The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

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Mit Kojak gegen die Rot=Braun-Ideologie

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Die Bundeswehr, die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen und wie das kanadische Parlament einem ukrainischen Nazi-Kollaborateur stehenden Applaus zollte und wie das mit der Rot=Braun-Ideologie zusammenhängt…

 

Am Montag, 9. Juni 2025, zeigte das Karlstorkino in der Heidelberger Südstadt in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge in Hemsbach e.V. den bemerkenswerten geschichtspolitischen Film „Liza ruft!“ – Doch wie steht es um die Abwehr der Holocausterinnerung in Litauen? Und was geschah am 22. September 2023 im kanadischen Parlament?

 

Der Film Liza Ruft! 

In dem knapp zweistündigen Dokumentarfilm geht es um die Holocaustüberlebende und jüdische Partisanin Fania Brantsovskaya (1922-2024), geborene Jocheles, aus Litauen. Der Film des Filmemachers Christian Carlsen ist aus dem Jahr 2015 und zeichnet in Gesprächen mit Brantsovskaya ihren Lebensweg nach.

Fania Brantsovskaya wurde in Kaunas geboren und zog mit ihren Eltern später nach Vilnius. Dort gab es eine sehr große jüdische Gemeinde, fast 50 Prozent der Bevölkerung waren Juden. Sie ging auf ein jüdisches Gymnasium, andere Überlebende, die im Film vorkommen, bevorzugten das Hebräisch sprachige Gymnasium. Nach dem Abitur arbeitete sie kurz als Dorflehrerin. Dann kam der Zweite Weltkrieg mit dem Angriffskrieg Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 („Unternehmen Barbarossa“) zwei Tage später auch in Vilnius an. Ab September 1941 zwangen die Deutschen Fania und alle Jüdinnen und Juden im Ghetto zu leben. Im Frühjahr 1942 schloss sich Fania einer Partisanengruppe an und schmuggelte Waffen und anderes in das Ghetto. Im September 1943, in einer dramatischen Nacht, floh sie mit einer Mitkämpferin und Freundin aus dem Ghetto.

Eine weitere Freundin und Genossin von Fania war schon vor ihrer Flucht aus dem Ghetto von den Deutschen ermordet worden, im Gedenken an sie nannten sie dann ihre Gruppe: „Liza ruft!“

Doch schon vor Ankunft der Deutschen am 24. Juni 1941 in Litauen begann der Holocaust schon einen Tag zuvor, am Montag, den 23. Juni 1941, wie der Holocaust- und Antisemitismusforscher Professor Dovid Katz als Kritik an der offiziellen litauischen Geschichtsschreibung in einem Text für das jüdische Tablet Magazine aus Amerika 2018 schreibt (alle englischen Zitate in diesem Text habe ich ins Deutsche übersetzt):

Die erste große dynamische historische Episode, auf die man im Völkermordmuseum [in Vilnius, CH] stößt, ist eine Reihe von Exponaten, die sich ausgiebig mit den Faschisten der Litauischen Aktivistenfront (LAF) von 1941 mit ihren weißen Armbinden befassen. Deren „zentrale Planung“ vor dem Nazi-Einmarsch kam aus Berlin kam und zu ihr gehörte auch eine Gruppe hochrangiger litauischer Nazis, Anhänger der ethnischen Säuberung (um es höflich auszudrücken), die in den Monaten vor dem Nazi-Einmarsch in der damaligen Sowjetunion am 22. Juni 1941 dort stationiert waren. Doch als die sowjetische Besatzung am Tag des Nazi-Einmarsches und vor allem am darauffolgenden Montag, dem 23. Juni 1941, in sich zusammenbrach, schlossen sich viele nationalistische junge Männer rasch den „LAF“-Milizen an, oft indem sie eine weiße Armbinde anlegten und einfach „LAFler“ wurden oder sich nach Belieben verwandten Milizen und Banden anschlossen. Ob mit oder ohne Armbinde, ob mit oder ohne dokumentierte Zugehörigkeit zur LAF, sie alle sind in den lokalen Sprachen als „White Armbanders“ bekannt geworden (litauisch Baltaraiščiai, polnisch Białe opaski, russisch Bielorukavniki, jiddisch Di Váyse Órembendlakh usw.). Begleitet von einer vorgetäuschten „Unabhängigkeitserklärung“ per Radioansprache (die den Treueeid auf Adolf Hitler enthielt – ach, diese „Unabhängigkeit“), übernahmen sie Postämter, Polizeistationen und Rathäuser, die sie von den fliehenden sowjetischen Streitkräften übernommen hatten, bevor sie sie nach einigen Tagen den eintreffenden Deutschen in aller Ruhe und mit üppiger Dienstbarkeit überließen.

Und diese Antisemitenbande wird heute in Litauen immer wieder als Gruppe von „Helden“ und „Freiheitskämpfern“ gefeiert.

Die Mutter, der Vater und die Schwester von Fania wurden im Holocaust ermordet. Insgesamt sind ca. 50 Personen aus ihrer direkten Verwandtschaft Opfer im Holocaust geworden, wie sie im Film erzählt. Viele wurden in Ponar ermordet, wo 100.000 Menschen massakriert wurden, darunter 70.000 Juden. Der Film begleitete Fania und andere zu einer Gedenkveranstaltung in Ponar, wo Fania auf Jiddisch eine Ansprache hielt. Die mit damals fast 90 Jahren enorm lebendig wirkende Fania war auch als junge Frau und Partisanin schon sehr aktiv, voller Energie und Kampfeskraft, wie andere ehemalige Partisaninnen im Film erinnern.

Nach der Befreiung von den Deutschen durch die Rote Armee im Juli 1944 hatte Fania große Hoffnungen. Doch das autoritäre Sowjetregime verweigerte selbst die Erinnerung an die jüdischen Partisaninnen und Partisanen, der Holocaust war kein Thema. Das änderte sich nach dem Ende der UdSSR 1991 auch nicht. Ja jetzt wurde der litauische Nationalismus sehr stark und führte wiederum zu einer Abwehr der Erinnerung an den Holocaust.

Im Mai 2008 suchte plötzlich die Polizei nach Fania Brantsovskaya – weil sie verdächtig wurde, als Partisanin ‚Kriegsverbrechen‘ begangen zu haben! Ein Opfer wird zum Täter gemacht. Nur Dank des enormen diplomatischen Drucks in Litauen, den unter anderem eben oben zitierte ehemalige Jiddisch-Professor der YALE Universität und Holocaustforscher Dovid Katz organisierte, wurde Fania juristisch nicht belangt, das Verfahren dann doch nicht weiter verfolgt. Dabei geht es historisch auch um Differenzen oder unterschiedliche, verschobene Erinnerungen anderer Partisaninnen wie Rachel Margolis, die darüber auch ein autobiographisches Buch geschrieben hat.

Der Film fängt diese belastende Situation gut ein und hakt nach, warum Fania plötzlich in ihren Äußerungen bezüglich des litauischen Antisemitismus zurückhaltender wurde, was auch Vertretern der jüdischen Gemeinde in Vilnius auffiel. Der Film „Liza ruft!“ bettet das alles kritisch ein. Zumal die geschichtspolitische Ideologie gerade in Osteuropa wird problematisiert. Demnach habe es zwei Holocausts gegeben – einen wirklichen und einen „des Kommunismus“. Das nennt sich Rot=Braun-Ideologie oder eben „Revisionismus“, wie ein Abschnitt des Films bezeichnet ist. Dazu gibt es seit vielen Jahren gar staatliche Kommissionen gegen den „Totalitarismus“ im 20. Jahrhundert in Litauen – International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania –, die genau diese Verharmlosung des Holocaust befördern, wie im Film deutlich wird. Auch gegen den ehemalige Partisanen und späteren israelischen Holocausthistoriker Yitzhak Arad (1926-2021) wurden 2008 perfide Ermittlungen aufgenommen wegen „Kriegsverbrechen“.

Im Anschluss an die Filmvorführung stand der Filmemacher per Zoom zum Gespräch zur Verfügung, wobei Christian Carlsen nochmals verdeutlichte, dass ihnen als Team, die diesen Film machten, die heutigen innerjüdischen wie gesamtgesellschaftlichen Debatten über Erinnerung und Erinnerungsabwehr am Beispiel Litauen sehr wichtig waren und bis heute sind. Wie in der Diskussion mit dem Regisseur deutlich wurde, bekommt das nun angesichts der Stationierung deutscher NATO-Soldaten in Litauen, die offenbar unweit der damaligen Stellungen der Partisan*innen stationiert werden sollen – 5000 deutsche Soldaten – eine hohe Aktualität. Hat sich jemand von der Bundesregierung damit beschäftigt, was es für Jüdinnen und Juden heute in Litauen bedeuten könnte, wenn sie wieder Deutsche im Befehlston herumbrüllen hören (was ja in jeder Armee Usus ist)?

Es wurden so extrem viele litauischen Juden wurden in der Shoah vernichtet, weil auch sehr viele lokale litauische Antisemiten, die heute teils als Helden (im Kampf gegen die Rote Armee) in dem EU-Land gefeiert werden, beim Holocaust mitmachten, wie die Wehrmacht schon zu Beginn des Krieges auf Fotografien festhielt, wie der Regisseur Carlsen in der Diskussion betonte.

Deutsche Soldaten wieder in Litauen…

Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an der Militarisierung in Deutschland, wie sie jetzt einige Bundestagsabgeordnet der SPD und Dutzende weitere Aktivist*innen in einem Manifest üben, von großer Bedeutung. Es ist kriegstreibend, aufzurüsten, was die NATO-Aktivitäten in der Ukraine von 2014 bis 2021 zeigen. Das entbindet Russland nicht von seiner Verantwortung für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine – aber ohne Analyse der Vorgeschichte und des Imperialismus der NATO ist das Bild unvollständig.

Es ist schockierend, wie nahezu unwidersprochen und völlig schamlos deutsche Politiker wie der „Verteidigungs“minister Pistorius nun deutsche Soldaten in Divisionsstärke in ein Land schicken, wo der Holocaust stattfand. Unweit jener Verstecke im Wald, wo Fania und die anderen Partisan*innen lebten und kämpften sollen wieder deutsche Soldaten stationiert werden?

So berichtet zum Beispiel die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) aus Heidelberg in infantiler und schamloser Sprache wie folgt über deutsche Soldaten in Litauen:

Deutsche Soldaten reisen nach Litauen

Wenn du schon einmal umgezogen bist, weißt du: Da muss man ganz schön viel organisieren. Erst recht, wenn man in ein anderes Land zieht. Man braucht zum Beispiel eine Wohnung und einen Schulplatz. Ein bisschen Vorbereitungszeit schadet also nicht.

Die NATO hat sich seit 1991 imperialistisch ausgebreitet, anders kann man das ja gar nicht sagen. Und sie hat Wort gebrochen, denn es wurde ausgehandelt und im Protokoll im Februar 1990 von Gorbatschow, Baker, Bush Senior und Helmut Kohl ausgehandelt:

not one inch

werde sich die NATO ostwärts ausbreiten, wenn BRD und DDR sich irgendwie zusammen täten. Und? Was passierte wirklich?

Doch die hiesigen Ideologen aller Geschlechter nennen es eine soldatische Reise nach Litauen… Das soll Journalismus sein? Das ist Hofberichterstattung der deutschen Bundesregierung.

Die litauische Publizistin Ruta Vanagaite hat 2016 mit ihrem Buch „Die Unsrigen“ eine breitere Debatte über den Judenhass in Litauen damals wie heute ausgelöst. Das, was der Historiker Dovid Katz seit Jahrzehnten erforscht, der Holocaust in Litauen und der Geschichtsrevisionismus in Litauen wie in anderen vor allem osteuropäischen Ländern, ist Folgendes:

Die Analogie von Rot und Braun, die Holocaust verharmlosende Rede von den „zwei Holocausts“. Damit wird Auschwitz und damit werden die Holocaustmassengräber und Todesgräben wie in Ponar geleugnet oder eben in eine x-beliebige Geschichte von Verbrechen einsortiert.

Die Abwehr der Erinnerung an die Shoah wird umso lauter und brutaler verlaufen, wenn deutsche Soldaten wieder schießen – und sei es als „Übung“ – in unmittelbarer Umgebung, wo die Großväter oder Urgroßväter heutiger deutscher Soldaten wüteten.

Und jetzt besteht die große Gefahr, dass sogar das unterirdische Fort im Wald, wo die jüdischen Partisan*innen sich versteckten und dann gegen die Deutschen und die litauischen Kollaborateure zwischen Herbst 1943 und Juli 1944 kämpften, als Litauen von der Roten Armee von den Deutschen befreit wurde (litauischen Antisemiten und Nationalisten sahen das natürlich als Niederlage), beschädigt oder zerstört wird, da es womöglich in unmittelbarer Nähe liegt zu dem Ort wo jetzt der aggressive deutsche Militarismus wieder Stellung bezieht. Dovid Katz schreibt am 26. Mai 2025 aus Litauen:

Es scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten, dass das der Litauischen Brigade Deutschlands für militärische Zwecke zugewiesene Gebiet an die Überreste einer der wichtigsten Stätten des Holocaust in Litauen angrenzt oder in unmittelbarer Nähe liegen wird: die jüdische Partisanenfestung, wie sie unter den Veteranen des Zweiten Weltkriegs und den Überlebenden des Holocaust hier allgemein bekannt war, wo etwa hundert Flüchtlinge aus dem Wilnaer Ghetto, die alle oder fast alle jüdisch waren, in unterirdischen Holzbunkern im Waldlager lebten, als Teil des antinazistischen Netzwerks von Partisanen, das von der Sowjetunion während ihres Bündnisses mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Alliierten in den großen Kriegsanstrengungen zum Sturz Hitlers unterstützt wurde. Schauplatz ist der Truppenübungsplatz Rūdninkai in der Region des Rūdninkai-Waldes  (Rudnicki forest, Lithuanian — Rūdninkų giria, Yiddish — Rudnítsker vald).

Man muss sich das vorstellen: ‚Zufällig‘ zerstören deutsche Kampfpanzer bei einer Übung 2026, 2028 oder 2031 das Fort einer jüdischen Partisanengruppe in Litauen, oder manche machen sich einen Spaß und zerstören es absichtlich, die Bundeswehr ist ja nicht gerade bekannt dafür, besonders geschichtssensibel zu sein oder solche Männer (und Frauen) anzuziehen, die vorsichtig mit der Welt umgehen, um das mal ganz diplomatisch zu formulieren. Machismus ist in jede Armee ein Riesenthema, dazu kommt der Rechtsextremismus in der Bundeswehr und die deutschen Kontinuitäten seit der Nazi-Zeit.

Täter-Opfer Umkehr in Litauen: Kampf gegen die Partisaninnen

Als 2008 diese unglaubliche Kampagne von Revisionisten in Litauen gegen ehemaligen Partisaninnen und Partisanen losging, stellten sich viele Botschaften hinter Fania und andere Partisan*innen, Dovid Katz erinnert:

Alle diese Diplomaten waren stolz darauf, mit Fania dieses Partisanen-Fort zu besichtigen und sich über den mutigen Widerstand der jüdischen Partisaninnen und Partisanen gegen die Nazis zu informieren. Darüber hinaus organisierte der irische Botschafter Denham, der die gesamten Bemühungen des westlichen diplomatischen Korps inspirierend initiiert und geleitet hatte, ein Bankett, um Fania zu ehren und ihr eine Urkunde für ihr Lebenswerk zu überreichen. Der amerikanische Botschafter John A. Cloud stellte ihr seine eigene Urkunde aus, die er bei einem von der Botschaft gesponserten Mittagessen überreichte. In der Geschichte der Diplomatie war dies das erste Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR, dass westliche Diplomaten in diesen Ländern energisch und öffentlich gegen den Missbrauch staatsanwaltschaftlicher Befugnisse zur Verunglimpfung und Delegitimierung von Personen protestierten, die bei den Staatsorganen in Ungnade gefallen waren. Ein Jahr später gab der deutsche Botschafter Hans-Peter Annen einen Empfang für Fania, bei dem er ihr das Bundesverdienstkreuz des deutschen Bundespräsidenten überreichte.

Die antisemitische Täter-Opfer Umkehr und Agitation gegen ehemalige Partisaninnen und Partisanen wie Fania Brantsovskaya oder Yitzhak Arad wird von dem Historiker Saulius Sužiedelis in seinem 2025 erschienen Buch Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania erkannt.[1] Der emeritierte Professor an der Millersville University of Pennsylvania schreibt in seinem Buch eine umfassende Geschichte des Holocaust in Litauen. Den Antisemitismus der Litauischen Aktivistenfront (LAF) nennt er auch beim Namen.[2]

Rot=Braun Ideologie

Vor diesem Hintergrund ist jedoch seine aggressive Abwehr der Kritik am Antisemitismus und der Holocaustverharmlosung durch die Rot=Braun-Ideologie von Dovid Katz oder Efraim Zuroff bemerkenswert. Ja, Sužiedelis macht sich – als amerikanisch-litauischer Professor – gar nicht die Mühe, sich mit der wissenschaftlichen Analyse und Kritik wie von Dovid Katz zu befassen und schreibt faktenfrei:

In ihrem Angriff auf die Vermischung von Kommunismus und Nationalsozialismus wurde jedoch die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema nicht erwähnt (…).[3]

Dabei zitiert er zwar zwei journalistische Beiträge von Dovid Katz von 2009 sowie von Efraim Zuroff, aber nimmt das nicht als wissenschaftliche Kritik wahr und ernst. Hätte Sužiedelis, der lediglich 30 Jahre an diesem Buch arbeitete,[4] sich etwas näher mit der Thematik der Holocaustverharmlosung und der Analogie von Rot und Braun beschäftigt, hätte er einige wissenschaftliche Artikel von Dovid Katz finden müssen.[5]

Doch Sužiedelis ignoriert diese Forschung einfach und behauptet dann, Katz würde die wissenschaftliche Literatur nicht rezipieren, dabei ist Sužiedelis ganz offenkundig der Ignorant, da er keine einzige der von mir hier zitierten wissenschaftlichen Arbeiten von Dovid Katz rezipiert hat und Katz wiederum bezieht sich ja auf viele andere wissenschaftliche Texte und bettet das jeweils in eine luzide Analyse und Kritik der Rot=Braun- oder Holocaustverharmlosungs-Ideologie ein.

Da Sužiedelis jedoch mit der umstrittenen litauischen staatlichen Kommission, der bereits oben zitierten International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania zusammenarbeitet, ist das kein Wunder. Er bedankt sich in seiner Studie sogar bei Ronaldas Račinskas, der jene Internationale Holocaust Kommission leitet, sowie bei Emmanuel Zingeris aus Litauen.[6]

Es ist eine Mischung aus Perfidie und Unkenntnis, wenn Sužiedelis Dovid Katz vorwirft, diese Holocaust verharmlosende Kommission zu kritisieren, da doch deren Vorsitzender ein Jude sei, Emmanuel Zingeris.[7] Was soll das aussagen? Dovid Katz hatte offenkundig, seine Seite Defending History zeugt davon, guten und engen wissenschaftlichen, politischen und persönlichen Kontakt zum damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Vilnius, Shimon Alperovich, zu Milan Chersonski, dem Herausgeber der (viersprachigen) Zeitung der jüdischen Gemeinde in Vilnius, zum Holocaustüberlebenden Pinchos Fridberg aus Vilnius, zu Fania Brantsovksaya, zu Rachel Margolis, zu Yitzhak Arad und vielen weiteren Juden und Jüdinnen.

Sodann bezieht sich Sužiedelis in diesem Kontext bzw. der dazugehörigen Fußnote auf Timothy Snyder, ohne mit einem Hauch auf die massive wissenschaftliche Kritik an der Holocaust verharmlosenden Dimension von dessen Buch „Bloodlands“, wo er ganz typisch Rot und Braun analogisiert, einzugehen.

Neben Dovid Katz[8] waren viele weitere Historiker*innen in die Debatte involviert und haben Snyder teils massiv und scharf kritisiert, darunter waren Dan Diner[9] vom Simon Dubnow Institut in Leipzig, Yehuda Bauer[10] (1926-2024) und Dan Michman[11] von Yad Vashem aus Israel, Jürgen Zarusky[12] (1958-2019) vom Institut für Zeitgeschichte in München, der rumänische Holocaustforscher Michael Shafir (1944-2022)[13] sowie der Verfasser dieses Textes[14] und weitere Kritiker*innen.

Doch ideologisch ist eben keineswegs nur Litauern, vielmehr auch Deutschland seit vielen Jahren auf dem Kurs der antisemitischen Rot=Braun-Ideologie. Die Prager Deklaration steht dafür exemplarisch, der spätere Bundespräsident Joachim Gauck ist einer ihrer Unterzeichner. Der Kern der Prager Deklaration ist folgender:

Dabei geht es um die am 3. Juni 2008 im Prager Senat von mehreren, teils international recht bekannten Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten angenommene „Prager Deklaration“. Darin wird in einem 19 Punkte umfassenden Programm der Stalinismus bzw. „der Kommunismus“ mit dem Nationalsozialismus gleich gesetzt. Gleich in Punkt eins heißt es, es solle an ein „gesamteuropäisches Verstehen“ appelliert werden, dass die „nationalsozialistischen und kommunistischen totalitären Regime jedes nach seinem Wert“ beurteilt werden mögen, beide „Regime“ hätten gleichermaßen „aggressive Kriege angefangen“ (!) als „untrennbarer Teil ihren Ideologien“, beide hätten „ganze Nationen deportiert und vernichtet“ (!) und dass somit diese beiden Regime die „Hauptkatastrophen“ des „20. Jahrhunderts“ darstellten.

Zweitens sollen die vielen „Verbrechen“, welche „im Namen des Kommunismus“ begangen wurden als „Verbrechen gegen die Menschheit“ betrachtet werden, „genauso wie die Nazi Verbrechen vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal beurteilt“ wurden. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 9 der Deklaration, worin gefordert wird, den „23. August“ 1939, den Tag an dem der „Hitler-Stalin Pakt“ unterzeichnet wurde, als „Gedenktag an die Opfer von nationalsozialistischem und kommunistischen Regimes“ einzurichten, „in genau der Art wie Europa die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert“. In Punkt 17 wird schließlich gefordert, alle „europäischen Textbücher anzupassen und zu überarbeiten, damit die Kinder lernen und vor dem Kommunismus und seinen Verbrechen gewarnt werden können, auf die gleiche Weise wie sie gelernt haben die Nazi-Verbrechen zu beurteilen.“

Damit ist der Kern der Prager Deklaration eindeutig: der Holocaust war demnach kein präzedenzloses Verbrechen, der Antisemitismus der Deutschen und ihrer Helfer war nichts Besonderes, vielmehr ‚typisch‘ für ‚totalitäre Regime‘ wie dem Nazismus und Kommunismus. Der Holocaustgedenktag soll abgewertet bzw. ersetzt werden! [15]

Deutsche Panzer wieder in Litauen: Stoppt die Militarisierung Europas

Es ist absolut notwendig, dass das jüdische Partisanen-Fort erhalten bleibt und als Gedenkort des Widerstands gegen den Holocaust in diesem EU-Land gewürdigt wird.

Dovid Katz fordert:

Es ist bedauerlich, dass Bundeskanzler Merz über die Geschichte des Holocaust-Widerstandes unweit des neuen deutschen Truppenübungsplatz vielleicht nicht richtig informiert war, weshalb er am vergangenen Donnerstag bei den Eröffnungsfeierlichkeiten schwieg. Aber das kann jetzt schnell korrigiert werden durch die Entschlossenheit des deutschen Verteidigungs- und Außenministeriums und auch der Partnerstreitkräfte im NATO-Bündnis, ein Projekt zur Wiederherstellung der jüdischen Widerstandsfestung in enger Zusammenarbeit mit den litauischen Behörden und internationalen Holocaust-Gedenkorganisationen anzukündigen. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des Holocaust-Völkermordes verdient die einzige erhaltene jüdische Festung auch den Schutz der UNESCO und anderer Organisationen.

Die völlig absurde Vorstellung, Russland würde ‚einfach so‘ Länder überfallen, weil es ein imperialistisches Land sei, könnte die kritische Politikwissenschaft detailliert widerlegen. Der Ukraine-Konflikt ist sehr vielschichtig, beide Seiten tragen hierbei Schuld, Russland für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die Ukraine und die NATO für jahrelange Provokationen inklusive Rassismus gegenüber der starken Russisch sprachigen Minderheit zumal im Osten und Südosten der Ukraine.

Aber wer ist heutzutage schon an Wissenschaft und Reflektion oder Kritik interessiert, wenn sage und schreibe 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung und somit Kriegsvorbereitung ausgegeben werden sollen von allen NATO-Staaten?

Eine Auflösung der NATO wäre viel friedensfördernder. Sie wurde als Reaktion auf die Sowjetunion 1949 gegründet, 1955 wurde dann der Warschauer Pakt gegründet, der aber nur bis 1991 bestand. Warum gibt es die NATO weiterhin?

Und welches Militärbündnis hat sich nochmal seit 1991 extrem ausgebreitet in Europa, ist also eine imperialistische Macht?

Das macht Putin nicht weniger schlimm und autokratisch, er ist eine extreme Gefahr für die demokratische Opposition in Russland und weltpolitisch mit seiner Unterstützung des Iran (allerdings aktuell kaum, die Angriffe Israels führten zu keiner militärischen Unterstützung Russlands für den Iran), der Hamas oder auch Chinas.

Wobei sich ja bekanntlich China mit seiner äußerst brutalen, antidemokratischen, irrationalen und gesundheitsgefährdenden Corona-Politik in die Herzen aller linken und sonstigen ZeroCovid-Fanatikerinnen (oder auch von Angela Merkel, die begeistert war, wie maskiert China war und vor allem wie wenig Proteste es dort gegen die Corona-Politik anfangs gab oder geben konnte, im Gegensatz zu Deutschland!) gebrannt hat.

Autorinnen oder Verleger, die sich für eine vielfältige oder auch kinderfreie Zukunft aussprechen und die Normalfamilie (bzw. die Produktion von Kanonen- und Drohnenfutter) in Frage stellen, werden bekanntlich in Russland per Gesetz diskriminiert, ja strafrechtlich verfolgt! Russland hat Besseres verdient als Putin, so wie die USA Besseres verdient haben als Trump, by the way (siehe dazu die aktuelle Bruce Springsteen Tour in Deutschland und die No King-Proteste am 14. Juni 2025 in den ganzen USA mit ca. 5 Mio. Demonstrant*innen im ganzen Land auf ca. 2100 Demonstrationen angesichts einer unerträglichen, Nordkorea-Style Militärparade für Trumps Geburtstag).

Dazu kommt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach, wie es selbst die New York Times mittlerweile sieht, das Virus SARS-CoV-2 vermutlich bei einem Laborunfall in Wuhan (China) freigesetzt wurde. Stichwort: BSL 2 statt BSL-3 oder 4. Wer nicht weiß was BSL heißt, hat die Jahre 2020 bis 2025 verschlafen und sieht gar nicht was für Gefahren aus solchen Laboren für die ganze Welt entspringen können. Die Gain-of-Function-Forschung ist ein weiteres Stichwort.

Der Krieg in der Ukraine muss sofort beendet werden. Doch dieser Krieg hätte ohne Gebietsverluste für die Ukraine bekanntlich im April 2022 beendet werden könne, doch fanatische NATO-Mitgliedsländer und Politiker wie Boris Johnson wollten lieber Hunderttausende Soldaten sterben sehen in der Ukraine, weil sie mit Putin nicht verhandeln. Es wird jetzt in der Ukraine auch auf eine diplomatische Lösung hinauslaufen – aber mit massiven Gebietsverlusten und Zehntausenden oder Hunderttausenden Toten für die Ukraine und noch mehr Toten für Russland, die 2022 noch verhindert hätten werden können mit einem Autonomiestatus für die östlichen Provinzen in der Ukraine.

Deutschland könnte Litauen vielmehr diplomatisch und politisch, zivilgesellschaftlich helfen, sich mit der eigenen verbrecherischen Geschichte im Zweiten Weltkrieg und während der Shoah zu beschäftigen. Doch in Litauen passiert das exakte Gegenteil. Viele litauische Täter im Holocaust waren Teil der Litauischen Aktivisten Front (LAF), Katz berichtet von einem Skandal von 2025, der keiner wurde, weil das fast niemanden interessiert, wer wie wo Nazitäter verharmlost oder feiert:

Der renommierte Harvard- und an der Universität von Chicago ausgebildete amerikanisch-litauische Professor und Analyst für öffentliche Angelegenheiten, Kęstutis Girnius, versuchte vor anderthalb Jahrzehnten, Unterstützung für eine rechtsextremistisch inspirierte Exkulpation der „Litauischen Aktivistenfront“ (LAF, Lietuvių aktyvistų frontas, „Weiße Armbänder“) zu bekommen. Das war jene Organisation von 1941, die kein einziges Kaninchen schoss [was schlimm genug gewesen wäre, CH], als die Sowjets an der Macht waren (1940-1941), aber in dem Moment, als die sowjetische Armee ihre panische Flucht nach Osten begann und es keine Behörde gab, die sie aufhalten konnte, begann, Tausende unschuldiger jüdischer Nachbarn zu ermorden.

Hitlers örtliche Schergen erklärten eine „Unabhängigkeit“, die den Treueeid auf Adolf Hitler, die Verpflichtung, Litauen von allen Juden zu befreien, und die Entfesselung eines barbarischen Mordes beinhaltete, noch bevor die Deutschen eintrafen oder ihre Kontrolle einrichteten. Jeder wahre Freund Litauens wird verstehen, dass dies die Art von pro-faschistischem Revisionismus ist, die das schöne, moderne, tolerante, demokratische Litauen wie ein Loch im Kopf braucht.

Aber wie gesagt: Wer interessiert sich schon für Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Diplomatie, Reflektion oder Kritik am Antisemitismus? Das betrifft ja sogar sehr viele Leute aus der Pro-Israel Community, die für andere Formen des Antisemitismus wie der Holocaustverharmlosung nicht nur keinen Blick haben, sondern sich lieber mit dem Bild von Selenskyi als Profilbild auf den a-sozialen Medien ‚schmücken‘ und keine rationale Analyse des Krieges in der Ukraine wollen. Denn das würde zeigen, dass es in der Ukraine exakt wie in Litauen auch Holocausttäter gab, die heute als „Helden“ erinnert werden.

Das ist ja der Grund, warum die Ukraine das Land ist – weltweit – mit den vermutlich meisten Denkmälern, Straßennamen, Plaketten etc. pp. für Holocausttäter und Nazi-Kollaborateure, wie der Journalist Lev Golinkin schon vor dem Ukraine-Krieg zeigen konnte. Und auch in Deutschland gibt es ja noch sehr viele Straßen, die nach Nazis benannt sind – bis heute, erst äußerst mühsam entscheiden sich manche Kommunen, die eine oder andere Straße umzubenennen.

