The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Monat: Februar 2015

Jetzt lieferbar: Karl Pfeifer – Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg

Karl Pfeifer: Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) /

Studien zum Nahen Osten, Band 4

Berlin: Edition Critic, 2015, ISBN 978-3-9815919-2-7, 162 Seiten, 18 Abbildungen, Broschur, 15,2 x 22,8 cm, 18€

 

Karl Pfeifer muss im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern vor den Nazis flüchten. Das einzige Land, in das sie einreisen können, ist Ungarn. Anfang 1943 schafft er mithilfe der zionistischen Bewegung die Einwanderung nach Palästina. Drei Jahre lebt er in einem Kibbuz und meldet sich 1946 freiwillig zur Palmach, Elitetruppe der Hagana, und kämpft bis Ende des Unabhängigkeitskrieges für die Entstehung des Staates Israel. Schließlich landet er über einige Stationen wieder in Österreich.

Pfeifers Erinnerungen beklagen nicht das schwere Schicksal, sondern schildern einen mutigen Weltbürger, der aller Unbill zum Trotz mit wachem Geist und mit Humor die Zeichen seiner Zeit erkennt.

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Das Regierungsbündnis Syriza-Anel in Griechenland: eine unvorstellbare Allianz?

Von Dimitri Kravvaris

 

Am 26. Januar veröffentlichte die französische Zeitung Libération ein Interview mit Daniel Cohn-Bendit, in dem der berühmte Europapolitiker eine erste Einschätzung der Ergebnisse der Parlamentswahl in Griechenland lieferte.[1] Er zeigte u.a. seine Empörung über die Entscheidung von Syriza, sich mit Anel (deutsch: Unabhängige Griechen), einer Partei, deren Mitglieder sich oft homophob, antisemitisch und rassistisch äußern, zu koalieren. Cohn-Bendit stellte die These auf, Alexis Tsipras setze durch dieses Querfront-Bündnis von Links und Rechts die Politik der sozialistischen Regierung von Andreas Papandreou (1981–1989 & 1993–1996) fort, die ebenfalls versucht habe, Linksradikalismus mit Nationalismus, anti-europäische mit anti-amerikanischer sowie antizionistischer Rhetorik zu kombinieren.

Die Verbindung zwischen Tsipras und Papandreou sollte nicht unterschätzt werden; der junge griechische Premier lässt sich tatsächlich von der Rhetorik des charismatischen Sozialisten inspirieren und ein wichtiger Teil des Kaders, der die Politik von Syriza bestimmt, kommt ursprünglich aus dem Pasok, der von Andreas Papandreou gegründeten Partei, die seit der Einführung des Memorandums in Griechenland drastisch an Kraft verlor, maßgeblich aufgrund der von ihr und der konservativen NeaDimokratia vertretenen Sparmaßnahmen zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Meines Erachtens sollte man zwei weitere Aspekte berücksichtigen, um den Zusammenschluss von Syriza und Anel zu verstehen. Erstens ist Syriza nicht die erste Partei in Griechenland, die eine für europäische Standards undenkbare Koalition bildet; Pasok und NeaDimokratia bereiteten 2011 mit der Regierung Papadimos den Weg vor. Zweitens haben Syriza und Anel mehr Gemeinsamkeiten als man annimmt. Es wird in manchen europäischen Medien ausschließlich auf die antisemitischen Aussagen eines Panos Kammenos, des Vorsitzenden von Anel, fokussiert – vor laufender Kamera behauptete er im Dezember 2014, die griechischen Juden würden keine Steuern bezahlen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Syriza sein eigenes Antisemitismus-Problem hat. Am Beispiel des Vorfalls mit Theodoros Karypidis wird nachzuweisen versucht, dass es uns nicht wundern sollte, dass Tsipras mit Kammenos eine Regierungskoalition bilden wollte und nicht z. B. mit Stavros Theodorakis, dem Vorsitzenden der linksliberalen Partei ToPotami (deutsch: der Fluss), die in der Parlamentswahl immerhin 6,05 % erreichte.

1) Im November 2011 löste das Kabinett der Not-Regierung des Ministerpräsidenten Loukas Papadimos das Kabinett Giorgos Papandreou ab. Überraschenderweise unterstützten die Regierung nicht nur das sozialistische Pasok und die konservative NeaDimokratia, sondern auch die rechtspopulistische Partei Laos (deutsch: „Orthodoxer Volksalarm“), obwohl es, arithmetisch gesehen, gar nicht notwendig gewesen wäre. Laos wurde 2000 vom ehemaligen Journalisten und notorischen Antisemiten Yorgos Karatzaferis gegründet, nachdem er von der NeaDimokratia ausgeschlossen wurde. Karatzaferis ist es sogar 1996 gelungen, den Rücktritt des Außenministers der Regierung Simitis, Christos Rozakis, zu provozieren, denn er behauptete, Rozakis sei jüdischer Herkunft und deshalb seinem Land nicht loyal. 2001 reproduzierte Karatzaferis im Parlament das in der griechischen Gesellschaft verbreitete Gerücht, 4.000 Juden hätten von dem Attentat auf das World Trade Center gewusst und seiennicht arbeiten gegangen, und behauptete, es handele sich um eine Information, die von der israelischen Presse bestätigt worden sei. Das sind nur einige Beispiele einer Strategie, die auf Verschwörungstheorien beruht und Ressentiments gegen Juden sowie gegen die europäischen Institutionen zu schüren versucht.

