studie mündete. Viel machte Wistrich an Personen fest, etwa an Sigmund Freud oder Arthur Schnitzler, Karl Kraus oder dem Rabbiner, Politiker und Autor Joseph Bloch.

 

Prof. Dr. Robert S. Wistrichs Zimmer als Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA)

Prof. Dr. Robert S. Wistrichs Zimmer als Direktor des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA)

Friedrich Nietzsche war für viele Zionisten um 1900 Inspiration für einen jüdischen Aufbruch, eine lebensfreudige, ästhetische, kraftvolle Kritik am herrschenden geistigen Stillstand des christlichen Europa mit seinem immer stärker werdenden Antisemitismus, gerade in Österreich-Ungarn und Deutschland, aber auch in Frankreich. Nietzsche war eine Provokation für Deutschtümler, Christen und Antisemiten. Wistrich zeigte, wie Nietzsche gegen den Antisemitismus im 19. Jahrhundert kämpfte und sich von seiner Schwester und von Richard Wagner geradezu angewidert abwandte. Ebenso analysierte Wistrich in Laboratory for World Destruction, wie manche Texte oder Phrasen Nietzsches wie der „Übermensch“ von Rechten und dem Nationalsozialismus in deren völkische Richtung uminter­pretiert werden konnten, was gleichwohl einer kompletten Verkehrung gleichkam. Tatsächlich hatte Nietzsche eher einen jüdischen „Supermann“ (so Wistrich) und vor allem eine „Entdeutschung“ im Blick als ein teutonisches Monster, was auch die Faszination der Zionisten und anderer Intellektueller, Außenseiter und Gesellschaftskritiker um 1900 und später erklärt. Wistrich geht auf die Analyse der Bibel aus der Feder des eher projüdischen Philosophen ein. Nietzsche machte sich über Christen lustig und feierte das Judentum, ohne ein plumper ‚Philosemit‘ zu sein – dafür waren sein Sarkasmus, seine Kritik und seine Umwertung der allzu deutschen Werte, die sich als Vorbild die Bosheit Heinrich Heines nahmen, viel zu stark, Leib gewordenes „Dynamit“. Nietzsche trennt in Die Genealogie der Moral zwischen Altem und Neuem Testament: „Das Alte Testament – ja, das ist ganz etwas anderes: alle Achtung vor dem Alten Testament! In ihm finde ich große Menschen, eine heroische Landschaft und etwas vom Allerseltensten auf Erden, die unvergleichliche Naivität des starken Herzens.

 

Robert Solomon Wistrich war nicht nur ein Historiker europäischer Geschichte. Insbesondere die intellektuellen Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert, häufig an herausragenden Protagonisten festgemacht, waren wesentliches Element seiner Forschungen. Interessant ist, wie er Geschichte mit heutiger Politik politisch-philosophisch in Beziehung setzte beziehungsweise heutige Phänomene kontextualisierte; so z. B., wenn er in Lethal Obsession den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und das iranische Prinzip des wali al-faqih, das dem oberster Herrscher die Exekutive, Judikative und die Legislative unterordnet, erwähnte und dieses Prinzip zu einer „dynamischen, schiitischen Version des platonischen Philosophenkönigs“ erklärte.

 

Wisstrich kannte sich in den Werken von Franz Mehring, Karl Marx, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg, Theodor Herzl und Victor Adler so gut aus wie in der gegenwärtigen islamistischen Literatur und Publizistik aus Iran, Ägypten, den Golfstaaten, Syrien und dem Irak sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde. Er war ein Aufklärer und weiß doch um die Dialektik der Aufklärung. Voltaire war nicht nur eine wichtige Figur der Aufklärung im 18. Jahrhundert, er war auch ein „rabiater Judenfeind“ mit großer Ausstrahlung nicht nur auf den französischen Antisemitismus (z. B. den Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon). Wistrich wusste um die Bedeutung von Bildung in der heutigen Zeit, doch ebenso war ihm vor dem Hintergrund der Geschichte des westlichen Antisemitismus und des Anteils der Gebildeten und Eliten daran seit dem Mittelalter bis in unsere modernen und postmodernen Zeiten bewusst: „Es ist nicht genug“, wie er 2009 auf einem Vortrag in Kanada sagte. Wer sich die Forschungstendenzen an Universitäten anschaut und sieht, dass gerade von den vorgeblich gebildetsten Kreisen Antisemitismus und Islamismus trivialisiert, vernebelt, wenn nicht massiv gefördert werden, merkt, wie naiv bloße Appelle wie „mehr Bildung für alle“ oder „Migranten in Deutschland brauchen mehr Bildung“ sein können.