Von Kojaks The Belarus File zu Standing Ovations für einen ukrainischen SS-Mann 2023 in Kanada

Dazu passt Folgendes: Eine schockierende Live-Übertragung aus dem kanadischen Parlament in Ottawa ereignete sich am 22. September 2023. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi war eingeladen, um im Parlament zu sprechen, neben dem damaligen kanadischen Premierminister Justin Trudeau, der ja eher dem „woken“ oder links-liberalen Lager zuzuordnen ist. Gegen Ende der Veranstaltung im vollbesetzten kanadischen Parlament erwähnte der Parlamentssprecher Anthony Rota, dass jemand auf der Tribüne sitzen würde, ein „kanadisch-ukrainischer Kriegsveteran aus dem Zweiten Weltkrieg“, der „die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen“ erkämpft habe „und bis heute die Truppen“ – die ukrainischen Truppen – unterstützen würde. „In seinem Alter von 98 Jahren“. Das wurde damals live im Fernsehen übertragen, man kann das Video hier anschauen (ab Min 1:10:00).

Dann zeigt sich der 98 Jahre alte Kanada-Ukrainer und alle zollen ihm frenetischen stehenden Applaus und der Sprecher des Parlaments lacht dazu.

Sein Name ist Yaroslav Hunka. „Er ist ein ukrainischer Held“. „Ein kanadischer Held“. „Und wir danken ihm für all seine Dienste. THANK YOU!

Und wieder tosender stehender Applaus des gesamten Parlaments und aller Gäste, inklusive natürlich Selenskyi.

Presseagenturen nannten die Einheit, in der Hunka diente, die „erste ukrainische Division“. Das ist jedoch nur ein anderer Name für die „1. galizische SS Division“ und zugleich die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS. Lev Golinkin vom jüdischen Forward schreibt am 24. September 2023 :

Die 1943 gegründete SS Galizien setzte sich aus Rekruten aus der Region Galizien in der Westukraine zusammen. Die Einheit wurde von den Nazis bewaffnet und ausgebildet und von deutschen Offizieren befehligt. 1944 wurde die Division von SS-Chef Heinrich Himmler besucht, der von der „Bereitschaft der Soldaten, Polen abzuschlachten“ sprach.

Drei Monate zuvor verübten Untereinheiten der SS Galizien das so genannte Massaker von Huta Pieniacka, bei dem 500 bis 1.000 polnische Dorfbewohner lebendig verbrannt wurden.

Der kanadische Parlamentssprecher Rota hatte sich offenkundig mit Hunka vor dieser Veranstaltung näher befasst – aber schlichtweg ignoriert, was im Zweiten Weltkrieg „Widerstand“ oder „Befreiungskampf“ von Ukrainern hieß. Die SS organisierte den Holocaust, auch in der Ukraine. Die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS ist bekannt für ihre Morde im Holocaust und genozidale Verbrechen an Polen.

Jeder Mensch mit einem Hauch von Geschichtsbewusstsein weiß, dass gerade ehemalige Holocaust-Täter in die USA oder Kanada emigrierten nach 1945. Einer der bekanntesten und besten Filme dazu ist der Kojak Krimi „The Belarus File“. Darin geht es exakt um solche Hunkas, die in den USA untertauchten und dann mitunter auf die wenigen überlebenden Juden trafen. Am Ende wird der Nazi-Kollaborateur ausgeschaltet – von Kojak. Ein absolut beeindruckender Film, den offenbar kein Mensch dieser versammelten kanadischen Elite an jenem 22. September 2023 vor Augen hatte.

Sie applaudierten einem SS-Mann. Im Jahr 2023. Das zeigt, zu was der schier unschilderbare Pro-Ukraine Fanatismus führen kann.

Weniger später, am 26. September 2023 hat dann der bis dahin völlig naive oder historisch ungebildete kanadische Parlamentssprecher Anthony Rota Konsequenzen gezogen und trat zurück. Trudeau oder Selenskyi traten jeweils nicht zurück und die versammelte kanadische parlamentarische Elite trat auch nicht zurück. Jeder und jede Einzelne wird erinnert werden als eine Person, die einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur, der in einer SS-Division und im Holocaust aktiv war, frenetischen Applaus zollte.

Im Jahr 2023.

Weil ja die wenigsten Menschen seit 1945 Zeit hatten, sich mit der Geschichte des Holocaust zu befassen.

1988 wurde 20 Meilen vor Toronto in Kanada auf den Oak Memorial Gardens ein Denkmal für exakt jene 14. Waffen-SS-Division (1. Galizische) errichtet. Dieser Garten ist Teil des St. Volodymyr Ukrainian Friedhofs in Oakville. Man muss sich das vorstellen: Mehr als 40 Jahre nach dem Holocaust wurde im Jahr 1988 in Kanada, einer westlichen Demokratie, für diese Nazi-Kollaborateure ein Pro-Holocaust Denkmal errichtet!

Dieses Denkmal für die ukrainischen SS-Nazis wurde jetzt endlich nach vielen Jahrzehnten im März 2024 von dem Friedhof entfernt. Jahrzehntelange Proteste jüdischer Organisationen hatten nie etwas bewirkt – waren ja nur Juden, die protestierten, oder Überlebende. Aber jetzt, angesichts des Skandals mit den stehenden Ovationen für den 98-jährigen Nazi bzw. Nazi-Kollaborateur und SS-Mann Yaroslav Hunka im kanadischen Parlament am 22. September 2023 gab es doch eine kleine Schockwelle in Kanada.

1985 lief der erwähnte Kojak-Kinofilm „The Belarus File“. Darin geht es nicht nur um einen Holocausttäter, sondern insbesondere auch um US-amerikanische Direktive, juristisch nicht gegen diese Verbrecher vorzugehen. Die USA unterstützten viele Nazis und Nazi-Kollaborateure nach 1945, die Wernher-von-Braun Memorial Lecture in den USA („Die Karriere des Wernher von Braun. Von den Nazis zur NASA“), die 1978 das erste Mal veranstaltet wurde, ist ein typisches und obszönes Zeichen dafür. Da die USA wie damals die Nazis, die Polemik ist gar keine, weil sich die USA ja von sich aus in die Tradition des Nazis Wernher von Braun stellen!, der Expansion widmen, geht es heutzutage vor allem um das Weltall. Das zeigt sich im Expanding Exploration: From Vision to Reality. The 2024 von Braun Space Exploration Symposium im Oktober 2024 in Huntsville.

Wer die wirklich völlig fanatisch-euphorischen, enthusiastischen Gesichter dieser kanadischen Parlamentarier*innen sah, die mehrfach wie durchgedreht einem 98-jährigen Nazi-Kollaborateur Beifall klatschten, WEIL er ja gegen „den“ Russen kämpfte – der sieht, wie wenig aus der Geschichte des SS-Staates weltweit bis heute gelernt wurde. Es ist auch ein direktes Resultat der jahrzehntelangen Agitation der Propagandist*innen der Prager Deklaration und insgesamt der Gleichsetzung von Rot und Braun.

Sowjets schlimmer als Nazis: Litauen heute

Der jüdische Publizist aus Vilnius Arkady Kurliandchik, der auch den antizionistische Antisemitismus im heutigen Litauen kritisiert, bringt es im November 2024 so auf den Punkt:

Litauen hat im zwanzigsten Jahrhundert bekanntlich zwei Besatzungen erlebt: Die sowjetische und die deutsche. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 und vor allem in jüngster Zeit hat sich die allgemeine Auffassung durchgesetzt, dass die sowjetische Besatzung „schlecht“ und die deutsche Besatzung „gut“ gewesen sei. Diese Unterscheidung wird durch Denkmäler deutlich gemacht: Statuen von Persönlichkeiten aus der Sowjetzeit, auch von solchen, die in keiner Weise mit der Unterdrückung in Verbindung stehen, werden abgebaut, während Gedenktafeln für Naziverbrecher, die für die Massenvernichtung der litauischen Bevölkerung verantwortlich sind, aufgestellt und Straßen und Schulen nach ihnen benannt werden.

Man könnte sogar zeigen, dass zwei der bekanntesten Leugner der Präzedenzlosigkeit der Shoah nahezu zeitgleich 1949/1950 aktiv wurden und sagten, dass der Holocaust gerade nichts Einzigartiges oder nie Dagewesenes sei: Martin Heidegger und Aimé Césaire.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah ist also keineswegs den postkolonialen Linken überlassen, wie viele vermuten und viele konservative bis neu-rechte und rechtextreme Publizist*innen, Parlamentarier*innen und Aktivist*innen, aber auch viele mehr oder weniger linke Wissenschaftler*innen behaupten oder zumindest insinuieren.

Deshalb mehr Geschichtsbewusstsein und weniger Militarismus wagen.

Besser Institute gründen in Litauen und überall für mehr zivile Lösungen, mehr Holocausterinnerung, mehr Diplomatie und Stopp der Aufrüstung.

Und gleichzeitig geht es um die Sicherung der jüdischen Orte des Widerstands gegen den Holocaust und die deutschen wie litauischen Antisemiten und Mörder, die die Juden im Holocaust in Litauen in einer ‚Effektivität‘ massakrierten wie an keinem anderen Ort der Welt – 95 Prozent der litauischen Juden wurden im Holocaust ermordet.

Antisemitismus ist also ein viel komplexeres Thema, als es viele wahrhaben wollen, gerade auch solche, die so tun oder immer so taten, als ob ihnen die Erinnerung an die Shoah wichtig sei.

Antizionismus ist die heute gefährlichste Form des Judenhasses. Aber viele, die diesen erkennen, sind häufig unfähig, andere Formen des Antisemitismus zu erkennen – und gerade Konservative in West- wie Osteuropa und Nordamerika, ja überall, die sich häufig pro-israelisch geben, sind mit die Schlimmsten, wenn es um die Umschreibung der Geschichte geht, von den postkolonial argumentierenden Linken abgesehen, die die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz leugnen und den Unterschied von Sklaverei und Gaskammern nicht im Ansatz begriffen zu haben scheinen.

Das Beispiel aus Kanada von 2023 sagt eigentlich alles über das komplette westliche Versagen, die Geschichte des Holocaust und der Täter und Kollaborateure aufzuarbeiten. Im Osten Europas wird in weiten Teilen nicht nur nicht oder verzerrt aufgearbeitet, sondern die Nazi-Kollaborateure werden geehrt, gerade auch nach solchen Skandalen wie in Kanada:

Der Gebietsrat von Ternopil [in der Ukraine, CH] zeichnete mit der Anordnung Nr.22 vom 6. Februar 2024 Hunka mit dem Jaroslaw-Stezko-Ehrenabzeichen „Für Verdienste um die Region Ternopil“ aus.

Wer war Jaroslaw-Stezko? Der Journalist Golinkin schreibt:

1941 stand Stetsko an der Spitze der mit den Nazis kollaborierenden Regierung der OUN-B, die den deutschen Einmarsch in die Ukraine begrüßte und Hitler die Treue hielt. Er war ein völkermordender Antisemit, der geschrieben hatte: „Ich bestehe auf der Ausrottung der Juden und der Notwendigkeit, die deutschen Methoden zur Vernichtung der Juden in der Ukraine zu übernehmen.“

Diesen Mann also würdigt und feiert die heutige Ukraine, die WIR – gerade wir Deutschen – doch mit allen, wirklich allen Mitteln verteidigen müssen.

 

[1] Saulius Sužiedėlis (2025): Crisis, War, and the Holocaust in Lithuania, Boston: Academic Studies Press (in Kooperation mit dem United States Holocaust Memorial Museum), S. 532-536.

[2] Ebd., S. X.

[3] Ebd., S. 539.

[4] Ebd. S. X.

[5] Dovid Katz (2009): “On Three Definitions:  Genocide; Holocaust Denial; Holocaust Obfuscation”, in: Leonidas Donskis (Hg.), A Litmus Test Case of Modernity. Examining Modern Sensibilities and the Public Domain in the Baltic States at the Turn of the Century [=Interdisciplinary Studies on Central and Eastern Europe 5], Bern u.a: Peter Lang, S. 259-277 ; Dovid Katz (2016): “Is Eastern European ‘Double Genocide’ Revisionism Reaching Museums?”, in: Dapim: Studies on the Holocaust, vol. 30.3, S. 1–30, 18. Nov. 2016; Dovid Katz (2017): “Free Trade Awry? The Westward Export of Double Genocide”, in: Danielle Buschinger u.a. (Hg.), Mélanges offerts à Jeff Richards par ses amis à l’occasion de son 65e anniversaire, Amiens: Centre d’Etudes Médiévales de la Picardie, S. 413-443; Dovid Katz (2018): “The Baltic Movement to Obfuscate the Holocaust” in: Alex J. Kay/David Stahel (Hg), Mass Violence in Nazi-Occupied Europe: New Debates and Perspectives (Indiana University Press: Bloomington, Indiana), S. 235-261.

[6] Sužiedėlis 2025, S. XII.

[7] Ebd., S. 538.

[8] Dovid Katz (2009a): “Prague’s Declaration of Disgrace,” 21. Mai 2009, http://www.thejc.com/comment/comment/prague%E2%80%99s-declaration-disgrace.

[9] Dan Diner (2012): “An Auschwitz vorbei. Timothy Snyder erhält für sein Buch ‘Bloodlands’ den diesjährigen Leipziger Buchpreis. Zu Recht? Jedenfalls weist seine angeblich wegweisende Arbeit Mängel auf,” March 17, 2012, http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article13927362/An-Auschwitz-vorbei.html.

[10] Yehuda Bauer (2010): Remembering accurately on International Remembrance Day, Jerusalem Post, 25.01.2010.

[11] Dan Michman (2012): Bloodlands and the Holocaust, in: Journal of Modern European History / Zeitschrift für moderne europäische Geschichte / Revue d’histoire européenne contemporainem Vol. 10, No. 4, Eugenics after 1945 (2012), S. 440-445.

[12] Jürgen Zarusky (2012): Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Kon­struktion einer Geschichtslandschaft, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 60. Jg., Nr. 1, S. 1–31.

[13] Siehe z.B. „Papers by Professor Michael Shafir (1944-2022)“, https://defendinghistory.com/papers-by-professor-michael-shafir-1944-2022/112393.

[14] Siehe das Kapitel Ernst Nolte’s ‘grandson,’ the new German President and the Prague Declaration, in: Clemens Heni (2013), Antisemitism:  A Specific Phenomenon. Holocaust trivialization – Islamism –Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, S. 313-373.

[15] Clemens Heni (2010): Die Prager Deklaration. Antisemitismus im neuen Europa, Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Jg. 49, Nr. 194 (2010), S. 106–112, hier S. 106 f.

Dank an die Rote Armee – gegen eine exkulpierende Erklärung des deutschen Kapitals in der FAZ zum 8. Mai 2025

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Ganz normale Deutsche haben seit 1945 alles getan, um ihre Verbrechen an den Juden Europas zu vertuschen oder zu feiern. Es wurden Straßen, Schulen, Plätze nach ehemaligen Nazis und Antisemiten benannt und welches Unternehmen hat sich je dafür eingesetzt, eine Straße, die nach einem führenden Mitglied des jeweiligen Unternehmens benannt wurde, umzubenennen? Welches Unternehmen hat sich für die eigene Selbstauflösung nach 1945 ausgesprochen? Welches Unternehmen löst sich wenigstens heute auf, inklusive seiner Stiftungen, und verteilt das Geld an die Opfer der deutschen Barbarei?

Wer war eigentlich Opfer, ‚damals‘?

Eine Erklärung der führenden Vertreter des deutschen Kapitals zum 8. Mai sagt uns alles über die aktuelle deutsche Ideologie. Die CEOs dieser kapitalistischen Unternehmen sind irgendwie gegen einen „Schlussstrich“, gegen „Hass“ und sogar gegen „Antisemitismus“ (den sie aber nicht näher definieren), aber vor allem wollen sie wieder wie damals gegen ‚den Russen‘ kämpfen, was sie so ausdrücken:

Der Sieg der Alliierten über die Nationalsozialisten hat einem ganzen Kontinent, der ganzen Welt Hoffnung gegeben. Der mit dem Ende des Kalten Krieges erreichte europäische Zusammenhalt, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind Errungenschaften, die wir gemeinsam schützen müssen.

Damit wird der Nationalsozialismus oder deutsche Faschismus mit dem Kalten Krieg gleichgesetzt. Letzterer wurde vor allem von den USA ab 1947 vom Zaun gebrochen. Damit konnten sie erstens einen Schlussstrich ziehen unter die Verfolgung und Bestrafung deutschen Nazis und zweitens alte Nazis in die USA bringen und ihre „Verdienste“ würdigen, sie einbinden im Kampf gegen den Kommunismus.

Damit wird der Kampf der Alliierten und der Zweite Weltkrieg mit dem Kalten Krieg von 1947 bis 1989 analogisiert, auch das eine typische Strategie von Antikommunisten und Reinwaschern der deutschen Schuld, speziell der Schuld nach 1945, sich mit den Verbrechern im eigenen Unternehmen oder der eigenen Familie zu beschäftigen.

Im Wörtchen „schützen“ in obigem Zitat, dieser penetrant sich selbst exkulpierenden Erklärung, gerade im Reden von der Hilfe des deutschen Kapitals für die Nazis, liegt der Auftrag an die Deutschen, „bis 2029“ wieder „kriegstüchtig“ zu werden, wie es der alte und neue Kriegs- – offiziell „Verteidigungs“ – minister Boris Pistorius (SPD) ganz ehrlich in Worte fasste. Wer immer noch naiverweise (nach den Erfahrungen von 1918/19, „Bluthund“ Noske, beauftragt von Ebert etc. pp.) meint, dass nur Rechte Kriegstreiber seien, sollte sich das Parteibuch von Pistorius zeigen lassen.

Da lacht die pro-deutsche Antifa, die in Putin den heutigen „Faschisten“ sieht und Waffen für die Ukraine fordert, die derweil Denkmäler für Holocausttäter und Nazikollaborateure baut oder Straßen, Plätze oder Gebäude nach solchen Antisemiten benennt, seit Jahren, genauer gesagt seit dem Ende der Sowjetunion und der eigenen Unabhängigkeit als Staat Ukraine.

Wer wurde laut dieser Erklärung der führenden Kapitalisten in Deutschland eigentlich ermordet und wie? Juden? Gaskammern? KZs? Massenerschießungen durch Polizeibataillone? Sicher, aber Juden machten nur 10 Prozent der Kriegstoten aus – und Kriegstote sind vor allem auch die deutsche BdM-Frau aus Dresden, exakt das meint dieser strunzdeutsche Satz in diesem Pamphlet in der heutigen FAZ (online am 7. Mai, offenbar im Druck für die morgige Ausgabe):

Heute vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Dieser Tag ist ein Tag des Gedenkens an all die Menschen, die verfolgt und ermordet wurden, an die Verbrechen und Zerstörungen, an die weltweit mehr als 60 Millionen Toten.

Das ist Geschichtsrevisionismus mit bestem Gewissen, da lacht Helmut Kohl posthum, der exakt auf solche Formulierungen sein Leben lang hinarbeitete – Neue Wache in Berlin.“Wir“ sind doch alle irgendwie Opfer gewesen, damals, darum geht es.

Es ist keine direkte Holocaustleugnung, aber was sind schon 6 Millionen tote Juden unter 60 Millionen Toten? Unter diesen 60 Millionen Toten sind auch alle ganz normalen Deutschen gemeint, die dem Führer zujubelten, Autos, Panzer und KZs bauten und Juden denunzierten, deren Vermögen arisierten und sie schließlich minutiös geplant deportierten, vergasten oder erschossen.

Die deutsche Kapitalfraktion sagt noch nicht einmal, wen wundert’s, dass ein Großteil der Opfer des deutschen Vernichtungskrieges Sowjets waren. Die Täter-Opfer-Umkehr läuft hingegen wie am Schnürchen, vom Zweiten Weltkrieg und dem präzedenzlosen Verbrechen von Auschwitz und der Shoah – beides taucht in der Erklärung selbstredend nicht auf – hin zum läppischen Kalten Krieg liegt  – nichts. Ein Kontinuum des Schreckens, das ist gemeint, Rot gleich Braun, das ist EU-Ideologie, die in den USA schon seit 1947 Staatsideologie ist.

Manche wurden verfolgt, andere ermordet, dann gab es ganz allgemein und allüberall auf allen Seiten Verbrechen und natürlich Zerstörungen, vor allem in den deutschen Großstädten, das ist der Tenor oder die dog whistle, die jeder ganz ordinäre Deutsche sofort heraushört wie sonst nichts.

In dieser ganzen Erklärung von Heidelberg Materials, Siemens, Commerzbank, Mercedes, BMW und so weiter und fort, das ganze Elend des deutschen Kapitalismus steht unter dieser Erklärung, wird der Holocaust nicht erwähnt. Auch das Wort Shoah oder der Begriff „Vernichtung der europäischen Juden“ kommen nicht vor. Dafür aber der revisionistische Ausdruck „60 Millionen Tote“ – womit Täter und Opfer auf eine Stufe gestellt werden, was durch das Wort „Zerstörungen“ noch potenziert wird, denn bei „Zerstörungen“ und Nationalsozialismus denkt ein ganz normaler Deutscher oder FAZ-Abonnent nicht an die zerstörten Synagogen vom 9. November 1938, sondern an Dresden, Hamburg oder Frankfurt und den Luftkrieg oder Bombenkrieg gegen das verbrecherischste Regime, das es je auf Erden gab.

Endlich haben wir im Mai 2025 wieder einen Kanzler, dessen Großvater ein ganz gewöhnlicher Nazi war, was für goldene Zeiten!

Der 8. Mai war die Befreiung Europas von den Deutschen. Eine Befreiung der wenigen Überlebenden. Und eine Niederlage für die Deutschen, die sich ja fast alle nicht als befreit ansahen, sondern als besiegt.

 

Unser unendlicher und ewiglicher Dank gilt an diesem 8. Mai 2025 der Roten Armee der Sowjetunion – und dazu den drei anderen Alliierten Amerika, England und Frankreich.

Niemand hätte die Heuchelei und aggressive Selbstüberhebung des deutschen Kapitals, das sich in dieser heutigen Erklärung in der FAZ zeigt, besser auf den Punkt bringen können als HLG – den wir alle sehr vermissen.

 

Schriftsteller, die vom Antisemitismus in der Ukraine nicht reden wollen, sollen von Putin und Demokratie schweigen

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Krieg in der Ukraine muss enden. Er muss umgehend enden und es wird einen Kompromiss geben.

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands von Ende Februar 2022 hätte bekanntlich schon im April 2022 mit dem vollständigen Rückzug Russlands auf die Linien vor dem 24.02.2022 enden können, wären nicht fanatische Russenfeinde wie Boris Johnson und die NATO dagegen gewesen. Der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett hätte es fast geschafft, dass Putin und Selenskyi einen Waffenstillstand vereinbarten oder gar einen Friedensvertrag, wie auch die Zeitschrift Foreign Affairs konzedieren muss.

Doch die regelrechte Kriegshetze von Boris Johnson aus England und der NATO aus den USA sowie aus Europa verhinderte das. Dadurch sind Zehntausende Ukrainer und Russen an der Front gestorben, zu den Tausenden Zivilist*innen hinzu. Das wäre vermeidbar gewesen. Aber der Westen wollte keinen Kompromiss. Das sind Fakten.

Das entbindet Putin nicht von seiner Verantwortung für den Krieg – aber es kontextualisiert ihn.

Doch Kontext ist das allerletzte was Rechte und Großagitatoren wollen.

Nehmen wir die Rede des Schriftstellers (!) Marko Martin im Schloss Bellevue vor wenigen Tagen anlässlich des 35. Jahrestages des Mauerfalls. Er attackierte ausgerechnet den Gastgeber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für seine Ukraine-Politik als Außenminister vor einigen Jahren. Als ob Steinmeier sich nicht klar gegen Putin ausgesprochen hätte und die Militarisierung der Bundesrepublik durch Olaf Scholz seit dem 27. Februar 2022 (100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr) nicht vollends mittragen würde.

Aber das reicht vielen nicht. Die FAZ, die WELT oder der Perlentaucher schäumen vor Wut und klatschen ob der Schriftsteller-Rede Marko Martins, die in der WELT auch publiziert wurde.

Dass Putin ein brutaler Herrscher ist, der einen Verleger wie mich durchaus 15 Tage ins Gefängnis stecken oder mit Geldstrafe belegen würde, weil mein Verlag Edition Critic unter anderem Bücher zur Kritik der Normalfamilie oder zur Unterstützung kinderfreien Lebens publiziert, ist bekannt. Putin lässt auch Dissidenten ermorden. Sein Außenminister Lawrow hat sich 2022 widerwärtig antisemitisch geäußert. Das ist alles dokumentiert.

Was aber gerade in Deutschland kaum diskutiert wird, ist der Antisemitismus und Neonazismus in der Ukraine. Und das spricht Bände. Es ist sicher kein Zufall, dass Marko Martin den X-Account der ukrainischen Historikerin Marta Havryshko nicht zitiert in seiner agitatorischen Rede im Schloss Bellevue. Denn dann müsste er erkennen, dass beide Seiten höchst problematisch sind: Putin und Russland sowie Selenskyi und die Ukraine und als dritter sehr gefährlicher Faktor natürlich die NATO und der Westen, der 2014 seine eigene Rolle spielte beim Maidan-Putsch, wie der CIA ja selbst zugab. Es ist also vermutlich viel komplexer als es ein aus Sachsen im Mai 1989 geflüchteter heutiger Schriftsteller zu erkennen vermag.

Das Dramatische ist, dass Steinmeier selbst ja gar nicht mehr so handelt oder redet, wie er es 2016 noch tat – und gerade diese diplomatischen Worte sind den heutigen Kriegstreibern und Säbelrasslern ein Dorn im Auge. Die Süddeutsche Zeitung schrieb 2016, als Steinmeier noch Außenminister und Merkel Kanzlerin war:

„Angesichts der Nato-Militärmanöver und der geplanten Truppenstationierung in Osteuropa warnt Außenminister Steinmeier vor einem Abschreckungskurs gegenüber Russland.

Die Geschichte lehre, dass neben dem gemeinsamen Willen zur Verteidigungsbereitschaft auch immer auch die Bereitschaft zum Dialog und Kooperationsangebote geben müsse, sagte er.“

Weiter heißt es in der SZ:

„Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Nato-Manöver in Osteuropa kritisiert und fordert stattdessen mehr Dialog und Kooperation mit Russland. ‚Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen‘, sagte er der Bild am Sonntag.“

Schauen wir mal, was heute parallel zu dem Krieg in der Ukraine passiert. Wie sich die politische Kultur entwickelt, wie mit der ukrainischen Geschichte umgegangen wird.

Ich nehme mal den X-Account der ukrainischen Historikerin Marta Havryshko, die seit wenigen Jahren in den USA lehrt. Am 13. Oktober 2024 schreibt sie (alle Beiträge sind auf Englisch, übersetzt mit der kostenlosen Version von DeepL):

„Wie Asow zur Gewalt gegen seine Kritiker anstiftet? Meine Geschichte Im September 2023 eröffnete die 3. Sturmbrigade (Asow-Bewegung) eine Ausstellung im Museum von Kiew, in der ihre Kämpfer mit Angehörigen der Waffen-SS-Division Galizien verglichen wurden. Ich habe dazu einen kleinen kritischen Beitrag auf meiner Facebook-Seite verfasst. Der Hauptgedanke war: Die Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren schadet der ukrainischen Demokratie und nährt die Kreml-Propaganda.“

Am 16. Oktober 2024 schreibt die ukrainische Historikerin:

“ ‚Asow hat sich verändert‘ – das Mantra vieler liberaler und fortschrittlicher Menschen im Westen, die nach dem 24. Februar 2022 Sympathie für die Asow-Bewegung zeigen, ihre Vergangenheit beschönigen, ihre Gegenwart rechtfertigen und sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Meine Antwort? Ja. Sie hat sich verändert. Hier sind einige Indikatoren:

Vergrößerung und Durchdringung des gesamten Sicherheitssektors in der Ukraine. Anstelle eines Asow-Regiments gibt es jetzt zwei Brigaden: die 12. in der Nationalgarde und die 3. in der AFU. Eine weitere Asow-Einheit, Kraken, agiert unter der direkten Aufsicht des ukrainischen Militärgeheimdienstes unter der Leitung von Budanow.

Bewaffnung. Dank Lobbyarbeit und politischer Zweckmäßigkeit haben die USA das Waffenverbot für Asow aufgehoben. Jetzt verfügt sie über alle möglichen schweren Waffen aus dem Westen und bildet ihre Mitglieder darin aus, sie bei Bedarf gegen ‚äußere und innere Feinde‘ einzusetzen.

Entschuldigung früherer krimineller Aktivitäten. Einige Mitglieder von Asow waren in kriminelle Aktivitäten verwickelt und wurden vor 2022 wegen Gangstertums inhaftiert, aber nach dem Beginn der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine wieder freigelassen. Jetzt werden sie als ‚Freiheitskämpfer‘ gefeiert und ausgezeichnet.

Unterstützung durch die Medien. Asow genießt eine enorme Medienpräsenz. Viele ukrainische und ausländische Medien tappen in die Falle der ‚Elitebrigaden‘, ‚wahren Patrioten‘ und ‚einfachen Nationalisten‘. Sie stellen die Ideologie von Asow nicht in Frage und sind nicht bereit, die Mitglieder von Asow direkt mit harten Fragen über ihre Ideologie und politischen Pläne zu konfrontieren.

Rückendeckung von Experten. Einige Wissenschaftler und Analysten spielen die Rolle von Radikalismus und Extremismus in Asow bewusst herunter und argumentieren, dass Asow ‚entpolitisiert‘ sei und dass Behauptungen über seine Bedrohung der Demokratie übertrieben und das Produkt von Kreml-Propaganda seien.

Indoktrination und militärische Ausbildung von Jugendlichen. Centuria, eine paramilitärische Asow-Jugendbewegung, hat ihre Aktivitäten auf die gesamte Ukraine ausgeweitet. Sie dringt in die Schulen ein. Sie bereitet Jugendliche auf die Gewalt auf der Straße vor. Sie wird bereits für politische Gewalt gegen LGBTQI+, feministische und linke Aktivisten eingesetzt.

Mobilisierung von Angst. Asow setzt die Angst vor Russland in der Ukraine und darüber hinaus als Waffe ein. Gemeinsame Slogans: „Sie werden alle Männer töten und alle Frauen vergewaltigen“, ‚Sie werden einen weiteren Holodomor organisieren‘, ‚Sie werden alle Männer für den Krieg gegen die NATO mobilisieren‘ usw.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ja, Asow hat sich nach dem Februar 2022 drastisch verändert, aber vor allem hat sich die Haltung vieler Liberaler gegenüber Asow geändert, nicht sein Wesen.“

Am 30. Oktober 2024 schreibt sie:

„Ich habe den Maidan unterstützt, weil ich glaube, dass jeder in dunklen Zeiten seine eigene Wahl treffen sollte. Der Maidan wurde jedoch von Radikalen und Extremisten mit Bandera-Porträts und dem Wolfsangel-Symbol gekapert. Sie setzten ihre ethno-nationalistische Agenda durch, was mehr Bandera-Statuen und mehr Wolfsangel-Symbole auf die Straßen der Ukraine brachte.

