The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Schlagwort: sekundärer Antisemitismus

Vortrag (Audio + Text): Geschichtspolitik, Antisemitismus und der deutsche Krieg gegen die Diplomatie im Ukraine-Konflikt

Von Dr. phil. Clemens Heni, 24. Mai 2023

Der Wortlaut des Vortrags kann unwesentlich von dem unten dokumentierten Manuskript abweichen. Die Bilder wurden während des Vortrags in Neustadt am Rübenberge am 16. Mai 2023 via PowerPoint projiziert.

Der Vortrag wurde aufgezeichnet und kann bei Radio Flora und dem Portal der freien Radios angehört und runtergeladen werden.

 

 

Geschichtspolitik, Antisemitismus und der deutsche Krieg gegen die Diplomatie im Ukraine-Konflikt

Vortrag von Dr. Clemens Heni, 16. Mai 2023 beim AK Regionalgeschichte, Neustadt am Rübenberge

Wollen die Deutschen mit Leopard-Panzern und anderem Kriegsgerät Denkmäler in der Ukraine beschützen, die nach ukrainischen Antisemiten und Nazikollaborateuren benannt sind? Könnte der russische Krieg gegen die Ukraine seit Anfang März 2022 beendet sein? So heißt es in einem Interview des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett im Februar 2023. Was heißt „Zeitenwende“? In was für einer Welt leben wir, in der eine ukrainische Sängerin im Bundeskanzleramt ungestraft sagen konnte: „Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“

Der Antisemitismusforscher und Buchautor Dr. Clemens Heni wird versuchen, diese Fragen zu beantworten. Sein soeben erschienenes Buch: Pandemic-Turn – Antisemitismusforschung und Corona.

 

Einen schönen Abend in Niedersachsen wünsche ich uns allen.

Zuallererst ganz herzlichen Dank an Hubert Brieden und den AK Regionalgeschichte Neustadt am Rübenberge für diese Einladung.

Im Zuge der Corona-Politik hat mich Hubert Brieden kontaktiert und so kamen wir ins Gespräch. Ich lernte viel über die jahrzehntelangen politischen Kämpfe gegen Antisemitismus, zu Geschichtspolitik und deutscher Ideologie hier in der Provinz, die doch so typisch für Deutschland stehen mag wie jeder Ort in diesem Land.

Es war eine wirklich herausragende Freude, die Kritik an der irrationalen, autoritären bis totalitären Coronapolitik von Hubert Brieden im Radio zu hören, seine Essays zu lesen und es war mir eine Freude, sie dann auch in meinen Büchern zu zitieren wie hier in meinem neuen Band „Pandemic Turn“. Das setzte sich dann in unserer ähnlichen Analyse und Kritik der katastrophalen deutschen Ukraine-Politik und dem dazugehörigen, militarisieren, antidiplomatischen Medientsunami fort.

Das Versagen der Linken in Zeiten von Corona wiederum setzt sich bei der übergroßen Mehrheit jetzt beim Ukrainekonflikt fort. Dabei gab es, was Männlichkeit und Friedfertigkeit betrifft, bereits in den 1980er Jahren Anlass zur Sorge. Stichwort: Schlaffis und Hänger….

Die heutige „Zeitenwende“ wurde von linken Kritikern schon 1984 antizipiert:

 

„Krieg als inneres Erlebnis (Leitung: Ernst Jünger).

Der Zwang zur Friedfertigkeit hat wesentliche Erfahrungsbereiche verkümmern lassen. Noch unsere Väter wußten, daß in der Vergangenheit immer wieder ganze Völker sich zu gemeinsamen, existenziellen Erfahrungen im Grenzbereich begegneten. Diese ursprünglichen Erlebnisse drohen uns heute verloren zu gehen. Mit dem großen Wissenden Ernst Jünger wollen wir uns diese Welt wieder zugänglich machen und lernen, Gemeinheit und Niedertracht wieder lustvoll praktizieren zu dürfen. Bekannte und unbekannte Gefühle und Erregungen tauchen auf und lassen uns spüren, wie spannend es sein kann, seine Mitmenschen in Angst und Schrecken zu versetzen.“[1]

 

Ich möchte mit folgenden Zitaten beginnen, die ich dann später analytisch einordnen werde:

 

„Putins Zivilisationsbruch“, FAZ, 24.02.2022

„Putins brutaler Ukraine-Krieg – ein Zivilisationsbruch“, Berliner Morgenpost, 12.03.2022

„Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine: Deutscher Egoismus, getarnt als Mitgefühl“, Merkur, 22.03.2022

 

Auch noch ein Jahr später ist diese den Holocaust verharmlosende Terminologie vom „Zivilisationsbruch“ Mainstream im neuen Deutschland nach der „Zeitenwende“:

 

„Es sei der größte Zivilisationsbruch für Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, so ZDF-Reporterin Eigendorf. Sie berichtet, wie der Krieg das Leben der Ukrainer zerstört und verändert“, ZDF, 15.02.2023

„Ukraine-Krieg ist ein historischer Zivilisationsbruch“, Badische Neueste Nachrichten, 24.02.2023

„‘Wir sind konfrontiert mit einem Zivilisationsbruch durch Putin‘, sagte Heusgen angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine“, Christoph Heusgen, Ex-Berater von Merkel, Beamter, Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz, 13.02.2023

 

Die von Kanzler Olaf Scholz eingeführte „Zeitenwende“ ist erstmal auch eine sprachliche. Antisemitische Trivialisierung des Holocaust ist jetzt Mode.

Folgende Worte wiederum sind auch Zeichen einer „Zeitenwende“ in der Geschichte der Bundesrepublik. Auf einer Veranstaltung im Bundeskanzleramt konnte die ukrainische Sängerin Marianna Sadovksa am 28. März 2022 unwidersprochen Folgendes vortragen:

„Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen, dann soll es halt so sein!“[2]

Das ist ein Zitat einer allzu deutschen Familie, die das Sadovska in einem Brief schrieb und die Ukrainerin macht sich diese unglaublichen Worte zu eigen. Dass eine solche ukrainische Frau in der Wochenzeitung Die Zeit und im Bundeskanzleramt so unwidersprochen zu Worte kommen darf, zeigt, welche Vorliebe die Deutschen doch weiterhin für die Vernichtung der ganzen Welt haben oder zumindest für das Kokettieren damit. So etwas scheint sich zu tradieren. Die antisemitische Verharmlosung Hitlers durch diese Sängerin ist unerträglich, in dem Gespräch mit der Zeit setzt sie in aggressiver Diktion Hitler und die Nazi-Deutschen mit Putin und den Russen auf eine Stufe. Vom Holocaust, der auch von Tausenden Ukrainern mit organisiert wurde, hat diese Frau keinerlei Ahnung oder es ist ihr egal.

 

Wie wir wissen von diplomatischen Quellen – und das war ja hier beim AK Regionalgeschichte Neustadt am Rübenberge in dieser Veranstaltungsreihe in den letzten Wochen meines Wissens bereits Thema –, hätte es seit März/April 2022 einen Rückzug der Russen geben können, wenn das nicht der Westen verhindert hätte, wie die führende amerikanische außenpolitische Zeitschrift Foreign Affairs widerwillig konzedieren musste.[3] Schließlich wurde unter Vermittlung vor allem des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett namentlich vom damaligen britischen Premier Boris Johnson ein Waffenstillstand und Verhandlungen mit Putin abgelehnt, was dieser Selenskyj unzweideutig in Kiew klarmachte. Dieser mögliche Friedensschluss sah vor, dass Russland sich komplett aus allen seit dem 24. Februar 2022 eroberten Gebieten zurückzieht, wenn, ja wenn die Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichtet, der Westen das unterschreibt und der Ukraine Sicherheitsgarantien gegeben werden.[4] Wie wir von einem Interview Bennetts von Anfang Februar 2023 wissen, waren Putin und Selenskyj schon früh im März 2022 zu Kompromissen bereit.[5]

 

Offenbar war also auch die Ukraine zu diesen Kompromissen bereit, doch die USA und vor allem Boris Johnson und England waren vehement gegen jede Frieden­slösung, so Bennett. Mit Bennett gibt es einen offiziellen Beteiligten, der diese Version bestätigt. Laut The Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) sind bis einschließlich dem sechsten Februar 2023 7.155 Zivilist*innen im Ukraine-Krieg ums Leben gekommen. Dazu kommen Zehntausende Soldaten auf beiden Seiten. Im Konflikt um den Donbas sind vom 14. April 2014 bis 31. Dezember 2021 3.400 Zivilist*innen und insgesamt über 14.000 Menschen getötet worden.[6] Im Vietnamkrieg der USA starben über eine Million Zivilistinnen und Zivilisten…

 

Zurück zu der antisemitischen, den Holocaust universalisierenden Verwendung des Wortes „Zivilisationsbruch“, auf die ich bereits zu Beginn an Hand von Pressemeldungen einging. Einer der stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein, sprach am 22.04.2022 im ZDF-Morgenmagazin über einen Antrag der CDU/CSU im Bundestag für die Lieferung von schweren Waffen für die Ukraine.[7] Am 28.04.2022 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Damit ist Deut­schland seit 1945 das erste Mal wieder im Krieg gegen Russland.

In diesem knapp fünfminütigen Gespräch im ZDF, das pars pro toto für die deutsche Ideologie steht, verharmlost dieser CDU-Politiker den Holocaust auf bemerkenswerte Weise. Er verwendet erstens das Wort „Vernichtungskrieg“, um den ganz normalen Krieg Russlands gegen die Ukraine, der sich um gar nichts vom Krieg auf Jugoslawien von der NATO und Deutschland 1999 und von vielen weiteren Kriegen seit 1945 unterscheidet, zu dämonisieren. Es würde was ganz besonders Schreckliches in der Ukraine passieren. Und dann verwendet dieser CDU-Politiker gar das Wort „Zivilisationsbruch“, der von Russland und Putin in der Ukraine verbrochen werden würde:

„Es ist nicht nur ein rechtswidriger Angriffskrieg, sondern ein Zivilisationsbruch sondergleichen.“[8]

 

In dem Vortrag „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ von 1962, den der Soziologe und Philosoph Theodor W. Adorno vor dem Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit hielt, geht es um „Krypto-Antisemitismus“.[9] Er meint das Gerücht, das Tuscheln, aber auch die Er­inn­er­ungs­ab­wehr, daher der von Adornos Mitarbeiter Peter Schönbach kreierte Begriff „sekundärer Antisemitismus“.[10] Was damals „Dresden“ war, ist heute „die Ukraine“:

„Beispiel: das beliebte Schema des Aufrechnens; daß es zwar wahr sei, soundso viele Juden wären umgebracht worden; ‚Krieg‘ – so wird einem dann bedeutet – ‚sei Krieg, dabei flögen eben Späne, aber Dresden wäre doch auch entsetzlich gewesen‘. Kein Vernünftiger wird das bestreiten, wohl aber das ganze Schema des Denkens, die Vergleichbarkeit von Kriegshandlungen mit der planmäßigen Ausrottung ganzer Gruppen der Bevölkerung.“[11]

Was motiviert den CDU-Politiker, den Vernichtungskrieg der Deutschen mit dem ganz normalen Krieg Russlands in der Ukraine zu analogisieren? Es liegt nahe, unterbewusst genau jene antisemitische Denkweise zu erahnen, die aufrechnet und damit erstens den Holocaust verharmlost und in die ganz normale Geschichte von Kriegen einbettet und zweitens somit eine stabilere deutsche nationale Identität zulässt – wenn doch andere überhaupt nicht besser sind als die Nazis damals. All das fällt niemand mehr auf, der Mainstream stoppt solche Agitation nicht nur nicht, sondern befördert sie tagtäglich mit solchen Sendungen oder den die Demokratie täglich mehr zerbröselnden, so einseitigen wie unwissenschaftlichen Talkshows, und den a-sozialen Medien vorneweg.