Ein solcher Politiker wurde in einer griechischen Regierungzum ersten Mal nach dem Ende der Militärdiktatur bzw. Junta (1967–1974) geduldet. Die Teilnahme einer rechtspopulistischen Partei an der Übergangsregierung ermöglichte Karatzaferis, sich sowohl als eine antisystemische Macht als auch als Garant der Einheit der Nation sowie der Fortsetzung der notwendigen Reformen zu präsentieren,[2] auch wenn diese Position einen kurzfristigen Effekt hatte. Laos verlor zwar schnell an Zuspruch, weil es von seiner Wählerschaft letzten Endes als eine Pro-Memorandum Partei wahrgenommen wurde – die Nazis der Chrysi Avgi (deutsch: Goldene Morgenröte) boten hingegen eine konsequente Anti-Memorandum-Linie, es ist aber entscheidend, dass die griechische Gesellschaft den Koalitionspartner Laos als ein sekundäres Problem ansah. Sehr wenige Intellektuelle sprachen von der Überwindung einer roten Linie; ihr Protest blieb eher ungehört.[3]

Die Koalitionspartner Pasok und NeaDimokratia hatten auch in der Regierung Samaras (2012-2015) Rechten und notorischen Antisemiten, wie Adonis Georgiadis und Makis Voridis, die Möglichkeit gegeben, Schlüsselpositionen einzunehmen. Besonders Georgiadis hatte als Laos-Politiker in seiner Fernsehsendung Bücher des Holocaustbefürworters Konstantinos Plevris gepriesen. Als Politiker der NeaDimokratia weist Georgiadis alle Antisemitismus-Vorwürfe vehement zurück und zeigt sich solidarisch mit Israel. Heute vollendet die Regierung Tsipras das Werk der Regierungen Papademos und Samaras mit der Nominierung von Panos Kammenos für das Verteidigungsministerium. Interessant ist hierbei die Antwort, die Yanis Varoufakis, der neue Finanzminister, einer Journalistin der BBC am 30. Januar gab, als sie ihn fragte, ob er die Koalition mit Anel als eine Notwendigkeit betrachtet. Varoufakis stellte eine Analogie her mit der Koalition zwischen der Conservative Party und der Liberal Democrats in Großbritannien: „Does Mr. Cameron endorse everything that Mr. Clegg said?“[4] Für Varoufakis sowie für viele griechische Politiker ist eine rechtspopulistische und antisemitische Partei wie Anel trotz Unstimmigkeiten offenbar ein akzeptabler Koalitionspartner, der keinen Qualitätsunterschied mit einer liberalen Partei hat.

2) Der Name Theodoros Karypidis ist wahrscheinlich vielen in Europa unbekannt. Karypidis ist ein Journalist aus der kleinen Stadt Kozani, der zum Kandidaten Syrizas zu den Lokalwahlen von 2014 designiert wurde. Bereits im Juni 2013 hatte Karypidis einen antisemitischen Kommentar zur Eröffnung des öffentlichen Senders NERITauf Facebook gepostet. Er behauptete darin, dass NERIT vom hebräischen „Nera“, der Kerze zu Chanukkah, stamme, dass Chanukkah ein antigriechisches Fest sei und dass der Vorsitzende des neuen Senders ein Vertrauter der Bilderberg-Konferenz sei. Nach heftigen Reaktionen zunächst seitens der Gesellschaft und danach innerhalb der Partei war Syriza dazu gezwungen, Karypidis abzusetzen, obwohl der lokale Ableger der Partei in Kozani sich weigerte, sich von ihrem Kandidaten zu trennen. Hinzu kommt, dass Syriza die berechtigte Kritik[5] der American Jewish Committee (AJC) zum Vorfall mit Karypidis als Einmischung in interne griechische Angelegenheiten zurückwies.

Die Solidarität der Linken mit Karypidis in Kozani sowie die aggressive Reaktion auf die Kritik der amerikanischen Organisation zeigt, dass dieser Vorfall keine Ausnahme in der griechischen Linken ist, sondern Symptom einer generellen Neigung zu Verschwörungstheorien, die man gewöhnlich im rechten Spektrum des griechischen politischen Lebens findet. Syriza und Anel führen gemeinsam seit Jahren die Front in Griechenland gegen die europäischen Eliten, die das Land unterjocht hätten, gegen die großen griechischen etablierten Parteien, die sie gerne als „Verräter“ und „Mörder“ bezeichnen (Syriza und Anel halten sich für unschuldig an der Finanzkrise) sowie gegen den Zionismus: entweder wird der Zionismus als eine „internationale Bewegung“ betrachtet, die die Reinheit der griechischen Nation bedrohe (Stavroula Xoulidou von Anel[6]) oder als die Personifizierung des Bösen im Nahen Osten (Sofia Sakorafa von Syriza[7]).