 

Wistrich promovierte mit der oben genannten Arbeit Socialism and the Jews – eine über 700 Druckseiten dicke Arbeit, die auf der „Shiva“, der siebentägigen Trauerzeit im Hause des Verstorbenen, gemeinsam mit allen anderen Werken aus seiner Feder gezeigt wurde, was wie ein roter Faden in seinem Leben ist: die Geschichte der Linken und die der Juden.

 

Sein Vater, Jacob Wistreich, war kurzzeitig Mitglied der linken zionistischen Gruppe Hashomer Hatzair, wurde aber bald darauf durch eine Zwangsumsiedlung unter Stalin 1940 seiner Träume von einem „sozialistischen Paradies“ beraubt, wie Wistrich schreibt. Doch viel wichtiger: So überlebte der Vater den Holocaust; das Gleiche gilt für Sabina, Robert Wistrichs Mutter, der er mehrere seiner Bücher widmete. Fast die Hälfte seiner Familie hat Wistrich in der Shoah verloren.

 

Die Geschichte der Juden in Europa war für Robert S. Wistrich also sowohl biografisch als auch wissenschaftlich von herausragendem Interesse. Er wuchs in England auf, sprach aber zuerst Polnisch und Französisch, ebenso lernte er Englisch, Deutsch und Hebräisch; zudem konnte er Jiddisch, Russisch, Ukrainisch, Tschechisch, Italienisch, Spanisch, Lateinisch, Niederländisch und Arabisch.

 

Wistrich kannte eine ungeheure Anzahl von Dokumenten, gedruckten wie ungedruckten, und war in vielen wichtigen historischen Archiven von Paris bis New York, Jerusalem, Tel Aviv, Washington D. C., London, Rom und Wien unterwegs, um nur einige Orte zu nennen. Er hatte die Gabe, sich in die Details zu vertiefen und dabei das Ganze der Gesellschaft nicht aus den Augen zu verlieren und auf den Begriff zu bringen. So zitierte er zum Beispiel aus einem Brief des Wiener Komponisten Arnold Schönberg an den Maler Wassily Kandinsky vom April 1923, in dem der ansteigende Antisemitismus am Beispiel der „Bauhaus-Architektur-Schule“ in Deutschland thematisiert wird und Schönberg resigniert feststellt, dass er als Jude sich aus der Menschheit fast schon ausgeschlossen vorkommt, so aggressiv war schon seinerzeit das antisemitische Klima. Das bettete Wistrich in die Geschichte des Antisemitismus bis zum Holocaust ein, ausgehend vom Habsburger Reich, von Multiethnizität und Moderne hin zu Deutschtum, Nationalismus, Karl Lueger und Hitler.

 

2010 publizierte Wistrich im New Yorker Verlag Random House die derzeit umfangreichste und bedeutendste Monografie über die Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus: A Lethal Obsession: Anti-Semitism from Antiquity to the Global Jihad (Eine tödliche Obsession: Antisemitismus von der Antike bis zum weltweiten Jihad). In diesem quellengesättigten, über 1.100 Seiten zählenden Werk stellt er in fünfundzwanzig Kapiteln umfassend die Geschichte des Antisemitismus dar – mit einem klaren Schwerpunkt auf dem zwanzigsten und vor allem einundzwanzigsten Jahrhundert. Es ist ein wissenschaftliches Standardwerk der Antisemitismusforschung und zugleich ein eminent politisches Buch, eine Einmischung, kein esoterisches Kleinklein für Oberstudienräte oder habilitierte Karrieristen.