Jedes kritische Denken über OUN und UPA wird als ‚Kreml-Propaganda‘ bezeichnet. ‚Unbequeme‘ Historiker werden schikaniert, bedroht und wegen fehlenden ‚Nationalbewusstseins‘ und ‚Patriotismus‘ entlassen. Zum ersten Mal in der ukrainischen Geschichte nach 1991 fand 2021 im Kiewer Stadtzentrum ein Gedenkmarsch zur Erinnerung an die Division Waffen-SS Galizien statt. Im Jahr 2024 eröffnete die ukrainische Botschaft in Litauen eine Ausstellung zu Ehren der Division. Ich stand mit meiner Kritik daran allein da. Andere taten so, als würden sie diese beunruhigende Wendung nicht sehen. „Blindheit“, ‚Selbstzensur‘ und ‚performativer Patriotismus‘ wurden zu den wichtigsten Strategien der Intellektuellen in der Ukraine während des Krieges. Viele ihrer westlichen Kollegen missverstanden all diese Entwicklungen als „Entkolonialisierung“ und das Recht auf ‚Selbstbestimmung‘ und machten Wissenschaftler wie mich in diesem makabren ’nationalistischen Karneval‘ noch einsamer.“

Und am 4. November 2024 hat sie noch einen Post, den sich die Marko Martins dieser Welt mal durchlesen sollten:

„Liebe westliche Freunde, hören Sie auf, mir, einem ukrainischen Bürger, dessen Brüder in der UAF dienen, dessen andere Verwandte aufgrund schwerer Verletzungen demobilisiert wurden und dessen einer nur einen Monat nach seiner Einberufung an der Front starb, Vorträge darüber zu halten, wie ich die Zwangsmobilisierung und den Kampf bis zum ‚Sieg‘ unterstützen soll.

Hören Sie auf, mich, eine Holocaust-Historikerin, darüber zu belehren, was ich von der wachsenden Zahl der Bandera- und Shukhevych-Straßen, der Teliha-Statue in Babyn Yar, der Verherrlichung der Waffen-SS-Division Galizien und der Wolfsangel-Abzeichen im ukrainischen Militär halten soll.

Hören Sie auf, mich zu belehren, eine Tochter, die das Grab ihrer Mutter in der Ukraine wegen der Todesdrohungen von Rechtsextremen nicht besuchen kann, wie ich ihren Einfluss „übertreibe“, während sie ‚wahre Patrioten‘ und ‚effektivste Kämpfer‘ sind, die mich vor den russischen Besatzern ‚beschützen‘.

Hören Sie auf, mich über die ‚richtige‘ Entkolonialisierung zu belehren, während Sie Ihre eigene koloniale Haltung mir und anderen Ukrainern gegenüber nicht reflektieren, die es ‚wagen‘, Ihre ‚korrekte‘ Wahrnehmung von der Ukraine zu kritisieren.“

Das führt mich zu einer Liste von Pro-Nazikollaboration-Denkmälern in der Ukraine, die schon vor dem aktuellen Krieg publilziert wurde. Es geht um folgende Beispiele, die Teil einer umfassenden investigativen Recherche des Journalisten Lev Golinkin sind, die er am 27. Januar 2021 im jüdischen Forward publizierte. Ich habe dazu am 27. Januar 2023 geschrieben:

In der westukrainischen Stadt L’viv wurde 2007 ein Monument zum Gedenken an Stepan Bandera eingeweiht, dem antisemitischen Nazi-Kollaborateur und Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B). Man kann ein Bild der Einweihungszeremonie hier sehen, rechts ist ein Denkmal für Bandera in der Stadt Ivano-Frankivsk abgebildet:

In der Stadt Zhovkva gab es 1941 auf einem Tor die Aufschrift „Heil Hitler“ und „Glory to Bandera“ (auf ukrainisch):

Golinkin führt eine riesige Zahl von Orten auf, die eine Straße, einen Platz oder Monument haben, die nach Bandera benannt sind:

Im Oktober 2022 hat die Redaktion des Forward die Benennung einer Straße nach Stepan Bandera in den Städten Dnipro und Tatariv hinzugefügt. Es gehört also zur ukrainischen Kriegspolitik, auch heute Straßen nach Nazi-Kollaborateuren zu benennen.

Jaroslav Stetsko schrieb am 9. Juli 1941 in einem Lebenslauf:

Ich unterstütze daher die Vernichtung der Juden und die Zweckmäßigkeit, deutsche Methoden der Judenvernichtung in die Ukraine zu bringen, unter Ausschluss ihrer Assimilation und dergleichen.

[I therefore support the destruction of the Jews and the expedience of bringing German methods of exterminating Jewry to Ukraine, barring their assimilation and the like.]

Darauf weist ein wissenschaftlicher Artikel in den Harvard Ukrainian Studies im Jahr 1999 hin.

Es gibt unter anderem in den Städten Stryi und Velykyi Hlybochok in der Ukraine Statuen zu Ehren Stetskos.

Es ist kein Zufall, dass die USA so obsessiv und fanatisch die Ukraine unterstützen, der Antikommunismus ist in den USA eine Art Staatsreligion. Hier sieht man den damaligen US-Vizepräsidenten George W. H. Bush (1924-2018) mit Jaroslav Stetsko im Jahr 1983:

Dmytro Paliiv (1896–1944), SS-Hauptsturmführer der 14. Waffen-Grenadier Division (1. SS Division Galizien). Ein Kritiker und ehemaliger Soldat der Roten Armee, der sich gegen die Benennung einer Straße nach dem SS-Mann Paliiv in Kalush unweit von Lviv aussprach, bekam 2017 Morddrohungen.

Die OUN-M, benannt nach Andryi Melnyk, feierte in einer ihrer Postillen das größte Massaker im Holocaust, den Mord an 33.000 Juden in Babi Yar am 29. und 30. September 1941 in der Nähe von Kiew. In Volya Yakubova gibt es ein Monument für Melnyk:

Am 1. August 1941 begrüßte der Bürgermeister von L’viv den Generalgouverneur Hans Frank, einen ganz typischen deutschen Juristen aus Karlsruhe, der frühzeitig NSDAP-Mitglied wurde und 1946 für seine Verbrechen gehängt wurde. Yuri Polyanskiy lebte bis 1986 und wird bis heute in der Ukraine verehrt wie mit solchen Plaketten, unten rechts zu sehen:

Auch wenn das der WELT, der FAZ oder dem Perlentaucher natürlich noch viel zu wenig ist, kämpft Deutschland doch mit allen Mitteln dafür, dass die Ukraine so bleibt, wie sie ist und weiter Straßen, Denkmäler oder Plätze nach Antisemiten, Nationalisten und Holocausttätern benennen kann. Die oben zitierte ukrainische Holocaustforscherin Marta Havryshko bringt dafür sehr viele Beispiele für die Ehrung von NS-Kollaborateuren hier und heute in der Ukraine.

Es ist klar, dass es nicht die Aufgabe eines Schriftstellers ist, sich wissenschaftlich oder differenziert mit einer Thematik zu befassen. Das ist sein gutes Recht, dafür ist er Schriftsteller. Dafür schreibt er vielleicht gute oder spannende oder nachdenkliche oder sensible oder schlechte Prosa, je nachdem.

Es gibt auch massiven Antisemitismus in Russland, die paramilitärische Wagner-Bande, der rechtsextreme Vordenker Alexander Dugin, die Unterstützung des Iran (auch wenn die vielleicht angesichts des kompletten Versagens der iranischen Luftabwehr angesichts der gezielten Angriffe im Landesinnern von Dutzenden israelischen Kampfjets weniger werden wird, weil das peinlich war für den jihadistischen und islamofaschistischen Iran und einer wie Putin nur starke, brutale und erfolgreiche Partner möchte), aber darüber wird ja auch nonstop gesprochen.

Worüber fast niemand spricht sind die Beispiele aus der Ukraine, die ich in diesem Text bringe.

Welcher SPIEGEL-, Frankfurter-Rundschau-, oder ZEIT-Text, der vielleicht 2014 noch kritisch war gegenüber dem Antisemitismus in der Ukraine, ist das auch heute noch?

Wer aber nicht ein Wort zum Antisemitismus und Neonazismus in der heutigen Ukraine verliert, aber den Bundespräsidenten meint belehren zu müssen über zu wenig Unterstützung dieser neo-nazistischen Tendenzen in der Ukraine – denn jede Waffenlieferung, jede finanzielle oder sonstige Unterstützung, die sich nicht öffentlich (!) gegen die neonazistischen und antisemitischen Tendenzen in der Ukraine wendet, ist eine solche Unterstützung – der sollte einfach mal das tun, was bei den allermeisten Menschen sehr hilfreich ist: einfach mal die Klappe halten.

Wer diese ganze Geschichte mit anderen Beispielen und in einem Film dargestellt sehen möchte, der oder dem sei der Film „The Belarus File“ mit Kojak empfohlen. Der Film ist von 1985, man kann ihn auch im Netz ggf. finden, und ist einer der besten Filme überhaupt. So ein Film wie Casablanca, nur spielt „The Belarus File“ in der Post-Holocaust Zeit und zeigt das typische, unsagbar widerliche Verhalten des Westens (hier: der USA) und ihre Kollaboration mit NS-Tätern.

Danke.

 

Palästinenser begehen das größte Massaker an Juden seit der Shoah

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Politikwissenschaftler und Holocaustforscher Daniel J. Goldhagen hat in seiner Studie „Hitler’s Willige Vollstrecker“ folgenden zentralen Satz geschrieben:

„Dabei müssen wir bequeme, aber oft unangemessene und vernebelnde Etikettierungen wie ‚Nazis‘ oder ‚SS-Männer‘ vermeiden und sie als das bezeichnen, was sie waren, nämlich Deutsche. Der angemessenste, ja der einzig angemessene allgemeine Begriff für diejenigen Deutschen, die den Holocaust vollstreckten, lautet ‚Deutsche‘.“[1]

Angesichts des Abschlachtens von über 1200 Juden am vergangenen Samstag in Israel gilt es in Anlehnung an Goldhagen festzuhalten:

Dabei müssen wir bequeme, aber oft unangemessene und vernebelnde Etikettierungen wie ‚Islamisten‘ oder ‚Hamas-Terroristen‘ vermeiden und sie als das bezeichnen, was sie waren, nämlich Palästinenser. Der angemessenste, ja der einzig angemessene allgemeine Begriff für diejenigen Palästinenser, die das Massaker an Juden am 07. Oktober 2023 in Israel vollstreckten, lautet ‚Palästinenser‘.

Die unsagbare Art und Weise, mit der die Palästinenser jüdische Frauen, Kinder, Greise und Männer misshandelten, folterten und ermordeten, hat auch den US-Präsidenten Joe Biden fassungslos gemacht. Joe Biden hat seine tiefe persönliche Erschütterung in einer Ansprache deutlich gemacht. Er betont, dass es sich hier nicht um Taten einer nach Selbstbestimmung suchenden Gruppe geht, sondern um das Ziel, Israel zu zerstören und Juden abzuschlachten.

Joe Biden erzählt von seiner ersten Reise als junger Senator nach Israel, 1973, just als der Yom Kippur Krieg ausbrach. Israels Ministerpräsidentin Golda Meir sagte zu ihm, dass Israel es schaffen wird, weil:

Wir haben keinen anderen Ort, wo wir hingehen könnten.

Das ist der Kern des Zionismus: einen eigenen Staat zu haben, wo alle Juden in Frieden und Sicherheit leben können. Dass dieses Versprechen jetzt in Teilen und auf präzedenzlose Weise durch den palästinensischen Antisemitismus dementiert wurde, ist der Schock der Stunde.

Morgen wird der US-Außenminister Blinken Israel einen Solidaritätsbesuch abstatten.

Die Art und Weise des Ermordens von Jüdinnen und Juden durch die Palästinenser erinnert an die Verbrechen der Einsatzgruppen, wie Kommentator*innen und Autor*innen in Israel erinnern. Ein Volk, das einen eigenen Staat anstrebt, wäre nie zu solchen Verbrechen fähig gewesen. Doch die Palästinener wollen primär Juden töten und den Staat Israel zerstören.

Vor diesem Hintergrund ist es nahezu ausgeschlossen, dass es jemals einen Staat „Palästina“ geben wird. Denn es ist jedem einzelnen Juden und Israeli klar, was das eigentliche Ziel der Palästinenser, egal ob islamistisch oder säkular, ist: das Quälen, Foltern, Vergewaltigen und Ermorden sowie Zurschaustellung von Juden für eine johlenden, Tote wie Halbtote anspuckende und schändende fanatische Masse von Palästinensern in Gaza, in Ramallah oder in Berlin-Neukölln, Stuttgart, Mannheim, Duisburg und allen anderen Orten, wo sie sich aufhalten.

Alle Aktivist*innen in Deutschland und der Welt, die das „Rückkehrrecht“ der 1948 angeblich oder tatsächlich aus Israel Vertriebenen einfordern, machten sich schon immer zu Komplizen mit dem Jihad und dem palästinensischen Terror. Seit dem 07. Oktober 2023 klebt an diesen Aktivist*innen Blut, wie noch nie Blut an antisemitischen Aktivist*innen klebte seit dem Ende des Holocaust.

Jene, die sofort damit angefangen haben, Tote auf „beiden“ Seiten zu zählen und von einem „Konflikt“ daherreden, als ginge es um eine nur etwas aus dem Ruder gelaufene Meinungsverschiedenheit, haben weder eine Ahnung vom Holocaust und den Verbrechen ihrer Großväter und -mütter, noch von den heutigen Verbrechen der Palästinenser vom 07. Oktober 2023.

Heute passsiert kein Holocaust, das ist evident, da Israel sich wehren wird. Aber die Intention der Palästinenser ist exakt die gleiche wie jene der Deutschen im Nationalsozialismus: alle Juden zu vernichten, vor allem Zivilistinnen und Zivilisten. Alle. Und sie davor demütigen, quälen und foltern wie das mit anderen Opfern ihrer Gewalt nie passieren würde.

Politisch wird Israel nach diesem Krieg aufarbeiten, wie es zu diesem schockierenden Versagen der Geheimdienste, der Polizei und Armee hat kommen können. Ein Faktor ist schon bekannt und das ist das Abziehen von Teilen der IDF aus dem Süden und der Gegend um den Gazastreifen hin ins Westjordanland, wo die extremistischen Siedler geschützt werden sollen. Netanyahu hat sich immer als „Mr. Sicherheit“ bezeichnet und das hat sich auf eine Weise dementiert, wie es kein Israeli nicht mal in den schlimmsten Alpträumen vorhersehen konnte.

Aber jetzt geht es darum, dass ganz Israel geschlossen gegen die palästinensische Gefahr auf Gaza vorgeht. Das Aussetzen der Demonstrationen gegen die aktuelle israelische Regierung von Seiten der größten Demokratiebewegung in der Geschichte Israels zeigte am Samstag, dass noch die allerschärfsten KritikerInnen von Bibi sofort die nie dagewesene Notlage erkannten und sich sofort als Reservist*innen zur IDF meldeten. 300.000 wurden in 48 Stunden an die Front berufen.

Es geht um Solidarität mit Israel.

Es geht um den Kampf gegen palästinensischen Antisemitismus, islamistisch oder säkular.

Es geht um den Kampf gegen den Mullah-Staat Iran, der den palästinensischen Judenhass unterstützt und anspornt.

Es geht weltweit um den Kampf gegen jede Form des Antisemitismus, denn machen wir uns nichts vor: jene elaborierten Forscherinnen und Forscher sowie auch schlägernde Aktivisten und Aktivistinnen auf der Straße, die seit Jahren und Jahrzehnten auf welch vulgäre und blutige oder aber auch gewundene Weise auch immer ihren Antizionismus zeigen, sind Teil des Problems, sie haben über viele Jahre und Jahrzehnte den Boden mit vorbereitet, damit am 07. Oktober 2023 diese seit 1945 präzedenzlosen Verbrechen an Juden passieren konnten.

So hat sich die Stadt Heilbronn zuerst geweigert, eine Israelfahne zu hissen, nachdem sie es gestern dann doch auf Druck hin tat, wurde sie in der Nacht von dem üblichen Pack, das in dieser Stadt der Migranten und Nazis herrscht, herunter gerissen.

Heilbronn hat ca. 50 Prozent Migranten, darunter sind sehr viele Türken, die hier besonders islamistisch und rechtsextrem sind, gerne mit Türkeifahne im Hof Hochzeiten feiern und die Frauen zeigen ihre Geistlosigkeit mit Kopftüchern. Es gab hier Autokorsos als der Diktator Erdogan und die AKP die letzte Wahl gewannen, Frauen ohne Kopftuch und mit der Symbolik der Grauen Wölfe wie auch verschleierte Extremistinnen feierten den Wahlsieg.

Dazu kommen weitere Gruppen von Extremisten wie Araber und Islamisten aus dem arabischen wie afrikanischen Raum, die Frauen in Niqabs stecken.

Dazu gibt es hier auch eine starke rechtsextreme Szene, der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) 2007 fand unweit der Innenstadt auf der Theresienwiese am Neckar statt. Rechtsextreme werden zahlenmäßig von der riesigen Gruppe von türkischen und anderen Islamisten und türkischen wie anderen Rechtsextremen noch weit übertroffen.

Der Antisemitismus des ganz normalen Heilbronner Packs – es ist ein Mob und ein Pack – zeigt sich heute im Herunterreissen der Israelfahne. Auch hier hat wieder mal die Polizei versagt und konnte nicht mal direkt vor dem Rathaus einen Fahnenmasten schützen.

Seit Jahren ist zumal die Innenstadt von Heilbronn aufgrund der extremen Dichte an Migranten, Schlägern und Antisemiten berüchtigt, niemand geht dort nachts freiwillig hin. Jetzt wird wiederum klar, warum.

Die Zukunft der Antisemiten wird sich in Gaza-Stadt und dem Gazastreifen zeigen. Die israelische Armee wird zeigen, zu was der Judenhass der Palästinenser und Islamisten führt. Die Stadt Heilbronn hat angekündigt, heute eine neue Israelfahne zu hissen.

Den Alltagsantisemitismus einer riesigen Zahl der Türken und Araber in Deutschland wird das nicht stören, ebensowenig jenen der akademischen, linken, rechten und Mainstream-Feinde des jüdischen Staates.

Doch die USA stehen auf der Seite Israels, jeder zivilisierte Mensch steht auf der Seite Israels.

Am Israel chai!

 

[1] Daniel J. Goldhagen (1996): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Aus dem Amerikanischen von Klaus Kochmann, Berlin: Siedler Verlag, S. 19.

BHL’s silence on Holocaust perpetrators in Ukraine

BHL’s silence on Holocaust perpetrators in Ukraine

In a recent article in Tablet Magazine by French author Bernard-Henri Lévy the complete victory of Ukraine in the ongoing Russian War in Ukraine is proclaimed. Lévy, known for his obsessive hatred of Russia, Communism and a fact based analysis of the conflict, urges the WEST to not stop fighting this War – until Russia has lost.

Lévy, who is Jewish, has obviously no problem at all with pro-Holocaust Memorials dedicated to Holocaust perpetrators in Ukraine. He has no problems with Hundreds of streets named after people who wanted to eradicate the Jewish people from Ukraine during the Shoah, including Stepan Bandera, Yuri Polyanskiy, Dmytro Paliiv, Petro Gudzovatiy, Dmytro Gakh, Stepan Burdyn, Terentiy Pihotskiy, Vasyl Sydor, Omelyan Polovyi, Oleksa Babiy (who played a role in the worst massacre of the Shoah in Baby Yar near Kiew) and many others.

Lev Golinkin gives you a clear picture in the Jewish Forward of all these antisemites and Holocaust perpetrators – every single one of them has a street, memorial, football stadium or plaque named after them. All this happened in the last 30 years and it happens today and tomorrow, including streets named after Neo-Nazis.

Let me be clear:

Russia’s war is a criminal war of aggression that violates international law and must end immediately. But more weapons for Ukraine will prolong this war and cause many more deaths in Ukraine. And the US and Germany want more people to die and the war to continue, otherwise they would not continue to supply Ukraine with weapons and ammunition. What about complicity in the war through NATO’s decades of aggression? This includes NATO’s eastward expansion, although US Secretary of State James Baker promised Gorbachev (!) and the Soviets in February 1990 that NATO would itself in the event of a possible reunification of Germany not expand “one inch eastward”.

Without this promise by the US, Baker, and West-Germany’s Helmut Kohl and Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher, the USSR would never ever had given their support for a re-unification of  the two Germany’s. NATO expansion ever since was an act of imperialism and is one key factor why Russia fights this war. This is a scholarly explanation, not a support for Putin, to be clear. But I am disgusted by the anti-Russian hatred of Tablet Magazine and most mainstream journals and politicians in the US or Germany.

This war has a history. For sure, it did not start February 24, 2022. Worse, Ukrainian President Zelenskyi argued in an antisemitic manner and trivialized the Holocaust during a speech he gave via video to the Knesset by comparing the date of the start of the war with the founding of the German NAZI Party (NSDAP) in 1920 and even portrayed Ukraine as friends of Jews at the time !! In Israel, there was outrage about that kind of antisemitism and Holocaust distortion. What about Tablet Magazine and Lévy?

Russia will not lose this war – otherwise we might be facing the end of the world: an atomic war, first fought by the United States of America in August 1945 against Japan.

Ever since, our lives face a deadline every single day, because ever since August 6, 1945 and Hiroshima, the entire destrucion of all lives on earth is an option. ‘Thanks’ to the US Army, by the way.

In December 2021, the Russian Federation sent Ukraine, the US and NATO a peace plan for Ukraine. No response from the White House. Biden wanted the War and he got the War.

Then, in March 2022, Israeli Prime Minister Naftali Bennett did broker a near to be reached ceasefire – but Boris Johnson, the UK and the US, also France and Germany prohibited that ceasefire, because it included a statement that Ukraine would never ever become member of NATO. Russia, though, would have withdrawn all forces – all forces – to the lines prior to February 24, 2022. Ukraine was even interested in that deal, according to Bennett! But the UK, the US and the West rejected peace!!

Bernard-Henri Lévy, whom I defended against antisemitic resentment in my recent book (dealing with forms of antisemitism in the late 1970s), is an agitator and warmonger. He loves war and he hates peace and Russia. He has no problem with pro-Holocaust Memorials in Ukraine, otherwise he could not have written in Tablet Magazine:

On the other (Ukraine) is a citizens army defending not just their country but also a certain idea of civilization and of Europe: So, as a consequence, they understand why they fight.

That is an obscure fantasy of a French writer with no real knowledge of the history of NATO since 1990 and no real knowledge of streets and memorials named after Holocaust perpetrators in Ukraine.

Contrary to Lévy, I am against this war. This war, like all others like in Yemen or Ethiopia, has to stop immediately. Stop sending weapons to Ukraine now! Support both Russian and Ukrainian men and women, who flee the warzone and reject military service. Support these men and women!!

Support diplomatic efforts to solve this conflict. Reject NATO’s and Putin’s imperialism likewise – and fight for peace in Europe.

And stop Lévy and Tablet Magazine and their one-sided, irrational and obsessive hatred of Russia and their denial of pro-Holocaust political culture in Ukraine, which you can witness in almost every single city or village in Western Ukraine.

Fight Holocaust distortion and pro-Holocaust Memorials named after people like Jaroslav Stetsko who wrote on July 9, 1941:

I therefore support the destruction of the Jews and the expedience of bringing German methods of exterminating Jewry to Ukraine, barring their assimilation and the like.

Later, in 1983, he made shake hands with then US Vice President George H.W. Bush:

 

Antisemites such as Jaroslav Stetsko are honored in today’s Ukraine, as Lev Golinkin has shown in his groundbreaking study for the Jewish Forward on January 27, 2021.

It is this silence of BHL (Bernard-Henri Lévy) that is a typical sign of a decline in historical knowledge, historical accuracy and morality.

The current war started at the latest in 2014 at the MAIDAN in Kiew. It will end asap, but never ever will it end with an Ukrainian victory. Both sides will fail and compromise will be the result.

If Ukraine wins that would also be a victory for those millions of Ukrainians who celebrate their streets and monuments named after pro-Nazi antisemites like Jaroslav Stetsko. Is this what Bernard-Henri Lévy and Tablet Magazine, NATO and German warmongers truly want, deep in their hearts?

About the Author
Dr Clemens Heni is director of The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Vanessa Vu, DIE ZEIT, die verkehrt dargestellte Nazi-Zeit und die verschleierten Früchte von „Migration“

 

Von Dr. phil. Clemens Heni, 6. Juni 2023

Ein Essay

 

Ein Text in der Wochenzeitung DIE ZEIT / ZEIT Online vom 30. Mai 2023 von Vanessa Vu zeigt, wie die selbstbewusste, faktenfreie und ideologisch aufgeladene Abwehr der Erinnerung an den Nationalsozialismus heute funktioniert. Die Autorin ist ganz glücklich, dass heute in der Bundesrepublik so dermaßen viele Migrant*innen leben. „Sie werden die Mächtigen sein“ heißt der Text und das kann man als Bedrohung auffassen.

Screenshot, https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-05/migration-gesellschaft-einwanderung-deutschland-demografischer-wandel/komplettansicht

Der Text hätte auch an beliebig vielen anderen Orten erscheinen können, er ist Ausdruck des Zeitgeistes und keine Marotte der ZEIT. Zurecht wendet sich die Autorin gegen rechte rassistische Schläger, die auch mal zur Waffe greifen und Menschen verletzten und einen rechten deutschen irgendwie Traditionsverein wie am rechten Rheinufer in Köln oder sie betont in ihrer kleinen Deutschlandtour, wie hipp es doch sei, dass jetzt in einem Schwarzwalddorf ein syrischer Flüchtling Bürgermeister wird.

Vu kommt ursprünglich aus Bayern. Dort wuchs sie auf und musste vermutlich Goethe lesen, womöglich gar den „Faust“. Aber sie jauchzt, dass das ab 2024 in bayerischen Schulen nicht mehr Pflichtprogramm sein werde:

Für Regina Riermeier-Wenninger ist das alles nichts mehr. Sie sei mal aus Liebe zur deutschen Literatur Lehrerin geworden, nicht aus Freude an Fremdsprachen- oder Grammatikunterricht. Sie mag die alten Klassiker und ihren Faust , der ab 2024 in Bayern keine Pflichtlektüre mehr ist, und der für die Kinder immer sperriger geworden ist. Einmal habe sie im Schullandheim Märchen aus aller Welt mitgebracht. ‚Die Schüler haben sie aufgesaugt und mich regelrecht angebettelt, noch eine Geschichte aus ihrem Herkunftsland vorzulesen‘, erinnert sie sich. Aber wenn es Weltliteratur ist, die die Kinder heute interessiert und Deutsch als Fremdsprachenunterricht, den sie brauchen – ist Frau Riermeier-Wenninger dann noch die Richtige?

Diese arrogante Multikulti-Attitüde und die Liebe zum Einfachen, zu Heimat, Provinz und Märchen, zum Irrationalismus mithin und zum Eigenen – die wird hier in der ZEIT eingefordert und von Vu proklamiert. War Faust nicht auch vor 40 Jahren schon „sperrig“? Was heißt das? Wird Literatur jetzt abgeschafft, weil sie zu kompliziert ist für Teenager? Doch das nur am Rande.

Aus antifaschistischer Perspektive ist Folgendes der Skandal in diesem Text. Denn der Kern des Elaborats in der ZEIT von Vanessa Vu ist folgender Satz:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

In der NS-Zeit seien „die ausländischen Zwangsarbeiter“ „zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben“ worden. Ernsthaft? Ja, das steht exakt so im Text von Vanessa Vu.

Ausländische Zwangsarbeiter seien „vertrieben“ worden? Vertrieben? Von den Nazi-Deutschen?

Der ganze Absatz in dem ZEIT-Artikel, der in diesem Satz kulminiert, lautet:

Fast vergessen scheint, dass Deutschland schon einmal „Arbeitseinfuhrland“ gewesen war. Die Preußen holten Hunderttausende Tagelöhner ins Kaiserreich. Im eigenen Land herrschte „Leutenot“, also ließen sie östlich der Elbe Wanderarbeiter aus polnischen, russischen und ukrainischen Gebieten die Felder bestellen. Im Ruhrgebiet und in Sachsen bauten zudem Italiener, Niederländer und Untertanen der österreich-ungarischen Habsburgermonarchie Kohle ab, sie errichteten Kanäle und Eisenbahnschienen. Von 1871 bis 1910 stieg die Zahl der registrierten Ausländer im Deutschen Reich von 206.000 auf knapp 1,3 Millionen, hinzu kamen zahlreiche nicht registrierte Saisonarbeiter. Das deutsche Kaiserreich mitsamt seinen rasant wachsenden Industriezentren war eines der Haupteinwanderungsziele der Welt. Auch in der Weimarer Republik gab es Arbeitsmigration, sie wurde mit der völkischen Bewegung zu Zwangsarbeitsmigration. Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Schon die Vermischung von Arbeitsmigration und Zwangsarbeit irritiert. Der Satz zur Weimarer Republik ist völlig schleierhaft, was will die Autorin damit sagen?

Auch in der Weimarer Republik gab es Arbeitsmigration, sie wurde mit der völkischen Bewegung zu Zwangsarbeitsmigration.

Die völkische Bewegung war ein Zentrum des Antisemitismus. Inwiefern hat sie in der Weimarer Republik zu einer „Zwangsarbeitsmigration“ beigetragen? Will die Autorin damit sagen, dass es schon zu Weimarer Zeiten Zwangsarbeit gab? Und welche Rolle soll dabei die antisemitsiche völkische Bewegung gespielt haben? Es gab in der Weimarer Republik aber gar keine Zwangsarbeit wie im Nationalsozialismus, was soll dieser Satz  bedeuten?

Es wurden während der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg im Deutschen Reich ca. 26 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wie Sklaven behandelt, ausgebeutet und viele starben oder wurden ermordet. 13 Millionen davon wurden im Deutschen Reich ausgenutzt und gequält. Sie wurden mit Zwang in das Land geholt – und doch nicht vertrieben! –, aus Frankreich, Holland, Italien und vor allem aus dem Osten, aus der Sowjetunion, aus Polen, Dänemark, Jugoslawien und vielen anderen Ländern.

Der Forschungsstand wird von der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ) so zusammengefasst:

Das NS-Regime baute eines der gewaltigsten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte auf. Etwa 26 Millionen Menschen wurden im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten zum Arbeitseinsatz gezwungen. Lange zählten sie zu den ,vergessenen’ Opfern des Nationalsozialismus – bis die Entschädigungsdebatte Ende der 1990er Jahre ihre Geschichte in die Öffentlichkeit trug.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt:

Unter Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischen KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und zivilen Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf insgesamt etwa zwanzig Millionen Menschen.

Wie kommt die ZEIT-Autorin Vu darauf, dass Zwangsarbeiter*innen im Nationalsozialismus „vertrieben“ oder „vernichtet“ worden seien?

Zwangsarbeiter wurden nach Deutschland geholt oder in den besetzten Ländern versklavt, aber doch nicht „vertrieben“. Wohin hätten die denn „vertrieben“ werden sollen? Hat Vu auch nur den leisesten Schimmer über die politisch-geographische Situation in Europa seit dem 1. September 1939 und dann seit dem 22. Juni 1941? Nahezu ganz Europa war von den Deutschen besetzt, wohin hätten denn „Zwangsarbeiter“ vertrieben werden sollen? Das ist vollkommen faktenfrei. Es ist ein völlig sinnfreier Satz, ohne jeden Gedanken, ohne jede historische Wahrheit, was die Zwangsarbeiter betrifft.