In der letzten Parlamentswahl wurde offensichtlich, dass Syriza sich an der Strategie Anels inspirierte, indem sie die Nationalistin Rachel Makri direkt von Anel rekrutierte. In einem Tweet bezeichnete Makri den Bürgermeister von Thessaloniki als „lächerlich“, als er im August 2014 mit einem großen Judenstern auf seiner Jacke zur Vereidigung des neuen Stadtrates erschien, um gegen die Wahl und die Anwesenheit eines Mitglieds der Chrysi Avgi im Stadtrat Thessalonikis zu protestieren. Im Kampf gegen die „fremden Mächte“ haben offenbar solche antisemitischen Äußerungen keine besonderen Auswirkungen auf die Kandidaten. Makri ist ohne Überraschung in Kozani mit Abstand auf dem ersten Platz gelandet. Karypidis konnte trotz des Skandals als unabhängiger Kandidat 2014 kandidieren und wurde zum Präfekt gewählt.Anscheinend ist Antisemitismus in Griechenland kein Nachteil in einer politischen Karriere.

 

Dimitri Kravvaris bloggt auf enantiastonantisimitismo.wordpress.com mit dem Schwerpunkt Antisemitismus in Griechenland; diesen Text hat er extra auf Anfrage für BICSA verfasst, herzlichen Dank dafür!

 

[1] Matthieu Ecoiffier : Syriza-Grecs indépendants : «Cette alliance, c’est vraiment jouer avec le feu» (Interview mit Daniel Cohn-Bendit). In : http://www.liberation.fr/politiques/2015/01/26/syriza-grecs-independants-cette-alliance-c-est-vraiment-jouer-avec-le-feu_1189278.

[2] Vgl. Andreas Pantazopoulos: Die nützlichen Rechten (auf Griechisch). In: Athens Review of Books, Dezember 2011.

[3] Vgl. Stavros Zoumboulakis: Unheilige Koalition. Ein Vortrag zur griechischen Krise. Athen 2011. Im besagten Vortrag wirft Zoumboulakis der griechischen Linke und vor allem Syriza mit ihrer „nihilistischen Kritik“ vor, den Aufstieg von Laos als verlässlichen Koalitionspartner ermöglicht zu haben (S. 26–27).

[4] Das Interview mit Yanis Varoufakis auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=BiIO4YciewU&feature=youtu.be

[5] AJC: Greek Syriza Party Candidate’s Anti-Semitic Facebook Post (2. Mai 2014). In: http://www.ajc.org/site/apps/nlnet/content3.aspx?c=7oJILSPwFfJSG&b=8478375&ct=13642095&notoc=1#sthash.WSOdfXvH.i9YsT5BK.dpuf

[6] Vgl. Central Board of Jewish Communities in Greece: Announcement on the anti-Semitic References in Greek MP’s essay (4. Dezember 2014). In: http://kis.gr/en/index.php?option=com_content&view=article&id=550:announcement-on-the-anti-semitic-references-in-greek-mps-essay&catid=12:2009&Itemid=41

[7] Vgl. Blog AgainstAntisemitism-ΕνάντιαστονΑντισημιτισμό: Greek MEP Sofia Sakorafa believes that Israel imposes apartheid in Gaza (27. September 2014). In: https://enantiastonantisimitismo.wordpress.com/2014/09/27/greek-mep-sofia-sakorafa-believes-that-israel-imposes-apartheid-in-gaza-video/

Stolzdeutscher Kleinbürger für das „Abendland“ – Wann wurde Henryk M. Broder zu einem deutsch-nationalen, feuilletonistischen Verfechter der Spaßguerilla?

Für Eike Geisel

 

Von Clemens Heni

„Für Otto Normalvergaser ist die Welt von gestern noch in Ordnung gewesen.“ Damit ist alles über Deutschland nach 1945, das „Labyrinth des Schweigens“ – so der Titel eines aktuellen Kinofilms über die Vorgeschichte des Auschwitzprozesses – und die heutigen Retter des Abendlandes gesagt. Besser hat kein Autor die deutschen Zustände nach 1945 in einem Satz auf den Punkt gebracht.

Eike Geisel Triumph des guten Willens

 

Mit diesem Satz über „Otto Normalvergaser“ begann der Publizist Eike Geisel (1945–1997) einen Text über „Die Bauchredner der späten Geburt. Anmerkungen zu einer besonderen publizistischen Volksfürsorge“, der 1998 im Band „Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer. Die Nationalisierung der Erinnerung“ bei der Edition Tiamat in Berlin erschien. Geisel analysierte einen Text im Spiegel (Nr. 16/93, S. 248–256) über „Das Shoah-Business“ und die „Amerikanisierung des Holocaust“. Es ging um die Eröffnung von Holocaustgedenkstätten in USA. Wie kommen Amerikaner darauf, ein deutsches Verbrechen zu erinnern? Der Spiegel raunte, US-Präsident Jimmy Carter habe 1979 vor einem Dilemma gestanden, den Verkauf von F-15 Kampfjets nach Saudi-Arabien gegenüber den Juden in USA zu rechtfertigen. Es hätte als eine Art Entschädigung für den Deal mit den judenfeindlichen Arabern ein großes Holocaustmemorial im Herzen von Washington gegeben. Der Spiegel schrieb:

„Die Saudiaraber bekamen ihre F-15-Jets, die US-Juden das Versprechen für eine Shoah-Gedenkstätte. Zum Vorsitzenden des ‚Memorial Council‘ wurde eine allseits geachtete Persönlichkeit berufen, Elie Wiesel, Schriftsteller und Überlebender des Holocaust. Damit setzte ein Trend ein, mit dem eigentlich niemand gerechnet hatte: Die Amerikanisierung des Holocaust.“

Der Artikel fabulierte, es gebe zuviel an Holocausterinnerung, und das auch noch in USA, wo doch dort die eigenen „Leichen im Keller“ liegen würden: „Amerikaner in Vietnam: Über eine Million Tote“, „Amerikanischer Sklavenmarkt: Leichen im Keller“ und „Amerikaner gegen Indianer: Völkermord übersehen“ wie drei große Bilder auf der letzten Seite des Artikels untertitelt sind.

Insbesondere machte sich der Spiegel über den Gründer des Simon Wiesenthal Centers in Los Angeles, Rabbi Marvin Hier lustig. Der Tonfall erinnerte eher an die Nationalzeitung, wenn es hieß:

„Der entscheidende Einfall aber war, Simon Wiesenthal als Namensgeber zu gewinnen, der in den USA, gleich nach Mutter Teresa und noch vor Nelson Mandela, wie ein Heiliger verehrt wird.“

Ein Holocaustüberlebender gereicht dem deutschen Nachrichtenmagazin zu einer Witzfigur, die „heilig“ sei, da ist es nicht mehr weit zum rechtsextrem-antisemitischen Begriff der „Holocaust-Religion“, der auch von islamistischen, arabischen und anderen Israelfeinden gerne benutzt wird.

Eike Geisel analysierte:

„Anläßlich der Eröffnung zweier Museen (im Februar 1993 das ‚Museum of Tolerance – Beit Hashoah‘ in Los Angeles und Mitte April das ‚Holocaust Memorial Museum‘ in Washington), die ohne deutsche Vorarbeiten nie entstanden wären, zeigte sich das bekannte Dilemma. Man grollte den Amerikanern und der amerikanischen Judenheit. Die Museen seien antideutsch, das ‚andere Deutschland‘ werde ignoriert; die Nachkriegszeit werde ausgeblendet, die Wiedergutmachung verschwiegen. Doch statt erleichtert darüber zu sein, daß die Museen nicht zeigen, wie das ‚andere Deutschland‘ über die Juden dachte, nämlich gar nicht so sehr viel anders; statt froh zu sein, daß die Museen keine Wendehalsgalerien der Nachkriegszeit enthalten; statt von Herzen dankbar zu sein, daß es dort keine Abteilung mit dem Thema ‚Wiedergutmachung‘ gibt, wo die Pensionszahlungen an alte Nazis mit den Entschädigungen der KZ-Häftlinge verglichen werden; statt also rundum zufrieden zu sein, ignorierte das bessere Deutschland in Gestalt seines Bundespräsidenten die Einweihungsfeierlichkeiten. Zu Recht, schrieb der Spiegel, der meinte, deutsche Politiker hätten dabei mit einem ‚Spießrutenlauf‘ rechnen und sich innerlich ‚ducken‘ müssen.“

Geisel kritisierte die „jüdischen Flakhelfer“ (ein Terminus von Josef Joffe) in Deutschland wie Michael Wolffsohn oder Rafael Seligman, die sich zum Spiegel-Autor gesellten. Wolffsohn, bekannt als „Mitstreiter des Historikers Zitelmann, des historiographischen Herrenausstatters der Nazis“ und Seligman wollen wieder ein stolzes Deutschland. Die beiden sind bis heute unterwegs in Sachen deutsch-jüdischer Versöhnung oder „Normalisierung“.

„Das deutsche Judentum möchte“ Seligman „so als wäre bloß kurz die Telephonleitung unterbrochen gewesen, ‚wieder aufleben‘ lassen: ‚Voraussetzung dafür ist, daß man neben den toten auch an die lebenden Juden denkt.‘ Er meint natürlich an ihn, was diese Auskunft so sympathisch unideologisch macht.“

Geisel weiter:

„Die ‚Amerikanisierung des Holocaust‘ ist besonders schlimm, denn ‚Amerikanisierung‘ ist schon mal Übel. Kolonisierung der Köpfe hat Hochhuth dies einmal genannt und seither bewiesen, wie nötig er sie hätte.“

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Dabei wurde zuletzt 2011 vom amerikanischen Gelehrten in Jüdischen Studien Alvin H. Rosenfeld in seinem Buch „The End of the Holocaust“ die Trivialisierung der Shoah wie die „Amerikanisierung des Holocaust“ scharf kritisiert, weil sie gerade zu wenig – und nicht zuviel, wie der Spiegel 1993 fantasierte – Analyse und Gedenken an das präzedenzlose Verbrechen der Shoah bietet. Vielmehr zeigte das Museum in den letzten Jahren auf Extratafeln „Beispiele“ für heutigen „Genozid“, ob nun in Darfur, Bosnien oder Ruanda. Rosenfeld zitiert eine ehemalige Direktorin für Kommunikation beim Holocaust Memorial, die ernsthaft meinte, das Museum solle „nicht zeigen, was Deutsche Juden antaten, sondern was Menschen Menschen antaten.“ Das erinnert an die Anthropologisierung der Schuld und die Rede von „dem Bösen an sich“, wie wir es zum Beispiel von Joachim Gauck oder Gert Scobel kennen.