 

Man sah es dem Verfasser durchaus schon an: Rollkragenpullover und Jackett sind nicht nur Insignien kritischer philosophischer Kreise der 1960er-Jahre und später. Wer wie Wistrich nicht selten öffentlich so auftrat, so auch bei seinem letzten großen Auftritt am 14. Mai 2015 in Jerusalem, gibt damit auch ein Statement ab. Man ist versucht zu sagen: Etikette ist etwas für „wannabees“, Intellektuelle haben das nicht nötig. Oder einfacher gesagt (mit Hegel im Hinterkopf): Inhalt schlägt Form. Der ruhige und sachliche, aber persönliche, engagierte Ton sowie seine historischen und philosophischen Anspielungen waren ungemein inspirierend. Wistrich betonte mitunter, wer ihn zu seinen vielfältigen Studien animiert hatte, zum Beispiel Simon Wiesenthal, der ihn Mitte der 1980er-Jahre bat, doch die Beziehung von Antizionismus und Antisemitismus zu untersuchen. Dieses Thema avancierte zu einem Schwerpunkt der Forschungen Wistrichs und mündete in die bereits erwähnte Analyse in Buchform und die TV-Serie Antisemitism: The Longest Hatred.

20 Jahre später, gleich zu Beginn des Buches Lethal Obsession, strich Wistrich heraus, dass der Antisemitismus seit dem Ende des Nationalsozialismus keine solche „Hochzeit“ („heyday“) mehr erlebt habe wie heute im Nahen Osten. Der Antisemitismus ist aus Deutschland in den Nahen Osten gewandert, ohne bloß exportiert worden zu sein. Wer bei Sinnen ist, kann weder die ungeheuerliche Quantität noch die gefährliche neue Qualität des muslimischen Antisemitismus ignorieren.

Wistrich war auch ein Kritiker mancher Erklärungen über den Holocaust (in seinem Buch Hitler and the Holocaust) und der These, die Moderne, Bevölkerungspolitik oder eine „Ökonomie der Endlösung“ und nicht ideologischer Hass und Antisemitismus seien für die Shoah verantwortlich gewesen. Hitler und der Nationalsozialismus insgesamt hatten eine „millenaristische, apokalyptische Ideologie der Vernichtung“, in deren Zentrum der „Antisemitismus“ stand, wie Wistrich hervorhebt. Wie bei seinen heutigen Analysen des islamischen Antisemitismus wendet sich der Historiker bei der Analyse des Holocaust gegen Rationalisierungen und ein Verstehenwollen von antisemitischer Agitation und Aktion, wo sich doch irrationaler Hass jenseits der Vernunft oder ökonomischer Logik befindet. Es gibt keine „Logik der Modernisierung“ in der Tatsache, dass die Deutschen 2.200 Juden von der griechischen Insel Rhodos nach Auschwitz deportierten, wie er schreibt.

 

Die herkömmliche Forschung ignoriert und derealisiert die internationalen Diskussionen über Antisemitismus in den letzten zehn Jahren. Sie will nichts von der Resignation der Juden in den Niederlanden wissen, von der der israelische Forscher und Holocaustüberlebende Manfred Gerstenfeld berichtet, wo viele Juden keine Zukunft mehr für sich in einem zunehmend von aggressiven Muslimen beziehungsweise Islamisten bestimmten Land sehen. Ähnlich sieht es in Schweden aus. Und Juden in Deutschland trauen sich kaum, offen mit Magen-David-Halskette durch die Straßen zu laufen, vor jeder Synagoge und jedem jüdischen Kindergarten stehen schwer bewaffnete Polizisten, um Juden vor antisemitischen Angriffen zu schützen. Ein Blick ins Internet zeigt einen teils unfassbar brutalen und vulgären Antisemitismus. Auch Robert Wistrich sprach in den letzten Jahren zunehmend pessimistischer über die Zukunft der Juden in Europa.