 

Die jüdische Zeitung Forward hat eine umfangreiche Forschung des Journalisten Lev Golinkin[12] publiziert,[13]

wo er das Gedenken an Antisemiten, Nazikollaborateure und Judenmörder weltweit dokumentiert. Die Ukraine hat ein besonders langes Kapitel. Wie der Historiker Rossolinki-Liebe schreibt, führte Yaroslav Stetsko (1912–1986) die ukrainische Kollaborationsregierung mit dem Nationalsozialismus und war ein Verbündeter von Hitler. Stetsko schrieb: „Ich bestehe auf der Vernichtung der Juden und der Notwendigkeit, deutsche Methoden für die Auslöschung der Juden in der Ukraine anzuwenden.“

Nur fünf Tage zuvor, so Rossolinski-Liebe, hatte Stetsko dem Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten Stepan Bandera versichert[14] : ‚Wir werden eine ukrainische Miliz organisieren, die uns helfen wird, die Juden zu entfernen.‘“

 

Im ZDF darf jener CDU-Politiker eine Linie vom Holocaust zum heutigen, alles nur nicht auf die Vernichtung der ganzen Bevölkerung gerichteten Krieg Russlands ziehen:

„Auf dem Gebiet der Ukraine ist der Angriffskrieg von Hitler-Deutschland gegen die Sowjetunion mit besonderer Brutalität und Härte geführt worden.“

Wie zitiert sagte er im gleichen Gespräch: Putins Krieg „ist nicht nur ein rechtswidriger Angriffskrieg, sondern ein Zivilisationsbruch sondergleichen.“ Es ist exakt dieses oben analysierte Aufrechnen, das der CDU-Politiker hier betreibt. Das ist sekundärer Antisemitismus nach Adorno. Da redet der Nicht-Historiker von der CDU von einem „Angriffskrieg“, doch das war tatsächlich der Vernichtungskrieg.

 

Der Historiker Per A. Rudling hat den Antisemitismus, die völkische Purifikationsideologie („Ukraine den Ukrainern“) und die Pro-Nazi-Ideologie in einem wissenschaftlichen Aufsatz analysiert,[15] wonach im April 1941 Bandera und seine Bande forderten „Die Ukraine den Ukrainern. Tod den Moskau treuen Juden!”[16]

 

Dieser Antisemitismus von Stepan Bandera und der Organisation Ukrainischer Nationalisten wird bis heute in der Ukraine gefeiert und honoriert. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland und wohl neue Botschafter der Ukraine in Brasilien, der besonders vulgär auftretende Melnyk, legte bekanntlich am Grab von Bandera in München Blumen nieder und feiert auch die Neo-Nazi Militärs der Asow-Einheiten. Beim ESC, dem Eurovision Song Contest am vergangenen Samstag in Liverpool trat ein ukrainischer Sänger mit dem Lied „Heart of Steel“ auf. Damit wollte er auch und gerade die ukrainischen Rechtsextremisten und andere im Stahlwerk in Mariupol würdigen, die auch so standhaft ihren Mann gestanden hätten im Kampf gegen die Russen. Dass darunter viele Neonazis der Asow-Brigaden waren – kein Problem. Am Sonntag, also vorgestern, bekam der ukrainische Präsident in Aachen den Karlspreis verliehen.[17]

Vermutlich dafür, dass er sich aggressiv und in Kooperation mit Olaf Scholz, der die Laudatio hielt, gegen eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts positioniert. Denn geleistet hat Wolodymyr Selenskyi in seinem Leben oder seit Februar 2022 sicher überhaupt nichts, was einen solchen Preis rechtfertigt. Er hat überhaupt nichts getan, damit es zu einem Waffenstillstand kommt, er hat vielmehr die NATO unterstützt und nicht im Ansatz verstanden, warum eine Ukraine in der NATO zu einem dritten Weltkrieg führen könnte. Er schweigt zu Verbrechen wie am 2. Mai 2014, als im Gewerkschaftshaus in Odessa 48 pro-russische Ukrainerinnen und Ukrainer bei lebendigem Leib verbrannten oder von den Neonazis des Rechten Sektors und anderen Tätern totgeschlagen wurden. Bis heute ist das nicht aufgeklärt, auch Selenskyi hat sich die letzten Jahre nicht für eine Aufklärung stark gemacht.

All das sowie die antisemitische Holocaustverharmlosung durch den ukrainischen Präsidenten, der vorsätzlich die Gründung der NSDAP 1920 mit dem Datum des Beginns des Krieges Russlands im Jahr 2022 gleichsetzt, wurde somit am Sonntag prämiert. Das ist das neue Europa!! Das ist die „Zeitenwende“.

 

Folgende Beispiele sind Teil jener umfassenden investigativen Recherche des Journalisten Lev Golinkin, die er am 27. Januar 2021 im jüdischen Forward publizierte. Hier sehen wir, was in der Ukraine schon lange vor 2022 passiert und wie antisemitisch dieses Land ist, und zwar, sehr tief verankert, sozusagen sedimentiert in der politischen Kultur.

 

In der westukrainischen Stadt L’viv wurde 2007 ein Monument zum Gedenken an Stepan Bandera eingeweiht, dem antisemitischen Nazi-Kollaborateur und Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B). Man kann ein Bild der Einweihungszeremonie hier sehen, rechts ist ein Denkmal für Bandera in der Stadt Ivano-Frankivsk abgebildet:

 

In der Stadt Zhovkva gab es 1941 auf einem Tor die Aufschrift „Heil Hitler“ und „Glory to Bandera“ (auf ukrainisch):

 

 

Golinkin führt eine riesige Zahl von Orten auf, die eine Straße, einen Platz oder Monument haben, die nach Bandera benannt sind:

Im Oktober 2022 hat die Redaktion des Forward die Benennung einer Straße nach Stepan Bandera in den Städten Dnipro und Tatariv hinzugefügt. Es gehört also zur ukrainischen Kriegspolitik, auch heute Straßen nach Nazi-Kollaborateuren zu benennen.

 

Zurück zu einem der damals führenden ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Jaroslav Stetsko. Er schrieb am 9. Juli 1941 in einem Lebenslauf:

„Ich unterstütze daher die Vernichtung der Juden und die Zweckmäßigkeit, deutsche Methoden der Judenvernichtung in die Ukraine zu bringen, unter Ausschluss ihrer Assimilation und dergleichen.“

[I therefore support the destruction of the Jews and the expedience of bringing German methods of exterminating Jewry to Ukraine, barring their assimilation and the like.]

Darauf weist ein wissenschaftlicher Artikel in den Harvard Ukrainian Studies im Jahr 1999 hin. Es gibt wie gezeigt unter anderem in den Städten Stryi und Velykyi Hlybochok in der Ukraine Statuen zu Ehren Stetskos.

Es ist kein Zufall, dass die USA so obsessiv und fanatisch die Ukraine unterstützen, der Antikommunismus ist in den USA eine Art Staatsreligion. Hier sieht man den damaligen US-Vizepräsidenten George W. H. Bush (1924-2018), den Vater von George W. Bush, mit Jaroslav Stetsko im Jahr 1983:

Dmytro Paliiv (1896–1944) war SS-Hauptsturmführer der 14. Waffen-Grenadier Division (1. SS Division Galizien).

Eines der Verbrechen der ukrainischen SS-Division Galizien und von Paliiv war der Mord an 500 bis 1200 BewohnerInnen des polnischen Dorfs Huta Pieniacka, wobei viele Menschen bei lebendigem Leib verbrannt wurden.

Ein Kritiker und ehemaliger Soldat der Roten Armee, der sich gegen die Benennung einer Straße nach dem SS-Mann Paliiv in Kalush unweit von Lviv aussprach, bekam 2017 Morddrohungen. Die OUN-M, benannt nach Andryi Melnyk, feierte in einer ihrer Postillen das größte Massaker im Holocaust, den Mord an 33.000 Juden in Babi Yar am 29. und 30. September 1941 in der Nähe von Kiew. In Volya Yakubova gibt es ein Monument für Melnyk:

 

Am 1. August 1941 begrüßte der Bürgermeister von L’viv Yuri Polyanskiy den Generalgouverneur Hans Frank, einen ganz typischen deutschen Juristen aus Karlsruhe, der frühzeitig NSDAP-Mitglied wurde und 1946 für seine Verbrechen gehängt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 6000 Juden aus L’viv großteils von den ukrainischen Nationalisten ermordet worden, wie Golinkin schreibt. Yuri Polyanskiy lebte bis 1986 und wird bis heute in der Ukraine verehrt wie mit solchen Plaketten, rechts zu sehen:

 

 

Lev Golinkin und der jüdische Forward bringen noch Dutzende weitere Beispiele, wie heute Holocausttäter in der Ukraine gefeiert und geehrt werden.

 

Was war der Zivilisationsbruch? In dem vom Historiker Dan Diner edierten Band „Zivilisationsbruch“[18] von 1988 steht:

„Und indem Menschen der bloßen Vernichtung wegen vernichtet werden konnten, wurden auch im Bewußtsein verankerte Grundfesten unserer Zivilisation tiefgreifend erschüttert – ja gleichsam dementiert.“[19]

Weiter heißt es im Vorwort von Diner:

„Nicht die wirklichkeitsgetreue Rekonstruktion des Menschheitsverbrechens, sondern anhand des eingetretenen Dementis von auf Selbsterhaltung und Über­leben gerichteten Denk- und Handlungsformen wird der Bruch offenbar, den Auschwitz zivilisatorisch tatsächlich bedeutet.“[20]

Die Journalistin Claudia Mäder sieht in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) die Inflation der maximalen verbalen Verdammung sehr kritisch.[21] Treffend und ziemlich fassungslos geht sie auf ein Video der deutschen Bundesregierung von November 2020 zu Zeiten der Corona-Krise ein, wo ein alter Mann rückblickend diese Zeit des Rumlümmelns auf dem Sofa – dem Lockdown – wie als Erinnerung an den „Krieg“ gegen Corona beschreibt.