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Der Publizist Henryk M. Broder schreibt im Januar 2015:

„Wäre das Tausendjährige Reich ohne den Holocaust nur eine normale Diktatur gewesen? Wie Spanien unter Franco, Chile unter Pinochet oder Uganda unter Idi Amin – nur größer, multikultureller und internationaler? Ich glaube nicht, dass es richtig ist, ein politisches System oder ein ideologisches Konstrukt nach den Exzessen zu beurteilen, die es veranstaltet.“

Broders Eltern waren beide Holocaustüberlebende. In einer Mischung aus womöglich psychoanalytisch zu decodierender Verschiebung, Projektion und Derealisierung spielt der Angestellte des Springer-Konzerns auf der Klaviatur der Revisionisten. Was-wäre-wenn angesichts der Shoah zu intonieren ist an Perfide schwerlich zu überbieten. Es ist ein Zwang, eine Obsession. Broder kommt von der Geschichte nicht los, wie auch. Broder schreibt aber nicht für die zweite und dritte Generation von Nachkommen, er betreibt keine Introspektion für andere Kinder und Enkel von Überlebenden, sondern extrapoliert super spezifische, dramatische und tragische psychische Vorgänge für ein fast ausnahmslos „arisches“ Auditorium.

Broder diffamiert „den“ Islam und will nichts von den Verbrechen der Islamisten bloß wissen, die würden nur ablenken vom Problem dieser Religion an sich. Broder wäre gern ein Kantianer im 21. Jh. („Kritik der reinen Toleranz“) und es gereicht doch nur zu einem Sarrazianer („Deutschland schafft sich ab“).

Angesichts der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz behauptet er in der WELT, israelische Kampfjets seien auch dieses Jahr über das ehemalige Vernichtungslager geflogen, wie „jedes Jahr“. Schlecht recherchiert. Hier war wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens, denn noch nie fand eine solche Flugshow am 27. Januar statt. Israelische Kampfjets überflogen Auschwitz überhaupt nur einmal, am 4. September 2003. Das war eine starke Aktion, die gerade die Verbindung von Gedenken und Zionismus und nicht den Gegensatz von Zionismus versus Gedenken symbolisierte, wie es Broder gerne hätte.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung will eine Mehrheit der Deutschen Auschwitz vergessen, 58% wollen explizit einen „Schlussstrich“, 81% die Geschichte der Shoah „hinter sich lassen“. Broder hingegen schreibt:

„Nun hat der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, vorgeschlagen, jede deutsche Schulklasse sollte einen Pflichtbesuch in Auschwitz ableisten. Um zu verstehen, was dort geschah und was sich nicht wiederholen darf. Der Vorschlag war gut gemeint, aber nicht hilfreich. So werden Ressentiments nicht ausgeräumt, sondern verstärkt. Kein 15-Jähriger will sich Gefühle einreden lassen, die er nicht haben kann, auch wenn ihm versichert wird, es ginge nicht um Schuld, sondern um Verantwortung.

Da inzwischen jeder dritte Deutsche der Ansicht ist, die Israelis würden den Palästinensern das antun, was die Nazis den Juden angetan haben, wäre es wohl sinnvoller, wenn jede Schulklasse Israel besuchen würde – aber eben nicht die Gedenkstätte Yad Vashem, sondern Tel Aviv mit seiner wunderbaren Strandpromenade, den vielen Bars, Cafes und Diskos.“

Was für eine absurde Gegenüberstellung. Broder geht davon aus, dass Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht, um den geht es, sich auf RTL-II-Niveau mit den angeblich schönen Seiten des Lebens befassen sollten. Warum sollten aus 15-Jährigen, die eine KZ-Gedenkstätte besuchen, Antisemiten werden? Warum weigern sich dann so viele Muslime in Europa das Thema Holocaust auch nur anzusprechen? Die sind schon Antisemiten, weil sie die Erinnerung ablehnen, nicht weil sie von den unsagbaren Verbrechen in Auschwitz gehört haben, sie wehren das als „zionistische Propaganda“ ab, „Dank“ ihrer Elternhäuser, arabischen und muslimischen Medien oder dem erinnerungsabwehrenden europäischen Mainstream.