Und das Wort Jude taucht selbstredend gar nicht auf, nicht mal in diesem Nebensatz. Womöglich meint Vu unter „Minderheiten“ die Juden, neben anderen. Keine Kenntnis des eliminatorischen Antisemitismus nirgends und seiner Bedeutung für den Nationalsozialismus.

Wie aber kommt Vanessa Vu auf so eine groteske Fantasie?

Weil sie denkt, dass die Nazis nichts mit Nicht-Deutschen zu tun gehabt hätten?

Weil sie nicht weiß, wirklich nicht weiß, dass Millionen Sklavenarbeiter in der Landwirtschaft oder der Metallindustrie und im Bergbau im Nationalsozialismus arbeiten mussten und viele qualvoll starben, aber nicht gezielt „vernichtet“ wurden?

Wie kann frau so ignorant sein? Vielleicht hatte sie einen sehr schlechten Geschichtsunterricht in der Schule in Bayern oder wo immer sie zur Schule ging in Deutschland. Was schreibt Vu in der ZEIT über sich selbst?

Ich habe Ethnologie, Internationales Recht und Südostasien in München, Paris und London studiert und danach die Deutsche Journalistenschule (DJS) besucht. Im Anschluss ging es zu ZEIT ONLINE, zunächst ins Politik- und Gesellschaftsressort, seit 2019 bin ich im Ressort X für Schwerpunkte und Reportagen. Für meine Arbeit wurde ich u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Helmut-Schmidt-Preis und dem Lessing-Preis für Kritik ausgezeichnet. 2018 wählte mich das ‚Medium Magazin‘ zu den ‚Top 30 bis 30‘.

Ist dieser Text in der ZEIT also das Niveau der „Top 30 unter 30“?

Wenn Vu weder in der Schule, noch im Elternhaus, bei Freund*innen der Eltern, bei Eltern der Mitschüler*innen, den Mitschüler*innen selbst oder später im Studium oder vielleicht beim Zeitungslesen, Bücherlesen oder der Lektüre von fachwissenschaftlichen Artikeln nicht über die NS-Zeit gestolpert ist, dann hätte sie das allerspätestens als Journalistin oder einfach nur als Bürgerin in diesem Land BRD nachholen müssen. Lesen, recherchieren, diskutieren, lernen, denken.

Nun haben bekanntlich in Deutschland bis heute die allermeisten Familien, Dörfer, Städte und Gemeinden auch geschwiegen über die Taten ihrer Eltern, Großeltern, über die Zwangsarbeit, über die deportierten Juden, die militärische Tradition – Stichwort Wunstorf und „Air Defender 23“, die größte NATO Luftkriegs-Übung, die in Wunstorf Mitte Juni 2023 stattfinden wird, mit Hunderten NATO Kampffliegern und das in Wunstorf in Niedersachsen, wo doch auch einige der Nazi-Flieger herkamen, die 1937 Gernica dem Erdboden gleichgemacht haben, wie unter anderem der Historiker Hubert Brieden seit Jahrzehnten aufarbeitet.

Also von den ganz normalen Deutschen konnte Vu das häufig gerade nicht lernen, was für Verbrechen in Bayern, Niedersachsen oder wo immer passiert sind. Aber wäre sie eine Linke, dann hätte sie sich aus eigenen Stücken damit befasst. Aber Vanessa Vu ist keine politisch aktive Person, sie ist eine Wohlfühl-Multikulti-Autorin, die angesagt zu sein scheint und offenbar ganz wenig Wissen hat über den Nationalsozialismus. Und darauf ist sie von ihrem Tonfall her stolz, weil sie ahnt, merkt oder weiß, dass fast alle Migrant*innen keinerlei Wissen über die Nazi-Zeit besitzen, allerdings auch sehr viele der ganz normalen Deutschen.

Doch Wissen ob der Nazi-Vergangenheit ist die Grundbedingung jedes politischen Handelns in der BRD, ja aus antifaschistischer Perspektive weltweit.

Dass 2020 bis 2022 weiteste Teile der Antifa dann staatstreu mitgemacht haben bei der brutalen, mörderischen und irrationalen, wissenschaftsfeindlichen Corona-Politik – das ist der Schock unserer Zeit, die Epochenschwelle der Linken schlechthin. Das Kokettieren führender deutscher Soziologen mit der Deportation von über 10 Millionen nicht gegen SARS-CoV-2 Geimpften nach „Madagaskar“ führte zu überhaupt keinem Aufschrei.

Dennoch: Gibt es in der Redaktion der ZEIT niemanden, der oder dem (m/w/d) so etwas wie dieser oben zitierte absurde Satz von Vanessa Vu zu Zwangsarbeit und Vernichtung im NS noch auffällt?

Wird dieser Geschichtsrevisionismus einfach so durchgewunken, weil die Autorin sich ja Mühe gegeben habe und einen Migrationshintergrund von Seiten ihrer Eltern hat? Zählen historische Fakten nur für jene, die in dem jeweiligen Land geboren wurden und deren Eltern auch die Geschichte des Landes kennen oder zumindest die Sprache?

Vernichtet und vertrieben aus Deutschland wurden die Juden.

Doch das kümmert Vu wohl nicht sonderlich, denn warum erwähnt sie die Juden und die Shoah überhaupt nicht? Sie hat ein wunderbares Gewissen, falsch machen kann sie offenbar gar nichts, wenn es um die deutsche Geschichte geht – sie ist ja aus Bayern und eine der Top 30 unter 30, aber offenbar primär doch irgendwie aus Vietnam. Woher diese Ignoranz gegenüber der Geschichte des Nationalsozialismus?

Wie eiskalt muss ein Mensch sein, dass der Holocaust, das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Deutschen und ihre Kollaborateure, hier ohne die Nennung von Juden und nur in einem läppischen Nebensatz – „aber auch andere Ausländer und Minderheiten“ – indirekt erwähnt wird?

Ob sie überhaupt vom Holocaust weiß, ist völlig unklar. Meint sie, dass deutsche Juden „Ausländer“ oder „Zwangsarbeiter“ gewesen seien, die vertrieben und vernichtet wurden? Deutsche Juden waren Deutsche.

Nochmal: Dieser Satz hätte niemals in einem angeblich seriösen Medium wie der Wochenzeitung DIE ZEIT das Lektorat und die Redaktionssitzung überstehen dürfen:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch andere Ausländer und Minderheiten, zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Der Hauptsatz heißt:

Im sogenannten Dritten Reich schließlich wurden die ausländischen Zwangsarbeiter zu großen Teilen vernichtet oder vertrieben.

Und das ist eine Falschaussage, Fake News, eine Lüge. Die Zwangsarbeiter wurden nicht vertrieben, sondern unter Zwang nach Deutschland geholt. Punkt. Viele wurden ermordet oder starben bei der Arbeit, was allerdings etwas kategorial Anderes ist wie die Vernichtung der europäischen Juden in der Shoah, in Auschwitz, Sobibor oder Treblinka.

Der Satz jedenfalls zeigt nicht nur die Niveaulosigkeit und völlige Fakten- und Wahrheitsferne von Vanessa Vu, sondern eben auch von der ZEIT, dem Flaggschiff des deutschen Bildungsbürgertums, das dies publizierte.

Was für ein Bildungsbürgertum? Vorbei die Zeiten, als in der ZEIT Ende Juli 1967 der pro-israelische Wolfgang Hildesheimer dem Antizionisten Peter Weiss angesichts des Sechs-Tage-Krieges und Israels Sieg die Leviten las, was Adorno so freute, dass er Hildesheimer aus seinem Urlaubsort Crans-Montana am 1. August 1967 eine vor Begeisterung sprühende Postkarte schrieb.

Aber natürlich hat Vu Recht. Welche Migrant*innen interessieren sich schon für die Geschichte des Nationalsozialismus, der Zwangsarbeit und der Shoah? Welche Türken interessiert ihr eigener oder der deutsche Antisemitismus? Welche Türken (m/w/d) befassen sich kritisch mit der genozidalen Politik im Osmanischen Reich und der Jungtürken gegenüber den Armeniern im Ersten Weltkrieg?

Auch folgender Satz von Vu strotzt nur so von Unkenntnis:

Man kann also argumentieren: Die nostalgisch beschworene Homogenität der Fünfziger, dieses normativ besetzte ‚Früher‘, war eine Ausnahmeerscheinung der deutschen Geschichte. Seit Jahrhunderten gehört Einwanderung zu Deutschland, seit wenigen Jahren räumen auch konservative Spitzenpolitiker ein, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.

Es war eine Homogenität, die auf Vernichtung der Juden basierte und alle wussten es. Es war keine „Ausnahmeerscheinung“, sondern eine schweigend-brüllende antisemitische Normalität. Die 1950er Jahre: Das war eine die eigene Schuld beschweigende, sekundär-antisemitische, erinnerungsabwehrende post-nationalsozialistische Volksgemeinschaft. Doch davon hat Vu so wenig Ahnung wie der Rechte Thilo Sarrazin, der die 50er Jahre auch positiv darstellt, nur eben ohne die migrantische Brille. Er findet das Wirtschaftswunder und die Sekundärtugenden, den Fleiß und die Tüftelei der Deutschen der 1950er so faszinierend (in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“, 2010).

Sarrazin wie Vu ignorieren die Situation für die ganz wenigen überlebenden Juden in diesem Land und das ist die einzige relevante Perspektive, nicht die der ganz normalen „Otto Normalvergaser“ (Eike Geisel). Auch das kennt Vu nicht, weil sie nicht weiß, wer Eike Geisel war, wüsste sie es, hätte sie nicht so einen Text in der ZEIT fabriziert.

Beide, Sarrazin wie Vu sagen nicht, dass die Täter damals alle unbescholten davonkamen, es ist einfach nicht das Thema. Vu geht gar nicht näher auf die 50er Jahre ein. Nazis wurden wieder in hohe Staatsämter befördert, wurden Chef im Bundeskanzleramt (Globke, 1953), Bundeskanzler (Kiesinger, 1966) oder Bundespräsident (Carstens, 1979).

Und Einwanderung gab es in den 1950er Jahren auch, das sog. Anwerbeabkommen mit Italien ist aus dem Jahr 1955.

Wenn Fu schreibt, dass „Bei Kindern unter zehn Jahren haben etwa 40 Prozent einen Migrationshintergrund“, ist das eine katastrophale, realistische Tatsachenbschreibung, wenn die Zahl so stimmen sollte.

Laut dem Statistischen Bundesamt wurden 2021 23,9 Prozent aller Neugeborenen von nicht-deutschen Müttern geboren. In der alten BRD liegt die Zahl bei 24,8 und in der Ex-DDR bei 12,8. Bremen hat den höchsten Prozentsatz nicht-deutscher Mütter mit 37,6 Prozent, Berlin hat 33,9, Mecklenburg-Vorpommern 10,7 Prozent.

Viele dieser Migrantinnen und Migranten, jedenfalls die muslimischen und davon ein großer Prozentsatz, wollen gar nicht, dass ihre Kinder ankommen in diesem Land, in dem sie geboren werden.

Sie wollen, dass die Kinder zu großen Teilen wie Monster verkleidete Mütter mit Kopftuch haben und die Eltern fast nur Türkisch (oder Arabisch) zu Hause reden. Bei anderen Migrant*innen ist es eine andere Sprache und die Bildungsferne hat sehr wohl etwas mit der Religion zu tun. Je muslimischer, je bildungsferner, das kann man empirisch zeigen. Viele dieser Kinder gehen nicht in den Kindergarten, häufig eben aus ideologischen Gründen: die Eltern haben gerade Panik, dass die Kinder mit nicht-muslimischen Kindern und Eltern in Kontakt kommen und möchten diesen Kontakt solange hinauszögern, wie es nur geht. Die Schulpflicht können sie jedoch nicht umgehen. Doch die Kinder lernen häufig bis zum Alter von sechs keine deutschen Kinder kennen, lernen somit auch die deutsche Sprache überhaupt nicht richtig.

Im weltlichen Frankreich gibt es seit 2004 ein Kopftuchverbot an Schulen. In Deutschland wurde jüngst in Berlin per Gericht das Kopftuchverbot gerade für Lehrerinnen an Schulen aufgehoben – der Islamismus hat in Deutschland freiere Fahrt als im laizistischen Frankreich. In Frankreich nehmen dafür groteske Kleidungsstücke wie die Abaya zu – eine Ganzkörperbedeckung, eine Art Sack, der vom Hals bis zu den Fußspitzen reicht. Auch in Deutschland sieht man zunehmend viele junge Frauen, die sich so islamistisch kleiden – plus Kopftuch natürlich, das ja hier im Gegensatz zu Frankreich an Schulen nicht verboten ist.

Auf die Gefahr des Islamismus in Frankreich weist zum Beispiel ein Artikel im Magazin der Neuen Zürcher Zeitung im Dezember 2022 hin:

Die Stimmung an Frankreichs Schulen ist extrem angespannt, seit vor zwei Jahren in einem Pariser Vorort der Geschichtslehrer Samuel Paty auf dem Nachhauseweg von einem Islamisten enthauptet wurde. Der 47-Jährige hatte im Staatskundeunterricht zum Thema Meinungsfreiheit die Mohammed-Karikaturen durchgenommen und war dafür in den sozialen Netzwerken angefeindet worden. So hatte der Attentäter, ein 18-Jähriger aus Tschetschenien, den Weg zu dem Lehrer gefunden.

Dass ich-schwache Personen sich der Religion zuwenden, war auch ein typisches Kennzeichen des christlichen Mittelalters in Europa, inklusive der Hexenverbrennungen. Ein Kopftuch ist ein äußeres Zeichen von Schwäche, nicht von Selbstbewusstsein oder Stärke. ‚Muslimische‘ Kleidung ist ebenfalls ein Zeichen äußerer Schwäche, ein Zeichen, dass frau oder mann nicht ankommen möchte im Westen. Doch warum leben diese Menschen dann im Westen? Weil sie ihn islamisieren wollen, das ist ja der Auftrag des Islamismus: die Irrlehre ihres Gottes zu verbreiten, sich imperialistisch auszubreiten, wie es das Christentum über Jahrtausende mit äußerster Brutalität auch getan hat – wobei der Islam im Mittelalter auch imperialistisch war und die Sklaverei gab es bei den Christen wie bei den Muslimen.

Doch welche andere Gruppe indoktriniert hier und heute im 21. Jahrhundert ihre Kinder und die Öffentlichkeit mit einem Kopftuch und zeigt erstens, dass die Frauen offenkundig am Wahn leiden, dass Männer ganz grundsätzlich auf ihr Haupthaar abfahren würden und zweitens, dass sie offenbar was ganz Besonders seien, die muslimisch-islamistischen Frauen, weil ja sonst unter den Dutzenden Millionen Frauen in Deutschland keine andere Gruppe irgendwie äußerlich sich so dermaßen grotesk verkleidet im 21. Jahrhundert. Was denkt sich ein zwei oder fünf Jahre altes Kind, wenn es sieht, dass nur die eigene Mutter und Tante sich so absurd anziehen, aber alle anderen Frauen, die sie zumindest auf der Straße zu sehen bekommen, das nicht tun?

Es gibt auch kaum eine andere Gruppe von Menschen wie Muslime, die auf Toiletten in der Schule oder mitten in der Bibliothek an Universitäten beten, ich könnte von widerlichen Beispielen an der Staatsbibliothek Berlin (Stabi), der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (WLB) oder der Universitätsbibliothek Heidelberg berichten. Es gibt kaum einen größeren Widerspruch als Wissenschaftlichkeit, Bibliotheken und Freiheit versus religiösem Wahn. Warum reicht es diesen Extremist*innen nicht, privat ihre Religion zu leben oder sich in ihren Gotteshäusern zu treffen, wo sie dann andere, die dem gleichen Irrationalismus frönen, treffen können? Warum reicht das nicht?

Diese Fanatiker*innen wollen den öffentlichen Raum – darum geht es! – islamisieren. Sie wollen öffentlich ihrem Wahn Folge leisten und belästigen damit den denkenden Teil der Gesellschaft. Ähnlich ist es mit Kreuzen im Klassenzimmer, auch das ist ein reaktionäres Zeichen religiösen Fanatismus, vom Balkensepp an jeder Dorfkreuzung in katholischen Gegenden nicht zu schweigen. Ein unglaublich brutaler Anblick, der zudem immer noch mit Antisemitismus in Verbindung steht, da Juden angedichtet wird, an der Kreuzigung Jesu schuld zu sein.

Oder nehmen wir islamistische Fußballer, die auf dem Platz beten, vor dem Spiel oder nach einem Torerfolg, auch das ein Zeichen des Fanatismus, der im Sport nichts verloren hat.

So wie manche extremistischen Türkinnen und Türken im Hof von Mehrfamilienhäusern ihre Hochzeit feiern, auf traditionell türkische Art und Weise mit nationalistischem Pathos und riesiger Türkeifahne. Hochzeit und natürlich der patriarchale Imperativ des Kinderkriegens ist bei diesen islamistischen Türken durchgesetzt, was nicht heißt, dass auch sehr viele der jüngeren Deutschen sich wieder eifriger als noch vor Jahren reproduzieren, was angesichts von Corona besonders perfide ist gegenüber den Kindern (maskiert gezeugt und geboren, WAS für ein Leben erwartet eine oder einen da, angesichts des ohnehin vorhandenen Schockes der Geburt, wie existentialistische Philosoph*innen schon immer sagten?).

Laut einer wissenschaftlichen Studie von 2015 haben nur fünf von 100 Frauen (im Alter von 35–49, Stand 2015), die aus der Türkei nach Deutschland einwanderten, keine Kinder. In Deutschland sind es 27 Frauen / 100, die keine Kinder haben. Von den in Deutschland geborenen Türkinnen sind es 18 /100, die ein kinderfreies Leben bevorzugen, in der Türkei sind es demnach bis heute (also 2015) nur völlig schockierende 4 Frauen von 100, die sich gegen den patriarchalen natalistischen Imperativ entscheiden. Die Studie spricht negativ von „kinderlos“, dabei ist der soziologisch-feministische Fachterminus „kinderfrei“, so wie es auch kinderfreie (und nicht kinderlose) Hotels gibt etc.

Auch und gerade angesichts des blutigen Krieges in der Ukraine wäre es doch aus menschlicher Perspektive naheliegend, wenigstens mal fünf Jahre ein weltweites Moratorium fürs Kinderkriegen umzusetzen, aus freien Stücken. Wer bekommt angesichts des sicher immer und immer wieder fortsetzenden Gemetzels auf der Welt noch Lust, anderen diese Welt zuzumuten? Wie kalt oder zynisch muss man sein, um da weiter Kinder in die Welt zu setzen?

Wenn Mädchen die Chance genommen bekommen, mit wehenden Haaren Fahrrad zu fahren? Das ist ein Verbrechen an der Kindheit und Jugend und es ist ein muslimisch-islamistisches Verbrechen. Dabei gibt es moderate Muslime, aber sie sind kaum sichtbar, da sie ohne Kopftuch nicht auffallen und die moderaten muslimischen Männern sind auch uninteressant für jene, die lieber konservative Traditionen tätscheln wollen und eher der rechten ethnopluralistischen Ideologie anhängen: „so sind sie halt, die Türken“ und „so sind wir halt, wir Deutschen“, jeweils schön getrennt, anti-emanzipatorisch, anti-kosmopolitisch, auf Familie, unreflektierte Werte und Traditionen festgelegt.

Ein Schulrektor aus Rheinland-Pfalz berichtet Ende Mai 2023:

Als ich vor 15 Jahren noch als Klassenlehrer vor der Klasse stand, war es so: Sie hatten zwei, drei Kinder in der Klasse, die einen besonderen Aufmerksamkeitsbedarf hatten, weil sie beeinträchtigt waren, weil zu Hause Probleme waren, weil sie vielleicht nicht so gut lernen konnten. Und das haben sie als Klassenlehrer gut auffangen können. Heutzutage haben sie fast das Gegenteil. Das heißt, sie haben ganz, ganz viele Kinder, die mit Problemen in die Schule kommen. Sie haben eher drei Kinder, die durchschnittlich begabt sind und der Rest hat ein Problem.

Das ist die Realität, die wir hier und heute haben mit Migration. Wobei ja fast alle diese Kinder hier geboren wurden, wie schon ihre Eltern. Aber die Eltern weigerten sich ganz aggressiv, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden, sie lernten selbst die deutsche Sprache nicht richtig und reden zuhause nur Türkisch (oder Russisch, Arabisch etc.). Sie lesen vor allem zu wenig, was jeder Blick beim Schlendern durch wirklich jede deutsche Stadt zeigt: wer hat schon noch Bücherregale zu Hause stehen?

Das war früher bei den Deutschen nicht anders und viele sind bis heute auch nicht gerade Buch affin. Aber bei Nicht-Deutschen hat das viel weitergehende Folgen, weil ihr ganzes Leben sich weder in der Geschichte, noch der Sprache und Kultur Deutschlands bewegt, sie leben in einer anderen Welt, hören andere Musik, ziehen sich anders an – wiederum ist das aggressive Kopftuch einer der größten Hinderungsgründe für Integration, aber ebenso das migrantische Macho-Gehabe und der Sexismus, den nur leugnen kann, wer nicht mit solchen Milieus konfrontiert ist.

Natürlich müsste der Lehrer aus Rheinland-Pfalz auch betonen, dass die brutale und dermaßen irrationale, wissenschaftsferne Coronapolitik, für die gerade die Lehrerverbände einstanden, das Lesen und Schreiben ganz extrem behindert hat. Schulschließungen haben eine ganze Generation von kleinen Kindern traumatisiert und ihnen die Chance genommen, die deutsche Sprache wenigstens in den Grundzügen zu lernen.

Jene, die in der Grundschule kein Deutsch können, das werden nicht die kommenden „Mächtigen“ sein, von denen Vanessa Vu fabuliert – oder doch? Weil die Masse sich immer durchsetzt?

Wer sich in Betrieben umhört merkt, dass an verantwortlicher Position sehr selten Migrant*innen stehen und das hat Gründe. Wobei es auch da Unterschiede gibt, was für ein Migrationshintergrund vorliegt und wie integriert die Person ist – es gibt zum Beispiel, das könnte man in empirischen Studien näher untersuchen, massive Unterschiede zwischen häufig stärker integrierten russischen Einwander*innen und türkischen, wobei die ca. 2,3 Millionen Deutschrussen fast alle deutsche Staatsbürger*innen sind, aber gleichwohl wie Hunderttausende der heute in der BRD lebenden Türken aus einem Elternhaus stammen, wo Deutsch eine Fremdsprache ist.

Es liegt nicht primär am Rassismus, sondern daran, dass viele gar nicht motiviert sind, hier in der Gesellschaft und auch der deutschen Sprache anzukommen. Einige deutsch-türkische Spitzenpolitiker*innen sind die Ausnahme. In den Innenstädten gerade der Großstädte sieht es anders aus und häufig auch auf den Dörfern, insoweit sie nahe an den großen Industriebetrieben liegen.

Der Schock deutsch-türkischer Politiker*innen ob der erneuten Wiederwahl des islamistischen Diktators Erdogan in der Türkei durch viele Türken in Deutschland zeigt, dass es hier einen Bruch gibt in der Migrationsgesellschaft. Es gibt jene, die Deutsche sind, aber zum Beispiel türkische Eltern haben, und es gibt jene, die hier geboren wurden, aber Deutschland, ein Land der „Ungläubigen“ aus islamistischer Perspektive, verabscheuen und an Wahlen in der Türkei teilnehmen.

Und davon schweigt dieser Text von Vu wissentlich. Sie will nicht über die massiven Probleme reden, die Migration verursacht, gerade aus muslimischen Ländern. Sie will auch nicht über die massiven Probleme reden, die jene verursachen, die hier geboren wurden und alle Chancen gehabt hätten, die deutsche Sprache richtig zu lernen und Teil einer säkularen Gesellschaft zu werden.

Oder sich im besten Fall für die Kritik an der Gesellschaft, am Patriarchat, am Kapitalismus, am Antisemitismus, an der Technokratie, für die Kritik an der Umweltpolitik und gegen die Verleugnung der extremen Gefahr des Klimawandels, für die Kritik an der Coronapolitik, an der Kriegs- und Ukrainepolitik einsetzen. So gesellschaftskritisch und engagiert, wie es viele häufig sozialdemokratisch oder sozialistisch gesinnten türkischen, italienischen, griechischen, jugoslawischen, portugiesischen etc. Migrant*innen der ersten Generation in den 1970er Jahren waren.

Und doch bleibt der empirisch verifizierbare Tatbestand: die größten gesellschaftlichen Probleme, was hier und heute die Nicht-Integration betrifft, verursachen Migrant*innen mit muslimischer Herkunft. Gibt es außer verschleierten muslimischen Frauen andere Menschen, die mitunter so a-sozial sind, dass sie andere Männer einfach gar nicht als Menschen sehen und „hallo“ sagen auf der Straße, im Büro oder Treppenhaus, sondern zu Boden blicken? Was sind das für religiöse Witzfiguren? Welches andere Land hält in Deutschland Wahlen ab und Hunderttausende nehmen an diesen Wahlen teil und feiern die Wahl eines Diktators mit Hupkonzerten und Auto-Konvois? Das gibt es nur bei einer Gruppe von Menschen und das sind die Türken. Nicht bei Russen, nicht bei Italienern, Griechen, Ex-Jugoslawen oder irgendeiner anderen größeren Gruppe von ehemals oder aktuellen Migrantinnen und Migranten. Dieses Problem muss man beim Namen nennen.

In Frankreich sind es die algerischen oder marokkanischen Migrant*innen, die sich nicht als Franzosen sehen und beim Fußball für Algerien oder Marokko sind, aber nicht für das laizistische Frankreich, das Land, in dem sie geboren wurden und das ihnen immerhin eine soziale Absicherung gibt, so es sie eben im Kapitalismus gibt, im Zweifelsfall als Arbeitsloser mehr Geld in Frankreich als mit Arbeit in Algerien oder Marokko.

Auch hier ist es nicht zufällig der muslimische Hintergrund Algeriens und Marokkos, der  mit dazu beiträgt, dass es zu den Parallelgesellschaften kommt. Wie die Zukunft der sehr großen Migrationsgruppen aus Syrien und der Ukraine in der BRD sein wird, ist völlig ungewiss, auch hier besteht die Gefahr von Parallelgesellschaften, wenn die Leute selbst wie die Gesellschaft dem nicht entgegenwirken. Wobei die jahrzehntelange häufig ehrenamtliche Tätigkeit mit Sprachkursen oder Nachbarschaftshilfen gerade bei den türkischen Migranten so überhaupt gar nichts bewirkt haben, ja die gewollte Islamisierung schritt seit 9/11 noch massiv voran.

Nach der Wahl Erdogans gibt es massive Kritik an seinen Wählerinnen und Wählern in Deutschland. Denn Erdogan und seine Partner stehen für Frauenverachtung, Nationalismus, Rassismus wie gegen Kurden und für Antisemitismus, wie die Zeitschrift Cicero berichtet:

Mit HÜDA-PAR ist ein Ableger der kurdischen Hizbullah ins Parlament gewählt worden. Abgeordnete von HÜDA-PAR kündigten vor den Wahlen an, im Falle eines Wahlsiegs die Rechte von Frauen massiv einzuschränken. Gemeinsam mit dem ebenfalls ins Parlament gewählten Bündnispartner Yeni Refah Partisi drohten sie, nach einem Wahlsieg mit ‚Feinden‘ einer vermeintlich islamischen Familienordnung, also queeren Menschen und emanzipierten Frauen, abzurechnen.

Beide Parteien möchten die Kinderehe legitimieren und die Lehrpläne an Schulen islamisch prägen, ‚die Jugend werde in Bildungseinrichtungen ab sofort auf das Jenseits vorbereitet‘ ließ Fatih Erbakan von der Partei Yeni Refah Parti verkünden. Das neue Regierungsbündnis fiel in den letzten Wochen durch Drohungen und Hasstiraden gegen Oppositionellen und westlich geprägte Türken auf, die sie gern als ‚Agenten Amerikas und der Zionisten‘ bezeichnen.

Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir schreibt auf Twitter:

Die #Autokorso|s sind keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr.

Die Themen Islam und Islamismus kommen in dem Text von Vu nicht vor, obschon es um muslimische Jugendliche geht. Das einzige, was sie diesbezüglich schreibt, ist:

Es gibt jene Einwanderer, die deutscher werden als Deutsche, und solche, die autoritäre Systeme in ihren Herkunftsländern unterstützen.

Irgendwie alles egal, manche sind westlich, andere nicht. Alles easy going. Und diese Entwirklichung der enormen Gefahr des Islamismus ist sehr problematisch, aber seit 9/11 ganz typisch in gewissen Milieus.

Die Frankfurter Rundschau bringt noch weitere Zitate von Kritiker*innen des türkischen Islamismus und Rechtsextremismus:

Auch die Abgeordnete Cansu Özdemir (Linke) in der Hamburgischen Bürgerschaft hat kein Verständnis für die Feierlichkeiten der Erdogan-Anhänger. ‚Auf europäischen Straßen sieht man wieder, wie munter der faschistische Wolfsgruß gezeigt wurde. Hatte die Bundesregierung nicht vor, die Grauen Wölfe zu verbieten‘, schreibt Özdemir auf Twitter und ergänzt: ‚Der türkische Faschismus und Islamismus hat in Deutschland weiterhin freie Hand.‘

Das sind Zitate aus einem Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 29. Mai 2023, also nur einen Tag, bevor der Text von Vanessa Fu in der ZEIT erschien. Somit hat sie auch gekonnt ignoriert, was Türkei- und Migrationsforscher zur aktuellen Situation von Migrant*innen in Deutschland sagen. Nochmals der Bericht in der FR:

Prof. Burak Copur, Türkei-Forscher aus Essen, zeigt im Gespräch mit unserer Redaktion ebenfalls keinerlei Verständnis für solche Aktionen. ‚Die Autokorsos in Deutschland sind auch ein Ausdruck der Ablehnung und Verachtung demokratischer Werte und Normen. Wer als Politiker mit der Ditib und der AKP-Lobbyorganisation UİD kuschelt und diese damit hoffähig macht oder als Stadt Köln die Au[s]stellung des Völkermords an den Armeniern verhindert und damit vor den türkischen Nationalisten und Islamisten einknickt, muss sich über diese einem Diktator huldigenden Erdogan-Anhänger auf deutschem Boden nicht wundern. Das sind keine feiernden Folklore-Tänzer, sondern besorgniserregende türkische Reichsbürger.‘

Im Januar 2023 hetzte der Abgeordnete der AKP Mustafa Açıkgöz auf einer Wahlkampfveranstaltung für Erdogan und dessen Bündnis in Neuss in Nordrhein-Westfalen und sprach davon, in der Türkei wie in Deutschland die „Kurden“ „vernichten“ zu wollen, ebenso die islamistischen Gegenspieler der AKP, die Gülen-Bewegung.