 

„Lieber im Regenschauer als im Kugelhagel.“[22]

Im September 2022 gab es eine vom neuen „London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism“ um den Soziologen David Hirsh ausgerichtete große internationale Konferenz zu Antisemitismus.[23] Es ist wichtig und sehr aktuell, sich kritisch mit den verschiedenen Facetten des Antisemitismus im 21. Jahrhundert zu befassen.

Allerdings ist die Analyse von Antisemitismus und Holocaustverharmlosung in England stark unterentwickelt, wie insgesamt in der Antisemitismusforschung.

 

 

Themen wie die Abwehr der Holocausterinnerung in der Ukraine durch Benennung von Straßen, Plätzen oder Fußballstadien nach Antisemiten und Nazi-Kollaborateuren sucht man vergeblich. Dabei ist das eine der krassesten Formen des Antisemitismus im 21. Jahrhundert, Plätze und Straßen nach Tätern im Holocaust zu benennen.

 

Man stellt sich in Deutschland, dem Täterland, schon die Frage, warum der Politologe Lars Rensmann, der sich intensiv mit dem sekundären Antisemitismus beschäftigt und der neuerdings an der Uni Passau in Bayern lehrt, ausgerechnet seinen Kollegen Herfried Münkler zu einer Veranstaltung zum Krieg in der Ukraine für Mittel Juli 2022 einlud (die Veranstaltung fiel dann aus, es wird aber voraussichtlich einen „Ersatztermin“ geben wie die Uni Passau freudig mitteilt auf ihrer Homepage),[24] ist doch Münkler berüchtigt dafür, dass er den Begriff „Ver­nicht­ungs­krieg“ auf den russischen Krieg in der Ukraine anwendet und somit den Holocaust verharmlost.[25]

 

Der Historiker Hubert Brieden sagte zu Münkler in einer Sendung für Radio Flora aus Hannover:

„Münkler, Massenmedien, Politikerinnen und Politiker behaupten, beim Krieg Russ­lands gegen die Ukraine handle es ich um einen Vernichtungskrieg. Die Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, begründete die deutschen Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung wenige Tage nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine mit einem angeblich von der russischen Regierung geplanten ‚Vernichtungskrieg‘ in der Ukraine. Zu diesem Zeitpunkt meldete die ukrainische Regierung 352 getötete Zivilisten. Im Vernichtungskrieg Deutschlands kamen in der Sowjetunion mindestens 27.000.000 Menschen ums Leben, davon 14.000.000 Zivilistinnen und Zivilisten. Fester Bestandteil dieses Vernichtungskrieges war die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Im weiteren Verlauf des Krieges Russlands gegen die Ukraine ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass Russland aus rassistischen Gründen systematisch die ukrainische Bevölkerung oder Teile davon ausrotten wolle.“[26]

 

Es gibt keinen „Vernichtungskrieg“ in der Ukraine, wer anderes behauptet, möchte eher die Deutschen von ihrer Schuld reinwaschen, weil es sehr gelegen kommt, ausgerechnet einem Opfer des Zweiten Weltkriegs und neben den Juden Hauptfeind der NS-Ideologie, dem Bolschewismus und den Russen, jetzt Verbrechen der gleichen Dimension anzudichten, wie sie die Väter und Großväter der Münklers dieser Welt verbrochen haben.[27] Womöglich besteht inhaltlich große Übereinstimmung zwi­sch­en Münkler und Rensmann, der auf seinem Facebook-Account als Header eine ukrainische Fahne mit dem Spruch #StandwithUkraine hat.[28]

 

Das spricht für wenig politisches und politikwissenschaftliches Differenzierungsvermögen. Steht er auch hinter den Straßen in der Ukraine, die in den letzten Jahren nach Holocausttätern und Antisemiten benannt wurden? Eine linke antimilitaristische Position würde nicht #StandwithUkraine oder #StandwithRussia posten, sondern sich gegen Waffenlieferungen an beide Seiten wenden, sie würde die klare Mitschuld der NATO am Fanatisierungsprozess Putins decodieren.

 

In einem Tweet vom 7. August 2022 um 6.28 Uhr nachmittags schreibt der oben erwähnte englische Soziologe und Antisemitismusforscher David Hirsh Folgendes:[29]

„Listen carefully to what antisem­ites say. They’re not telling you about Jews, but they’re telling you about themselves. They’re telling you what, in their imagination, evil and cunning people would do in a particular situation: their own fantasies, their own intentions.“

Wen meint David Hirsh mit „Antisemiten“? Er meint die russische Mission in Genf, von der er unter seinen Tweet eine Nachricht postet, die jene botschaftsähnliche Mission auf Twitter gepostet hatte. Um was geht es in diesem Tweet der Russen? Darum, dass selbst die Mainstreammedien nicht umhin könnten zu konstatieren, dass die Ukraine häufig Waffen und Geschütze in Schulen oder Krankenhäusern positionierten oder versteckten und russische Angriffe dann als Angriffe auf zivile Ziele aussehen würden. Erstens: Was könnte an dem Statement der Kriegspartei Russland hierbei antisemitisch sein?

 

Wieso schreibt David Hirsh, dass man genau zuhören solle, was die Antisemiten sagen und darunter steht dieser Tweet, der die aktuelle russische Linie wiedergibt? Was ist daran antisemitisch? Denn exakt das passiert tatsächlich, wie ein Bericht von Amnesty International zeigt, der von der österreichischen Tageszeitung Der Standard am 05. August 2022 zitiert wird.[30] Demnach positionieren die Ukrainer auf zynische und menschenverachtende Weise Waffen und Geschütze in Wohngebieten, wenn dann die russische Seite diese bombardiert, sieht es nach einem gezielten Angriff auf Zivilist*innen aus, einem Kriegsverbrechen. Dabei haben die Ukrainer die eigene Bevölkerung vorsätzlich in diese Gefahr gebracht. Übrigens eine Taktik, das sollten die Pro-Israel-Szene oder David Hirsh wissen, wie sie von der islamistischen Hamas, dem Islamischen Jihad und anderen im Gazastreifen seit Jahren angewandt wird, um Israel zu diskreditieren.[31]

Anfang Juli 2022 hat auch das ZDF von einem UN-Bericht zitiert, nachdem die Ukraine gezielt zivile Orte wie ein Pflegeheim benutzen würden, um dort Soldaten zu stationieren. Überlebende eines russischen Angriffs berichteten von den ukrainischen Soldaten im Pflegeheim.[32]

 

Was sagt Hirsh zur Ansprache des ukrainischen Präsidenten Selenskyj an das israelische Parlament, der Knesset, in der er den Angriff Russlands mit dem Holocaust, ja das Datum des Einmarsches der Russen in die Ukraine, 24. Februar 2022, mit der Gründung der NSDAP am 24. Februar 1920 in Beziehung setzte? Das ist hochgradig ver­sch­wör­ungs­ideologisch – als ob Putin dieses Datum gewählt habe, um eine Kontinuität zu den Nazis her­zu­stellen –, und es ist antisemitisch.[33] Die Holo­caust­ge­denk­stätte Yad Vashem hat umgehend Selenskyj der Trivialisierung des Holocaust beschuldigt.[34] Bekam Selenskyi also deshalb am 14. Mai 2023 in Aachen den Karlspreis verliehen? Wegen seiner auch von der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem scharf attackierten Trivialisierung der Shoah?

 

Ebenfalls im Frühjahr 2022 fantasierte der russische Außenminister Lawrow, dass Hitler „jüdisches Blut“ in sich gehabt habe und „Juden selbst die größten Antisemiten seien“.[35] Dieser Antisemitismus des russischen Außenministers ist genauso irre wie die Fantasien von Selenskyj. Putin hat sich persönlich via Telefon beim damaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett entschuldigt,[36] was die antisemitischen Fantasien von Lawrow nicht wett macht, er hätte entlassen gehört. Es läuft ein Wettbewerb des Sich-Hochschaukelns mit den absurdesten Vorwürfen, wozu auch die oben analysierte Rede vom „Zivilisationsbruch“ gehört.

 

Weniger Sozialausgaben, mehr Frieren für die Unterstützung eines Landes („Russland ruinieren“, die Ukraine bedingungslos unterstützen bis zum bitteren Ende, „egal, was meine Wähler denken“, Baer­bock[37]), dessen Präsident vor wenigen Jahren als Clown – und das ist kein Witz – in einer TV-Show mit einem ebenso vulgären Kumpel mit heruntergelassener Hose mit seinem ‚Dingsda‘ Klavier spielte, also die beiden Witzfiguren stehen vor einem schwarzen Flügel, das Publikum sieht nur die Oberkörper und die nackten Beine der beiden echten Männer.[38] Da kriegt sich die Ukraine nicht mehr ein vor Lachen. Dieses Land muss unter allen Umständen verteidigt werden. Auch das vermutlich ein Grund, ihm den Karlspreis zu verleihen.

 

 

Ich sehe darin lediglich eine leicht rationalisierte Form sexueller Gewalt und nichts anderes. Das Macho-Gehabe von Putin – nackter Oberkörper und auf einem Pferd reiten – passt exakt zum Machismus seines ukrainischen Gegenspielers. Zwei ebenbürtige, primitive, männliche Kriegsherren. Nur, dass in Deutschland Selenskyi als Held gilt.

 

Was wir seit Februar 2022 erleben ist die Fortsetzung des pandemic turn von März 2020. Wenn die Politik es will, kann alles Leben eingesperrt, zwangsmaskiert und isoliert werden. Jetzt heißen die Parolen „Frieden Waffen für die Ukraine“, „Stinken gegen Putin“ oder „Pullover statt Heizung“. Es ist das primitive Comeback der Kaltduscher. Der pandemic turn zeigt den Primat der Politik vor dem des Kapitalismus, das war bei Corona so und ist bei der Ukraine auch so.

Bezüglich der Homophobie, Transphobie oder der Diskriminierung von kinderfreien Frauen sind sich Russland und die Ukraine ganz ähnlich. So akzeptieren laut einer repräsentativen Umfrage des PEW Research Centers von 2019[39] in der Ukraine nur 14 Prozent der Bevölkerung, dass es Homosexuelle gibt. Auch in Russland haben laut dieser Umfrage unter insgesamt in 34 Ländern und 38.000 Teilnehmenden nur 14 Prozent Akzeptanz für Homosexualität – die gleiche Umfrage brachte eine Zustimmung und Akzeptanz für Homosexualität von 92 Prozent in den Niederlanden, 86 Prozent in Frankreich und Deutschland, aber schockierende 7 Prozent in Nigeria und 9 Prozent in Indonesien. Jedenfalls zeigt das, wie weitverbreitet die Homophobie auch in der Ukraine ist. Das Beispiel der Transfrau und Sängerin Zi Faámelu wurde im April 2022 bekannt.[40] Aus Angst vor dem Einzug ins Militär floh sie nach Rumänien und durchschwamm sie ein Gewässer und lebt heute in Deutschland. Sie berichtet von einer sehr weit verbreiteten Transphobie in der Ukraine. Der Zynismus von Selenskyi, Männern im sogenannten wehrfähigen Alter die Ausreise zu verweigern, ist bezeichnend. Und Zi Faámelu wird laut ihrem ukrainischen Pass als Mann geführt, daher ihre Flucht vor dem Krieg.