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Ein Kernpunkt der gegenwärtigen Diskussion über die Geschichte des Zionismus, die hierzulande so gut wie nicht wahrgenommen wird, ist folgender: Israel wurde aufgrund der Geschichte und den Aktivitäten des Zionismus gegründet, nicht wegen dem Holocaust. Diese Holocaustfixierung ist gerade antizionistisch, wie die israelische Politikerin und ehemalige Knesset-Abgeordnete Einat Wilf unterstreicht. Sie spricht von einer „Leugnung des Zionismus“, wenn immer so getan wird, als ob der Holocaust zur Gründung Israel geführt habe. Damit zielt Wilf gerade auf die „wohlwollenden“ Leute, auf die Freunde Israels in Europa. Auch Broder hat diese problematische Position, wenn er schreibt:

„Machen wir ein Gedankenexperiment: Wie wäre der Zweite Weltkrieg ausgegangen, wenn die Nazis die ‚Endlösung der Judenfrage‘ nicht zu einem Kriegsziel erklärt hätten? Wenn die Wannseekonferenz nicht stattgefunden hätte, der Holocaust nicht passiert wäre? Es ist reine Spekulation, aber einiges spricht dafür, dass die Nazis vermutlich den Krieg gewonnen hätten. Die Organisation der ‚Endlösung‘ hat sehr viele Kräfte und Ressourcen gebunden, die militärisch nicht eingesetzt werden konnten. (…) Im Zuge der Kampfhandlungen wären viele Millionen Menschen ums Leben gekommen, aber der industrielle Massenmord an den Juden hätte nicht stattgefunden. Es wäre natürlich für die Juden besser und für die Deutschen gesünder gewesen, weil sie heute ein Trauma weniger hätten. Wahrscheinlich wäre auch Israel nicht gegründet worden, weil die Welt den Juden gegenüber keine Schuldgefühle gehabt hätte. Palästina wäre eine syrische Provinz, kein Paradies auf Erden, aber auch kein Konfliktherd, der den Weltfrieden bedroht.“

Exakt diese Argumentation ist es, die Einat Wilf kritisiert. Broder meint, Israel sei eine Gründung aus „Schuldgefühlen“ der Welt, doch warum sollte die Sowjetunion, die als einer der ersten Staaten Israel akzeptierte, noch vor den USA, „Schuldgefühle“ gehabt haben, war es doch die Rote Armee die Nazi-Deutschland besiegte und viele KZs befreite? In der Roten Armee kämpften ca. 500.000 Juden, was den Antisemitismus Stalins mit keiner Silbe verharmlost.

Die Gründung Israels hat viele Faktoren, einer mag ein innerimperialistischer Kampf der Großmächte gewesen sein, daher auch die Anerkennung der UdSSR, die wenig später stramm antizionistisch wurde, ohne dass Amerika sehr pro-israelisch gewesen wäre in den 1950 und frühen 1960er Jahren, man denke nur an den Besuch der Muslimbrüder im Weißen Haus bei US-Präsident Eisenhower im September 1953 (Said Ramadan, der später im Adenauer-Deutschland studierte und den Islamismus in der BRD mit entwickelte), wie der Journalist Ian Johnson herausgearbeitet hat („A Mosque in Munich“). Doch vor allem die jahrzehntelange politische Arbeit, die Besiedelung und später die militärischen Kämpfe der Zionisten im Mandatsgebiet Palästina sind von enormer Bedeutung, ja der entscheidende Faktor, dass Israel gegründet werden konnte. In der Shoah wurden sechs Millionen Juden ermordet, die Zionisten in Palästina verloren viele Hunderttausend, wenn nicht Millionen mögliche Mitkämpfer für den Staat Israel, wie Einat Wilf und andere heutige Zionisten wie Professorin Anita Shapira aus Tel Aviv seit Jahren betonen. Israel wurde also nicht wegen sondern trotz dem Holocaust gegründet.

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Natürlich kann man den Islam komplett ablehnen, wie andere Glaubens- oder Wahngebäude auch (Christentum, Judentum, Buddhismus, Naturreligionen, Paganismus, Esoterik, Astrologie, Schamanismus etc. etc.). Und, ja, der Islam ist die bei weitem problematischste weil politischste Religion heutzutage, von Scharia über suicide bombing, Köpfen und Auspeitschen von Nonkonformisten reicht die unendliche Palette islamistischer Gewalt, von den legalen Formen auch im Westen wie dem „Islamic Banking“, das Geldanlagen in Glücksspiel, Alkohol oder Pornographie verpönt, nicht zu schweigen.

Doch Broder, der nun der Wortführer vieler Kompanien der Verteidiger des Abendlandes ist, befasst sich fast nur noch mit „dem“ Islam. Die analytische und islamwissenschaftliche Trennung von Islam als Glaube und Islamismus als Ideologie ignoriert er. Um von „dem“ Islam als neuem Hauptfeind des Westens reden zu können, braucht es die Abwehr oder zumindest Trivialisierung der Erinnerung an die deutsche Schuld. Denn die würde jederzeit und für immer anzeigen, dass Deutschland die schlimmsten Verbrechen der Menschheit begangen hat und nicht „der“ Islam.