Die europäischen und deutschen Wirklichkeiten im virtuellen Raum, aber ebenso in Redaktionsstuben, auf den Straßen, in Forschungskolloquien, beim Einkaufen, auf Demonstrationen etc. sind vor allem seit dem Jahr 2000 und dann nach 9/11 von einem enormen Antisemitismus bestimmt. Die meisten Forscher wollen ihn nicht erkennen, weil er meistens nicht im Neonazi-Style daherkommt, sondern sich als „Israelkritik“ versteckt und aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Der einstimmige Bundestagsbeschluss am 1. Juli 2010 bezüglich der sog. Gaza-Flottille ist ein Beleg für die zunehmende Israelfeindschaft selbst in einem Land, das sich als Freund des jüdischen Staates geriert. Und dann kam der antisemitische Sommer 2014 mit den brutalsten, massivsten und größten antijüdischen Aufmärschen in ganz Europa seit Jahrzehnten.

 

Im November 2011 erschien der erste „Antisemitismusbericht“ der Deutschen Bundesregierung („Antisemitismus in Deutschland. Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze“), verfasst von einem „unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus“, der sich aus zehn teils erfahrenen Forschern zusammensetzte. Darin wurden nicht nur die deutsch-iranischen Beziehungen außen vor gelassen und eine Analyse und Kritik des Islamfaschismus (in seiner historischen wie gegenwärtigen Version) verweigert. Auch die meisten der international bedeutenden Forscher zu muslimischem Antisemitismus wurden bewusst ignoriert. Während manche (Antisemitismus-)Forscher mit englischen Texten durchaus rezipiert wurden, ignorierte der Bericht z.B. alle Bücher und Artikel von Robert S. Wistrich, obwohl seine Texte sogar auf Deutsch vorliegen. Solche Ignoranz entspräche einer Studie über Die Geschichte der Physik in den Jahren 1900 bis 1925, die Albert Einstein noch nicht einmal erwähnte.

 

Würden die meisten deutschen (Antisemitismus-)Forscher/innen die Diskussionen in den jüdischen Gemeinschaften, z. B. in Europa, Israel und den USA kennen, wären sie über die dortigen Ängste in den letzten zehn Jahren informiert und würden nicht Texte publizieren, die z. B. in Anlehnung an Umfrageerbnisse ernsthaft behaupten, 47 % der Linken seien zwar „antiisraelisch“, aber nur 3 % davon antisemitisch. Als ob die Ablehnung des jüdischen Staates Israel nicht einen Kern des heutigen Antisemitismus ausmachte. Wer gegen (einen jüdischen Staat) Israel ist, ist heutzutage natürlich ein Antisemit, da Israel der Staat der Juden ist.

 

Die Situation in Europa und Deutschland ist dramatisch und die Forschung versagt in weiten Teilen. Antisemitismus ist unschwer erkennbar, wenn man denn nur luzide untersucht und nicht nur auf der Oberfläche surft. Eine Analyse der Medien ist von großer Bedeutung.

Ein Witz, den Robert S. Wistrich bei der offiziellen Präsentation seines Meisterwerkes A Lethal Obsession am 5. Januar 2010 im Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D. C. im Beisein des bekannten Historikers Jeffrey Herf erzählte, mag verdeutlichen, wie Antisemitismus heute in Europa häufig funktioniert. Der Witz geht so: Steht ein kleines Mädchen verlassen in der Flughafenhalle in Paris und wird von einem aggressiven Hund, einem Pitbull, attackiert. Reaktionsschnell erschießt ein zufällig vorbeikommender Mann den Hund und rettet das Mädchen. Natürlich kommen sofort viele Journalisten, machen Bilder, loben den Helden und sagen zu ihm: „Morgen werden wir in den Pariser Zeitungen mit der Schlagzeile ‚Pariser rettet Mädchen vor dem Angriff eines Hundes‘ aufmachen.“ Daraufhin der Mann: „Aber ich bin gar nicht aus Paris.“ „Okay, dann schreiben wir ‚Franzose rettet Mädchen vor dem Angriff eines Hundes‘.“ „Aber ich bin auch kein Franzose.“ „Na gut, dann schreiben wir ‚Europäer rettet Mädchen‘.“ „Aber ich bin auch kein Europäer. Ich komme aus Israel.“ Darauf dann die Journalisten unisono: „Ah, okay. Dann bringen wir morgen die Headline: ‚Israeli tötet den Hund eines Mädchens‘.“