Auch was die Herrschaft von oligarchischen Kapitalisten betrifft, sind sich die Ukraine und Russland ganz ähnlich. Verlage, die feministische Autorinnen publizieren oder sich für Geschlechterverhältnisse jenseits des natalistischen, auf Kinderproduktion und somit ganz extrem zynisch auf Kanonenfutter ausgerichteten Frauenbildes einsetzen, werden kriminalisiert, in Russland jüngst per Gesetzesvorschlag, der sich auch gezielt gegen Texte wendet, die sich nicht der traditionellen Familien- und Kinderideologie verpflichten.[41] In der Ukraine äußerte sich ein führender Berater des Präsidenten wie Oleksiy Arestovych homophob.[42] All diese reaktionären Tendenzen in der Ukraine wie in Russland würden auch meinen Verlag Edition Critic und Autor*innen meines Verlags betreffen.

 

Aber mehr noch: weder die heutige Antisemitismusforschung noch die ökologischen Bewegungen wie die „Letzte Generation“, die mit pressewirksamen Aktionen wie Beschmutzen von Kunstwerken oder Sich-Festkleben-Auf-Straßen und ähnlichen Aktionen völlig zu Recht Aufmerksamkeit erzeugen wollen für die kommende Klima- und Ökokatastrophe, ignorieren, dass wir bereits seit dem 06. August 1945 die tatsächlich letzte Generation sind. Das Leben ist für alle Zeiten nur noch eine Frist, wie der Philosoph Günther Anders als einer der Allerersten erkannte und 1958 schrieb:

Hiroshima als Weltzustand.

Mit dem 6. August 1945, dem Hiroshimatage, hat ein neues Zeitalter begonnen: das Zeitalter, in dem wir in jedem Augenblicke jeden Ort, nein unsere Erde als ganze, in ein Hiroshima verwandeln können. Seit diesem Tage sind wir modo negativo allmächtig geworden; aber da wir in jedem Augenblick ausgelöscht werden können, bedeutet das zugleich: Seit diesem Tage sind wir total ohnmächtig. Gleich wie lange, gleich ob es ewig währen wird, dieses Zeitalter ist das letzte: Denn seine differentia specifica: die Möglichkeit der Selbstauslöschung, kann niemals enden – es sei denn durch das Ende selbst.“[43]

Mit dieser Selbstauslöschung kokettieren die vorgeblichen Ukraine-Fans wie die Sängerin Sadovska, die mit ihrem Spielen mit der Selbstauslöschung der Menschheit und dem Zerstören alles Lebens auf der Erde gar im Bundeskanzleramt reüssierte – und niemand intervenierte. Niemand. Kulturstaatssekretärin Claudia Roth nannte es einen „berührenden Abend“,[44] jenen Abend des 28. März 2022, als Marianna Sadovska ihren Wahnsinn von der möglichen Zerstörung alles Lebens in den Raum warf, weil das eben vielleicht notwendig sei, wenn wir der Ukraine helfen.

 

Deutschland ist wiedergutgemacht. Das zeigt sich ganz exemplarisch in der aktuellen Ausgabe der New York Review of Books, dem links-liberalen Mainstream-Organ der USA schlechthin. In der Ausgabe vom 11. Mai 2023 wird ein Auszug aus dem neuen Buch des britischen Historikers Timothy Garton Ash abgedruckt.

 

Ganz offen schreibt er davon, wie Kohl im Sommer 1990 mit US-Präsident Bush diskutierte und der amerikanische ‚Sieger der Geschichte‘ ganz frech und unverhohlen imperialistisch sagte: „Zur Hölle mit dem Veto der Sowjets was die Osterweiterung der NATO auf das Gebiet der DDR betrifft“. Damit leugnete Bush, dass er und sein Außenminister James Baker exakt diese Zusage – keinen inch würde sich die NATO nach Osten ausbreiten, wenn die DDR und die BRD sich zusammentäten – Gorbatschow im Februar 1990 gegeben hatten. Hier können Sie sehen, wie das Protokoll von jenem historischen Treffen im Kreml in Moskau am 9. Februar 1990 aussah. Demnach hat der amerikanische Außenminister James Baker mit dem Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow diskutiert und ihm gleich dreimal an diesem Tag versichert, dass sich die NATO nicht einen inch, also keine 2,54 Zentimeter ostwärts bewegen würde, wenn sich die DDR und die BRD vereinen oder zusammentun würden. Man kann das quellenbasiert in einem Text von Svetlana Savranskaya and Tom Blanton vom National Security Archive in den USA vom 12. Dezember 2017 nachlesen.[45]

 

Ohne diese Zusage wäre es vermutlich nicht zur Wiedervereinigung gekommen und der Welt sehr viel Unheil erspart geblieben. Es hätte zu einer DDR ohne SED und einer Sowjetunion ohne KPdSU kommen können… Und dieses gebrochene Versprechen ist einer, wenn nicht der absolut zentrale Grund, die Ursache für den aktuellen Krieg Russlands in der Ukraine.

 

Garton Ash ist einer der anerkanntesten und einflussreichsten Historiker aus England, der auch in den USA lehrt. Er sprach mit Kanzler Kohl persönlich und ist darauf auch stolz wie Bolle. Vor allem aber ist Timothy Garton Ash ein reaktionärer, antikommunistischer Agitator, der es mit der historischen Wirklichkeit nicht so genau nimmt und höchst ideologisch agitiert. Er ist alles nur kein unabhängiger Forscher. In seinem geradezu grotesken und höchst unwissenschaftlichen Abschnitt über den Mauerfall, der jetzt in der New York Review of Books vorabgedruckt wurde, ignoriert er die komplette Forschung zu not one inch, die es in den letzten Jahren und gerade auch seit Februar 2022 und zuvor angesichts des Ukraine-Konflikts gibt.

 

 

Auch zum Antisemitismus von Kohl wie sein Besuch jenes Friedhofs in Bitburg, auf dem auch SS-Mörder liegen, im Mai 1985 mit US-Präsident Reagan oder zur Tatsache, dass der Kanzler der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG), einer Organisation, die SS-Verbrechern nach 1945 Schutz bot, Geld spendete, 200 Mark im Jahr, kein Wort. [46]

Von alledem erfährt man bei der New York Review of Books nichts, dafür aber darf dort auch im Mai 2023 eine Autorin  schreiben, die vor einigen Jahren die antisemitische Fantasie in den Raum warf und das sogar in einem Buch eines großen Verlages gedruckt bekam, dass laut einer Geschichte, die sie gehört habe, Theodor Herzl und Adolf Hitler beim gleichen Konzert mit Wagner-Musik gewesen seien, in Paris, die beide jeweils zu ihren wirkungsmächtigen Büchern inspiriert hätte – zum Herzls „Der Judenstaat“ von 1896 und Hitlers „Mein Kampf“ von 1925. Da Herzl seine Schrift „Der Judenstaat“ spätestens im Mai 1896 abschloss, Hitler im April 1889 geboren worden war und erst im Jahr 1940 erstmals ins Land des Erzfeindes ging, mit der Wehrmacht, ist so eine solche antijüdische Fantasie, auf alle Fälle Herzl und Hitler in einem Nicht-Gedanken unterzubringen, skandalös und einfach schwachsinnig. Diese absurde Fantasie aus dem Jahr 2005[47] hat die Autorin Professorin und Doktorin Jacqueline Rose keineswegs diskreditiert, ihr Israelhass hat sie beflügelt und sie hat bis heute eine Stellung in London bei dem sehr renommierten Birkbeck College for Humanities der University of London. Sie ist zudem regelmäßige Autorin in der New York Review of Books. Auch in der aktuellen Ausgabe ist sie wie der zitierte Garton Ash Autorin.

 

Auch wenn das unwahrscheinlich ist, aber ganz vielleicht waren Typen wie Jacqueline Rose oder Timothy Garton Ash ja ein Grund für jenen Menschen, der oder die diesen Aufkleber in der Innenstadt von Heidelberg verklebte. Es kann sich dahinter ein antiintellektuelles Ressentiment verstecken, es kann aber auch sein, dass der Hype um Titel, der ja gar nichts über die Qualität einer Person oder ihrer Forschung aussagt, einige Leute in so pittoresk-deutschen Universitätsstädtchen wie Heidelberg am Neckar mit viel international-akademischem Austausch etwas nervt.

 

 

Antisemitismus, Deutsch-Nationalismus und Russenhass wie NATO-Liebe zahlen sich jedenfalls aus. Während in Deutschland im Jahr 2023 immer noch unzählige Straßen, Plätze oder Krankenhäuser und Kasernen nach Nazis benannt sind, sind sie sie in der Ukraine seit Jahren dabei, immer noch mehr Straßen nach Antisemiten, Nazi-Kollaborateuren und Tätern im Holocaust zu benennen.

Das völlig enthemmte, un-verschämte Pro-Kriegsgeheul der Politik in Deutschland und weitesten Teilen des Mainstream, auch in Kreisen der alten Friedensbewegung und vor allem bei den Grünen zeigt: wir leben in einer Zeitenwende. Antisemitismus wie in der Ukraine zahlt sich aus, Straßen werden weiterhin nach Antisemiten und Tätern im Holocaust benannt, die NATO wird noch aggressiver vorgehen und alles tun, damit es in sehr absehbarer Zeit womöglich wirklich zu diesem letzten aller Tage kommen wird, den wir dann keineswegs primär Russland, sondern auch Deutschland, den USA, England, dem Westen und der Ukraine und ihren irrationalen „Fans“ zu verdanken hätten.

Die inflationäre Rede vom „Zivilisationsbruch“ angesichts des ganz normalen schrecklichen Krieges in der Ukraine, zeigt das tiefe Bedürfnis der Deutschen nach Schuldabwehr. Diese sekundär antisemitische, gerade im Reden um Erinnerung die Erinnerung abwehrende Reaktion, zeigt, wie sinnlos Jahrzehnte der Gedenkpolitik in diesem Land waren. Das allerdings hatte sich mit dem Exekutieren der Impf-Apartheid und der 2G-Regel in KZ-Gedenkstätten wie in Buchenwald oder Einrichtungen, die sich mit dem Nationalsozialismus befassen wie dem Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main oder dem Haus der Wannsee Konferenz schon während der Corona-Pandemie gezeigt.