Wer ganz allgemein „den“ Islam diffamiert und nicht den Islamismus kritisiert, hat in Deutschland Erfolg. Und so wird dieses Land weiter den Islamisten freie Fahrt geben, gerade aufgrund des Massakers an der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris am 7. Januar 2015 und den Morden an Polizisten und Juden an den beiden darauffolgenden Tagen, dem 11. September Frankreichs. Interreligiöser Dialog wird als Medizin verabreicht oder völkisches Deutschtum und christliches Abendland wie in Dresden, dabei wäre weltweit eine Distanz zu Religion, ein neuer Antifaschismus, Aufklärung und eine Stärkung des Denkens und der individuellen Urteilskraft angesagt. Frankreich könnte da federführend sein, doch der Antizionismus, Kosmopolitismus und die massive islamistische Präsenz im Land stehen dem vermutlich entgegen.

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Auf einige der genannten Ideologeme bei Broder aufmerksam geworden, schrieb mir eine Facebook-Freundin, Eva Horvath-Bentz:

„Broder arbeitet mit voller Kraft daran Deutsche und Juden zusammenzuführen, weil er sich in Deutschland wohlfühlt, nur der Holocaust stört ihn noch manchmal ein wenig. Daher der Wunsch, der Holocaust hätte nicht stattgefunden und Deutschland hätte den Krieg gewonnen. In dieser Konstellation wäre er dann ohne Hindernisse ein glücklicher, deutscher Kleinbürger mit großem Bauch.“

Zudem und verschärfend bedient Broder das Franz-Josef-Strauß-Syndrom: Die Antifa sei die heutige SA. Broder und seine Kolleginnen und Kollegen auf der Webseite Achgut regen sich seit Wochen maßlos über Kritik an den nationalistischen und völkischen Massenaufmärschen von Pegida und ihren Ablegern auf. Broder schreibt:

„Mitten in der Menge eine junge Frau mit Wollmütze, die ein pinkfarbenes Plakat an einer Holzlatte in die Höhe hält. Darauf steht: ‚Menschenrechte statt rechte Menschen‘. Ich würde gerne auf die Frau zugehen und sie fragen: ‚Was soll denn mit den rechten Menschen passieren? Wollen wir sie umbringen, einsperren, ausbürgern?‘“

Angesichts von NSU-Morden, ca. 700 weiteren Morden von Rechtsextremisten und Neonazis seit 1989, solche grotesken Mordfantasien harmlosen, antifaschistischen oder zumindest Anti-Pegida-Aktivistinnen zu unterstellen, zeigt ein Syndrom an und ist Resultat eines Realitätsverlustes. Während Broder 1978 noch die „neuen Nazis“ im Blick hatte ist er heute ob Pegida ganz verzückt. Aus einem Kritiker des Antisemitismus („Der ewige Antisemit“, 1986) in der BRD wird ein stolzdeutscher Kleinbürger im Kampf für das „Abendland“.

Dazu kommt seit Jahren ein gezielt gegen Frauen und „Gendermainstreaming“ gerichteter, regelrechter Hass vieler Konservativer wie der Achse des Guten. Die reaktionäre Ideologie zeigt sich in Texten, in denen Broder Sexisten wie Brüderle in Altherrenmanier ein Kavaliersdelikt attestiert und keine elende patriarchale Grenzüberschreitung, wie sie tagtäglich passiert.

Mit guten Gründen hat selbst ein Mitbegründer des Autorenblogs „Achgut“, Michael Miersch, die Redaktion im Januar 2015 verlassen:

„Das politische Spektrum in Deutschland verengt sich auf zwei Pole: Die, die ein Problem mit dem Islam abstreiten und am ‚Elefanten im Zimmer‘ vorbei gucken. Und die, deren Antwort auf die islamische Herausforderung lautet: Scharen wir uns um Kreuz und Fahne und verteidigen wir unsere deutsche Identität. Liberale und differenzierte Positionen werden davon überrollt.“

Zum Ausstieg von Miersch schreibt Christian Bommarius in der Frankfurter Rundschau („An das deutsch-nationale Pöbel-Pack“):

„Vor allem in Broder finden Gauland, Adam und Pegida den entschlossensten Verteidiger. Als der nach eigenem Geständnis ‚geschmierte‘ Journalist Udo Ulfkotte (…) kürzlich die Pegida-Demonstranten in Dresden mit der Nachricht erschütterte, in Deutschland würden jetzt schon die Friedhöfe islamisiert, schloss er seine Rede mit einem ‚herzlichen Dank an Henryk M. Broder‘. Den hat er verdient.“

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Broder, der symptomatisch steht für eine Tendenz, erweckt den Eindruck, die gesamte sogenannte Pro-Israel-Szene mache sich lustig über jegliches Auschwitzgedenken, dass sie konservativ („Ich wähle Merkel“) bis extrem rechts („Ich wähle AfD“), gegen political correctness, misogyn, anti-links, Pegida-freundlich, völlig unverschämt neoliberal-kapitalistisch, anti-ökologisch und Anti-Islam sei. Das schadet sowohl Israel, dem Eingedenken der Geschichte und Gegenwart des Zionismus (die sehr stark mit dem Sozialismus verbunden ist und nicht zufällig heißt es im gegenwärtigen israelischen Wahlkampf „zionistisches Lager“ von Herzog/Livni u.a. gegen das „rechte Lager“ von Netanyahu, Bennett, Lieberman etc.) wie der Erinnerung an die Shoah. Es entsteht der Eindruck eines entweder-oder: Entweder die Shoah wird erinnert oder man ist für Israel. Jegliches Differenzierungsvermögen wird negiert.