Seit Mitte der 1980er-Jahre betonte Wistrich (wie in seinem Buch Hitler’s Apocalypse von 1985), dass der muslimische Antisemitismus eine große Gefahr ist. Dies ist empirisch nachvollziehbar und zeigt, dass in Israel und den USA dieser Sachverhalt schon weitaus früher erkannt wurde, während sich in Deutschland bis heute der allergrößte Teil der universitären Forschung und der Mainstream der Politik, des Journalismus und der politischen Aktivisten weigern, dies auch nur zu thematisieren. Wistrich war als Forscher und Stipendiat bereits in den frühen 1970er-Jahren in der Bundesrepublik und hat sich seitdem intensiv und kontinuierlich mit den Diskussionen um Antisemitismus in Deutschland beschäftigt. In Lethal Obsession bezog er sich sowohl auf die Kritik von Henryk M. Broder am linken Antizionismus in der Bundesrepublik der 1970er- und 1980er-Jahre als auch auf die Kritik am Islamismus, am Wegschauen, Duckmäusern und Plädieren für den unhinterfragten Dialog, die Broder in seinem Buch Hurra, wir kapitulieren (2006) formulierte.

Im Herbst 2014 fragte mich Robert, ob ich nicht eine Chance sehen würde, sein Buch „Der antisemitische Wahn“ von 1987 (das war die deutsche Ausgabe von „Hitler’s Apocalypse“) neu herauszugeben. Er sähe darin viele Aspekte des heutigen Antisemitismus antizipiert und wolle das Buch mit einem aktuellen Vorwort im Jahr 2015 publizieren. Natürlich sagte ich zu, das Buch herauszugeben. Bei dem oben erwähnten Treffen bei SICSA, exakt eine Woche vor seinem Tod in Rom, gab mir Robert einen Ausdruck seiner ganz frisch geschriebenen Einleitung zu diesem Band. Diese Einleitung ist ein Rückblick auf seine Forschung sowie die politischen Entwicklungen des Antisemitismus in den letzten 30 Jahren. Der Text wird im Sommer 2015 als Teil der Neuausgabe von „Der antisemitische Wahn“ in deutscher Sprache erscheinen. Robert S. Wistrichs Einleitung kann nun geradezu als eine Art wissenschaftliches und politisches Testament gelesen werden, da es einer der letzten längeren Texte ist, die er unmittelbar vor seinem Tod geschrieben hat und der ganz grundsätzlich zusammenfasst, was er unter Antisemitismusforschung verstand.

 

Es war immer eine solche Freude mit ihm – wem sonst? – über die merkwürdigen Forschungen vieler unserer Kolleg/innen zu sprechen. Seine Zustimmung wie Kritik war über viele Jahre hinweg Inspiration und von einer unbeschreiblichen Motivation geprägt. Er hatte viele Probleme mit der Mainstreamforschung, die dem Gerede oder esoterischen Kleinklein noch immer der Kritik und luziden Analyse Vorzug gab und gibt. Robert wusste das und spürte es schmerzlich. Er ließe sich mitunter auch zu Vorträgen einladen von Leuten, die er wissenschaftlich teils sehr problematisch empfand (oder zu empfinden lernte), wie er mir einmal sagte.

