Der vermutete Selbstmord des islamistischen Terrorverdächtigen Albakr in der JVA Leipzig gegen 19.45 Uhr am Mittwoch, den 12. Oktober 2016, war nicht zu verhindern, denn die Justizvollzugsanstalt habe alles getan, um das zu verhindern. So der Leiter der JVA Leipzig Rolf Jacob auf einer Pressekonferenz am darauffolgenden Donnerstag ab 11 Uhr. Eine sehr gute und erfahrene Anstaltspsychologin habe keinerlei „Suizidgefahr“ erkannt – bei einem islamistischen Suicide Bomber!

Wie geht das, bei einem islamistischen Suicide Bomber keine solche Suizid-Gefahr zu erkennen? Die Polizei hatte in Chemnitz 1,5 kg hochexplosiven Sprengstoffs samt Utensilien für eine Sprengstoffweste gefunden.

Nach der durch Syrer ermöglichten Festnahme des Verdächtigen durch das SEK wurde der Jihadist in die JVA Leipzig gebracht. Dort erwartete ihn kein Dolmetscher. Offenbar waren die sächsischen Behörden völlig überrascht, den bundesweit zur Fahndung ausgeschriebenen Islamisten auch zu finden.

Selbst als Albakr eine Deckenlampe in der Zelle zerstörte, um sich die Pulsadern aufzuschneiden oder versuchte, sich über eine Steckdose per Stromschlag zu töten (so der Reporter Jens Reupert live im Fernsehen auf N24 am 12.10., kurz nach 12 Uhr), wurde von Vandalismus geredet und weiterhin keine Suizidgefahr bei einem des Suicide Bombing Verdächtigen erkannt.

Das ganze wird ein massives bundespolitisches und gesamtgesellschaftliches Nachspiel haben müssen. Rücktritte des sächsischen Justizministers, des Anstaltsleiters der JVA Leipzig, der dortigen Superpsychologin, aber auch Hinterfragen der Politik der Bundesanwaltschaft, die völlig versagte, die Aufklärung des bis dato womöglich heftigsten islamistischen Terrorversuchs in diesem Land sofort an sich zu ziehen, sind an der Tagesordnung.

Wir lernen: ein islamistischer Suicide Bomber ist nicht nur in Sachsen, sondern offenbar auch für die Bundesanwaltschaft, nicht per so Suizid gefährdet.

Die neoliberale Wirtschaftspolitik, das Aussourcen, wie es neudeutsch heißt, von Leistungen, das Sparen bei Polizei und öffentlichen Einrichtungen generell führen zu einer dramatischen Entprofessionalisierung, abgesehen davon, dass selbst einer unterbesetzten JVA bei logischem Denkvermögen klar sein müsste, dass ein Suicide Bomber offenbar Suizid im Kopf hat – auch wenn die Chancen, im Knast einen Sprengstoffgürtel zu basteln und andere mit zu töten, geringer sind als vor der Festnahme.

Eine Selbsttötung, um einer Befragung zu entgehen. Die Betonung, Selbstmord sei nicht wirklich „islamisch“ bringt uns da nicht weiter, da Islamisten wie einer der führenden islamistischen Vordenker, Yusuf al-Qaradawi, z.B. den Kampf gegen Juden und Israel als Märtyrertod und nicht als Selbstmord einordnen. Das Middle East Media Research Institute (MEMRI) hatte 2003 auf die Apologie des Suicide Bombings bei Al-Qaradawi hingewiesen und eine entsprechende Äußerungen von ihm auf einer Konferenz in Schweden dokumentiert. Al-Qaradawi verteidigt primär Selbstmordattentate auf Juden in Israel. Der Islamische Staat, wie zuvor Al Qaida, hat eine darüber hinaus gehende Rechtfertigung für Selbstmordanschläge.

Schon vor sechs Jahren schrieb ich zu al-Qaradawi:

Die Islamwissenschaftlerin Bettina Gräf, eine Schülerin von Krämer, befasst sich seit vielen Jahren mit Qaradawi[13]. 2005 schreibt sie im online-Portal qantara.de, welches u.a. von der Bundesregierung finanziert wird:

„Al-Qaradawi unterstützt entschieden den Unabhängigkeitskampf der Palästinenser, insbesondere seit der zweiten Intifada im Jahr 2000. Er initiiert Solidaritätsaktionen, sammelt Geld, bezieht Stellung im Fernsehen, im Internet, in Freitagspredigten, auf Konferenzen gegen die Besetzung Palästinas. Er rechtfertigt in islamischen Rechtsgutachten Selbstmordattentate der Palästinenser und Palästinenserinnen als Mittel der Verteidigung gegen die Politik Israels.

Für Yusuf al-Qaradawi sind die Attentäter Märtyrer und keine Selbstmörder. Selbstmord gilt im Islam als Sünde, der Märtyrertod nicht. In Palästina werde islamischer Boden und die heilige Stadt Jerusalem verteidigt. So äußerte er sich auf al-Jazeera in der Sendung ‚Das islamische Recht und das Leben‘: ‚Nicht ich allein sage, dass diese Attentate legitim sind, sondern auch Hunderte anderer muslimischer Rechtsgelehrter sehen das so. (…) Ein Mensch, der sich für eine große Sache opfert, ist kein Selbstmörder‘.

Diese Sicht erlaubt die Rechtfertigung der palästinensischen Selbstmordattentate als Märtyrerakt, der Terroranschlag auf das WTC sowie die Anschläge auf Zivilisten in Indonesien und in Saudi Arabien werden hingegen klar verurteilt.“[14]

Damit übernimmt Gräf die Apologie des suicide bombing, das als „Märtyrerakt“ bezeichnet wird.

Ganz unabhängig von den Fehlern weiter Teile deutscher Islamforschung, die sich gerade nicht gegen sondern für eine Rechtfertigung von Selbstmordanschlägen gegen Israel im Sinne al-Qaradawis aussprachen oder aussprechen, hätte die Justiz nicht nur in Sachsen darauf kommen können, dass ein Suicide Bomber andere und sich selbst umbringen möchte.

Warum er nicht Suizid gefährdet gewesen sein soll, wenn ihn eine bezüglich Islamismus und Terrorismus offenbar völlig unfähige wie unerfahrene Anstaltspsychologin untersucht, ist vollkommen unverständlich und indiziert ein größt mögliches Versagen.

In Sachsen hat die Polizei nicht nur ein Nazi- und Pegidaproblem, sondern auch ein Islamismusproblem.