Das ist der pandemic turn.

 

Vielen Dank für Ihre und eure Aufmerksamkeit.

 

 

Endnoten

[1] Initiative Sozialistisches Forum (Hg.) (1984): Diktatur der Freundlichkeit. Über Bhagwan, die kommende Psychokratie und Lieferanteneingänge zum wohltätigen Wahnsinn, Freiburg: Ça-Ira-Verlag, S. 216. In späteren Jahren schreibt sich der Verlag ça ira. Instruktiv ist die Studie von Horst Seferens (1998): „Leute von übermorgen und von vorgestern“. Ernst Jüngers Ikonographie der Gegenaufklärung und die deutsche Rechte nach 1945, Bodenheim: Philo.

[2] Dirk Peitz/Mariana Sadovska (2022): „In Deutschland wird gerade ein Märchen über den Krieg lanciert“. Die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska hat im Kanzleramt eine bewegende Rede gehalten. Aber nicht nur dort wolle man ihr und den Ukrainern nicht zuhören, glaubt sie, 29. März 2022, https://www.zeit.de/kultur/2022-03/ukraine-krieg-deutschland-mariana-sadovska/komplettansicht.

[3] Fiona Hill/Angela Stent (2022): The World Putin Wants. How Distortions About the Past Feed Delusions About the Future, in: Foreign Affairs, September/Oktober 2022, https://www.foreignaffairs.com/russian-federation/world-putin-wants-fiona-hill-angela-stent; Connor Echols (2022): Diplomacy Watch: Did Boris Johnson help stop a peace deal in Ukraine? A recent piece in Foreign Affairs revealed that Kyiv and Moscow may have had a tentative deal to end the war all the way back in April, 08. September 2022, https://responsiblestatecraft.org/2022/09/02/diplomacy-watch-why-did-the-west-stop-a-peace-deal-in-ukraine/: „’Russian and Ukrainian negotiators appeared to have tentatively agreed on the outlines of a negotiated interim settlement,’ wrote Fiona Hill and Angela Stent. ‘Russia would withdraw to its position on February 23, when it controlled part of the Donbas region and all of Crimea, and in exchange, Ukraine would promise not to seek NATO membership and instead receive security guarantees from a number of countries.’ The news highlights the impact of former British Prime Minister Boris Johnson’s efforts to stop negotiations, as journalist Branko Marcetic noted on Twitter. The decision to scuttle the deal coincided with Johnson’s April visit to Kyiv, during which he reportedly urged Ukrainian President Volodymyr Zelensky to break off talks with Russia for two key reasons: Putin cannot be negotiated with, and the West isn’t ready for the war to end. The apparent revelation raises some key questions: Why did Western leaders want to stop Kyiv from signing a seemingly good deal with Moscow?”

[4] “Russia and Ukraine may have agreed on a tentative deal to end the war in April, according to a recent piece in Foreign Affairs. ‘Russian and Ukrainian negotiators appeared to have tentatively agreed on the outlines of a negotiated interim settlement,” wrote Fiona Hill and Angela Stent. “Russia would withdraw to its position on February 23, when it controlled part of the Donbas region and all of Crimea, and in exchange, Ukraine would promise not to seek NATO membership and instead receive security guarantees from a number of countries.’ The news highlights the impact of former British Prime Minister Boris Johnson’s efforts to stop negotiations, as journalist Branko Marcetic noted on Twitter. The decision to scuttle the deal coincided with Johnson’s April visit to Kyiv, during which he reportedly urged Ukrainian President Volodymyr Zelensky to break off talks with Russia for two key reasons: Putin cannot be negotiated with, and the West isn’t ready for the war to end. The apparent revelation raises some key questions: Why did Western leaders want to stop Kyiv from signing a seemingly good deal with Moscow? Do they consider the conflict a proxy war with Russia? And, most importantly, what would it take to get back to a deal?”, Echols 2022.

[5] Fabian Scheidler (2023): Naftali Bennett wollte den Frieden zwischen Ukraine und Russland: Wer hat blockiert? Israelischer Ex-Premier sprach erstmals über seine Verhandlungen mit Putin und Selenskyj. Der Waffenstillstand war angeblich zum Greifen nahe, 06. Februar 2023, https://www.berliner-zeitung.de/open-source/naftali-bennett-wollte-den-frieden-zwischen-ukraine-und-russland-wer-hat-blockiert-li.314871.

[6] https://www.statista.com/statistics/1293492/ukraine-war-casualties/.

[7] „Waffenlieferungen: Namentliche Abstimmung“, 22. April 2022, https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/waffenlieferung-namentliche-abstimmung-wadephul-100.html.

[8] Ebd.

[9] Theodor W. Adorno (1962)/1998: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: Ders., Gesammelte Schriften. Band 20/1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 360–383, hier S. 363.

[10] Ebd., S. 362.

[11] Ebd., S. 368.

[12] https://forward.com/authors/lev-golinkin/.

[13] Lev Golinkin (2021): Nazi collaborator monuments in Ukraine. Many new streets and monuments have been erected since a new government took over in 2014, 27. Januar 2021, https://forward.com/news/462916/nazi-collaborator-monuments-in-ukraine/.

[14] Grzegorz Rossoliński-Liebe (2011): The „Ukrainian National Revolution“ of 1941: Discourse and Practice of a Fascist Movement, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History, Vol. 12, Nr. 1 (Winter 2011), S. 83–114.

[15] Per A. Rudling (2011): The OUN, the UPA and the Holocaust: A Study in the Manufacturing of Historical Myths, The Carl Beck Papers in Russian and East European Studies, https://carlbeckpapers.pitt.edu/ojs/index.php/cbp/article/download/164/160. Die umfassendsten Analysen der heutigen osteuropäischen Antisemitismus und der Gleichsetzung von Hitler und Stalin, Braun und Rot, findet sich auf dem Online-Journal des Professors für Yiddish und Holocaustforschers Dovid Katz aus Litauen, siehe zum Beispiel „Who’s Afraid of Defending History Dot Com?“, 08. August 2013, https://defendinghistory.com/fear-of-defending-history-dotcom/57482. Die Seite Defending History von Dovid Katz, auf der Dutzende herausragende Forscher*innen zum Holocaust publizieren und publiziert haben, hat sich schon vor vielen Jahren gegen den Putinismus und Putin ausgesprochen, aber gleichzeitig den osteuropäischen Antisemitismus, die dortige Verehrung von Tätern im Holocaust, konsequent und nie aus dem Blick verloren, sondern zu einem Schwerpunkt der Seite gemacht, https://defendinghistory.com/.

[16] Rudling 2011, S. 6.

[17] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/karlspreis-aachen-wolodymyr-selenskyj-100.html.

[18] Dan Diner (Hg.) (1988): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a.M.: Fischer.

[19] Dan Diner (1988a): Vorwort, in: Ders. (Hg), S. 7–13, hier S. 8.

[20] Diner 1988a, S. 8 f.

[21] Claudia Mäder (2022): Darf man noch von „Krieg“ reden, oder muss man mindestens „Angriffskrieg“ sagen? Über die Tücken des sprachlichen Aufrüstens. Angriffskrieg oder Vernichtungskrieg sind die Wörter der Wahl geworden, um Putins Invasion der Ukraine zu bezeichnen. Das verschärfte Vokabular wird auch darum nötig, weil wir schon in Friedenszeiten mit Kriegsbegriffen um uns werfen, 22. April 2022, https://www.nzz.ch/feuilleton/krieg-angriffskrieg-vernichtungskrieg-wie-soll-man-nun-reden-ld.1680349.

[22] Eduard Moriz (Hg.) (1983): Nimm’s leicht, nimm Mich. Sponti-Sprüche No. 3, Frankfurt a.M.: Eichborn Verlag, o.P.

[23] „London conference on 21st Century Antisemitism, Conference Agenda, 11, 12, 13 September 2022“, https://drive.google.com/file/d/1xAVbw-KftLlGZVk_JYqV7I4veMpn3Uoq/view.

[24] https://www.uni-passau.de/internationales/ukrainehilfe/vortragsreihe/.

[25] „Judith Heitkamp: Eine Definition des Begriffs Vernichtungskrieg besagt, dass in einem solchen Krieg ‚alle physisch-psychischen Begrenzungen aufgehoben sind‘. Wenn man die Nachrichten über die russische Kriegsführung verfolgt, muss man dann von einem Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine sprechen? Herfried Münkler: Ich glaube schon, dass man das tun kann. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die üblichen kriegsvölkerrechtlichen Einschränkungen und Begrenzungen, die im späten 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelt worden sind, in diesem Krieg eine relevante Position einnehmen. Im Prinzip handelt es sich um ein verselbstständigtes militärisches Agieren, bei dem angenommene militärische Erfordernisse dominieren und die kriegsrechtlichen Beschränkungen in den Hintergrund treten“, „Herfried Münkler über Kriegsführung in der Ukraine. Warum Russland einen Vernichtungskrieg führt“, 14.04.2022, https://www.br.de/kultur/gesellschaft/interview-herfried-muenkler-ukraine-russland-vernichtungskrieg-mariupol-kriegsverbrechen-100.html.

[26] Hubert Brieden (2022a): „ … wow, wir stehen nicht nur auf den Schultern von Joschka Fischer, sondern auch auf denen unserer Großväter.“ Deutsche Kriegspropaganda: Verharmlosung des NS-Vernichtungskrieges und des Holocaust, Radio Flora, 18.07.2022, https://radioflora.de/wow-wir-stehen-nicht-nur-auf-den-schultern-von-joschka-fischer-sondern-auch-auf-denen-unserer-grossvaeter-deutsche-kriegspropaganda-verharmlosung-des-ns-vernichtungskrieges-und-des-holo/.

[27] Das Netzwerk „Erinnerung + Zukunft in Hannover e.V.“ zeigt das inflationäre Gerede von „Völkermord“ ganz exemplarisch, wenn es Ende März 2022 in einem Newsletter schreibt: „Hier bei uns zeigen sich viele verstört und fassungslos ob der Tatsache, dass der russische Machthaber seinen vielfachen Ankündigungen und Taten der letzten Jahre, die einstige russisch-sowjetische Großmacht wiederherstellen zu wollen, nun weitere militärisch aggressive Aktionen folgen ließ. Fassungslos darüber, dass eine mafiös agierende, machtbesessene Nomenklatura unter der Führung eines mit Mord, Totschlag und Völkermord regierenden Tschekisten eine Jahre dauernde Selbstsuggestion zunichtemacht.“ Putin ist ein autokratischer, antiliberaler und brutaler Herrscher, aber er hat keinen Völkermord verbrochen. Von was fabulieren hier diese Netzwerkler in Hannover? Welcher Völkermord?

[28] https://de-de.facebook.com/lars.rensmann (Stand 25. Januar 2023).