 

Der Kern seiner zahlreichen öffentlichen Auftritte ist folgender: Wie kein anderer verstand er es, wie zum Beispiel auf der großen Abschiedskonferenz als Professor der Hebräischen Universität im Frühsommer 2014 in Jerusalem, „to step back“, einen Schritt zurück zu gehen und sich das große Bild anzuschauen. Er hatte den Überblick und zeigte die großen Linien auf. Selten wurde das postmoderne Geschwätz vom Ende der großen Ideen und der Foucaultianismus so sehr der Unwahrheit geziehen wie in Reden und Texten von Robert Wistrich.

 

Wenn die Stadt Jerusalem „Body and Soul“ meint, wie ein Dokumentarfilm von Gloria Greenfield heißt, bei dem Robert Wistrich eine wichtige Rolle spielt, somit die städtische Verkörperung der Verbindung von Juden zum Land Israel, dann war Robert Wistrich die intellektuelle Verkörperung jüdischer Geschichte und des Zionismus.

 

Diese Geschichte des jüdischen „Empowerment“ ist es, die so zentral war für das Werk von Robert S. Wistrich. Die ruhige Art, in der er sprach, das Blicken, ob das Ungeheuerliche, das er analysierte, überhaupt als solches erkannt würde, war so faszinierend und mitreißend, ja intellektuell inspirierend. Robert wurde die letzten Jahre religiöser, wie seine Witwe Daniela in ihrer Rede erwähnte, was gleichwohl in Kontrast oder einem dialektischen Verhältnis stand zu seiner gleichsam jugendlichen Freude, mit uns im Herbst 2014 in Berlin eine ganz unkoschere Wurst mit Pommes zu essen und es im Sonnenlicht zu genießen. Seine Ironie war köstlich, auch wenn er sich auf Bildern als der fünfte Beatle hineinphotoshopte, wie man heute sagen würde.

 

Es war bewegend, wie Daniela mir auf der Shiva das Arbeitszimmer von Robert zeigte und auch private Fotografien aus seinem und zu weiten Teilen ihrem Leben.

 

Robert sprach immer wieder mal von sich als „Marathon-Man“, was Susanne Wein und ich nach fünf- oder sechsstündigen Gesprächen wie in Berlin oder New Haven (CT, USA) erleben konnten, er blühte nach stundenlangen Diskussionen noch mehr auf. Robert besaß ein sagenhaftes Erinnerungsvermögen, von Episoden aus dem Leben von Hannah Arendt – die er nicht wirklich schätzte – über den Zionisten Ben Halpern – der mal sein Nachbar war – reichte die Palette der Beziehungen.

Als Historiker des linken Umgangs mit Juden bzw. des linken Antisemitismus und der Geschichte der Juden in Europa kam Wistrich schon Mitte der 1980er Jahre zum Thema des Islamismus oder des antijüdischen und antiwestlichen Jihad. Die eminente Bedeutung seiner Analyse zumal des muslimischen Antisemitismus zeigt sich vor dem Hintergrund der üblichen Abwehrmaßnahmen innerhalb der Geschichtswissenschaft, Soziologie, Politologie, Islam- und Nahostforschung, Literaturwissenschaft, Amerikanistik und Arabistik, Irankunde und Antisemitismusforschung. Dort schwelgen viele Forscherinnen und Forscher lieber in postkolonialer und postorientalistischer Theorie und schüren antiwestliche Ressentiments, statt sich mit der Realität des mörderischen, weltweit agierenden Jihad und islamischen Antisemitismus zu befassen und Kritik zu üben.

 

In seiner deutschen Ausgabe Muslimischer Antisemitismus, zu der er mich und den Verlag Edition Critic 2011 angeregt hat, nachdem das American Jewish Committee (AJC) in Berlin sich Jahre zuvor geweigert hatte, eine Übersetzung der ursprünglich 2002 auf Englisch in USA vom dortigen AJC publizierten Broschüre anzugehen, ging Robert S. Wistrich auf die gesamte Geschichte der islamischen Judenfeindschaft seit Mohammeds Zeiten ein. Selbstredend wurden viele Aspekte nur angeschnitten, da ein knapper Text nicht über 1400 Jahre Geschichte in allen Details berücksichtigen kann. Der Schwerpunkt lag auf der Analyse des islamischen Antisemitismus seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Tagesaktuell, wenige Monate nach dem islamistisch motivierten Massenmord vom 11. September 2001 geschrieben, besitzt die Studie bis heute eine enorme Aktualität.