Ja, viele Deutsche sind glühende Antizionisten und erinnern die Shoah (oder tun zumindest so), meinen, sie seien damit projüdisch. Der Zentralrat der Juden, jüdische Gemeinden und einige andere versuchen allerdings seit Jahren auf angemessene Weise den präzedenzlosen deutschen Verbrechen zu gedenken und sind proisraelisch. Darunter sind etliche der wenigen noch Lebenden der ersten Generation und ihre Nachkommen. Im Gegensatz zu Broder ist der Zentralrat der Juden auf der Höhe der Zeit, wenn er vor dem extrem rechten und nicht nur bei organisierten Neonazis beliebten großen Polit-Blog Politically Incorrect (PI) warnt. Ein vulgärer Ton, eine Hetze und eine Diffamierung aller Nicht-Deutschen im Allgemeinen und Muslimen im Speziellen, aber auch eine Agitation gegen die jüdische Beschneidung ist bei PI online zu finden.

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Broder stellt den Zionismus der Erinnerung an die Shoah gegenüber, fast wie ein Besessener publiziert er zu „Auschwitz vergessen“, was keine Polemik und keine Ironie, sondern Programm ist – und somit rennt er offene Schiebetüren im neuen deutschen Salon ein. Die Deutschen sind schuld, dass Broder Auschwitz nicht vergessen kann. Allerdings scheint er nicht zu begreifen, dass die Deutschen Auschwitz permanent vergessen, da das Thema für sie ein „Stimmungskrepierer“ auf Partys ist (Matthias Matussek) und Broder ihnen heute dazu Schützenhilfe leistet.

Bereits 2006 publizierte ich Folgendes:

„Ich bin nicht tief traumatisiert, denn ich denke nicht oft an die deutsche Schuld und an den Holocaust“ sagt Matussek, er kämpft wie Walser und Konsorten gegen die „moralische Keule“. Das sind die Töne des nationalen Apriori.

Seit dem deutschen Fußball-WM-Jahr und exzessiv im Jahr 2014 gibt es nur noch Deutsche, wer nicht schwarzrotgoldene Tischdeckchen hat oder häkelt und farblich passende Socken oder Slips trägt wird angeschrien und dann toben der Mob und die Elite unisono, wobei viele Migranten eine sehr gute deutsch-nationale Rolle spielen. Selbst Israeli lieben die Deutschen, sie leben ja auch weit genug weg vom Land im WM-Wahnzustand. Ohne diesen WM-Wahnsinn seit Jahren wären Pegida & Co. undenkbar.

Matussek, ein Prototyp des stolzen Deutschen, lacht sich schief, dass seinem Kumpel Broder das Vergessen nicht so gut gelingt. Diesen Unterschied ums Ganze, Sohn ganz normaler („ordinary“) Deutscher oder Sohn von Auschwitz- und Holocaustüberlebenden zu sein, wischt der Katholik vom Tisch, ja er bemerkt ihn gar nicht. So sind sie, die Deutschen. Und für die ganz Tumben wie für die Bologna-mäßigen 21-jährigen Doktoranden, die spätestens jetzt ihren Blutdruck nicht mehr regulieren können: „die“ Deutschen ist logisch eine Übertreibung, selbst wenn es bis auf zwei oder drei alle wären, wäre es falsch. Es geht nicht um eine Ontologisierung eines üblen Volkes, sondern um eine „Übertreibung in Richtung Wahrheit“ (Günther Anders).

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Der oben zitierte Spiegel-Autor von 1993 („Shoah-Business“), der von Eike Geisel in seine Einzelteile zerlegt wurde, war niemand anders als sein alter Freund und Weggefährte Henryk M. Broder. Geisel konnte es selbst nicht glauben, dass Broder so einen Text geschrieben haben könnte und unterstellte, Broder wollte dem Spiegel einen rechten Text unterschieben um die Redaktion spaßguerillamäßig aufs Glatteis zu führen.

Geisel schrieb:

„Was aber, wenn Broder den Spiegel nicht als Zentralorgan des Chauvinismus entlarven wollte, der Text tatsächlich und entgegen allen Beteuerungen von Freunden doch von ihm selbst stammt? Wenn er selbst den ‚Holocaust-Rausch‘ der USA im Zustand eigener hochgradiger Sturzbetroffenheit entdeckt haben sollte? Was dann? Das wäre ein weiteres Beispiel finaler Déformation professionelle, wie etwa im Fall der Löwenforscherin, die schließlich von ihrem Untersuchungsobjekt aufgefressen wurde. Dann hätte ihn das Syndrom, dem seine jahrelange Aufmerksamkeit galt, am Ende verschluckt.“

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