[29] https://mobile.twitter.com/DavidHirsh.

[30] „Amnesty International wirft Ukraine Völkerrechtsbruch vor. Die Unterbringung von Truppen in Wohngebieten habe die Zivilbevölkerung gefährdet, heißt es. Russische Medien instrumentalisieren den Bericht ihrerseits“, 05. August 2022, https://www.derstandard.de/story/2000138043310/amnesty-international-wirft-ukraine-voelkerrechtsbruch-vor.

[31] „Hamas’ use of human shields is a war crime“, 13. Mai 2021, https://torontosun.com/opinion/columnists/teich-hamas-use-of-human-shields-is-a-war-crime.

[32] „Bericht zu Pflegeheim-Angriff: Tote Zivilisten: UN machen Ukraine Vorwürfe“, 09. Juli 2022, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kriegsverbrechen-zivilisten-un-bericht-ukraine-krieg-russland-100.html.

[33] Selensky sagte wörtlich: „On February 24, 1920, the National Socialist Workers’ Party of Germany (NSDAP) was founded. A party that took millions of lives. Destroyed entire countries. Tried to kill nations. 102 years later, on February 24, a criminal order was issued to launch a full-scale Russian invasion of Ukraine“, https://www.president.gov.ua/en/news/promova-prezidenta-ukrayini-volodimira-zelenskogo-v-kneseti-73701. Die Holocaustverharmlosung von Selenskyi, selbst Jude, ist unerträglich und auch in Israel kam das sehr schlecht an: „Listen to what the Kremlin says. Just listen! There are even terms that sounded then. And this is a tragedy. When the Nazi party raided Europe and wanted to destroy everything. Destroy everyone. Wanted to conquer the nations. And leave nothing from us, nothing from you. Even the name and the trace. They called it ‘the final solution to the Jewish issue’. You remember that. And I’m sure you will never forget! But listen to what is sounding now in Moscow. Hear how these words are said again: ‘Final solution’. But already in relation, so to speak, to us, to the ‘Ukrainian issue’.“ Schließlich möchte der ukrainische Präsident Israel dazu bringen, gegen die Ukraine zu kämpfen und damit zu „Gerechten unter den Völkern“ zu werden, das ist so ahistorisch und so Holocaust verharmlosend, da fehlen einem fast die Worte: „Ukrainians have made their choice. 80 years ago. They rescued Jews. That is why the Righteous Among the Nations are among us. People of Israel, now you have such a choice.“ „Israeli lawmakers outraged after Zelensky compares Ukraine war to Holocaust“, 20. März 2022, https://www.ynetnews.com/article/hjn3nxbf5; „Zelensky compares Kremlin’s actions to Nazi ‘final solution’ in Knesset speech“, 21. März 2022, https://www.jewishnews.co.uk/zelensky-compares-kremlins-actions-to-nazi-final-solution-in-knesset-speech/: „Ukrainian President Volodymyr Zelensky has been criticised by some Israeli politicians after delivering a speech to the Knesset in which he compared the actions of the Kremlin with the Nazi ‘final solution’. In a 12 minute-long speech, in which he referenced the ‘people of Israel’ several times, Zelensky also drew flack after saying: ‘Ukrainians made their choice 80 years ago, we saved Jews, and there are among us righteous gentiles.’ After Sunday’s speech – the latest in a series of pleas made by Zelensky to politicians across the globe including the UK’s parliament – one Likud MK Yuval Steinitz said the president’s message ‘borders on Holocaust denial.’”

[34] Daniel Estrin (2022): Zelenskyy compares Russia’s invasion to Holocaust in a plea to Israel for support, 20. März 2022, https://www.npr.org/2022/03/20/1087782349/zelenskyy-ukraine-israel?t=1651496011749.

[35] „Nach Empörung über Lawrow. Russland legt verbal gegen Israel nach – ‚Unterstützt Neo-Nazis in der Ukraine‘“, 02. Mai 2022, https://www.welt.de/politik/ausland/article238498603/Russlands-Aussenminister-Lawrow-fabuliert-von-Hitlers-juedischem-Blut-Israel-empoert.html.

[36] „Putin apologizes for Russian FM’s ‘Jewish Hitler’ remarks, Bennett’s office says Kremlin readout of call doesn’t mention an apology, says president spoke with PM about ‘historic memory,’ the Holocaust and the situation in Ukraine“, 5. Mai 2022, https://www.timesofisrael.com/putin-apologizes-for-russian-envoys-hitler-comments-bennetts-office-says/. „Putin sorry for Lavrov’s claim Hitler was part Jewish – Israel PM“, 05. Mai 2022, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-61339749.

[37] Annalena Baerbock (2022): „‘… egal, was meine deutschen Wähler denken‘. Telepolis dokumentiert: Das sagte Außenministerin Annalena Baerbock in Prag zur Ukraine- und Sanktionspolitik der Bundesregierung und der EU. Originalbeitrag in voller Länge und deutscher Übersetzung“, 02. September 2022, https://www.heise.de/tp/features/egal-was-meine-deutschen-Waehler-denken-7251576.html.

[38] „Ukraine President plays the piano“, 21.04.2019, https://www.youtube.com/watch?v=HbmZrzN3WFE.

[39] https://www.pewresearch.org/global/2020/06/25/global-divide-on-homosexuality-persists/.

[40] https://abcnews.go.com/Primetime/lgbtq-refugees-fleeing-ukraine-fear-persecution-death/story?id=83784527.

[41] https://tass.com/politics/1523789.

[42] https://www.spectator.co.uk/article/zelensky-s-homophobia-row-reveals-a-divided-ukraine/.

[43] Günther Anders (1958)/1981: Die atomare Drohung. Radikale Überlegungen. Dritte, durch ein Vorwort erweiterte Auflage von „Endzeit und Zeitenende“, München: C.H. Beck, S. 93.

[44] https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/aktuelles/reden/schlusswort-von-kulturstaatsministerin-roth-bei-der-veranstaltung-kultur-im-kanzleramt-2021506.

[45] https://nsarchive.gwu.edu/briefing-book/russia-programs/2017-12-12/nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early.

[46] “Helmut Kohl spendete für Angehörige der Waffen-SS“, https://rdl.de/beitrag/helmut-kohl-spendete-f-r-angeh-rige-der-waffen-ss.

[47] Jacqueline Rose (2005): The Question of Zion, Princeton and Oxford: Princeton University Press, S. 64–65. Wörtlich heißt es: “It was only when Wagner was not playing at the Paris opera that he [Theodor Herzl, CH] had any doubts as to the truth of his ideas. (According to one story it was the same Paris performance of Wagner, when – without knowledge or foreknowledge of each other – they were both present on the same evening, that inspired Herzl to write Der Judenstaat, and Hitler Mein Kampf.)”

 

 

Spatial turn goes Antifa – Arch+ 235, die Neue Rechte und der antisemitische Fleck des Postkolonialismus

Ein Rezensionsessay

Von Dr. phil. Clemens Heni, 4. September 2019

Man musste nicht bis zum 1. September 2019 warten, als ein Viertel der Wähler*innen in Brandenburg bzw. Sachsen eine Partei wählten, die Spitzenkandidaten[1] hat, die vor wenigen Jahren mit einer Hakenkreuzfahne auf dem Balkon in Griechenland im Kreis von anderen Neonazis aktiv waren,[2] um die enorme Bedeutung des Themas Rechtsextremismus und Neue Rechte zu sehen. Das Volk ist nicht gut oder neutral, sondern häufig sehr böse. Das deutsche Volk liebt es offenkundig, Nazis zu wählen, nicht nur 1933 und davor, auch 2019, was moralisch noch unendlich schlimmer ist – diese deutschen Wähler*innen wissen, was nach 1933 passierte, sie wissen, dass sechs Millionen Juden vergast und massakriert wurden und sie haben damit kein Problem.

Am 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs wählen die Deutschen wieder Nazis in extremer Anzahl in zwei Landesparlamente und alle Mainstreamjournalist*innen interviewen freudestrahlend die AfD-Rechtsextremen. Kein/e Journalist*in weigerte sich, solchen Nazis die Hand zu geben oder sie einfach zu boykottieren, weil das Leute sind, die alle Antifas oder weltoffenen CDUler bei nächster Gelegenheit erschießen würden (die Frauen davor vergewaltigen). Zum ersten Mal seit 1945 haben wir Neonazis im Bundestag und allen Landesparlamenten. Die Fernseh-Journalist*innen grinsen blöd um die Wette, machen Späßchen am Wahlabend und laden seit Jahren die neuen Nazis in die unerträglichen, nicht nur kulturindustriellen, sondern den Faschismus mit vorbereitenden Talkshows ein und bewerfen die neuen Nazis mit Wattebällchen und schauen blöd, wenn mit scharfer Munition zurückgeschossen wird.

Die Journalistin Mely Kiyak ist fassungslos ob Bettina Schausten, stellvertretende Chefredakteurin des ZDF, die nur pars pro toto für wirklich alle Mainstream-Journalist*innen steht, die am Wahlabend in ARD und ZDF moderieren durften, und bringt es auf den Punkt:

Der Faschismus hat keinen moderaten Flügel.[3]

Daher ist seit jeher die Analyse rechter Räume eine Unabdingbarkeit für jede linke Theorie und Praxis. Das Heft 235 von Arch+. Zeitschrift für Architektur und Urbanismus von Mai 2019 hat das aktuelle Thema „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“. Die 27 Autor*innen plus ein Autorenteam von Arch+ 235 haben im Editorial, der Einführung und 33 Texten (oder Fotoessays) sehr wichtige, eingreifende, kritische, faszinierende, häufig klar antifaschistische und teils scharfe Texte gegen die (Neue) Rechte und ihre Räume vorgelegt.

Literaturwissenschaftliche, soziologische, politologische, historische, kulturwissenschaftliche, geografische, kunsthistorische, polit-ökonomische und architekturtheoretische Zugänge ergänzen sich auf vielfältige Weise. Die europäische Dimension des Projektes macht es umso spannender und bedeutender: es geht um eine 7-tägige Reise durch Europa und seine extrem rechten Räume. Der Großteil der Texte ist in diese 7 Tage eingeteilt, beginnend in Rom und endend in Berlin – die Achse Berlin-Rom. Die Reise im November 2018[4] führte also von Italien über Österreich nach Deutschland. 7 Tage (oder 7 x 24 Stunden) dauerte auch meine Rezension des Heftes 235 von Arch+.

Der folgende Rezensionsessay würdigt den großen Einsatz Trübys und seines Teams, die sich der Neuen Rechten in der Architektur, dem Feuilleton und der Gesellschaft insgesamt entgegenstellen. Je länger und intensiver meine Beschäftigung mit dem Heft jedoch wurde, desto klarer traten dann zwar vereinzelte, aber eben doch massive Irritationen auf, die wiederum viel über den postkolonialen Mainstream in den Sozial- und Geisteswissenschaften aussagen.