Entgegen stolzdeutschen Aktivisten und Publizisten, die den Islam ablehnen, aber das Hohelied der „christlich-jüdischen Wertegemeinschaft“ singen, legt Wistrich Wert darauf zu betonen, dass es im Mittelalter den Juden (als Dhimmi) unter der Herrschaft des Islam besser ging als unter dem Christentum. Ohne den christlichen Antijudaismus und Antisemitismus wäre es nicht zum deutschen Antisemitismus und zum Holocaust gekommen. Dies blenden jene, die jetzt gegen Muslime agitieren, gerne aus. Wistrich analysiert und kritisiert hingegen die enge Verwandtschaft von christlichem und islamischem Antisemitismus, wie sie auch von heutigen arabischen oder/und muslimischen Führern Christen gegenüber betont wird, um ihnen zu schmeicheln. Wistrich untersucht die historische Beziehung des Großmuftis zu den Deutschen, von Nationalsozialismus und Islamismus ebenso, wie er die heutige Gefahr eines „Islamfaschismus“ herausstellt.

 

Wistrich untersucht in Lethal Obsession eine Besonderheit des Islamismus aus Teheran: Khomeini von 1979 bis 1989, sein Nachfolger Khamenei und dann Präsident Ahmadinejad und das heutige Regime sahen und sehen sich als Anwälte der Unterdrückten und Armen der Welt. Das schiitische islamistische Regime in Iran möchte weiterhin weltweit Bündnisse mit „antiimperialistischen Kräften“ gegen Amerika, den Westen und Israel schließen. Es gibt auch eine kaum überraschende Hinwendung mancher iranischer Denker und Philosophen zum antiwestlichen Nazivordenker Martin Heidegger, wie Wistrich in Lethal Obsession bemerkt.

 

Wistrich zitierte in Lethal Obsession viele antisemitische Reden und Äußerungen Ahmadinejads, der exemplarisch für das Regime steht, dessen „Präsident“ er war, die zur Vernichtung Israels und zur Vertreibung der Juden aus dem Heiligen Land aufrufen. Sowenig Hitlers Drohung vom 30. Januar 1939, ein kommender Weltkrieg werde die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ bringen, eine leere Drohung war, sowenig sind die Drohungen der iranischen Führung „leere Drohungen“, wie Wistrich betont.

 

Deutscher und europäischer Antisemitismus beein­fluss(t)en jenen im Nahen Osten und umgekehrt, auch dank moderner Kommunikationstechnologie und Migrationsbewegungen, in beide Richtungen. 1985 in Hitler’s Apocalypse untersuchte Wistrich die Beziehung von alten Nazis und arabischen Antisemiten. Viele Deutsche gingen nach Ägypten und wurden dort freudig empfangen, sie waren ja „Experten“ für Antisemitismus, wie „der notorische Antisemit Johann von Leers“, der „ex-SS-Offizier Leopold Gleim“ oder ein anderer „ex-Nazi, Louis Heiden“.

 

Für Wistrich war die Antisemitismusforschung jenseits wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Moden von enormer Bedeutung. Die Kontinuität, mit der er sich als Wissenschaftler mit den unterschiedlichsten Facetten des Judenhasses befasste, war herausragend und ohne Vergleich. Während seit einiger Zeit Forschungsfelder wie „vergleichende Genozidforschung“, „Rassismus und Vorurteilsforschung“ oder gar „Islamophobie“ im Trend liegen und doch nur heutigen Antisemitismus und den präzedenzlosen Holocaust relativieren, war die kritische Antisemitismusforschung von Wistrich darauf bedacht, die Spezifik des Antisemitismus, dieses „längsten Hasses“, zu untersuchen.