Die rechtsextremen Grauen Wölfe, das Netz der DITIB-Moscheen und islamistisch-nationalistisch türkische Vereine sind sehr einflussreich und wie man an dem Wahlerfolg sehen kann, auch äußerst erfolgreich. Wie man in der Bebilderung des Beitrags im Cicero sieht, feierten in Berlin auch weltlich wirkende Frauen ohne Kopftuch den Sieg der Rechtsextremen und Islamisten und Erdogans. Der Wolfsgruß ist dabei ein Symbol dieser Rechtsextremist*innen, die eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland und für die oppositionellen und säkularen Türkinnen und Türken in der Türkei sind.

Screenshot, https://www.cicero.de/aussenpolitik/liberale-turken-verzweifeln-der-mann-hat-wieder-gewonnen

Laut FR sind in Deutschland 1,5 Mio. türkische Staatsbürger*innen in der Türkei wahlberechtigt, von denen 700.000 auch zur Wahl gingen. 67 Prozent der Wählenden haben für Erdogan gestimmt. Das heißt, dass eine sehr große Zahl, Hunderttausende der hier lebenden Türken mit türkischem Pass Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen sind oder zumindest rechtsextrem und islamistisch wählen.

Haben Vu und die ZEIT von alledem nur keine Ahnung oder finden sie das harmlos oder gar gut? Denn die Hoffnung von Vu und der ZEIT, dass Migranten bald die Mächtigen sein werden, die inkludiert ja gerade solche sehr aktivistischen und aggressiven Menschen wie AKP- und Erdogan-Wähler*innen.

Der Historiker Walter Laqueur (1921–2018) hat diese Entwicklungen schon vor Jahrzehnten geahnt und befürchtet. 2006 publizierte er sein Buch „Die letzten Tage Europas“, worin er insbesondere auf die Gefahr des Islamismus in ganz Europa eingeht und sich auch näher mit der konkreten Situation in England, Deutschland, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden beschäftigt. Ich hatte die Ehre, ihn 2009 in seinem Apartment in Washington, D.C., besuchen zu dürfen. Laqueur floh vor den Nazis nach Palästina, baute den Staat Israel mit auf, hatte keinen universitären Abschluss und wurde ein sehr bedeutender Historiker des Kommunismus, des Zionismus, Europas und des Islamismus und Totalitarismus.

Er beschreibt den großen Unterschied der Einwanderung von Juden Anfang des 20. Jahrhunderts nach Westeuropa und Deutschland verglichen mit der heutigen zumal muslimischen Einwanderung. Die Juden, selbst die religiös-orthodoxen oder ultraorthodoxen hatten keinerlei Interesse, sich imperialistisch auszubreiten, das Judentum ist im Gegensatz zum Christentum und dem Islam keine imperialistische, keine proselytische Religion. Ich kann mich gut an Demonstrationen oder Spaziergänge in den USA wie in New York City oder in Jerusalem in der Altstadt erinnern, als ich mit weißem Hemd und schwarzem Jackett von Juden für einen Juden gehalten wurde, manche wollten mir von ihrer bestimmten Richtung im Judentum erzählen oder ein bestimmtes Gebetsritual machen, doch sobald sie merkten, dass ich gar kein Jude bin, war das ganz egal, sie wollten mich nicht überzeugen vom Judentum oder missionieren.

Laqueur beschreibt in „Die letzten Tage von Europa“ schon vor bald 20 Jahren wie gefährlich für ein vielfältiges Europa es ist, wenn sich der Islamismus in England, Deutschland, Frankreich, Belgien, Holland und anderen Ländern ausbreitet. Ungefähr zur gleichen Zeit gab es bei dem Portal Perlentaucher eine internationale Debatte über den „Islam in Europa“, wobei Pascal Bruckner schreibt:

Der Kampf gegen den Fundamentalismus ist nicht möglich ohne die Muslime, da sie dessen vorrangige Opfer sind. Die hellsichtigsten, die moderatesten untern ihnen beschwören uns, ihnen zu helfen. (Bruckner 2007, S. 206)

Vanessa Vu und die ZEIT fallen nun weit hinter den Forschungsstand zum Thema Islam (und Migration) in Europa der letzten Jahrzehnte zurück.

Wobei Vu und viele andere in ihrem Schweigen zur Gefahr des Islamismus von vielen ‚Linken‘ und weit im Mainstream Unterstützung bekommen. Gerade von Linken, die an 9/11 lachten und Schadenfreude ob des Einsturzes der World Trade Center und dem Zerquetschen, Pulverisieren und Verbrennen von 3000 Menschen in New York City an jenem Dienstag im September 2001 empfanden. Seit 9/11 begann der Siegeszug des Islamismus und des Kopftuchs im Westen erst so richtig, während die iranische Revolution und das islamistische Regime der Mullahs seit 1979 zeigen, wie mörderisch und brutal ein islamistisches Regime vorgeht – und das bis heute.

Ein Kernpunkt des Islamismus ist immer und überall die Frauenverachtung, sei es in Saudi-Arabien, in Afghanistan, der Türkei oder dem Iran und vielen anderen muslimischen Ländern in Afrika und Asien. Antisemitismus, autoritäres Denken und Irrationalismus kommen noch dazu.

Entgegen dem linken Antiamerikanismus und Antisemitismus sowie Pro-Islamismus habe ich gerade aus linker Perspektive versucht, der problematischen Beziehung von Islamforschung und Antisemitismus wissenschaftlich nachzugehen (Heni 2011). Von 2010 bis 2017 verfasste und ergänzte ich den Beitrag über Deutschland in einem der weltweit ersten umfassenden Handbücher zur Situation des Islamismus, dem World Almanac of Islamism (American Foreign Policy Council (Hg.) (2010)).

Zum Islamismus in der Forschung wie auf der Straße kommt die Israelfeindschaft im Westen, die wiederum viele Migrant*innen mit dem deutschen Mainstream teilen, gerade in der kulturellen Elite, Stichwort: Documenta 15 von 2022.

Das Schlimme ist: gerade jene, die gar kein Interesse an Bildung haben, pflanzen sich fort. Richtig, das ist das Einfallstor für die Rechten, für Sarrazin und die AfD, die nur ‚arische‘ Kinder möchten. Dabei ist die Welt schon heute massiv überbevölkert, nicht nur der Anzahl nach in den armen Gegenden in Afrika und Asien, sondern gerade auch in den kapitalistischen Industriegesellschaften.

Dabei sind sieben ‚arische‘ adlige Kinder genauso ein Zeichen für patriarchale Herrschaft wie vier Kinder einer muslimischen Familie, die nur unter ihresgleichen lebt (wie deutsche Adlige auch). Weniger ist mehr, gerade was Kinder betrifft. Mehr Selbstreflektion, mehr Dissidenz wagen und gerade nicht das Migrantische an und für sich hochjazzen. Es ist reiner Zufall, wo man geboren wurde und keine Leistung. Auch Migrant-Sein ist keine Leistung.

Die Erinnerungsabwehr, der sekundäre Antisemitismus ist bei Migrant*innen noch deutlich weiter verbreitet als im Mainstream der Gesellschaft, wobei die wissenschaftliche Elite und Teile der NGO-Szene seit Jahren postkoloniale Ideologien promoten, die ebenfalls auf eine Abwehr der Erinnerung, häufig auf eine Leugnung des präzedenzlosen Charakters des Holocaust hinauslaufen, von Aimé Césaire über Edward Said bis Achille Mbembe verläuft eine gerade postkolonial-antisemitische Traditionslinie.

Migrantinnen und Migranten hier und heute sind nicht nur Opfer rechtsextremer Gewalt und von rassistischer Ausgrenzung, sondern häufig auch Täter, nicht nur bei Anschlägen auf Synagogen, sondern auch im Entwirklichen der deutschen Geschichte. Sie machen sozusagen mit ganz anderen Vorzeichen das Geschäft der AfD: Schweigen wir von den deutschen Verbrechen in der Nazizeit, Schwamm drüber und „Vorsprung durch Technik“, wie der Audi-Slogan heißt. Weder die deutschen noch die migrantischen Arbeiter*innen störten sich die letzten Jahrzehnte daran, dass ihr Audi-Werk oder ihre Bosch-Werkstatt sich zum Beispiel in einer nach den Nazis Felix Wankel oder Hanns-Martin Schleyer benannten Straße befinden.

Volksmusik und Märchen wiederum sind in jedem Land Teil des Irrationalismus und der Affirmation des Bestehenden. Die beiden einzigen Musikarten, die kosmopolitisch ausgerichtet sind, sind klassische Musik und Heavy Metal.

Vu hat kein Foto von lesenden Studierenden oder Forscherinnen oder gar Migranten in einer Bibliothek (Gott steh uns bei!) als Bebilderung für die von ihr geliebten „neuen Mächtigen“ gewählt, sondern vier junge Männer in einem Auto, wenigstens drei davon mit Bart, offenbar sollen dieses Typen „den Migranten“ schlechthin repräsentieren. Und das tun sie. Und gerade das ist das Problem.

Es ist auch eine soziale Frage. Im Kapitalismus geht es um das Sich-Verkaufen, alles wird zur Ware. Und doch gab es in den 1920er Jahren zum Beispiel die Büchergilden, wo die Arbeiterinnen und Arbeiter sich nach einer Kräfte zehrenden Schicht noch trafen, Bücher kauften, tauschten, ausliehen, lasen und diskutierten. Es ist eine persönliche Entscheidung, die man auch als Teil einer Klasse machen kann, die gesellschaftlich sehr niedrig steht. Doch wer, egal ob migrantisch oder nicht, hat heute noch Interesse an Diskussionen, wenn es doch viel aufregender ist, am Auto zu basteln, Laub zu blasen, den Rasen zu mähen mit ohrenbetäubendem Lärm (ging früher auch mechanisch!) oder am Handy zu spielen, am Freitag in die Moschee oder am Samstag oder Sonntag zum Fußball oder auf die Kirmes zu gehen und sich einfach überhaupt nicht um die riesigen gesellschaftlichen Probleme zu kümmern.

Von dieser Atomisierung lebt die bürgerliche Gesellschaft in Zeiten der Kulturindustrie, das geht nicht erst seit den Zeiten von Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“ (1944/47) so. Diese Entpolitisierung ist von den Herrschenden gewollt und sie wird täglich reproduziert.

Die ach-so-demokratisierend wirkende Digitalisierung bewirkte bislang primär einen extremen Bildungsverlust. Bei Kindern kam noch der Sprachverlust durch die irrationale und gemeingefährliche Coronapolitik in den Jahren 2020 bis 2022 hinzu. Jede Schul- und Kitaschließung war völlig sinnfrei, es wurde damit die Pandemie nicht bekämpft, kein Mensch geschützt, aber Millionen ins Elend gestürzt, jedenfalls was das Sozialverhalten, die psychische Stabilität, das Sprachvermögen und auch was die Gesundheit betrifft.

Die Verharmlosung und faktenfreie Umschreibung der Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, die juckt diese Typen im Titelbild des Textes vermutlich genauso wenig wie es die ZEIT-Autorin Vanessa Vu juckt. Sie merken es alle gar nicht. Sie sind glücklich. Sie sind die neuen Mächtigen. Jedenfalls bald. Ganz bald. Da lacht die AfD und es bereitet ihr Panik zugleich.

Das Nicht-Thematisieren beziehungsweise falsche Thematisieren der deutschen Schuld und das Vergessen der Shoah und der deutschen Geschichte wird auch von diesen Migranten besorgt, wie selbstverständlich.

Das wird die neue Volksgemeinschaft sein, die stolzdeutschen Rechten und die AfD Hand in Hand mit diesen mächtigen und geschichtsblinden Migranten (m/w/d), die gar nicht wissen, wo die Grenzen Deutschlands 1942 lagen und was in Sobibor passierte. Beide, die Rechten wie viele Migrant*innen, lieben Traditionen, Volksmusik und die Familie. Selber denken, Dissidenz leben oder allein in Richtung Meer fahren und Heavy Metal hören, kennen sie nicht, sie leben lieber in konformistischen Gruppen, heiraten, danken Allah für Erdogan oder umgekehrt und führen Volkstänze auf.

Was diese einfachen migrantischen Leute, die keine Deutschen werden wollen, umtreibt, ist türkische Folklore (oder arabische, afrikanische, osteuropäische etc.), ein Job bei Porsche, Mercedes oder Bosch (für Frauen eher im Pflegebereich, patriarchale Arbeitsteilung wie gehabt) sowie das Kopftuch und Erdogans Wille und Macht.

Ganz bezeichnend also hat Vu ihren Text in der ZEIT mit vier in einem Cabrio sitzenden jungen Männern, die wohl „Migranten“ sein sollen, bebildert. Bildungsfern, autogeil und deutsch – da lachen die Vorstandsetagen von Tesla oder VOLKSwagen (VW).

Es gibt Rassismus, in der Tat, und dagegen muss man sich täglich wehren. Brandanschläge und Morde an Nicht-Deutschen oder als nicht-deutsch Kategorisierten, speziell seit den 1990er Jahren, haben zu Hunderten ermordeten Migrant*innen geführt.

Doch der Islamismus und Jihadismus speziell seit 9/11 führten zu Hunderten Toten allein in Europa bei islamistischen Anschlägen wie in Paris (Mord mit Sturmgewehren an 12 Journalist*innen der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, 7. Januar 2015, Geiselnahme und Mord an vier Juden in einem jüdischen Supermarkt, 9. Januar 2015, 89 Ermordete beim Massaker während eines Konzerts im Bataclan, 39 weitere Tote durch Angriffe auf der Straße, in Cafés und Restaurants in der Umgebung, dazu drei detonierte Bomben am Stade de France, wo ein Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland lief, 13. November 2015), Madrid (Anschläge mit zehn Bomben in vier Zügen, 191 Tote, 11. März 2004) oder Berlin (Breitscheidplatz, Angriff auf den Weihnachtsmarkt mit einem LKW, 19. Dezember 2016, 12 Tote).

Hinzu kommt die politische Unkultur des in der Forschung so genannten legalen Islamismus, den auch ein Antisemitismus kennzeichnet, wahlweise als Erinnerungsabwehr an die Shoah oder als antizionistischer Hass auf den jüdischen und demokratischen Staat Israel. Insgesamt ist der Islamismus, in seiner terroristischen wie ‚legalen‘ Ausprägung wenigstens ein so großes Problem wie der Rechtsextremismus und Neonazismus.

Vom 17. Februar bis zum 4. Juni 2023 lief in Milano Marittima, einem beliebten Urlaubsort südlich von Ravenna an der Adria-Küste, eine Ausstellung unter dem Titel „Make Art not War“ des amerikanischen Skateboarders und Künstlers Shepard Fairey, alias Obey. Es ist eine Show mit Dutzenden seiner bekanntesten Werke, aber primär soll es offenkundig um den Ukraine-Krieg gehen, so der Titel – bebildert ist das Plakat für die Ausstellung, Überraschung!, mit einer Frau mit Kopftuch.

Screenshot, https://www.turismo.comunecervia.it/de/events/veranstaltungen-und-initiativen/ausstellungen/cervia-street-art-ausstellung#null

Fairey ist jener bekannte Künstler, der das beliebte „Hope“-Obama-Plakat gestaltet hat. In den gleichen Farben – blau, weiß, rot – ist auch das Plakat mit der verschleierten Frau zu „Make Art not War“ gestaltet, ein Wiedererkennungszeichen. Dabei sind ein Kopftuch und eine verschleierte junge Frau das Gegenteil von Hoffnung: es ist der Niedergang der Freiheit, des unabhängigen Denkens, der Kritik und Selbstreflektion und Ausdruck für Irrationalismus, Gewalt, Fanatismus, Religion und den Islamismus insgesamt.

Screenshot, https://en.wikipedia.org/wiki/Barack_Obama_%22Hope%22_poster

Man sieht die popkulturelle Dominanz des islamistischen Kopftuch-Wahns auch in Bereichen, die gar nichts mit Islam zu tun haben wie dem Ukraine-Krieg.

Es ist absolute Mode und in äußerst hippen, ach-so-sensiblen oder ‚woken‘, doch de facto ideologisch rückschrittlichen, aufgeheizten Milieus seit Jahren der letzte Schrei, religiös-fanatische Frauen mit Kopftuch zu promoten, völlig egal, um welches Thema es geht.

Doch von diesen Problemen wie vom Kopftuch-Wahn junger, hier geborener Frauen, schweigt Vanessa Vu. Die größte migrantische Gruppe in Deutschland sind nun mal die Türkinnen und Türken. Und von diesen sind ein sehr großer Teil islamistisch fanatisiert. Seit 9/11 hat sich das ganz extrem verschärft. Wenn man auf Fotoalben der 1970er Jahre nach türkischen Frauen in der BRD mit Kopftuch sucht, findet man wenige. Ähnlich säkular war damals die Situation in Afghanistan oder natürlich dem Iran der 1960er und 1970er Jahre.

Nein, Vu schweigt nicht nur zu all diesen problematischen Phänomenen, namentlich der Zunahme des Islamismus seit Jahrzehnten in Deutschland und im Westen. Sie stimmt dem allem insofern zu, als sie es nicht thematisiert.

Vor allem aber: Vu verharmlost auf gewisse Weise den Nationalsozialismus oder schreibt ihn um, wenn sie ernsthaft meint, dass Zwangsarbeiter ausgewiesen, ja „vernichtet oder vertrieben“ worden seien im NS – dabei wurden mit brutaler Gewalt 13 Millionen nach Deutschland verschleppt! Weitere Millionen wurden wie zitiert in den besetzten Ländern versklavt und zur Arbeit gezwungen. Womöglich verwechselt sie die Vertreibung und Vernichtung der Juden – die ja gar nicht erwähnt werden! – mit der Situation der Zwangsarbeiter, die weder vertrieben noch vernichtet wurden.

Der Holocaust ist in dieser migrantischen Perspektive nicht einmal mehr eine Petitesse, er kommt einfach als solcher gar nicht mehr vor.

Wer vom Autoritarismus, der anti-emanzipatorischen politischen Kultur, der islamistischen Ideologie, dem Antisemitismus und der Frauenverachtung des aktuellen türkischen Regimes und seinen Hunderttausenden Fans und Wähler*innen in der Bundesrepublik Deutschland nicht reden will, soll von Migration schweigen.

Und wer von der Geschichte des Nationalsozialismus keine Ahnung hat, soll von Zwangsarbeit und der damaligen Vernichtung von allen möglichen „Minderheiten“ schweigen.

 

Literatur:

„10 Jahre Terroranschläge in Madrid“, 10. März 2014, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/180328/10-jahre-terroranschlaege-in-madrid/

„Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter“, https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/ns-zwangsarbeit/227269/begriffe-fremdarbeiter-zwangsarbeiter-sklavenarbeiter/

„Die nationalsozialistische Zwangsarbeit – Hintergrundinformationen“, https://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/zwangsarbeit/zwangsarbeit-hintergrund/index.html

„Lehrervertreter RLP: „Wir brauchen von außen mehr Unterstützung“, 29.05.2023, https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/lars-lamowski-interview-lehrermangel-vorschulfoerderung-100.html

„NS-Zwangsarbeit: Ausgebeutet und ,vergessen’“, https://www.stiftung-evz.de/themen/zwangsarbeit-im-nationalsozialismus/

„Obey Make Art Not War“, https://www.turismo.comunecervia.it/de/events/veranstaltungen-und-initiativen/ausstellungen/cervia-street-art-ausstellung#null

 

https://ak-regionalgeschichte.de/veranstaltungen/

https://twitter.com/cem_oezdemir/ (28. Mai 2023)

https://www.auepost.de/stadtgespraech/friedensinitiative-wunstorf-wuerde-zum-vorrangigen-ziel-71295/

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/lebendgeborene-staatsangehoerigkeit-laender.html

https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1052912676

https://www.zeit.de/autoren/V/Vanessa_Vu/index

 

American Foreign Policy Forum (Hg.) (2010): World Almanac of Islamism, https://almanac.afpc.org/

Bruckner, Pascal (2007): Vom Recht auf Differenz gelangt man rasch zur Differenz der Rechte, in: Chervel/Seeliger (Hg.), S. 200–207

Chervel, Thierry/Seeliger, Anja (Hg.) (2007): Islam in Europa. Eine internationale Debatte, Frankfurt a.M.: Suhrkamp

Evisen, Ilgin Seren (2023): Liberale Türken verzweifeln – „Allahu Akbar“, 30. Mai 2023, https://www.cicero.de/aussenpolitik/liberale-turken-verzweifeln-der-mann-hat-wieder-gewonnen

Heni, Clemens (2011): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Berlin: Editon Critic

Laqueur, Walter (2006): Die letzten Tage von Europa. Ein Kontinent verändert sein Gesicht, Berlin: Propyläen

Pehlivan, Erkan (2023): AKP-Abgeordneter hetzt in Moschee von Grauen Wölfen in Neuss, 15. Januar 2023, https://www.fr.de/politik/akp-abgeordneter-moschee-graue-woelfe-neuss-hetze-gewalt-erdogan-tuerkei-92028541.html

Pehlivan, Erkan (2023a): Nach Erdogan-Sieg: Empörung über Autokorsos türkischer Nationalisten in europäischen Städten, 29. Mai 2023, https://www.fr.de/politik/europa-tuerkei-wahl-erdogan-sieg-regierung-opposition-chp-kilicdaroglu-autokorsos-feier-92308927.html

Stenke, Wolfgang (2018): Zum Tod des Historikers und Publizisten Walter Laqueur Skeptiker und Zeitzeuge, 01.10.2018, https://www.deutschlandfunk.de/zum-tod-des-historikers-und-publizisten-walter-laqueur-100.html

Vu, Vanessa (2023): Sie werden die Mächtigen sein. Deutschland will nicht begreifen, was es heute ist: ein Land, in dem Migranten nicht mehr Minderheit sein werden, sondern gefragter denn je. Kommen da noch alle mit?, 30. Mai 2023, https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-05/migration-gesellschaft-einwanderung-deutschland-demografischer-wandel

 

 

 

 

Holocaustverharmlosung und Antisemitismus straffrei? Waters (BDS) – Bhakdi – Selenskyi

Von Dr. phil. Clemens Heni, 27. Mai 2023

 

Wer die Opfer des Holocaust in eine Reihe stellt mit aktuellen Ereignissen in Israel, handelt antisemitisch. So sagt es die international anerkannte Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA):

Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.

Erstes Beispiel:

Exakt das hat der Musiker Roger Waters vor wenigen Tagen in Berlin auf einem Konzert vor 10.000 Zuschauer*innen getan. Er verkleidete sich in einer Nazi-ähnlichen Uniform mit bodenlangem Mantel und einer Art Nazi-Armbinde, schoss mit einer Spielzeug-Maschinenpistole ins Publikum, dem dies gefiel, und er ließ während seiner Show Namen von „Opfern“ in roten Großbuchstaben auf Bildschirmen einblenden, so „Anne Frank“ oder „Shireen Abu Akleh“.

Damit setzt er den Mord an sechs Millionen Juden und die Shoah mit einem tragischen militärischen Zwischenfall zwischen Israel und den Palästinensern sowie jener Journalistin, die durch einen Querschläger umkam, auf eine Stufe.

Roger Waters ist nicht dumm. Er weiß exakt, was er tut und es macht ihm Spaß. Er suhlt sich in seiner virtuellen Blutlache, die er mit seinem Maschinenpistolenfeuer in der Mercedes-Halle in Berlin anrichtete, vergleicht Israel mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust.

Es stellt sich die Frage, was für Menschen es sind, die solche Konzerte planen und durchführen und wer die Fans sind, die auf solche antisemitischen Massenveranstaltungen strömen. Jeder einzelne Besucher und jede einzelne Besucherin unterstützt diesen vulgären und perfiden Antisemitismus.

Zweites Beispiel:

Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, der aufgrund seiner Kritik an der Coronapolitik und Panikmache der nicht evidenzbasierten deutschen und internationalen Politik Furore machte, sagte im April 2021 in einem Video, wie unter anderem der österreichische Standard berichtete:

„Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, (…), und haben ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt ‚living hell‘ – die lebende Hölle.“

Auch das ist antisemitisch. Er betreibt eine Täter-Opfer-Umkehr und suggeriert, die Juden wäre so wie die Nazis, ja die Juden, er meint damit Israel, hätten etwas gemacht „was noch schlimmer ist, als Deutschland war“. Nun ist Bhakdi Mikrobiologe und hat offenbar sehr wenig Geschichtskenntnisse. Doch das entbindet ihn nicht davor, die Geschichte zu kennen. Und im Nationalsozialismus, in „Deutschland“, sind die schlimmsten Verbrechen in der gesamten Geschichte der Menschheit verbrochen worden: der Holocaust. Sechs Millionen Juden wurden industriell vernichtet. Sie wurden aus keinem anderen Grund, als Juden zu sein, vernichtet. Sie wurden in Auschwitz, Treblinka, Sobibor und anderen Orten vergast und weitere Millionen wurden erschossen, erschlagen und sonst wie zu Tode gefoltert und ermordet.

Das Amtsgericht in Plön in Schleswig-Holstein hat offenbar keinerlei Ahnung von Antisemitismus und ignoriert offenbar vorsätzlich die Definition der IHRA, die auch Deutschland unterschrieben hat. Die Jüdische Allgemeine berichtet:

Der Richter sagte in seiner Begründung, bei mehrdeutigen Aussagen müssten auch andere Deutungen berücksichtigt werden. Es sei nicht vollständig auszuschließen, dass Bhakdi mit seinen Äußerungen nur die israelische Regierung und nicht das Volk meinte. Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft kündigte Rechtsmittel an.

Wer dieses unbeschreiblichen Verbrechen der Deutschen gerade mit der (Corona-)Politik Israels vergleicht, sollte vor Scham im Boden versinken für unabsehbare Zeit. Es ist eine unerträgliche antisemitische Leugnung dessen, was in Auschwitz passierte.

Gerade wenn Bhakdi damit die Politik Israels meinte, ist dieser Vergleich antisemitisch. Es ist nicht ’nur‘ antisemitisch, wenn er damit alle Juden meint.

Es bleibt zu hoffen, dass andere Richter*innen, die jetzt weiter mit dem Fall beschäftigt sein werden, wenn die Generalstaatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt hat, mehr Ahnung von Antisemitismus haben und den Forschungs- und Diskussionsstand nicht völlig ignorieren.

 

Drittes Beispiel:

 

Am 20. März 2022 sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi in einer Video-Ansprache zum israelischen Parlament, der Knesset, die auch live an anderen Orten ausgestrahlt wurde, wie auf dem Habima Theater-Platz in Tel Aviv.

Er verglich die Gründung der NSDAP am 24. Februar 1920 mit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, der zufällig am 24. Februar 2022 begann. Selenskyi sprach auch von einer „Endlösung“, die Russland in der Ukraine plane, so wie damals die Deutschen die „Endlösung“ an den Juden planten. Schließlich sagte der jüdisch-ukrainische Präsident, dass Israel der Ukraine beistehen solle und die Ukrainer so behandeln solle, wie die Ukrainer damals die Juden behandelt haben! Daraufhin sagten israelische Politiker, dass sie das nicht tun werden, weil sie „ein Licht unter den Völkern sind“ – und damals bekanntlich viele Ukrainer den Nazis und der deutschen Wehrmacht zur Seite standen beim Judenmord, ja schon Tausende Juden massakrierten, bevor die Nazis, die SS, die Wehrmacht und so weiter aktiv wurden.

Diese Rede von Selenskyi ist eine antisemitische NS-Verharmlosung sowie antisemitische Dämonisierung Russlands.

Es ist eine typische Form des „sekundären Antisemitismus“ nach Adorno und Peter Schönbach, die seinerzeit – um 1960 – einen solchen Vergleich als antisemitisch analysierten. Damals ging es um den Vergleich des Luftkriegs der Alliierten und der Engländer gegen Dresden mit Auschwitz. Das ist eine typische Form des sekundären Antisemitismus. Heute kann man „Dresden“ durch die „Ukraine“ ersetzen, wie es Selenskyi in dieser antisemitischen Reaktionsweise tut. In beiden Fällen, weder in Dresden noch heute in der Ukraine, wird auch nur ansatzweise ein Verbrechen begangen wie der Holocaust.

Nichts auch nur annähernd mit den Verbrechen des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945, dem Zweiten Weltkrieg und der Shoah Vergleichbares passiert seit dem 24. Februar 2022 durch Russland in der Ukraine. Auch Selenskyi argumentiert also antisemitisch, der israelische Knesset-Abgeordnete Yuval Steinitz sprach davon, dass die Rede Selenskyis an „Holocaustleugnung grenze“.

Resultat: wir haben es mit drei antisemitischen Äußerungen dieser drei ganz unterschiedlichen Männer zu tun.

Doch Selenskyi bekam am 14. Mai 2023 in Aachen den Karlspreis verliehen, Kanzler Olaf Scholz hielt die Laudatio und alle –

wirklich wie bei Corona nahezu alle Medien haben die exakt gleiche Meinung, kurzzeitige Meldungen über den Antisemitismus und die Holocaustverharmlosung von Selenskyi, wie der oben zitierte ZDF-Bericht, sind schnell vergessen und haben keinerlei Wirkung auf das Bild des ukrainischen Präsidenten in der deutschen Politik und der medialen und kulturellen Elite. Bei der Bevölkerung jedoch hat Selenskyi ganz bestimmt kein so gutes Standing in Deutschland, das ist ein Unterschied zur Corona-Pandemie, als die Elite wie der Mob auf der Straße gleichermaßen die exakt gleiche irrationale Meinung vertraten.

Selenskyi ist für die Elite wie in Aachen ein Held und ein ganz toller Hecht. Keine rationale Analyse seines Antisemitismus nirgends.

 

Woran liegt das? Am Antisemitismus jener, die Selenskyi lieben und feiern? An der dankbar aufgenommenen NS-Verharmlosung, für die Selenskyi eindeutig steht? Warum werden dann zumindest vom Zentralrat der Juden in Deutschland sowohl Roger Waters als auch Sucharit Bhakdi zu Recht scharf kritisiert wegen Antisemitismus – aber Selenskyi gerade nicht?

 

Warum diese Inkonsistenz? Dabei ist die weltpolitische Wirkmächtigkeit des ukrainischen Präsidenten um ein Vielfaches heftiger: Zuletzt verglich er ausgerechnet in Hiroshima den Krieg Russlands  in der Ukraine mit dem Massenmord der Amerikaner an Japanern in Hiroshima am 6. August 1945, der die gesamte Weltbevölkerung tatsächlich zur „letzten Generation“ machte, weil seit diesem Tag jederzeit die Zerstörung alles Lebens möglich ist.

Woher rührt dieser Irrsinn dieses Ukrainers? Woher sein Zynismus, in der Welt herumzureisen, während seine Bevölkerung in einem Krieg lebt, den zu beenden nicht nur Putin, sondern auch Selenskyi und vor allem der Westen mit verantwortlich sind? Bekanntlich hätte es unter Vermittlung des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett schon im März 2022 einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen geben können. Putin hatte zugesagt, sich auf die Linien vor dem 24. Februar 2022 zurückzuziehen, wenn die Ukraine definitiv erklärt, nicht NATO Mitglied zu werden. Doch der Hass auf Putin war im Westen zu groß, sie wollen diesen Krieg so lange führen wie nur möglich und jetzt jammern sie, dass der Krieg noch nicht beendet ist!