In dem Heft gibt es ergänzend zu den Reiseberichten eine Vielzahl an Beiträgen über das Gebiet von Ex-Jugoslawien, Ungarn, Spanien, Griechenland, Frankreich, die Schweiz, Holland, Polen, England, USA und die Türkei. Neu-rechte Agitator*innen drehten schon im Frühjahr 2018 durch, als der Protagonist des Heftes, Professor Stephan Trüby vom Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGmA) der Universität Stuttgart, seine Analyse und Kritik der Rekonstruktionsarchitektur am Beispiel der von Neuen Rechten wie Claus M. Wolfschlag initiierten neuen Altstadt von Frankfurt am Main am 8. April 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vorgelegt hatte:[5]

Ganz anders die neue Frankfurter Altstadt: skandalös ist hier, dass die Initiative eines Rechtsradikalen ohne nennenswerte zivilgesellschaftliche Gegenwehr zu einem aalglatten Stadtviertel mit scheinbar bruchlosen Wiederholungsarchitekturen führte; historisch informiertes Entwerfen verkommt damit zum unterkomplexen Heile-Welt-Gebaue, das Geschichte auf ein eindimensionales Wunschkonzert reduziert. Vergangenheit soll für dieses Publikum wie geschmiert laufen, und zwar in Richtung einer alternativen Historie für Deutschland: Einer Historie, in der der Nationalsozialismus, die deutschen Angriffskriege und der Holocaust allenfalls noch als Anekdoten einer ansonsten bruchlosen Nationalgeschichte überleben.

Arch+ wird von der Bundeszentrale für politische Bildung, der Volksbühne Berlin, dem Arch+ Foerderverein und einigen anderen Institutionen gefördert, kostet 22€ und ist derzeit (Stand Anfang September 2019) vergriffen. Das Heft 235 von Arch+ hat 239 Seiten (etwas größer als DinA4) und wurde unter der Regie Trübys mit seinem Team erarbeitet. Ein zentrales Kapitel und Aufhänger ist Trübys Kritik der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt. Seine These ist wohlbegründet: Der Bruch, den der Nationalsozialismus bedeutet, soll z.B. via Rekonstruktion und Zerstörung von Bauten, die nach 1945 in den betroffenen und zuvor bombardierten Städten gebaut wurden, verleugnet werden und Städte so wiederaufgebaut werden, wie sie zuvor waren. Die deutsche Geschichte soll wieder in einem architektonischen Kontinuum stehen, natürlich ohne Juden, die vertrieben und vernichtet wurden, aber das macht nichts.

Trübys sehr wichtige und mutige – für eine Professur in Architektur an einer führenden Universität im Bereich Architektur, der Uni Stuttgart, womöglich bahnbrechende – Arbeit hat einen massiven Shitstorm der extremen Rechten verursacht und reicht bis weit in den bürgerlichen Mainstream. Die extrem rechte Hetzseite Politically Incorrect (PI News), Facebookposts von no-names oder auch die „rechtsantideutsche“ Hauspostille Bahamas diffamieren ihn wegen seiner Kritik der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt, die wie gesagt auf die Idee von Rechtsradikalen zurückgeht wie auch der Wiederaufbau der Garnisonskirche in Potsdam.[6]

In dem Heft 235 von Arch+ gegen die rechten Räume geht es um Hitlers wie Mussolinis Geburtsorte, den rechtsextremen und AfD-Wallfahrtsort Kyffhäuser in Thüringen, um die Dresdner Frauenkirche und das nationale Pathos der breiten Mitte, um die größte Christus-Statue (36 Meter) im fanatisch-katholischen Polen oder die völkischen Siedler*innen in Mecklenburg-Vorpommern. In einem sehr instruktiven Rundblick über rechte Architektur- und heimattümelnde Vordenker geht Trüby auf Wilhelm Heinrich Riehl, Ernst Rudorff, Paul Schultze-Naumburg,[7] aber auch auf Alexander Senger ein, der ebenso als „Protagonist einer ‚Konservativen Architekturrevolution‘“ vorgestellt wird und in Richard W. Eichler einen Kollegen aus der Zunft der extrem rechten Kunsthistoriker hatte.

Die Zeitschrift Tumult oder andernorts im Heft die jüngere neurechte Postille Cato oder die schweizer Zeitschrift DU und das neu-rechte schweizer Netzwerk um Blocher (im Text von Rebekka Kiesewetter) werden hervorragend dargestellt und kritisiert. Es findet sich bei Trüby auch eine nachträgliche Selbstkritik der Arch+, die z.B. 1985 den von vielen erst in den letzten Jahren und posthum als extrem rechts erkannten Historiker Rolf Peter Sieferle mit einem Text zu „Heimatschutz und das Ende der romantischen Utopie“ publiziert hatte.

In einem Gespräch über das Arch+ Heft mit der Wochenzeitung Die Zeit vom 12. Juni 2019 analysiert Trüby detailliert, was an der Rekonstruktionsarchitektur speziell in Dresden so problematisch ist und wie das mit Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und der AfD zusammenhängt:

In der Sporergasse 12 steht zum Beispiel das sogenannte Triersche Haus, rekonstruiert im Jahre 2016 nach dem Vorbild eines 1695 errichten Barockhauses. Ins Vorgängerhaus zog im Jahr 1920 ein jüdisch-orthodoxer Verein ein. Auf die einstigen jüdischen Bewohner wird auch am Erinnerungsschild aufmerksam gemacht, das seit Kurzem am Neubau angebracht wurde. Darauf steht korrekterweise zu lesen: ‚Ab 1940 wurden jüdische Familien gezwungen, hier im ‚Judenhaus‘ zu wohnen, bevor sie in andere Lager deportiert wurden.‘ Aber der Schlusssatz lautet: ‚Bei der Zerstörung des Hauses am 13. Februar 1945 fanden zahlreiche jüdische Bewohner den Tod.‘ Was hier auf engstem Raum gesagt wird, ist eine ungeheuerliche Geschichtsfälschung. Die könnte man so zusammenfassen: ‚Ja, die Nazis haben Juden deportiert, das war nicht gut, aber getötet wurden sie von den Alliierten mit ihren Bomben.‘ Was sich hier geschichtspolitisch abzeichnet, summiert sich zu einer mehr als Besorgnis erregenden Tendenz. Am Trierschen Haus, am Neumarkt und der Frauenkirche ist die ‚erinnerungspolitische Wende um 180 Grad‘, die der AfD-Politiker Björn Höcke fordert, bereits vollzogen.[8]

Das ist eine ganz hervorragende Analyse und Kritik zum städtebaulichen sekundären Antisemitismus der Erinnerungsabwehr in Dresden. Dazu etwas in Kontrast steht hingegen seine Forderung einer Re-Ideologisierung und möglichen Zurückerkämpfung völlig kontaminierter Begriffe und Ideologeme. Denn zur heutigen Debatte schreibt er in dem Arch+ Heft:

Der Frankfurter Altstadtstreit zeigt auch, dass ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Wort zurück auf die Tagesordnung (nicht nur) architektonischer Debatten kommen sollte: die Ideologie. Denn der revisionistischen Architektur-Ideologisierung der Neuen Rechten, die mit Camouflage-Slogans wie ‚Schönheit‘, ‚Heimat‘, ‚Tradition‘, ‚Identität‘ oder ‚Seele‘ hantiert, ist nur mit einer emanzipatorischen Gegen-Ideologisierung beizukommen, mit der entweder diese Begriffe zurückerkämpft oder verlockende Alternativen angeboten werden.

Da ist man dann allerdings durchaus ganz schnell (bestenfalls) bei Habecks Grünen oder bei Cem Özdemir, der ernsthaft den neuen Nazis im Bundestag vorwarf, zu wenig deutsch zu sein und bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer für Russland anstatt für „unsere“ Deutschen zu sein.[9] Solcherart gründeutsches, linksdeutsches oder liberaldeutsches Gerede, das sich die geliebte „Heimat“ so wenig madig machen lässt wie Steinmeier, der Heimatminister oder Robert J. De Lapuente[10] vom Neuen Deutschland, kann im Architekturdiskurs über rechte Räume keine Option sein.

Da schließlich neu-rechte Attacken wie auf Trüby nerven und nicht ungefährlich sind, wäre die positive Rezeption seiner Kritik der Rekonstruktionsarchitektur womöglich eine Erwähnung wert gewesen.[11]

Matteo Trentini geht auf den Faschismus in Italien im 21. Jahrhundert ein, die Lega Nord (bzw. mittlerweile nur noch Lega) und Matteo Salvini sowie vor allem auf die rechtsextreme identitäre Bewegung CasaPound, die als Ikone die Schildkröte hat. Dieses liebevolle und harmlose Tier wird von diesen Faschos identitär, nationalistisch, faschistisch bzw. national-sozialistisch instrumentalisiert, da die Schildkröten immer ihr eigenen Haus bei sich haben, was Neonazis auf die Gesellschaft übertragen wollen. Die natalistische Ideologie, „Zeit Mütter zu sein“ („Tempo di essere madri“) war ein Slogan von CasaPound von 2007, wobei ja auch viele Linke dem patriarchalen natalistischen Dogma strahlend Folge leisten, in jedem Alter. Treffend fasst Trentini zusammen:

Wie im Faschismus geht es um das Propagieren von Wohnen und Familie als Grundrechte, die der Staat durch direkten Eingriff garantieren muss.

Der Beitrag von Silke Hünecke über den Faschismus bzw. Franquismus in Spanien und dessen „fortwährende Präsenz“ wie in der riesigen Gedenkstätte Valle de los Caidos besticht durch die nachdrückliche Betonung des Skandalons der Abwehr der Erinnerung in Spanien bis auf den heutigen Tag.

Eine ähnliche, aber anders gelagerte Erinnerungsabwehr, wird in einem Gespräch von c/o now mit dem politischen Theoretiker Gal Kirn via einer Kritik der Kapitalisierung der ehemals staatseigenen Gebäude in Ex-Jugoslawien auf den Punkt gebracht:

Mit dem Verkauf des gesamten kommunalen Eigentums – und als Jugoslaw*innen hatten wir dazu eine besondere Beziehung – hat man unsere Geschichte getötet und unsere Zukunft verkauft. Das Kapital hat die alleinige Verfügungsgewalt über die Zukunft errungen, den nationalen Apparaten bleibt die Spekulation mit der Vergangenheit. Ich würde diesen Prozess als eine ursprüngliche Akkumulation von Erinnerungen bezeichnen.

Über diese interessante Transformation des Marx’schen Terminus „ursprüngliche Akkumulation“ auf die Geschichtspolitik könnte man diskutieren. Immerhin geht Kirn auf den Islamismus ein, ohne das Wort allerdings zu verwenden, und kritisiert die „wahhabitische König-Fahd-Moschee“ und „eine salafistische Zelle“ wie auch „Insignien“ vom „Islamischen Staat (IS)“.