 

In jenem letzten Vortrag am 14. Mai 2015 betonte Robert Wistrich auch die enorme Gefahr die darin liege, dass es geradezu zu einer Heilsideologie geworden sei, die Lösung des arabisch-israelischen Konflikts für den gesamten Nahen Osten bzw. die ganze Welt als Symbol des Friedens zu sehen. Er nannte das „Palästinianismus“, also die Fokussierung auf diesen einen Konflikt. Seine Analyse der tödlichen Obsession, die der Antisemitismus seit tausenden von Jahren darstellt, verdeutlicht, wie wichtig es ist, zuallererst den Judenhass zu analysieren und sich von der naiven (und antizionistischen) Vorstellung einer Welt ohne Antisemitismus abzuwenden. Sicher darf man träumen, aber Juden haben die unsagbar schmerzhafte Erfahrung gemacht, die man „Realität“ nennt. Es ginge nicht um die legitimen Rechte der Palästinenser, sondern um eine geradezu Erlösungshoffnung, die viele, allzu viele weltweit mit dem Begriff „Palästina“ verbinden würden – und sehr viele würden dazu noch ein Land meinen vom Jordan bis zum Meer und nicht einen friedlichen und vielleicht gar demokratischen Staat Palästina neben dem jüdischen Staat Israel.

 

Die Antisemitismusforschung wird nach dem Tode von Robert S. Wistrich eine andere sein, sein Tod ist ein epochaler Bruch. Das betonte nicht nur die langjährige Mitarbeiterin am Vidal Sassoon Center Martina Weisz am Tag der Beerdigung an der Hebräischen Universität in privatem Rahmen.

 

Mit Robert Wistrich verlieren die Antisemitismusforschung und die public intellectuals für Zion einen einzigartigen Leuchtturm und einen Ideengeber. Es wird keine inspirierenden Momente mehr geben, die die öffentlichen wie privaten Auftritte von Robert Solomon Wistrich prägten. Vielleicht sind es auch die Blicke und das Lächeln, die am meisten fehlen werden, da darin soviel Reflexion und Kritik wie intellektueller Charme sich Ausdruck verschaffte.

 

Wie Manfred Gerstenfeld in einem Nachruf betonte, wird das Erbe von Robert weiterleben, große Intellektuelle haben eine ungeheure Nach-Wirkung. Bei Robert ist es die bleibende Inspiration für jene, die den Kampf, wenn auch nicht mit dieser Energie und unsagbaren Power, gegen den Antisemitismus und für Zion mitfochten und in seinem Sinne weiter kämpfen bzw. es zumindest versuchen werden.

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Bekanntmachung des Todes von Prof. Robert S. Wistrich an seiner Haustüre in Jerusalem

 

May your memory be a blessing, dear Robert Solomon Wistrich, z‘‘l.

 

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Jetzt lieferbar: Karl Pfeifer – Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg

Karl Pfeifer: Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) /

Studien zum Nahen Osten, Band 4

Berlin: Edition Critic, 2015, ISBN 978-3-9815919-2-7, 162 Seiten, 18 Abbildungen, Broschur, 15,2 x 22,8 cm, 18€

 

Karl Pfeifer muss im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern vor den Nazis flüchten. Das einzige Land, in das sie einreisen können, ist Ungarn. Anfang 1943 schafft er mithilfe der zionistischen Bewegung die Einwanderung nach Palästina. Drei Jahre lebt er in einem Kibbuz und meldet sich 1946 freiwillig zur Palmach, Elitetruppe der Hagana, und kämpft bis Ende des Unabhängigkeitskrieges für die Entstehung des Staates Israel. Schließlich landet er über einige Stationen wieder in Österreich.

Pfeifers Erinnerungen beklagen nicht das schwere Schicksal, sondern schildern einen mutigen Weltbürger, der aller Unbill zum Trotz mit wachem Geist und mit Humor die Zeichen seiner Zeit erkennt.

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