Woher Selenskyis implizite Anmaßung, dass der Krieg in der Ukraine etwas ungemein viel Schlimmeres sei als der Irak-Krieg 2003 und die Folgen oder die aktuellen, sehr blutigen Kriege in Äthiopien oder im Jemen? Seine perfide Verharmlosung des Massenmords an Japanern in Hiroshima, woher rührt diese ukrainische Arroganz und Unverschämtheit, ja historische Dummheit?

Warum also das Schweigen zum Antisemitismus und der Trivialisierung von Hiroshima von Wolodymyr Selenskyi? Warum kritisieren jüdische Organisationen, die Presse und die internationale Antisemitismusforschung die ersten beiden hier dargestellten Beispiele für gegenwärtigen Antisemitismus, aber schweigen zum dritten Beispiel, ja feiern Selenskyi auf unerträgliche Art und Weise? Wird damit nicht auch sein Antisemitismus gefeiert?

Können Sie mir die Antwort darauf geben?

 

 

 

 

Mainstream-Antisemitismus von Aimé Césaire bis Whoopie Goldberg: Schwarze und der Antisemitismus (BICSA Working Paper)

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Working Paper Series

Dr. phil. Clemens Heni

Mainstream-Antisemitismus von Aimé Césaire bis Whoopie Goldberg: Schwarze und der Antisemitismus

Der Holocaust habe „nichts mit Rasse“ zu tun gehabt,
Täter und Opfer seien „Weiße“ gewesen

 

 

1. Februar 2022

 

Impressum:

Herausgeber: The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

C/o Verlag Edition Critic, Sophie-Charlotten-Str. 9-10, 14059 Berlin

E-Mail: clemens.heni[at]mail.com

 

Copyright@ BICSA und Clemens Heni, 2022

 

 

 

Die Schauspielerin Whoopie Goldberg (66) war über Silvester und Neujahr mit einer Corona-Infektion krank und das womöglich nicht obwohl, sondern weil sie dreimal geimpft ist.

Doch sie war dann doch bald wieder gesund. Und was die „unheilbar Gesunden“ so tun, außer zu Zeugen Coronas, zu Gläubigen einer nie dagewesenen Pandemie (seit 2018 oder 1968/70 oder 1957/58) zu mutieren, das zeigt uns jetzt Goldberg ganz exemplarisch. Sie hat in einer Fernsehshow gesagt, der Holocaust habe „nichts mit Rasse zu tun“. Das sagte sie gestern, am 31. Januar 2022, in ihrer Talkshow „The View“ im Fernsehsender ABC in den USA. Die Nürnberger Rassegesetze, die rassistische Unterscheidung von „Arier“ und „Jude“ – alles Einbildung! Alles Fake News – von Weißen. Das war ihre Message.

Es sei im Holocaust lediglich darum gegangen, wie man mit anderen Menschen umgehe. Die Shoah als zwischenmenschlicher Konflikt, der blöd für die Juden ausging.

Diese Art Derealisierung, Entwirklichung des Rassen-Antisemitismus der Deutschen ist nichts Neues. Gerade schwarze Autorinnen und Autoren vertreten diese These seit Jahrzehnten. Das macht ihren Antisemitismus nicht besser.

Dazu muss ich etwas weiter ausholen, weil es eine ganz grundlegende Debatte ist, die zeigt, wie enorm wichtig Holocaust Education ist und wie wenig da in den letzten gut 75 Jahren erreicht wurde. Schwarzer Antisemitismus beziehungsweise schwarze Holocaustverharmlosung und Leugnung der Präzedenzlosigkeit der Shoah kommen jetzt via der ultra bekannten Whoopie Goldberg – die sich selbst in einer Anmaßung diesen jüdischen Nachnamen vor Jahrzehnten gab – wieder in den Fokus.

Im Jahr 2017 begann eine Kontroverse über die Verharmlosung des Holocaust durch die postkoloniale Theorie, wobei der Journalist Alan Posener dem Historiker Jürgen Zimmerer vorwirft, mit seiner Forschung den Holo­caust zu verharmlosen:

„Der Historiker Jürgen Zimmerer stellt die Auslöschung des europäischen Judentums in die Tradition des europäischen Kolonialismus. Dadurch miss­ver­steht er den Holocaust und relativiert ihn“.[1]

Der Ausgangspunkt, die Geschichte des Kolonialismus, die Posener eher positiv oder aber dialektisch sieht, wäre eine eigene Studie wert. Es geht hier um die Kritik an der Verharmlosung der Shoah durch den Postkolonialismus. In einem dann folgenden Gespräch von Posener mit Zimmerer, organisiert von der Wochenzeitung Freitag und dessen Herausgeber Jakob Augstein und dem Journalisten Michael Angele, lehnen sich die beiden Freitag-Journalisten an eine antisemitische Ideologie an und sagen:

„Man kann das mit der Einzigartigkeit aber auch ganz anders sehen, oder? Die aus Jamaika stammende Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama kümmert sich gerade in Flensburg um die Kolonialgeschichte dieser Handelsstadt, und sie hat neulich gesagt, die Europäer müssten anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels das größte Ver­brechen in der Menschheitsgeschichte sei – größer als der Holocaust. Off­en­bar hängt der Blick auf die Geschichte auch davon ab, welchem Kulturkreis man angehört.“[2]

Darauf antwortet Posener:

„Es gibt keinen ‚weißen‘ oder ‚schwarzen‘, ‚jüdischen‘ oder ‚christlich­en‘ Blick auf den Holocaust; es gibt, wenn wir von Wissenschaft reden, und hier ist von einer Wissenschaftlerin die Rede, nur den wissenschaftlichen Blick auf den Holocaust. Und ‚das mit der Einzigartigkeit‘ des Holocausts kann man eben nicht ‚ganz anders sehen‘, bloß weil man aus Jamaika stammt.“[3]

Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt „KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe“, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm „Fellowship Internationales Museum“,[4] wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leug­nen­den Un­ge­heu­er­lich­keit­en gegeben:

„Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unt­er­drück­ungs­maßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Men­schheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.“[5]

Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holo­caust­leugnung, der Softcore-Variante, wie die Historikerin Deborah Lipstadt sagen würde.

Das „größte Verbrechen der Men­sch­heits­ge­schichte“ sei der transatlantische Sklaven­handel und der Kolonialismus ge­wes­en – und nicht der Holocaust. Das ist eine antisemitische Geschichtsumschreibung. Im Kolon­ia­lis­mus wurde kein Volk aus keinem an­der­en Grund, als es zu vernichten, ver­nichtet.

Es gab kein cui bono in der Shoah. Die Sinnlosigkeit war das Unaussprechbare, das Unvorstellbare, der Bruch jeglichen zivilisatorischen Ver­trauens. In der Sklaverei hingegen, so schrecklich und verabscheuenswert sie war, war das Ausbeuten lebendiger Arbeitskraft Kern des Verbrechens. Es ging um Profit und Macht. Nicht so im Holocaust, der auf einer anderen Grundlage basiert: dem Antisemitismus, der kein bloßer Rassismus ist, sondern panische Angst vor „dem“ Juden anzeigt. Die postkoloniale Agitatorin Tafari-Ama scheint sehr wohl zu wissen, was sie tut, sie möchte einen Trend setzen und Juden und Holo­caust­üb­er­leb­en­de sowie deren Nach­kom­men provozieren, indem sie den Sklavenhandel als das größte Ver­brechen der Geschichte der Menschheit herbeifantasiert. Sie tri­vi­a­li­siert den Holocaust und die taz scheint das zu billigen, denn sie publizierte diesen Text ohne kritischen Kommentar. Doch Tafari-Ama fühlt sich wohl irgendwie als links und gut. Als Schwarze wähnt sie sich jenseits der Kritik.

Die Zeitschrift Peripherie („Politik Ökonomie Kultur“) teilt diese Form des postkolonialen Antisemitismus. In der Ausgabe 146/147 von August 2017 schreiben Aram Ziai und Daniel Bendix:

„Ein entsprechendes ‚Pro und Kontra Kolonialismus‘-Tabu gilt in der heutigen BRD nicht. Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Des­wegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivi­li­sat­ions­bruch‘ wahr­ge­nom­men (Diner 1996).“[6]

Es wird hier Aimé Césaire bemüht und mit seinem skandalösen Ideologem zitiert. Juden als „weiße“ Opfer zu bezeichnen und damit den eliminatorischen Anti­semi­tismus rassismustheoretisch zu neg­ieren, ist unglaublich. Sie leugnen mehrfach das Nie-Dagewesene der Ver­nicht­ung eines ganzen Volkes, der Juden. Sie sind keine Au­sch­witz­leugner, sondern leugnen, dass es so etwas wie die Shoah nie zuvor gegeben hat. Sie wollen den Begriff „Zivi­li­sat­ions­bruch“ vor­ver­legen und damit negieren, dass es vor Auschwitz, Sobibor, Treblinka, Belzec, Majdanek und Kulmhof niemals in der Ge­schichte der Menschheit Fabriken zur Ver­nicht­ung von Menschen gab. Sie stellen also in Abrede, dass die Juden als Volk ausgerottet werden sollten, was es nie zuvor in der Weltgeschichte gab. Es ging um die Vernichtung eines Volkes aus keinem anderen Grund, als dem, dem Volk der Juden anzugehören. Nichts dergleichen ist jemals im Kolonialismus oder einer anderen Zeit auf der Welt passiert.

Aram Ziai ist Herausgeber eines Buches über Postkoloniale Poli­tikwissenschaft (2016).[7] Seine Obsession, Auschwitz mit dem Kolonia­lis­mus kurzzuschließen und somit in seiner Präzedenzlosigkeit zu leugnen, zeigt sich auch hier, gleich auf Seite zwei seiner Einleitung:

„Auschwitz, Wannsee-Konferenz, Vernichtungskrieg im Osten, Nürnberger Rassegesetze – das sind alles Begriffe, die wir aus dem Geschichtsunterricht kennen. Aber dass auf der Berliner Afrika-Konferenz 1884 Bismarck und andere Europäer den ganzen Kontinent unter sich aufteilten – wer weiß das schon?“[8]

Schließlich trivialisiert Ziai Auschwitz und Sobibor und die Shoah ein weiteres Mal, wenn er schreibt, dass Gier und Raub Zweck der Aktion gewesen sein könnten:

„Die Diskussion über die Singularität des Holocaust kann hier nur angerissen werden. Über die Singularität jedes historischen Ereignisses hinaus ist aus der Perspektive einer vergleichen Genozidforschung festzuhalten, dass der Holocaust hinsichtlich der Bürokratisierung und Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist (Chalk/Jonassohn 1990). Hinsichtlich der Brutalität seiner Praktiken kann dies erschreckenderweise nicht be­haupt­et werden. Auch die (vom Verfasser früher selbst vertretene) These, dass die Vernichtung der Juden durch die Nazis im Unterschied zu anderen Genoziden nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck an sich war, muss angesichts der Forschungen zum mit Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung verbundenen Raub (z. B. Aly 2005) als umstritten gelten.“[9]

„Umstritten“ ist die Analyse der Sinn- und Zwecklosigkeit des Holocaust nur unter Verharmlosern der Shoah. Das obige Zitat ist undurchdacht und konzediert lediglich aus taktischen Gründen, wie es scheint, dass die „Industrialisierung des Massenmordes tatsächlich historisch einzigartig ist“ – was aber gleich wieder dementiert wird, indem der Autor die Sinnlosigkeit der Vernichtung der Juden in Frage stellt und ökonomische Vorteilnahme vermutet, wie bei unzähligen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Die beiden postkolonialen Agitatoren der Peripherie, Ziai und Bendix, sind repräsentative Vertreter des heutigen Post­kolo­n­ialis­mus.[10] Noch einmal: Die beiden Autoren negieren, dass es die geplante und durchgeführte Vernichtung eines Volkes ohne jedweden militärischen oder ökonomischen Aspekt niemals zuvor gab:

„Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Des­wegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völk­er­mord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivi­li­sat­ions­bruch‘ wahr­ge­nom­men“.[11]

Sie behaupten damit, dass die Shoah nicht präzedenzlos war, denn es habe schon zuvor den „Zivilisationsbruch“ gegeben. Diese Leugnung der Prä­ze­denz­los­igkeit wird von der Redaktion durch­gewunken und unterstützt, also auch von dem Redaktionsmitglied Reinhart Kößler.[12] Das ist be­merk­enswert, weil er beim Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main als stellvertretender Direktor des Päd­ago­gisch­en Zentrums angestellt ist.[13] Das Fritz Bauer Institut selbst intoniert jedoch diese Form der Holocaustverharmlosung via Komparatistik und Universalisierung, indem im Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust von 2004 mit dem Titel Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in der Einleitung ausgeführt wird:

„Zurück nach Europa: Hier waren es keine Kolonialvölker, sondern Teile der eigenen Bevölkerung, die vom Hitler-Regime stigmatisiert, ausgegrenzt und schließlich ermordet wurden. Ähnlich und doch gänzlich unterschiedlich verfuhr die sowjetische Regierung mit den Bevölkerungsteilen, die ideologisch verfemt und angeblich ökonomisch überflüssig waren. Auch hier, beim so genannten ‚Hunger-Genozid‘ in Teilen der Sowjetunion, vor allem in der Ukraine, diente die gewollte Dezimierung weiter Bevölkerungsteile, wieder unter den Augen der Weltöffentlichkeit, der Durchsetzung einer Ideologie, die Menschen nicht nach ‚Rassen‘, aber nach ‚Klassen‘ einteilte.“[14]

Diese Gleichsetzung von Rot und Braun trivialisiert den Nationalsozialismus auf bekannte Art und Weise. Jegliches Verständnis für das Nie-Dagewesene der Vernichtung eines Volkes, der Juden, geht hier im Orkus der Weltgeschichte unter. Die Juden seien nicht als Juden ermordet worden, sondern als „Weiße“, so die Ideologie vieler schwarzer Aktivist*innen im Zuge Aimé Césaires, wie dem eingangs zitierten Achille Mbembe oder auch der beiden Publizisten Henning Melber und Gottfried Kößler:

„Der heutige namibische Premierminister Theo-Ben Gurirab hat die Weig­erung der in der Rechtsnachfolge des Deutschen Reichs stehenden Bund­es­reg­ier­ung­en, sich für das deutsche Kolonialregime, das in seinem Land von 1884 bis 1914 währte, und insbesondere für die Völkermordstrategie, mit der der land­es­weite Aufstand 1904–1907 unterdrückt wurde, auch nur zu ent­schuld­ig­en, anlässlich der Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Dur­ban An­fang September 2001 scharf kritisiert. Er stellte die Vermutung an, die­se sei nicht zuletzt darin begründet, dass die Opfer der deutschen Politik and­ers als im Zweiten Weltkrieg schwarz gewesen seien.“[15]

Dieses Zitat möchte allen Ernstes Juden einen quasi privilegierten Opferstatus zusprechen. Das ist eine Art Holocaustleugnung der bemerkenswerten Art: Schwarze als Opfer von Weißen, Juden als „Weiße“ seien sozusagen nur zufällig zum Opfer gemacht worden.

Das leugnet die gesamte Geschichte des „längsten Hasses“, des Antisemitismus. Jeglicher Versuch zu verstehen, was der Holocaust war, wird unterbunden, indem die typische Gewalt eines Kolonialstaates mit der nie dagewesenen Idee, ein spezifisches Volk zu vernichten, gleichgesetzt wird. Das ist das immer wiederkehrende Muster der Verharmlosung der Shoah durch weite Teile der postkolonialen Forschungsliteratur. Wenn man sich anschaut, mit wie vielen Multiplikatoren das Fritz Bauer Institut und namentlich sein Pädagogisches Zentrum unter Kößler kooperiert – wie der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ), dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA), der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, der Uni Frankfurt und der Bundesregierung mit entsprechenden Förderprogrammen[16] –, zeigt sich, wie unkontrovers diese Form der Verharmlosung der Shoah heute bei Aktivist*innen gegen Antisemitismus und in Akademiker*innenkreisen durchgewunken und gefördert wird. Mehr Geld für solche Forschungszentren und Projekte, wie es seit Jahren gefordert wird, könnte kontraproduktiv sein für die Erforschung und Kritik des Antisemitismus. Die Autoren Kößler und Melber verwenden selbst das entscheidende Wort bezüglich der deutschen Kolonialpolitik in Deutsch-Süd­west­afrika und dem Mord an den Herero und Nama ab 1904: es war eine Re­aktion der deutschen Kolonialmacht auf einen „Aufstand“. Das ist einer der alles unterscheidenden Aspekte verglichen mit dem Holocaust.

Wenn ernsthaft eine Vergleichbarkeit von einer brutalen und massenmörderischen Reaktion auf einen Aufstand mit der Vernichtung der europäischen Juden durch die Deutschen formuliert wird, wird geleugnet, dass die Juden aus dem einzigen Grund ermordet worden, dass sie Juden waren. Kein Aufstand nirgends, der die Deutschen ‚provoziert‘ hätte etc. Wir kennen das hingegen von Holocaustleugnerkreisen, die eine „Kriegserklärung“ der Juden an die Deutschen herbeifantasieren, um damit jegliche Ver­nichtungsaktion der Deutschen zu rechtfertigen und als bloße Reaktion zu diminuieren.

Auch das Projekt Freiburg postkolonial publiziert Texte Kößlers, die den gleichen Duktus haben und nicht im Ansatz verstehen, warum Kolonialismus und der Holocaust nicht miteinander verbunden sind, da koloniale Gewalt z. B. eine Re-Aktion auf Aufstände war, während die Shoah grundlos war und Rassismus kategorial verschieden ist vom Antisemitismus. Kössler bezieht sich auf Zimmerer und andere einschlägige Literatur, die für dieses analytische Versagen der postkolonialen Theorie stehen.[17]

Diese Kritik an typischen und repräsentativen Formen des postkolonialen und NS-verharmosenden Antisemitismus passen zu Geistesgrößen wie Whoopie Goldberg. Ihre Aussage, dass der Holocaust eine Art Konflikt unter Weißen gewesen sei, spiegelt diese Art von problematischer Forschung nur besonders grell und im Fernsehen wider.

Dass so etwas im amerikanischen Fernsehen wieder möglich ist, schockiert. Aber was will man in einem Land erwarten, das den Kampf der US Army gegen die Deutschen und die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg mit der Anzahl der angeblich oder tatsächlich an oder doch nur mit Covid-19 Gestorbenen in eine Reihe stellt, wie es Joe Biden Anfang 2021 getan hat?

Der 46. Präsident der USA, Joe Biden, sprach auf seiner Inauguration am Mittwoch, den 20. Januar 2021 davon, dass an Corona so viele Amerikaner gestorben seien, wie im Zweiten Weltkrieg Soldaten im Krieg gegen die Deutschen.[204] Dieser groteske Vergleich eines Krieges gegen Nazi-Deutschland und eines ganz normalen Virus zeigt den Wahnsinn in der westlichen Welt, wie er seit 2020 viele Hirne angegriffen hat.

Corona greift also auch die Hirne an. Auch eine englische Übersetzung dieses Working Papers würde vermutlich für jemand wie Goldberg nichts bringen – sie würde auf ihrer Universalisierung und Derealisierung der Shoah beharren, ihre Entschuldigung, nachdem es in den USA massive Kritik an ihren Äußerungen gab, sind völlig lachhaft, da sie – man kann das im Video sehen – mehrfach diesen Antisemitismus vertritt, nachdem es nicht um „Rasse“ gegangen sei im Nationalsozialismus, dem deutschen NS-Antisemitismus und dem Holocaust.

Wir müssen dazu nochmal etwas ausholen und das wissenschaftlich kontextualisieren, weil der Fall Whoopie Goldberg zeigt, wie tief der postkoloniale und schwarze Antisemitismus sitzen – und das nachdem es jahrzehntelange Bemühungen gab, das Thema Holocaust auch Schwarzen zu vermitteln. Während es mittlerweile ganz neue und positive Entwicklungen in der arabischen Welt gibt – Holocaust Gedenken dieses Jahr z.B. in Dubai, scheint es ausgerechnet in Amerika einen ganz fatalen Rückschlag zu geben mit diesem unerträglichen Geschwätz, nein: dieser offenkundig tief sitzenden, sedimentierten Ideologie der Antisemitismus-Verleugnung und der Derealisierung des Kerns des Nationalsozialismus: dem Rassen-Antisemitismus.

Der Historiker Jakob Zollmann forscht zu Deutsch-Süd­west­af­rika.[18] Entgegen Zimmerer kritisiert Zoll­mann vehement die be­haupt­eten Kon­ti­nui­täts­linien vom Kolo­nia­lis­mus hin zum Natio­nal­soz­ia­lis­mus. So sei die deutsche Herrschaft in Deut­sch-Süd­west­afrika, wie es sein­er­zeit hieß, keineswegs faschistisch ge­wes­en, sondern es habe immer wieder Wid­erstand gegen die deutsche Kolo­nial­macht gegeben. Zudem habe Afrika eine eigene Geschichte, die nicht als bloße Vorläufer-Geschichte des europ­ä­isch­en Faschismus oder des deut­sch­en Nationalsozialismus betrachtet werd­en dürfe. Zimmerers These von der „Geburt“ des „Ostlandes“ aus dem Geist des Kolonialismus[19] weist Zollmann zurück. 2007 hatte Zollmann in einem wissenschaftlichen Beitrag für die Namibian Studies[20] die deutsche Debatte über die vorgeblichen Ver­bind­ungs­linien von Kolonialismus und Nationalsozialismus kritisiert, namentlich die Publizisten Reinhart Kößler und Henning Melber. Jene würden Hannah Arendt heranziehen, um eine „direkte Beziehung zwischen dem Sied­ler­ko­lo­nia­lismus und der Nazidiktatur“ herzustellen.[21]

Die Historikerin Birthe Kund­rus ist ebenfalls zurückhaltend mit diesen Kontinuitätslinien, wie sie Zimmerer und viele nicht-deutsche Forsch­er*innen aus dem Bereich des Post­kolonialismus be­haupt­en.[22] Sie erwähnt mehrere Autoren, die jene hist­or­ische Kontinuität eben­falls betonten, wie Aram Mattioli[23] oder Micha Brumlik.[24] Kundrus kriti­siert (wenn auch moderat) ebenfalls Kößler und Melber und deren Be­haupt­ung einer direkten Beziehung von kolonialem Rassismus und Anti­semi­tis­mus.[25] Sie bezieht sich auf den Historiker Boris Barth, der den Mass­en­mord an Herero und Nama nicht als gezielten Genozid begreift, sondern als eine „Strafaktion“, die viel brutaler ausfiel, als geplant, und zudem als eine Re-Aktion auf einen militärischen Angriff der Kolonisierten auf den Kolonisator. Das macht das Morden nicht besser, ordnet es aber kategorial anders ein.[26] Zollmann verdeutlicht noch einmal, dass das Zurückrudern von Zimmerer, er betreibe keine Gleichsetzung von kolonialem Genozid und dem Holocaust, schon an seiner eigenen Sprache scheitert, weil die von ihm verwendete Formulierung „die Geburt des Ostlands…“ doch recht eindeutig ist:

„Indeed, Jürgen Zimmerer warns against, even rejects, an equation of the Holocaust with colonial genocide (…) German colonial experience is seen by Zimmerer to have acted as a cultural (re)-source (kulturelles Reservoir) from which the National Socialists would have drawn their ideas. These rather ominously formulated ideas of Zimmerer are repeated in his piece titled Die Geburt des ‚Ostlands‘ aus dem Geist des Kolonialismus. And they do not become clearer here, as the ominous title – ‚Birth of the ‚Ostland‘ conceived by the spirit of colonialism‘, demonstrates. His title gives the impression of answering a question which has been posed by those who want to emphasize the continuities, not to say causalities, Zimmerer had just denied in his article. A birth‘ has only one reason – it is monocausal by its very nature. By choosing this title, Zimmerer has described a situation of a ‚because/therefore…‘ In his understanding the spirit of colonialism is the reason for the ‚Ostland‘ – and all that has happened there, including the extermination of the Jews. No colonialism, no ideas of Germanised Eastern Europe, no Holocaust? Zimmerer’s arguments do not convince, they confuse – not only the reader, but also the issues.“[27]

Auch der Historiker Winfried Speitkamp weist das Argument, Deutsch-Süd­westafrika sei ein Vorläufer des Nationalsozialismus gewesen, zurück.[28] Er kritisiert Zimmerer und dessen Kollegen Joachim Zeller, die Her­ero und Nama nur als Opfer betrachten ohne deren Widerständigkeitohne die es jenen Massenmord gar nicht gegeben hätte – entsprechend zu würdigen. Es ging um Macht und Herrschaft und ein cui bono. All das fehlt vollkommen beim Holocaust. Der Holocaust wollte die euro­pä­ischen Juden vernichten. Alle Juden. Und das sogar entgegen der mili­tär­isch­en Logik. Den Zweiten Welt­krieg verloren die Deutschen, den Holocaust haben sie bis zum letzten Tag durchgeführt auf den Todesmärschen.

Der Historiker Dan Diner hat 1988 den Band Zivilisationsbruch[29] herausgegeben und ist mit seinem Band Gegenläufige Gedächtnisse von 2007 ein Kritiker der Analogie von Kolonialgewalt und Holocaust.[30] Diner sagt über die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust:[31]

„Die Kolonialmacht will ‚pazifieren‘, nicht vernichten.“

Weiter:

„Wie nahe kommen sich genozidale Kolonialkriege und Holocaust? Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt – und dies im Unterschied zum kon­ven­tio­nellen Krieg zwischen sich als Gleiche anerkennenden Gegnern – steht der Holocaust als eine bloße Vernichtung jenseits von Krieg, Konflikt und Geg­ner­schaft. Weder gilt es durch Gewalt einen Willen zu brechen noch etwas zu er­zwingen. Der Vernichtungstod ist ein im Kern grundloser Tod.“[32]

Es geht um eine grundfalsche linke Ideologisierung der deutschen Tat, die als faschistische Barbarei mit dem falschen Namen verbucht wurde und wird. Ja der Kampf gegen den Faschismus wurde im geschichtspolitischen, mehr noch eschatologischen Fortschrittsdenken nur als fürchterlichste Unterbrechung verstanden. Nach Diner führte das unter anderem dazu, dass viele französischen Opfer der Deutschen, die in KZs interniert und gefoltert wurden, Auschwitz nicht zur Kenntnis nahmen, es nicht konnten:

„Die Emblematik der Tortur verdeckt die der Extermination. Dabei vermag gerade die Folter die Differenz zwischen Opferschaft aus Gründen einer politischen Entscheidung einerseits und der Vernichtung allein aus Gründen der Herkunft wegen andererseits anzeigen. So setzt die Folter einen zu brech­en­den politischen Willen voraus. Darin kommt – paradoxerweise – An­er­kenn­ung zur Geltung. Und so wie die Anwendung der Tortur den politisch han­deln­den Menschen voraussetzt, zahlt dieser den Preis der Pein und des Schmerzes in einem Kampf um den Erhalt seiner Würde. (…) Anders jene, die zur Ver­nicht­ung ausersehen waren – weder handelten sie dem Willen der Besatzer zuwider noch fielen sie ihrer Gesinnung wegen auf. Allein ihrer immer auch fiktiven Zugehörigkeit wegen, also ganz ohne Ansehen der Person, waren sie grundlos zur Ausrottung bestimmt. (…) Auch dass die Geschichte von Résistance und Deportation nicht zuletzt von jenen kanonisiert wurde, die im Ausgang des Weltkrieges eine Niederlage des Faschismus und den Sieg einer zukunftsfrohen Verheißung zu erkennen glaubten, trägt dazu bei. Das gilt auch für Jean Améry. In seinen Reflexionen stellt er die Tortur heraus, der er als belgischer Widerständler ausgesetzt war. Die an seine jüdische Herkunft gebundene Erfahrung von Auschwitz tritt dabei eher zurück. Im Anfang war der Widerstand. Das mit dem Ortsnamen Auschwitz verbundene Geschehen schuf sich erst später die ihm angemessenen Bilder und Begriffe.“[33]

Schließlich weist Diner auf jene Menschenrechtsaktivist*innen und universalistischen Autor*innen hin, die in all ihrem Tun anthropologisieren und nicht unterscheiden, sie vergleichen und setzen gleich, um ja nicht das Unaussprechliche der Shoah in den Blick zu nehmen, sie „verfehlen“ somit „die Fundamente historischer Urteilskraft“.[34]

Wie gezeigt, ist der Postkolonialismus ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung und Propagierung von Antisemitismus.

Die antizionistische Dimension weiter Teile der postkolonialen Theorie wird in dem Band Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung (2015) von Maria do Mar Castro Varela von der Alice Salomon Hochschule Berlin und Nikita Dhawan von der Universität Innsbruck sowie dem Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies[35] deutlich.[36] Sie stellen drei der führ­enden postkolonialen Denker*innen vor: Edward Said, Gayatri Chak­ra­vorty Spiv­ak[37] und Homi Bhabha. In ihrem Kapitel zu Said wird explizit auf seine Pro-Palä­stina-Aktivitäten eingegangen.[38] Sehr problematisch wird es, wenn sie Saids Ideologie zitieren, die arabische Seite solle den Holocaust nicht leugnen, da sie sonst schwerlich ihre eigene heutige Opferrolle betonen könne. Damit sind mit der Anerkennung der Shoah durch die Palästinenser aus Juden Täter geworden, die gegen die Palästinenser so handelten wie früher die Deutschen gegen die Juden.[39] Der tief sitzende und in vielen Schriften Saids vorkommende Antizionismus und seine Ablehnung Israels als jüdischer Staat wird hingegen nicht erwähnt.

Zurück zur Debatte von Alan Posener mit den postkolonialen Autoren Zimmerer und Augstein et al. Es ist klar, dass einem mit antiisraelischen und antisemitischen Invektiven um sich werfenden Jakob Augstein, der nam­ent­lich 2012 das antisemitische Gedicht von Günter Grass feierte, die oben zitierte Leugnung, dass der Holo­caust das schreck­lichste Verbrechen der Geschichte der Menschheit ist, wie Tafari-Ama in der taz sagen durfte, gefällt. Also attackiert er mit seinem Kollegen Angele Alan Posener mit dieser Form des Anti­semi­tis­mus. Die Rede vom „Kultur­kreis“, so Augstein und Angele, ist schon pro­ble­mat­isch und kann das Gleiche meinen wie die Neue Rechte, die vom „Ethno­plura­lis­mus“ spricht: uni­ver­selle Werte gibt es nicht. Das scheint auch hier dahinter zu stecken.

Die Aussage von Tafari-Ama ist eine moderne Form der Holocaustleugnung, eine die nicht strafbar zu sein scheint und in der Forschung kaum je erkannt wird. Eine Softcore-Leugnung mit bestem Gewissen. Wenn der Holocaust lediglich eine Art rassistischer „Ver­schleppung“ war, dann war der Holocaust weder präze­denz­los, noch war sein Ziel, alle Juden zu ermorden, etwas Neues, Nie-Dagewesenes. Diese Auffassung ist offenkundig eine Geschichtslüge. Nie zuvor hat ein Land aus allen Teilen des Kontinents, von Paris über Athen, Berlin, Riga, Belgrad und Kiew Juden aufgespürt, deportiert und vernichtet. Das gab es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Sklaven wurden von Christen wie von Muslimen zu vielen Millionen qualvoll über den Atlantik oder in den Nahen Osten verschleppt – aber nicht, um sie zu ermorden, sondern um sie auszubeuten. Das ist der Unterschied ums Ganze, den postkoloniale Autor*innen, nicht sehen wollen oder können. Kein Mensch kann das Ver­brech­en der Sklaverei oder des Rassismus leugnen, wer es dennoch tut, ist rassistisch. Es ist aber ein anderes und nicht erst neuzeitliches Phänomen und in keinem Fall der Völker­mord an einem bestimmten Volk. Es war kein Völ­ker­mord, sondern brutale Ausbeutung, die häuf­ig im Tode en­dete. Kein Mass­aker der Weltgeschichte, und sie ist voll davon, hat jene Dim­en­sion wie der Holocaust.

Die Leugnung der Präzedenzlosigkeit des Holocaust ist eine sehr weit verbreitete, aber nur sehr selten erkannte, geschweige denn analysierte und kritisierte Form des Post-Auschwitz-Antisemitismus. In der Forschung ist sie ein weltweiter Trend. Die Leugnung der Einzigartigkeit der Shoah ist bei Akademiker*innen wie dem Mob auf der Straße (nicht nur im Nahen Osten oder der muslimischen Welt) weit verbreitet. Ich habe dazu in meiner Studie Antisemitism: A Specific Phenomenon von 2013 ausführlich geschrieben.[40] So nennen im Jahr 2010 zwei Forscher, David Olusoga und Casper W. Erichsen, wie in der Einleitung erwähnt, ihre Studie Kaiser’s Holocaust. Sie be­haupt­en:[41]

„Our understanding of what Nazism was and where its underlying ideas and philosophies came from is perhaps incomplete unless we explore what happened in Africa under Kaiser Wilhelm.“[42]

Erstens ist das falsch und zweitens nicht neu. 1975 hat der Historiker Peter Schmitt-Egner eine Studie über „Kolonialismus und Faschismus“ publiziert und Antisemitismus und den Holocaust nicht als spezifische Phänomene analysiert, sondern die kapitalistische Kontinuität behauptet.[43] Wie weit verbreitet diese Form der Verharmlosung des Holocaust ist, zeigt sich an einem Text des Publizisten Henning Melber im Jahr 1992. Melber bezieht sich auf den „Staatstheoretiker Nicos Poulantzas“ und schreibt:

„Sind Völkermorde und Konzentrationslager in denselben totalitären Raum eingeschrieben und Teil der Wurzeln des modernen Totalitarismus, der die Massenvernichtung zum Bestandteil eines pervertierten Zivilisations- und Kulturverständnisses erhob, gehört die Praxis der deutschen Kolonial­herr­schaft in Südwestafrika zwischen 1884 und 1915 zu den ersten Formen einer solchen Zivilisierung durch Massenvernichtung, die im deutschen Falle ihren Höhepunkt ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der kolonialen Ära im eig­enen Land erfuhr“.[44]

Damit wird die Shoah nicht nur in ihrer Präzedenzlosigkeit geleugnet, vielmehr gesagt, sie sei eine Art „Zivilisierung durch Massenvernichtung“ gewesen. Sechs Millionen Juden wurden demnach ermordet, um sie oder die Länder, in denen sie lebten und wohin sie verschleppt wurden, zu „zivilisieren“. Das ist eine Art Holocaustleugnung, da sie negiert, dass der Grund der Shoah die Vernichtung der Juden war und behauptet, es wäre um eine „Zivilisierung“ gegangen. Auch der Ausdruck „im eigenen Land“ zeigt nur, dass Melber gar nicht bewusst war, dass der SS-Staat alle Juden ermorden wollte. Herausgegeben wurde das von Wolfgang Benz im ersten Jahrbuch für Antisemitismusforschung des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin.

Diese postkoloniale Position Melbers wird derzeit in der Bundesrepublik vielleicht am prominentesten von Poseners Diskussionspartner im Jahr 2017, dem Historiker Jürgen Zimmerer von der Uni Hamburg, vertreten. 2003 behauptete er in einem Artikel, die „Genozide in den Kolonien“ seien in der gleichen „Kategorie“ wie die nationalsozialistische Vernichtungspolitik.[45] 2011 kam dann eine Aufsatzsammlung Zimmerers auf den Markt, die schon im Titel die Leugnung des Nie-Dagewesenen von Auschwitz intoniert, leicht verdruckst mit einem Fragezeichen versehen: „Von Windhuk nach Au­sch­witz?“[46] Er zitiert eine bekannte Stelle von 1947 des amerikanischen Bür­ger­recht­lers W.E.B. Du Bois, der wenige Jahre nach Au­sch­witz behauptete, solche Kon­ti­nui­tätslinien von Kolo­nial­ver­brech­en hin zum Holocaust seien offenkundig und die „weiße“ Welt begehe solche Ver­brech­en schon lange:

„There was no Nazi atrocity – concentration camps, wholesale maiming and murder, defilement of women or ghastly blasphemy of childhood – which Christian civilization or Europe had not long been practicing against colored folk in all parts of the world in the name of and for the defense of a Superior Race born to rule the world.“[47]

Neben Hannah Arendt (1951) hat demnach[48] laut Zimmerer einer der Superstars des Postkolonialismus, Aimé Césaire, 1950 diese ungeheuerliche Passage geschrieben, die ich ja oben bei anderen postkolonialen Autoren schon zitiert habe:

„(…) the humiliation of man as such, it is the crime against the white man, the humiliation of the white man, and the fact that he [Hitler] applied to Europe colonialist procedures which until then had been reserved exclusively for the Arabs, of Algeria, the colonies of India, and the blacks of Africa.“[49]

Der weltweite Aufschrei – welcher eigentlich genau? – nach 1945 sei pure Heuchelei, so Césaire und seine unzähligen Epigon*innen, da die weiße kolo­n­ia­listische Welt die gleichen Verbrechen, die die Deutschen verbrochen haben, schon seit sehr langer Zeit in den Kolonien begangen habe. Es wird auch davon abstrahiert, dass in der BRD das Schweigen über die Verbrechen der Deutschen das neue „Wir“ nach 1945 ausmachte.

Ausblick

Von Whoopie Goldberg zu Alexander Gauland (AfD), der den Holocaust und die Nazi-Zeit als „Vogelschiss“ kleinredet und deutsche Soldaten – ohne die ab 1939 der Holocaust nicht möglich gewesen wäre – „in zwei Weltkriegen“ feiert, ist es nur ein Mausklick. Dazu kommt: Viele Teile der Coronapolitik-Kritiker*innen-Szene, von Achgut bis Reitschuster, kokettieren immer wieder mit der AfD oder zitieren AfD-nahe Agitatoren wie Klonovsky (so Burkhard Müller-Ulrich von „Indubio“ von Achgut). Dabei verabscheuen diese rechten Kreise die rot-grüne Klasse, Antirassismus wie Postkolonialismus. Zwischen Abscheu und luzider Kritik liegen aber halt mitunter Welten.

In Tennessee wurde vor wenigen Wochen der Comic „Maus“ von Art Spiegelman vom Lehrplan genommen. Es wären unflätige Worte darin und es gebe eine Abbildung einer nackten Frau darin (die Mutter von Art Spiegelman, eine Auschwitzüberlebende wie sein Vater, die 1968 Selbstmord beging). Auch Putin habe den Comic 2015 verboten (wegen Hakenkreuzen darin – es ist ein Comic über die Nazizeit aus Perspektive der jüdischen Opfer). Diese Zensur aus Tennessee war der Aufhänger für die Show mit Whoopie Goldberg, die sich zwar wie ihre Mit-Diskutantinnen gegen die Zensur aussprach, aber eben mit einer wiederum antisemitischen, den Holocaust in seiner rassistischen Dimension leugnenden Attacke.

Wie gezeigt, ist die geradezu widerwärtige Ideologie, dass Nazis wie Juden „Weiße“ gewesen seien, längst im Mainstream angekommen. Whoopie Goldberg müsste jetzt von jedem Sender, der sie noch im Programm hat, gefeuert werden. Das wäre ein Beitrag im Kampf gegen den Antisemitismus. Aber die taz zeigt ja auch bis heute – online anklickbar (Stand 01. Februar 2022) -, dass ein Antisemitismus mit allerbestem (schwarzem) Gewissen, der letzte Schrei ist. So wie die taz eine Gesprächspartnerin ohne jede Scham, ja mit Stolz sagen lässt:

„Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.“

, so leugnet Whoopie Goldberg den Rassen-Antisemitismus der Nazis, indem sie „Arier“ und „Juden“ zu „Weißen“ macht.

Mehr als 77 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee steht bei nicht wenigen Menschen auf dieser Erde die Holocaust-Erziehung, steht die Erinnerungskultur noch ganz am Anfang.

Oder aber wir erleben gerade das Ende jeglichen Gedenkens an die Shoah, das im woken Geschwätz schwarzer und postkolonialer Ideologie, das der Universalisierung des Antisemitismus, der zu einem Problem von Weißen und anderen Weißen verdreht wird, untergeht.

Die internationale Antisemitismusforschung und die pädagogischen Programme zum Gedenken an die Shoah stehen vor ganz großen Herausforderungen.

 

[1] Alan Posener (2017): Jürgen Zimmerer relativiert den Holocaust, 24.07.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/07/24/juergen-zimmerer-relativiert-den-holocaust/.

[2] Jakob Augstein/Michael Angele (2018): Vor Auschwitz. War der Genozid an den Herero und Nama eine Blaupause für den Holocaust? Ein Streitgespräch über Rassismus und Antisemitismus, Der Freitag 34/2017, online 08.10.2017, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/vor-auschwitz.

[3] Alan Posener (2017a): Ernst Nolte, Jürgen Zimmerer, Jakob Augstein: Relativierer des Holocausts, 24.10.2017, https://starke-meinungen.de/blog/2017/10/24/ernst-nolte-juergen-zimmerer-jakob-augstein-relativierer-des-holocausts/.

[4] https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/programme/fellowship_internationales_museum/kultur_transfer.html (23.07.2018).

[5] David Joram (2018): „Koloniale Amnesie geht nicht“, 11.06.2017, http://www.taz.de/!5416099/.

[6] Aram Ziai/Daniel Bendix (2017): Rassismus global und in Deutschland. Fünf Thesen, in: Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 319–325, hier S. 325.

[7] Aram Ziai (Hg.) (2016): Postkoloniale Politikwissenschaft. Theoretische und Empirische Zugänge, Bielefeld: transcript Verlag.

[8] Aram Ziai (2016a): Einleitung: Unsere Farm in Zhengistan. Zur Notwendigkeit postkolonialer Perspektiven in der Politikwissenschaft, in: Ders. (Hg.) (2016), S. 11–24, hier S. 12.

[9] Ebd., S. 16, Anm. 4.

[10] „Daniel Bendix, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien der Universität Kassel und Junior Fellow am Kolleg Postwachstumsgesellschaften der Universität Jena. Ferner ist er Mitglied von glokal e.V., einem Berliner Verein für machtkritische, postkoloniale Bildungsarbeit“; Aram Ziai, Dr., ist Heisenberg-Professor für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Universität Kassel. Er ist im Vorstand der Sektion Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Mitglied der Bundeskoordination Internationalismus und aktiv bei kassel-postkolonial.de“, Peripherie, 37. Jg., 2017, Nr. 146/147, S. 375 (ohne Paginierung).

[11] Ziai/Bendix 2017, S. 325.

[12] Kößler sitzt ohnehin in der Redaktion, zudem saß er für diese Nummer in der „Schwerpunktredaktion für dieses Heft“.

[13] https://www.fritz-bauer-institut.de/mitarbeiter-paedagogik.html.

[14] Fritz Bauer Institut (Hg.) (2004): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben im Auftrag des Fritz Bauer Instituts von Irmtrud Wojak und Susanne Meinl, Frankfurt/New York: Campus; Irmtrud Wojak/Susanne Meinl (2004): Einleitung, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 7–18, hier S. 9.

[15] Reinhart Kößler/Henning Melber (2004): Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 37–76, hier S. 40. Auch 2015 bezieht sich Kößler weiterhin auf dieses antisemitische Zitat, dass der Holocaust primär deswegen vom Westen erinnert werden würde, weil die Opfer „Weiße“ gewesen seien, Reinhart Kössler (2015): Namibia and Germany: Negotiating the Past, Windhoek: University of Namibia Press, S. 80.

[16] So z. B. in der Tagungsreihe „Blickwinkel“ von 2011–2018: „‚Blickwinkel. Anti­semitismuskritisches Forum für Bildung und Wissenschaft‘ ist ein Projekt der Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt/ Main) in Kooperation mit dem Pädagogischen Zentrum des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ (Berlin) und des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin“, https://www.stiftung-evz.de/fileadmin/user_upload/EVZ_Uploads/Handlungsfelder/Handeln_fuer_Menschenrechte/Anti
semitismus_und_Antiziganismus/Blickwinkel_2018.pdf (06.05.2018). Die Ankündigung zur Tagung im Juni 2018 zeigt die analytische Hilflosigkeit dieses Projekts, das Antisemitismus nur als „Vorurteil“ unter anderen zu fassen vermag: „Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit – Migrationsgesellschaft, Konkurrenzen, Bild­un­gs­­strategien: Diese Stich­wor­te prägen zunehmend die gesellschaftliche, wissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzung mit Vorurteilen und mit aus­grenz­enden Denk- und Deutungsmustern. Vielfach schwankt die Diskussion zwi­sch­en Eifer und Orientierungslosigkeit, zwischen eindeutigen Positionen und Diff­erenziertheit“, ebd.

[17] Reinhart Kössler (2007): Genocide, Apology and Reparation – the linkage between images of the past in Namibia and Germany, Juli 2007, http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Koessler-Linkages-2007.pdf (10.05.2018).

[18] Jakob Zollmann (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.

[19] Zimmerer 2011, S. 254–289.

[20] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate rev­ie­wed, in: Journal of Namibian Studies, Jg. 1, Nr. 1, S. 109–130, hier S. 110.

[21] Ebd., S. 110.

[22] Birthe Kundrus (2010): Kolonialismus. Imperialismus. Nationalsozialismus? Chancen und Grenzen eines neuen Paradigmas, in: Claudia Kraft/Alf Lüdtke/Jür­g­en Martschukat (Hg.), Kolonialgeschichte. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt/New York: Campus, S. 187–210; Birthe Kundrus (2006): Kontinuitäten, Parallelen, Rezeptionen. Überlegungen zur ‚Kolonisierung‘ des Nationalsozialismus, in: WerkstattGeschichte, Jg. 15, Nr. 43, S. 45–62.

[23] Kundrus 2006, S. 47.

[24] Ebd.

[25] Ebd.

[26] Ebd., S. 49.

[27] Zollmann 2007, S. 118. Der Grund für die postkoloniale Szene, den Mord an Herero und Nama als gewollten Genozid zu betrachten, ist auch ökonomischer Natur, wie Zollmann festhält, ebd., S. 116: „In 2001 former Namibian Minister of Foreign Affairs, Theo Ben-Gunrab, called his German counterpart Joschka Fischer, a racist because German exculpations of guilt had only been addressed to ‚Whites‘. German refusals to pay reparations, on the grounds that the Holocaust/Shoah was particularly singular and cannot be compared with instances of colonial genocide, are thought to be racist by Herero Paramount Chief Riruako because compensation was only given to ‚Jews‘, that is ‚Whites‘. These rather questionable allegations have been taken up on the German side quite vindictively. (…) Yet, the result of this argument is the collapse, on the most basic materialist level, of a distinction between Holocaust and colonial genocide.“

[28] Winfried Speitkamp (2006): Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart: Reclam, S. 186.

[29] Dan Diner (Hg.) (1988): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt am Main: Fischer.

[30] Dan Diner (2007): Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

[31] Über Diners Kritik am Zionismus angesichts des Nationalsozialismus und von Auschwitz (siehe z. B. ebd., S. 24 f.) wäre an anderer Stelle zu schreiben; zu seiner bis heute skandalösen, publizierten Habilitationsschrift von 1980, wo er forderte, Israel solle den „Abbau“ seiner „zionistischen Struktur“ betreiben und binational werden, wie auch über seine heutige Unterstützung von Israel attackierenden, der binationalen Ideologie anhängenden Forscher*innen, vgl. Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin: Edition Critic, S. 70–75.

[32] Diner 2007, S. 81.

[33] Ebd., S. 79 f.

[34] Ebd., S. 108.

[35] https://www.frcps.uni-frankfurt.de/?page_id=200 (05.05.2018).

[36] Maria do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan (2015): Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. 2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage, Bielefeld: transcript Verlag.

[37] Spivak hat sich mehrfach für die antisemitische BDS-Bewegung ausgesprochen, z. B. im Januar 2017 angesichts einer Debatte innerhalb der Modern Language Association in USA, die über BDS abstimmte, siehe dieses Video mit ihr https://vimeo.com/195907261#t=91s (05.05.2018); 2014 unterstützte sie mit Judith Butler und vielen anderen antiisraelischen Aktivist*innen einen BDS-Boykottaufruf, http://hyperallergic.com/wp-content/uploads/2014/06/BDS-Open-Letter-final.
pdf (05.05.2018).

[38] Castro Varela/Dhawan 2015, S. 140–150.

[39] Ebd., S. 144: „Für Said ist sowohl der unhinterfragte Zionismus als auch die Weigerung innerhalb der arabischen Welt, den Holocaust anzuerkennen, zu kritisieren. Wie bereits erwähnt, war eine der Reaktionen auf Saids Kritik [am Osloer Friedensabkommen von 1993, CH] Zensur, die von Zionisten als auch von arabischen Nationalisten gleichermaßen gefordert wurde.“

[40] Zur postkolonialen Ideologie „Von Windhuk bis Auschwitz“ siehe Clemens Heni (2013): Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, S. 132–150; zur Einzigartigkeit des Holocaust ebd., S. 231–283; zur Universalisierung des Holocaust ebd., S. 301–383.

[41] David Olusoga/Casper W. Erichsen (2010): The Kaiser’s Holocaust. Germany’s Forgotten Genocide and the Colonial Roots of Nazism, London: faber & faber. Den Hinweis auf diese Studie verdanke ich Jakob Zollmann. Herzlichen Dank, Jakob.

[42] Olusoga/Erichsen 2010, S. 13.

[43] Peter Schmitt-Egner (1975): Kolonialismus und Faschismus. Eine Studie zur historischen und begrifflichen Genesis faschistischer Bewußtseinsformen am deutschen Beispiel, Giessen/Lollar: Verlag Andreas Achenbach.

[44] Henning Melber (1992): Kontinuitäten totaler Herrschaft: Völkermord und Apartheid in ‚Deutsch-Südwestafrika.‘ Zur kolonialen Herrschaftspraxis im Deutschen Kaiserreich, in: Wolfgang Benz (Hg.), Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1, Frankfurt/New York: Campus, S. 91–116, hier S. 91.

[45] Jürgen Zimmerer (2003): Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 51, Nr. 12, S. 1098–1119, hier S. 1118.

[46] Jürgen Zimmerer (2011): Von Windhuk nach Auschwitz? Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Münster: Lit.

[47] Zitiert nach Zimmerer 2011, S. 16. Er bezieht sich auf einen Artikel von Robin Kelly (1999): „Poetics of Anticolonialism“ im Journal Monthly Review.

[48] Zimmerer 2011, S. 16.

[49] Aimé Césaire (1950): Discours sur le colonialisme, zitiert in Zimmerer 2011, S. 15. Zimmerer zitiert nach Andrew Zimmerman, Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago 2001, S. 246.

Germany alone started WW II – Why is TOI running riot against Yad Vashem?

I am not talking about the speeches or remarks at the event (including troubling facts or completely false numbers of Jewish victims in the Soviet Union by Putin in his speech) in question on January 23, 2020, at the 5th World Holocaust Forum. I am only analyzing the major video of that day (7:45 minutes), which is now attacked by the Times of Israel and Sam Sokol and many others, quoted in Sokol’s piece.

We already know about the attempts of gentiles to distort the Shoah. It started shortly after 1945, when Germans compared Auschwitz to the bombing of Dresden. Then, historian Ernst Nolte wrote in the 1970s that Stalin was first, not Hitler and the Germans. This Red equals Brown has become a major ideology of the European Union in the last few decades.

In 1997, French anti-communist (former Maoist) Stéphane Courtois edited the “Black Book of Communism,” claiming that communism killed many more people than Nazism and the Germans: Communism was worse than the Shoah – that is the antisemitic ideology of that kind of people. Those people deny the unprecedented character of Auschwitz, Sobibor and Treblinka, where for the very first time in world history, an entire people was chosen to be eliminated: Germans wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth. They almost succeeded and killed six million Jews in the Holocaust. Post-colonialism, for those interested in the field, follows an equally troubling denial of the unprecedented character of the Shoah, by the way.

In 2008, the Prague Declaration, signed by Vaclav Havel and Joachim Gauck, along with Czech, Lithuanian and other politicians and activists, urges the EU to rewrite all textbooks and to warn everyone about the evils of both Nazism and Communism. That downplaying of National Socialism is common among many in Europe and the US.

Professor Dovid Katz dealt extensively with the dangerous “double Genocide ideology” of the Prague Declaration, Baltic politics and European activists alike.

It is to some extent news, however, that Jews and Israelis join the chorus of downplaying the role of Nazi Germany when it comes to the Second World War. Sokol claims that the Soviet Union holds a co-responsibility for the outbreak of WWII because of the Hitler-Stalin-Pact from August 23, 1939. That is a lie, though – as Germany wanted to invade and destroy Poland and the Soviet Union and other states in the East anyway. Realpolitik did not change Hitler’s and Germany’s intention to invade Eastern Europe and to kill European Jews, who were seen behind both Western capitalism and Eastern communism.

While it is unclear how many and which videos he talks about, the main video of that event is linked in the article. It is a 7:45 minute video about the development of German antisemitism and the rise of Nazi Germany to power. The video depicts some famous Jews like Einstein, Freud and Walter Benjamin to emphasize the role Jews played in European culture prior to World War II.

It shows how antisemitism spread in Nazi Germany, from boycotts (1933) and harassment to racial laws, the nights of pogroms (Nov. 9, 1938) to deportation, ghettos, starving, torture, murder and extermination. It then shows Sir Winston Churchill who spoke about the importance to stand “together” against Germany.

Then, the video deals with the fact that only an allied pact of the West and East, the US, Great Britain and the Soviet Union was able to fight, stop and finally defeat National Socialism. Correctly, the video says that the Red Army was the first one to fight back against the Germans.

From the time of the Nazi invasion of the Soviet Union in June 1941 through to the first landings at Normandy in June 1944, millions of Soviet troops and citizens perished in the battle to push the Nazi armies back. D-Day, June 6, 1944, is correctly shown as the start of the major Western front against the Germans, alongside the Eastern front and the Soviet Union that had been fighting effectively from later 1941 onward.

On July 24, 1944, the Red Army liberated the extermination camp of Majdanek, without realizing, before their entry, the unspeakable catastrophe of the Holocaust that transpired there. Then, the Holocaust of Hungarian Jews in some two months in 1944 is reported, with 450.000 Jews being exterminated. Tens of thousands of Jews would then die in the death marches (from the camps westward to Germany).

The video clearly shows the Allies working together in the liberation of Europe. The Red Army liberated Auschwitz-Birkenau, the US Army Buchenwald and Dachau. British troops liberated Bergen-Belsen. The fall of Berlin (to the Soviet and American armies) and the liberation of Theresienstadt ended the war against Nazi Germany.

I had seen that video — which is linked in the TOI article by Sam Sokol —when it was screened in Jerusalem via the Yad Vashem livestream. I have watched it again now: What is the problem with that accurate video? As in any concise synopsis, many things are of necessity left out. But, it rightly explains how the Allies, including, and most importantly in the actual history as it unfolded, the Red Army, liberated Europe from Nazi Germany and indeed, how Auschwitz was liberated on January 27, 1945.

Obviously Holocaust distorting people with a political agenda to “equalize” Nazi and Soviet crimes as per the far right’s campaign led by East European governments, now notice that the Hitler-Stalin pact of August 23, 1939, is missing. Well, for that matter, so are the capitulations of Chamberlain at Munich and all the others. It has nothing to do with January 27, 1945.

Some might see Yad Vashem as nothing but a loudspeaker of Bibi Netanyahu, and I share skepticism about his policies, no doubt about this. However, this is a huge fight about how to commemorate the outbreak of WWII.

If Sokol and his allies succeed in saying that it HAS TO BE MENTIONED that there was the Hitler-Stalin pact when it comes to Auschwitz – antisemitism has succeeded in bringing even Jewish and Israeli scholars and activists in line with right-wing extremist revisionism.

Why? Because that is an antisemitic and far-right revisionist narrative, modified in fine Western style from its far-right East European originators by historian Timothy Snyder, former German President Joachim Gauck and right-wing extremist historians such as Jorg Baberowski of Germany.

The same people say that fact that Poland was occupied by the Soviets is missing!

Yes, after war’s end, completely true. But what has that got to do with a film about defeating Nazi Germany and liberating Auschwitz?

To focus on crimes by Stalin not as a separate issue, but mixed up with the Holocaust, is wrong and historically misleading. It is precisely what German antisemites since Ernst Nolte tried to pursue: both sides are evil, Nazis and Communists, everything is the same, one big mishmash.

Stalin committed many horrendous crimes. These crimes, though, have literally no place in a video dedicated to the liberation of Auschwitz-Birkenau. The video does not focus on the failure of the US or Great Britain. – It could have mentioned the widespread antisemitism in America and Britain, the closure of the US border as well as Palestine by the British.

However, the aggressive tone of Sam Sokol and many historians he quotes – from Deborah Lipstadt to Dan Michman and even Efraim Zuroff – speaks volume about the intention to follow the revisionist narrative: Red equals Brown. Sokol goes so far and writes:

The videos presented at the ceremony — which was attended by dozens of world leaders, among them Russian President Vladimir Putin — focused almost exclusively on the Soviet Union’s role in defeating the Nazis, while downplaying the role of America, Britain, and other countries. They also failed to mention Joseph Stalin’s deal with Adolf Hitler in the Molotov–Ribbentrop Pact that preceded the war, Russia’s occupation of parts of Poland, and other facts uncomfortable for Moscow.”

As shown, that is simply incorrect – that video does indeed emphasize the role of the allies! Watch it and you will see.

If Jews now start using anti-Jewish historical revisionism such as that of Ernst Nolte, claiming that Stalin was first or at least as evil as Hitler – then Yad Vashem should stand strongly and clearly against the revisionists.

This is not about belittling the evil intentions of the Stalin-Hitler pact. It is about the misrepresentation by that pact by those in the far right East European antisemitic camp, and their followers in the West, to elevate it to a Holocaust-grade event as part of the effort to downgrade the Holocaust. Many Jews are alive today in Eastern Europe and beyond because from Sept 1, 1939 onward, their forebears escaped from the Nazi to the Soviet held sectors.

It is time for the West, Israel and Yad Vashem to understand which modes of discourse signal the very revisionism that is anathema to all that Yad Vashem stands for.

Finally, let me teach you a lesson about fascism in the 21st century: a few days ago, February 5, 2020, the fascist Björn Höcke and the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD) voted in favor of the candidate for the head of the State of Thuringia (some 2 million inhabitants) from the conservative-libertarian FDP, a no-name called Kemmerich. Mr. Kemmerich even accepted the vote after it was clear that he did only win because of the votes by the fascists. Shake-hands with wannabe-Goebbels Björn Höcke followed. Shockwaves through the democratic parts of Germany. That was the first time that a Nazi like party voted for a Prime Minister of a German state since 1945 and their vote was crucial. A few days later, the FDP politician had to resign, due to political pressure from the ruling Christian Democratic Party and the FDP, while both parties had supported Kemmerich just a few hours before!

The main reason for the Conservatives and the libertarian-conservatives to vote alongside with the fascists of the AfD was to avoid the left-wing Prime Minister of Thuringia, Bodo Ramelow from the Party of the Left, who is rather a Social Democrat. The fascists and conservatives frame him as “communist” or “socialist” and preferred fascism over communism or socialism.

Those Israeli journalists or Jewish-American and other historians who claim that the Soviet Union allegedly played a pivotal or any role in the outbreak of World War II follow the very same kind of what I call “existential anti-communism.”

Those who want so speak about the crimes of communism when asked about the liberation of Auschwitz, distort the worst crime in history and follow antisemitic revisionism.

The video in question by Yad Vashem is a video dedicated to teach a big audience about the liberation of Auschwitz and that video is correct in not at all focusing on Soviet policies in other aspects, it does equally not focus on the failure of the US and Great Britain to stop Hitler and the Germans long before September 1, 1939.

Sam Sokol seems to be following the very European antisemitic trope of equating Red and Brown and I am wondering why and if historians such as Deborah Lipstadt (““I am absolutely heartbroken that Yad Vashem, which has such a stellar reputation and stayed above the political fray, should have become part of this politicization of history,” she lamented), Dan Michman (“Unfortunately, the short films that accompanied the event, and especially the film that was meant briefly to present the key points of World War II and the Holocaust, included a number of inaccuracies that resulted in a partial and unbalanced presentation of the historical facts”), or Efraim Zuroff (“Yad Vashem has never engaged in Holocaust distortion; exactly the opposite,” commented Efraim Zuroff, a Nazi-hunter who runs the Simon Wiesenthal Center’s Jerusalem office, surmising that the “material was not reviewed by the leading historians of Yad Vashem” before being presented publicly”) play that game, as he quotes them accordingly.

It is not by accident that historian Dina Porat did not say anything in public so far, which is sad, because she could perhaps tell us a different story about that very video by Yad Vashem.

Nazi Germany was all alone responsible for the outbreak of World War II.

Germans wanted the war, they wanted to invade Poland, the Soviet Union and all of Europe. They wanted to eradicate Jews and Judaism from the earth.

To even mention Soviet or other realpolitik when it comes to the anniversary of the liberation of Auschwitz-Birkenau and to insinuate September 1, 1939 was not Germany’s responsibility alone, promotes an old right-wing extremist lie.

Everybody who rejects the historical truth of the German and only German guilt of starting World War II is part of the problem.

Dovid Katz puts it splendidly:

While the Soviets’ 1939 invasion of eastern Poland was one of thousands of disgraceful and contemptible invasions in world history, it was not “the same” as Hitler’s 1939 invasion of western/central Poland. In the German sector, Hitler’s forces unleashed the Holocaust, the worst genocide in the history of humankind. In the Soviet sector, all of the various peoples were granted full equality to live equally under (lousy, autocratic, freedom-stifling, wealth-stealing) Soviet law. Any Jew that could flee to the Soviet sector was quick to do so. Many thousands of Jews today exist on the planet precisely because their parents, grandparents and others fled to the Soviet sector.

https://blogs.timesofisrael.com/germany-alone-started-ww-ii-why-is-toi-running-riot-against-yad-vashem/

JETZT lieferbar: Clemens Heni – Eine Alternative zu Deutschland. Essays (*Leseprobe * Inhaltsverzeichnis)

JETZT lieferbar:

Clemens Heni

Eine Alternative zu Deutschland. Essays

 

Berlin: Edition Critic, 2017

ISBN 978-3-946193-17-3 | Softcover | 14,8x21cm | 262 Seiten | Personenregister | 15€

Bestellbar in jeder Buchhandlung oder versandkostenfrei direkt beim Verlag:

info[at]editioncritic.de

 

Dieses Buch ist eine intellektuelle Zeitreise von Juli 2006 bis September 2017.

Es zeigt auf, wie es vom »Sommermärchen« 2006 über die Rede vom »Inneren

Reichsparteitag«, Pegida, den Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit), die

Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten bis hin zum Aufstieg der AfD kommen

konnte. Betont wird die Verantwortung der Medien und des Fernsehens für

diesen Aufstieg. Die demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag müssen

sich das erste Mal in der Geschichte mit neonazistischen Positionen im Parlament

befassen – doch sind sie darauf vorbereitet?

 

»Wer nach einer Vergewisserung sucht, wo Deutschland heute steht, wird sie in diesem Buch finden. Mit scharfem Verstand und mit angespitzter Feder zeichnet Clemens Heni funkelnde Momentaufnahmen der letzten elf Jahre. Heraus kommt, wie bestürzend sich die zivile Achse des zuvor offenen Selbstverständnisses nach rechts verschoben hat. Wer die Hoffnung auf eine bessere Zukunft teilt, muss die Gegenwart schonungslos kritisch beleuchten. Daraus mag ›eine Alternative zu Deutschland‹ entstehen.«

Gert Weisskirchen, 1976–2009 Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB), 1999–2009 außenpolitischer Sprecher SPD Bundestagsfraktion, 2006–2008 persönlicher Beauftragter des OSZE Vorsitzenden im Kampf gegen  Antisemitismus, Prof. (em.).

»Clemens Heni erkennt in der aktuellen politischen Kultur dieses Landes noch immer die Spuren des Judenhasses und des von Deutschen begangenen und zu verantwortenden Mordes an den europäischen Juden. Ohne mit Heni in allen Fällen übereinzustimmen, führen seine Beiträge doch ins Herz der aktuellen Debatte über Deutschland und regen zu fruchtbarem Widerspruch an.«

Prof. Dr. Micha Brumlik, 2000–2013 Professor für »Theorien der Bildung und Erziehung « am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main, 2000–2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts, Forschungs- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust an der Goethe Universität.

»Wo nationalistische Töne sich erheben, ein Schlussstrich unter die deutschen Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts gefordert und Judenhass zu einer scheinheiligen Kritik an Israel sublimiert wird, holt Clemens Heni zum grossen Rundumschlag aus: gegen Zyniker, Großaffirmatoren, Antihumanisten und Holocaustverharmloser im Deutschland der Gegenwart. Selbst wenn man ihm nicht immer folgen mag, schreibt er doch mit viel Scharfsinn und Sachkenntnis. Fazit: Unbedingt lesenswert und gerade vor dem Hintergrund der Bundestagswahl von brennender Aktualität.«

Dr. phil. Michael Kreutz, Politologe und Orientalist

»Clemens Heni ist ein Ein-Mann-Korrektiv zum andauernden deutschen Geschichts-Roll-Back, wach, intelligent, unerlässlich in Zeiten der schwächelnden Demokratie.«

Georg Diez, Spiegel-Online-Kolumnist, Buchautor, 2016/17 Nieman Fellow der Harvard Universität, USA

Clemens Heni Eine Alternative zu Deutschland 2017 Inhalt Einleitung (PDF):

Einleitung  7

Das nationale Apriori: Wie aus der BRD endgültig Deutschland wurde  12

Ein deutsches Graduiertenförderungswerk, 2002:  ein Küchlein mit Folgen  13

Ein weiteres deutsches Graduiertenförderungswerk, Juni 2006:
Ich bin deutsch und was bist du?  14

Walk of Ideas, Berlin 2006  15

„Die Nazis wurden doch sportlich, 1936“ – Neu-deutsche Wissenschaft als Rehabilitierungsübung für den Nationalsozialismus  16

Weitere Beispiele ‚linker‘ Wissenschaftler und deren  Verharmlosung der deutschen Verbrechen  21

Das Opfer bringen und singen: „Blüh im Glanze“  „deutsches Vaterland“ –
von Diem zu Klinsmann  22

Keine „Reue“ zeigen: Gegen „amerikanischen Messianismus“ –  Matusseks nassforsche Invektiven oder wie funktioniert  sekundärer Antisemitismus?  25

Joachim Fests Kampf: Über Historismus und Antisemitismus  26

Ästhetizistische Parallelwelten: K.H. Bohrer möchte wieder ein stolzes Deutschland …   29

Deutsche Lust: Zusammen, was zusammengehört: Nation und Sozialismus – „Volkslust“… 32

Kritik an Broders Rechtsruck 2007  35

Martin Mosebach: Gegenaufklärung als sekundärer Antisemitismus  39

„Rheinischer” Revisionismus? Journalisten verlegen Beginn des Zweiten Weltkriegs auf 1935  41

Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“  45

Karl Rössel, der Mufti, und die Aporien des Antiimperialismus  45

Merkwürdiger Komparatismus: Harald Welzer  50

Antisemitismus trivialisieren? Fragen an den Facebookexperten Götz Aly  52

Das ZDF oder wenn Deutsche zu sehr lieben: „Innerer Reichsparteitag“  56

Das grüne Ressentiment: Die Grünen, Paul Bonatz, die „Adolf-Hitler-Kampfbahn“, Stuttgart 21    59

Stuttgart ist keine „Vorstadt von Jerusalem“… Paul Bonatz, der NS und Die Grünen (K21)  61

Erinnern, um zu vergessen: Alfred Grosser  66

„Ausgerechnet Billy Wilder“ – Christian Wulff, die „deutsche Kultur“ und der Holocaust 68

Flanierend die Verbrechen des Nationalsozialismus goutieren  69

Antisemitismus und die Prager Deklaration  75

Banalisierung des Bösen: Hannah-Arendt-Preis für die Trivialisierung des Holocaust 2013  78

Die „Bloodlandisierung“ der Linken am Beispiel Helmut Dahmer  83

Özgida – eine antirassistische Antwort auf Pegida  86

32 Thesen: Pegida zeigt den Extremismus der deutschen Mitte  90

2014: Ein Land gefangen zwischen Islamismus und dem Extremismus der Mitte  95

Exkurs: War Deutschland Teil des Abendlandes?  96

Auschwitz, 27. Januar 1945  98

Eike Geisel und die Erinnerung an den Holocaust 103

Die „Klimaverschärfung“ – AfD und Pegida machen das Land peu à peu unbewohnbar  108

Das Ende des Ludwig-Börne-Preises – Der „post-humanistische Denkraum“ Peter Sloterdijks  116

AfD für „Alphabetisierte“: Peter Sloterdijk am Sinai auf einem „deutschen Weg“  127

Die ganz normalen Deutschen des 13. März 2016  133

Gegen das Brexit-Volk des 23. Juni 138

Deutsche Männer mit Schnappatmung – Zur Kampagne gegen die
Amadeu Antonio Stiftung  142

Von der SED zur AfD? Für die Neue Rechte war die DDR schon
1981 besonders „deutsch“  145

16 Jahre NSU, 15 Jahre 9/11: Deutschland zwischen braunem und grünem Faschismus  150

Schaut auf diese Stadt: Nazis, die AfD und der Mob in Berlin vor dem Einzug ins Parlament 152

Auschwitz und andere Gemeinheiten. Carolin Emcke bekommt den Friedenspreis  159

Ein Präsident für die antiwestliche Internationale  167

Die neue Querfront – Mit Hegels „List der Vernunft“ für Trump … 175

Stalingrad, „monströser Zivilisationsbruch“ –

Die Wiedergutwerdung der Deutschen in Aleppo  184

Der Trumpismus, die Fratze des Philoisraelismus und die Chance
des säkularen Zionismus  188

Amerikas 1933 und die „identitäre Demokratie“ (=Faschismus)  192

Locker bleiben. Es ist lediglich der mächtigste Mann der Welt, der
den Faschismus intoniert 194

Erlösendes Gedenken, Norbert Lammert, die „wechselvolle“ deutsche Geschichte  200

Freiheit für Deniz Yücel – Jetzt sofort! Power durch die Mauer, bis sie bricht! 204

G20-Proteste: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ (Brecht)  206

Koscherstempel für faschistische Autoren: Die Berliner Buchhandlung „Topics“  209

Holocaustopfer, schwarzrotgold: Gerhard Richter im Bundestag  214

„Ist doch für einen guten Zweck“: Mafia-Methoden im politischen Diskurs  214

TV-Duell: AfD-Propaganda-Show führender TV-Journalist*innen in
ARD, ZDF, RTL und Sat1  217

Endnoten  223

Personenregister  256

Lesprobe:

Einleitung

Für „Otto Normalvergaser“ wie die Politiker*innen und Wähler*innen der Alternative für Deutschland (AfD) „ist die Welt von gestern noch in Ordnung gewesen“.[1] Das zeigt sich an der Parteivorsitzenden Frauke Petry, die das Wort „völkisch“ wieder verwendet, an dem ehemaligen (1973–2013) CDU-Mitglied und AfD-Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl 2017, Alexander Gauland, der „stolz“ ist auf die deutschen Soldaten im „Ersten und Zweiten Weltkrieg“ und an Björn Höcke, für den das Holocaustmahnmal ein „Mahnmal der Schande ist“. Die Welt am Sonntag berichtete am 9. September 2017 über einen E-Mail-Wechsel der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel von 2013, worin es über Mitglieder der Regierung Angela Merkel heißt:

„Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen.“[2]

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017 führt das erste Mal dazu, dass Neonazis im Deutschen Bundestag sitzen werden. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sprach im Vorfeld von der Gefahr, dass „echte Nazis“ im Parlament vertreten sein werden.[3] Der 24. September 2017 war der schlimmste Tag für die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik. Die 12,6% Stimmen für die AfD zeigen die Fratze des Volkes. Die Millionen AfD-Wähler*innen wissen, wie völkisch, rassistisch, nationalistisch, agitatorisch und antisemitisch diese Partei ist und haben sie gerade deshalb gewählt.

Dieses Land braucht eine Alternative zu Deutschland. Es war noch vor fünf Jahren undenkbar, dass eine Partei in den Bundestag einziehen wird, die „Deutschland erwache“ twittert,[4] so wie damals die Nazis mit diesem Spruch agitierten. Eine Partei, die Politiker hat, die so reden wie Goebbels und die Erinnerung an den Holocaust nicht nur abwehren, sondern im Kokettieren mit dem damaligen Propagandaminister die Shoah gar nicht so klammheimlich affir­mieren. Eine Partei, die deutschen Staatsbürgerinnen die Staatsbürgerschaft abspricht und diese in „Anatolien entsorgen“ will. Schließlich eine Partei, die Mitglieder hat, welche die gefährlichste aller antisemitischen Verschwörungsmythen, die Protokolle der Weisen von Zion, unterstützen.[5] Der Mob schreit „Volksverräter“, „Lügenpresse“ oder „Merkel muss weg“, wie es auf Wahlkampfveranstaltungen der AfD passierte, und möchte die Kanzlerin wegputschen und die Demokratie zerstören. Solche Neo-Nazisprüche und -Ideologie gibt es schon seit Jahrzehnten – aber niemals im Deutschen Bundestag als Teil der Ideologie einer ganzen Partei. Dazu kommen eine ungeheuerliche Agitation gegen die Demokratie und Gewaltfantasien, die rechte Aktivisten von Pegida und Politiker*innen der AfD und deren Anhängerschaft in den sozialen Medien äußern.[6] Wie Bundesjustizminister Heiko Maas knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl schreibt, ist die AfD „in Teilen verfassungswidrig.“[7] Doch die Alternative für Deutschland (AfD) entstand nicht in einem Vakuum, sondern ist Ausdruck eines lang andauernden Prozesses der Renationalisierung dieses Landes wie auch Europas und des Westens. Rassismus, Separatismus und die Hinwendung zum „Eigenen“ sind schockierender Aus­druck sowohl des Brexit im Juni 2016, dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU, wie der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten im November 2016.

Die deutsche Renationalisierung kann hier nicht in allen Einzelheiten untersucht werden. Die jüngste Form der Renationalisierung war ein Epochenbruch: 2006. Eine Kernthese dieses Bandes lautet: Ohne das „Sommermärchen“ von 2006 und den schwarzrotgoldenen Taumel, ohne die „inneren Reichsparteitage“ und gegenintellektuelle Stimmungsmache für mehr Nation und weniger Reflektion, mehr Stolz auf die deutsche Geschichte und weniger Gesellschaftskritik, wäre es nicht zu Pegida und zur Katastrophe der völkischen AfD gekommen. Die AfD hat am Wahlabend die deutsche Nationalhymne gesungen,[8] es ist die gleiche Hymne, die schon zu Nazizeiten gesungen wurde.

Es sind krasse Zeiten. Wir können mittlerweile wählen, ob wir den braunen, nazistischen, oder lieber den grünen, islamistischen Faschismus bevorzugen. Zwischen diesen beiden Polen ist der Westen derzeit gefangen. Der jihadistische Terrorismus, der Islamismus, das Ressentiment auf die westliche Welt, der Antiamerikanismus, der Antisemitismus und der Israelhass des 11. September 2001 veränderten die Welt. Seit jenem Tag wachen wir jeden Morgen auf, und wissen nicht, ob wieder ein jihadistischer Anschlag passierte, ob auf Bali, im Irak, in Syrien, Afghanistan, den USA, Frankreich, Dänemark, Berlin, Tel Aviv, Jerusalem, Brüssel, Toulouse, London, Manchester, Madrid, Djerba, Barcelona, Nizza und unzähligen weiteren Orten. Seit über 16 Jahren geht das so und es ist kein Ende in Sicht. Weltweite massive Sicherheitsvorschriften an Flughäfen, das unwillkürliche Aufmerksamwerden auf isoliert herumstehende Koffer, Taschen oder Rucksäcke an Bahnhöfen, Flughäfen und sonst im öffentlichen Raum waren vor 9/11 nicht denkbar. Unser Blick auf die Realität hat sich verändert. Dazu kommt in der Bundesrepublik ein noch viel heftigerer, massenwirksamerer und seit dem 24. September 2017 auch bundespolitisch mit enormen Konsequenzen und einem Machtzuwachs nie geahnten Ausmaßes ausgestatteter nationalistischer, rechtsextremer und neonazistischer Aufbruch.

Das Volk ist nicht „abgehängt“ oder „perspektivlos“, nein, das Volk ist durchaus böse, rassistisch, antisemitisch, dumpf, brutal und abstoßend. Das zeigt sich nicht nur an Tomaten- wie Verbalattacken auf Angela Merkel bei Wahlkampfauftritten während des Bundestagswahlkampfes 2017 oder bei den Pegida Demonstrationen seit Oktober 2014, sondern zum Beispiel auch im Sommer 2017, als in einem ganz normalen westdeutschen Dorf bekannt wurde, dass dort seit 83 Jahren eine „Hitlerglocke“ im Kirchturm hängt und der Pfarrer (aus musikalischen Gründen, klar) wie der Bürgermeister total „stolz“ sind auf ihre Glocke mit der Inschrift „Alles fuer’s Vaterland. Adolf Hitler“ und darunter befindet sich ein dickes Hakenkreuz. Das hat seit 1945 keinen Menschen in diesem ganz normalen deutschen Dorf in Rheinland-Pfalz (Herxheim am Berg) gestört.

Diese beiden Großthemen, Jihad und der stolzdeutsche Aufbruch, das „nationale Apriori“ der Deutschen, bestimmen in weiten Teilen die politische Kultur, möchte man meinen. Wer aber am 3. September 2017 das einzige TV-Duell der beiden Kanzlerkandidat*innen zur Bundestagswahl am 24. September auf den vier größten Fernsehkanälen ARD, ZDF, RTL und Sat1 gesehen hat, traute seinen Augen und Ohren nicht mehr. Da wurde weit über die Hälfte der Sendezeit nur gegen Nicht-Deutsche gleichsam agitiert, die Fragen hörten sich an, als wären alle vier Fragenden direkt von der AfD bestellt gewesen. Die Gefahr des Rechtsextremismus wurde verleugnet. Die Medien haben eine Hauptverantwortung für den Aufstieg der AfD. Der Journalist Georg Diez resümiert am Vormittag des 24. September 2017:

Die Erfolge der AfD haben auch die Plasbergs dieser Welt mitzuverantworten. Denn die öffentlich-rechtlichen Talker haben den reaktionären Kräften schon früh und dann immer wieder eine Bühne geboten.“[9]

Die AfD hat es in zwei Jahren, seit Beginn der „Flüchtlingskrise“ Anfang September 2015, geschafft, dieses Thema als das zentrale Thema des ganzen Landes durchzusetzen, auch wenn im Spätsommer 2017 kaum noch Flüchtlinge nach Deutschland und Europa durchkommen, da die Abschottung jetzt schon in Afrika beginnt. Die Renationalisierung, die in dieser Aggressivität nie dagewesene nationalistische Rede, wurde von der AfD in den Mainstream gebracht und die Medien nahmen das geradezu dankbar und begierig auf. Aufgrund dieses In-die-Zange-Nehmen der westlichen Welt durch den braunen und grünen Faschismus verschwinden andere Themen oft. Der Klimawandel, der von US-Präsident Donald Trump und seinen deutschen Fans geleugnet wird, aber auch viel weiter gefasste Themen wie Entschleunigung, Ökologie und das Mensch-Natur-Verhältnis, vom Atomausstieg über Braunkohleabbau, Windkraft oder Solarenergie hin zum Dieselskandal, der nur die Wahrheit auf den stinkenden Punkt bringt, dass der Kapitalismus nicht zum Vergnügen da ist, sondern zur Profiterzielung. Themen wie das Grundeinkommen, ungebremste Mietsteigerungen in Großstädten und Ballungsräumen, prekäre Arbeitsverhältnisse für die gut und sehr gut Ausgebildeten, Minijobs und Mehrfachjobs für alle und sicherlich die neoliberale Deregulierung vieler Ge­sell­schaftsstrukturen wie die Internalisierung der Imperative des Kapi­ta­lis­mus: Das wären alles sehr wichtige Themen, die aber seit 9/11 und dann seit 2006 sowie später weltpolitisch durch die Wahl Trumps wie den Aufstieg der AfD massiv überlagert werden durch diese beiden Großthemen brauner versus grüner Faschismus.

Dazu kommt: Die Entpolitisierung ist prägend für weite Teile dessen, was früher einmal als „bürgerliche Mitte“ wie auch „die Linke“ (jenseits der Partei) bezeichnet wurde. Unabhängig von bezahlten Jobs in NGOs gibt es nur noch sehr wenige politisch aktive Menschen, die grundsätzliche Fragen an die Gesellschaft stellen und nicht nur Einpunktbewegungen anhängen. Jene, die sich in den letzten Jahren massiv politisiert haben, sind die Völkischen oder „besorgten Bürger“. Der Antisemitismus wird äußerst selten zu einem zentralen Thema der Kritik gemacht. Daher versuchen die Essays in diesem Band ganz unterschiedliche Aspekte des heutigen Antisemitismus zu thematisieren und sie am Beispiel von teils zentralen Akteuren oder Ereignissen im politischen, wissenschaftlichen wie kulturellen Feld zu analysieren. Wenn zum Beispiel ‚linke‘ Aktivisten oder Künstler aktiv werden, sieht das heute so aus: Auf der documenta14 in Kassel sollte es im Sommer 2017 eine Aktion geben mit dem Titel „Auschwitz on the Beach“. Dabei sollten Salzwasser mit Zyklon B und Flüchtlinge mit Juden verglichen und gleichgesetzt, sowie darüber hinaus die europäischen Gesellschaften und Israel als neue „Gauleiter“ zu den Nazis von heute gemacht werden.[10] Diese Abwehr der Er­inn­er­ung an die präzedenzlosen Verbrechen der Shoah geschieht mit dem best­en linken Gewissen, was sich darin zeigte, dass der Event zwar aufgrund von Protesten abgesagt wurde, aber ohne eine inhaltliche Distanzierung der documenta-Leitung von diesem doppelten Antisemitismus. Es handelte sich um einen Antisemitismus, der die Erinnerung an den Holocaust für politische Zwecke instrumentalisiert und zudem noch antizionistisch agitiert. Dann gibt es mittlerweile ‚Linke‘, selbst Kritiker solcher Events auf der documenta, welche die Agitation gegen den Islam als fortschrittlich empfinden und den Rechtsextremismus der AfD schlicht verdrängen. Das ist auch bei vielen Trump-Anhängern so, die sich zuvor als liberal oder links tarnten.

Wie der Spiegel Online Kolumnist Georg Diez wenige Wochen vor der Wahl schrieb, kann man sehen, wie seit Jahrzehnten in Deutschland

„der Diskurs mehr und mehr nach rechts verschoben wurde, von Martin Walsers Paulskirchenrede über Thilo Sarrazin bis zu den Untergangsfantasien von Botho Strauß. In der Sprache von Peter Handke könnte man sagen, es waren Zurüstungen für die Unmenschlichkeit.“[11]

Die Essays in diesem Band spannen einen Bogen vom „Sommermärchen“ 2006 über den „Inneren Reichsparteitag“ (2010) hin zu Pegida (2014), den Brexit, die Wahl Trumps (2016) und den Aufstieg der AfD zur ersten Partei mit Neonaziideologie im Deutschen Bundestag (2017). Während es Hunderte ehemaliger NSDAPler im Bundestag und anderen Parlamenten seit 1949 gab,[12] werden ab September 2017 erstmals neue Nazis im Bundestag sitzen. Die Essays[13] in diesem Band umfassen eine Zeitspanne von Juli 2006 bis September 2017 und können als eine Art intellektuelles Tagebuch betrachtet werden. Mögen sie zur Kritik und Reflektion, zum Nachdenken über eine Alternative zu Deutschland anregen.

[1] Eike Geisel (1998): Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer. Die Nationalisierung der Erinnerung, Berlin: Edition Tiamat, 69.

[2] Sven-Felix Kellerhoff/Martin Lutz/Uwe Müller (2017): „Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte“, Die Welt, 09.09.2017, https://www.welt.
de/politik/deutschland/article168480470/Diese-Schweine-sind-nichts-anderes-als-Marionetten-der-Siegermaechte.html (18.09.2017); „Die WELT AM SONNTAG hält an ihrer Berichterstattung über die Mail in vollem Umfang fest. Der Redaktion liegt eine eidesstattliche Versicherung des E-Mail-Empfängers vor. Um Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit auszuräumen, könnte Weidel ihrerseits bei Gericht eine eidesstattliche Versicherung einreichen, in der steht, was zuvor schon der Anwalt behauptet hatte: Dass sie den Text nicht verfasst hat. Doch dies hat sie bisher nicht getan. Die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt wird nach dem Strafgesetzbuch mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe geahndet“, Martin Lutz/Uwe Müller (2017): AfD-Spitzenkandidatin Weidel spricht nicht mehr von Fälschung, Die Welt, 15.09.2017, https://www.welt.de/politik/deutschland/article168695526/AfD-Spitzenkandidatin-Weidel-spricht-nicht-mehr-von-Faelschung.html?wtrid=socialmedia.
email.sharebutton (18.09.2017); „AfD-Spitzenkandidatin Weidel plötzlich kleinlaut. Ein Bericht über eine Wut-Mail hat die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel erzürnt. Sie sprach von einer Fälschung. Doch davon ist jetzt keine Rede mehr“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.2017, http://www.faz.net/aktuell/politik/wut-mail-afd-spitzenkandidatin-weidel-ploetzlich-kleinlaut-15202774.html (18.09.2017).

[3] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl/alle-schlagzeilen/gabriel-attackiert-afd-echte-nazis-am-rednerpult/20315768.html (16.09.2017).

[4] http://www.jc-courage.de/wp-content/uploads/2017/02/Die_AfD_in_Koeln.pdf (16.09.2017), 11; http://www.rp-online.de/nrw/panorama/koelner-hauptmann-und-afd-politiker-soll-ns-parole-getwittert-haben-aid-1.6807113 (15.09.2017): „Die Linken-Politiker werfen [Hendrik] Rottmann vor, am 29. Januar auf Twitter eine Meldung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, mit den Worten ‚Deutschland erwache‘ kommentiert zu haben – eine Parole, die im Dritten Reich von der Nazi-Organisation SA benutzt wurde. Ein Screenshot des Tweets liegt unserer Redaktion vor – der Twitter-Account, von dem der umstrittene Spruch abgesetzt worden sein soll, existiert nicht mehr.“

[5] So Wolfgang Gedeon aus Baden-Württemberg, siehe dazu meine Analyse: Germany’s Hot New Party Thinks America Is ‘Run by Zionists’, Tablet Magazine, 1. August 2016, http://www.tabletmag.com/jewish-news-and-politics/209243/germanys-hot-new-party (24.09.2017).

[6] „Alle Tünche, die Pegida am Anfang noch trug, war in den sozialen Netzwerken schnell hinfällig. In der scheinbaren Anonymität des WorldWideWeb oder in geschlossenen Facebook-Gruppen, in denen man sich unter sich glaubte, nahmen Mitglieder des Pegida-Orgateams kein Blatt mehr vor den Mund. Verfolgte man Bachmanns inzwischen gelöschten Twitter-Account, der auch in die Zeit vor Pegida zurückreicht, so stieß man auf vulgären Rassismus und Homophobie. Beispielsweise twitterte er am 6. September 2013 über die Grünen: ‚Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen! … allen voran Claudia Fatima Roth!‘“ (Lucius Teidelbaum (2016): Pegida. Die neue deutschnationale Welle auf der Straße, Münster: Unrast, 31); Die Hannoversche Allgemeine berichtet am 10. September 2017: „Von der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel soll eine E-Mail mit rassistischen Bemerkungen und Demokratie-verachtenden Thesen aufgetaucht sein. Die AfD bestreitet allerdings in Weidels Namen, dass sie die Autorin ist. Die ‚Welt am Sonntag‘ berichtet jedoch, ihr liege eine eidesstattliche Versicherung des Mail-Empfängers, eines früheren Bekannten Weidels, vor. Der Zeitung zufolge heißt es in der E-Mail vom 24. Februar 2013 in Originalschreibweise: ‚Der Grund, warum wir von kulturfremden Voelkern wie Arabern, Sinti und Roma etc ueberschwemmt werden, ist die systematische Zerstoerung der buergerlichen Gesellschaft als moegliches Gegengewicht von Verfassungsfeinden, von denen wir regiert werden.‘ Zudem werde in dem Schreiben die Bundesregierung von Angela Merkel (CDU) verunglimpft: ‚Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen‘, zitiert das Blatt weiter“, http://www.haz.de/
Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Diese-Schweine-sind-nichts-anderes-als-Marionetten (11.09.2017). Der Ex-AfDler Holger Arppe aus Mecklenburg-Vorpommern hat Pro-Nazi und zur Gewalt aufrufende Nachrichten verschickt und war jahrelang eng verbunden mit führenden AfDlern. Sein Austritt aus der Partei ist rein taktisch. Der NDR berichtet über ihn: „Arppes Chatverläufe dokumentieren auch, wie nah die AfD in Mecklenburg-Vorpommern offenbar an die rechtsextreme ‚Identitäre Bewegung‘ (IB) herangerückt ist – obwohl es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei gibt. Über Monate hinweg chattete Arppe ausweislich der Protokolle mit Daniel F., einem der führenden Köpfe der IB. F. war früher bei der NPD engagiert. Im Juli 2015 schrieb Arppe: ‚Diesen Revoluzzergeist brauchen wir! Der [Daniel F.] ist ein absolutes Muss für unsere Partei. Seine Vergangenheit interessiert mich einen Scheißdreck.‘ Die Dokumente zeigen auch, dass Arppe die IB darum bittet, als Ordner für eine Demonstration zur Verfügung zu stehen. ‚Daniel, könnten von Euch welche als Ordner fungieren bei unserer Demo am Samstag? Wir brauchen noch ein paar ordentliche Nazis als Freiwillige‘, schrieb Arppe demnach im Oktober 2015. Der IB-Mann sichert daraufhin drei Helfer aus seinen Reihen zu“, https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Rassistische-Chats-Fraktionsvize-verlaesst-AfD,afd1204.html (11.09.2017). Das Handelsblatt vom 9. September 2017 ergänzt diese Analyse des rechtsextremen Netzwerkes, in das Arppe eingebunden ist: „Arppe war, wie andere umstrittene AfD-Politiker auch, schon früher wegen seiner deutschnationalen Gesinnung aufgefallen. Er übte mit Wissen der Bundespartei offen den Schulterschluss mit der ‚Identitären Bewegung‘, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und pflegte Kontakte zum Chefredakteur des rechten Monatsmagazins ‚Compact‘, Jürgen Elsässer. Bei einer entsprechenden Veranstaltung im vergangenen Jahr war das AfD-Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg mit dabei. Arppe nahm auch schon am sogenannten ‚Kyffhäuser-Treffen‘ in Thüringen teil. Veranstalter ist die rechtsnationale AfD-Gruppierung ‚Der Flügel‘ der AfD-Fraktionschefs Björn Höcke (Thüringen) und Poggenburg (Sachsen-Anhalt). Am vergangenen Wochenende kamen nach Polizeiangaben 550 bis 600 Teilnehmer zu der Kundgebung am Kyffhäuserdenkmal. Unter ihnen waren neben AfD-Chef Jörg Meuthen auch Vize-Parteichef Gauland und Pegida-Chef Lutz Bachmann“, http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/
bundestagswahl/alle-schlagzeilen/der-fall-arppe-und-die-folgen-staatsrechtler-bringt-afd-beobachtung-ins-spiel/20302334.html (11.09.2017).

[7] http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/heiko-maas-afd-ist-in-teilen-verfassungswidrig-a-1348338?GEPC=s5 (11.09.2017).

[8] https://twitter.com/maria_fiedler/status/911984268355805185 (24.09.2017).

[9] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/afd-im-bundestag-wie-der-rechtsruck-herbei-geredet-wurde-a-1169404.html (24.09.2017).

[10] https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2017/08/auschwitz-am-strand-die-documenta-ueber-den-einsatz-von-zyklon (18.08.2017).

[11] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/rechtsruck-in-deutschland-die-geistig-moralische-wende-zum-schlechten-a-1166689.html (11.09.2017).

[12] Eine inoffizielle Liste ehemaliger Nazis, die nach 1945 politisch aktiv waren (wie z.B. als Abgeordnete im Bundestag) findet sich hier: https://de.wikipedia.
org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch_t%C3%
A4tig_waren (21.09.2017).

[13] Bis auf die Einleitung und den Text „Ist doch für einen guten Zweck…“ sind alle Texte dieses Bandes online auf verschiedenen Portalen erschienen und wurden für diese Publikation überarbeitet. Die Datumsangaben am Ende von URLs zeigen das Datum des letzten Abrufs der Seite an.

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