Die Hinweise auf Nationalismus und reaktionäres Pathos wie eine „22 Meter hohe Statue Alexander des Großen“ in Mazedonien sowie das Verkleiden von brutalistischer Architektur mit „dorischen Architekturelementen“ ergänzen den skeptischen Blick Kirns. Es stimmt jedoch nachdenklich, dass er aktuell ankündigt, alsbald im relativ kleinen, linksradikalen Verlag „Pluto Press“ zu publizieren,[12] was ein hardcore antiwestlicher und antizionistischer Verlag aus Großbritannien ist, wo antisemitische Autoren wie Edward Said, Ilan Pappé oder der kosmopolitische Israelhasser und Vertreter einer „islamischen Befreiungstheologie“ Hamid Dabashi publiziert werden.[13] Auch Kirns enge Beziehung zum Institute for Cultural Inquiry (ICI) in Berlin lässt zumindest die Frage aufwerfen, wie er selbst zu dortigen, skandalösen Pro-BDS Events wie 2018 steht.[14]

Neben Trübys Beitrag „Altstadt-Opium fürs Volk“ über die Rekonstruktionsarchitektur ist die Forschung von Verena Hartbaum in diesem Heft Arch+ 235 von besonderer Bedeutung für eine Kritik der heutigen Architektur in Deutschland. Sie untersucht in ihrem wunderbar „Rechts in der Mitte. Hans Kollhoffs CasaPound“ betitelten Beitrag den von dem Architekten Hans Kollhoff gestalteten Walter-Benjamin-Platz in Berlin, der 2001 fertig wurde. Der Platz ist 108 Meter lang und 32 Meter breit, er erinnert die Autorin zudem an einen Abschnitt der Via Roma in Turin, der 1936 von Mussolinis Architekt Marcello Piacentini entworfen wurde.

Der Bezug zu Mussolini wird noch extrem verstärkt, indem Kollhoff in das Granitsteinpflaster folgenden Spruch des amerikanischen Dichters Ezra Pound (1885–1972) eingelassen hat: „Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert.“ Man kann nicht sofort erkennen, dass der Spruch von Pound ist, da der Autor nicht genannt wird. Der Antisemitismus spricht aus dem Wort Wucher oder Usura.

Hartbaum resümiert:

Mit dem Ezra-Pound-Zitat auf dem Walter-Benjamin-Platz machte sich Kollhoff Pounds antisemitisch konnotierte Kapitalismuskritik als die Wurzel allen wirtschaftlichen, sozialen und nicht zuletzt schöpferischen Übels zu eigen: Dort, wo der Wucher, im antisemitischen Jargon das ‚zinstreibende Judentum‘, herrscht, kann keine gute Architektur entstehen, verlieren Handwerk und Wertigkeit des Materials ihre Bedeutung.

Kollhoff war im Trend der Zeit, 2003 gründete sich die Neo-Nazi oder Identitäre Bewegung CasaPound in Rom. Auch CasaPound vertritt neben dem Nationalismus eine „Kapitalismuskritik mit antisemitischen Motiven“, wie Hartbaum festhält. Selbst den FAS-Autoren Stephan Trüby will die FAZ, hier Niklas Maak, via einer Kritik an Hartbaum und Arch+ diffamieren.

In einer Besprechung von drei Büchern zu Hans Poelzig, Paul Bonatz und Paul Schmitthenner kritisiert ein Altmeister der kritischen Architekturgeschichte, Winfried Nerdinger, den nationalistischen, monumentalistischen und alsbald nazistischen Einsatz der drei Protagonisten. Der Text wurde original 2011 auf Italienisch publiziert, schon 2010 hatte ich selbst auf zentrale nationalsozialistische Aktivitäten von Bonatz hingewiesen.[15]

Zu Nerdinger passt der Beitrag von Tina Hartmann, auch bei ihr geht es um rechtes Denken im Mainstream. Ihr Beitrag „Die Zeit als Scheibe. Der rechtspatriarchale Raum in der Literatur“ betont die Beziehung von Misogynie und Antisemitismus und glücklicherweise unterstreicht sie hierbei auch, dass die weit verbreitete These, der revolutionäre 1848er Richard Wagner sei ein anderer als der antisemitische deutsch-nationale, falsch ist. Ihre Analyse der Berliner „Bibliothek des Konservatismus“ ist bedeutsam.

Ob Hundt von Radowsky „der Begründer des eliminatorischen Antisemitismus“ ist, mag bezweifelt werden, weil allein schon Achim von Arnim 1811 in „Versöhnung in der Sommerfrische“ die Pulverisierung der Juden durchdeklinierte, was in der literaturwissenschaftlichen Forschung als „der schlimmste antisemitische Text der deutschen Romantik“ bezeichnet wird.[16] Darüber hinaus geht Hartmann auf die wohl erste politisch motivierte Bücherverbrennung der modernen deutschen Geschichte ein, das Verbrennen von Schriften des Aufklärers Christoph Martin Wieland durch den Göttinger Hainbund im Jahr 1772.[17]

Schließlich ist Hartmanns Hinweis auf einen ideologischen Anker des Rechtsextremismus und der Neuen Rechten sehr relevant: der „Ethnopluralismus“. Gleichwohl transformiert der Ethnopluralismus nicht 1:1 den Antisemitismus in heutige rassistische Ideologie, sondern indiziert eigenständig das Neue am Rechtsextremismus nach 1945: Weg von der „Rasse“ hin zur „Kultur“. „Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken oder Polen den Polen“ ist der Kern des rassistischen Ethnopluralismus-Konzepts, auf das auch Philipp Krüpe in seinem Beitrag „Reaktionäre Architektur-Memes in den sozialen Medien. Von Paul Schultze-Naumburg zu 4chan“ eingeht.[18]

Trüby übernimmt in seinem einführenden Text ein „politisches Positionenmodell“ des slowenischen Philosophen Slavoj Zizek, das in einem Quadrat links eine „doppelte Linke“, gegenüber die „doppelte Rechte“, oben einen „Progressiven Liberalismus“ und unten die „Querfront“ verortet. So interessant dies sein mag und zumal Trübys sehr treffende Attacken auf Kollegen wie den Architekten Patrik Schumacher, „der Chef von Zaha Hadid Architects, der sich zum rechtslibertären Anarchokapitalisten und Brexit-Fan entwickelt hat“, wichtig sind, so reduktionistisch ist die Definition bzw. Nicht-Definition von Antisemitismus. Denn es werden eine „antisemitische Linke“ und eine „antisemitische Rechte“ erkannt, aber Zizek meint damit reduktionistische Kapitalismusdefinitionen oder völkische Hetzer, jedoch nicht sich selbst.

Gerade nach der Bundestags-Resolution gegen die antisemitische BDS-Bewegung vom Mai 2019 drehen weite Teile der linken kulturellen Elite und der Nahost-, Islam- und Jüdische Studien-Forschung völlig durch[19] und Zizek ist Teil davon. Er wendet sich gegen die Bezeichnung, dass BDS antisemitisch ist (wie es der Deutsche Bundestag tut), das würde den Holocaust „entwerten“[20] und schmiegt sich somit an Leute an, die Juden wenn nicht sofort töten, so doch vertreiben wollen, denn das ist das Ziel der BDS-Bewegung: „Palestine – from the river to the sea.“

BDS ist gerade keine Kritik am Rechtsdrall in Israel oder an der Besatzung des Westjordanlandes, nein: BDS ist antisemitisch, wie die Forschung gezeigt hat,[21] weil es das herbei fantasierte „Rückkehrrecht“[22] der Palästinenser einfordert, die 1948 aus freien, arabisch-antisemitischen Stücken das Land verließen, um nicht den Judenstaat zu legitimieren, oder aber in der Tat vertrieben wurden. Dieses Rückkehrrecht, das völlig absurderweise auch noch alle Nachkommen inkludiert und somit eine Zahl von über 5 Millionen Menschen bedeutet, gibt es nicht. Es ist ein antijüdisches „Recht“, das den jüdischen Charakter Israels zerstören würde. Es gibt keine Indizien, dass Trüby BDS teilt oder damit kokettiert – aber wie sieht es mit Arch+ aus? Wir kommen darauf zurück!

Etwas merkwürdig ist ein Gespräch von Stephan Trüby mit seinem 10 Jahre älteren Stuttgarter Architektur-Kollegen Hartmut Mayer über „Germanische Tektonik“. Der Architekt Paul Ludwig Troost wird gewürdigt und namentlich Mayer fühlt sich geradezu in die Gedanken der frühen Nazizeit ein. Troost starb 1934 und Trüby stellt die merkwürdige Frage, warum Troost „doppelte Eingänge“ für den Münchener „Führerbau“ und ein Nazi Verwaltungsgebäude plante. Zumal bei Mayer hat man das Gefühl, dass er nicht einmal das Wort „Antifa“ je gehört hat. Wie Nazi-Gebäude auf Juden und deren Nachfahren und andere Opfer der Nazizeit und deren Nachkommen wirken – diese Frage wird nicht gestellt. Dabei ist das die einzig relevante Frage, nicht die, die nach dem Unterschied von Säule und Wand, korinthisch oder dorisch fragt oder die vor Affirmation der Geschichte strotzenden Positionen von Mayer, Karl Bötticher habe „die Schinkelschen Ideen fast ein halbes Jahrhundert lang gerettet“ und die „griechische Ornamentik für Berlin bewahrt“. Nicht ein Ton z.B. über den deutsch-nationalen Revanchismus Schinkels und seine Denkmäler für die antifranzösischen „Befreiungskriege“.

Ergänzt wird dies en passant durch nicht weniger problematische, Holocaust verharmlosende, formalistische Analogien von NS- und Stalinscher Architektur. Gleiche Fassade, aber einmal Hakenkreuz, das andere Mal Hammer und Sichel auf der Stirnseite des Gebäudes. Da lachen vielleicht estnische, litauische, ukrainische oder lettische Antisemiten wie auch Joachim Gauck[23] und weitere Unterzeichner der „Prager Deklaration“ von 2008. Letztere setzt kategorial Rot und Braun auf eine Treppenstufe und hält explizit die EU an, das gedenkpolitisch umzusetzen – was die vor Antikommunismus und NS-Verharmlosung triefende EU auch machen wird, wie am Jean-Ray-Platz in Brüssel, was ja in Architekturkreisen 2018 bekannt, oder sagen wir besser wie selbstverständlich goutiert wurde.[24] Das wird ein extrem rechter Raum werden, der die Opfer der Shoah mit Stalinismusopfern mit in den Boden eingelassenen Briefen und Dokumenten gleichsetzen und damit das Nie-Dagewesene von Auschwitz leugnen wird, ein Raum mithin, den auch Arch+ im Auge behalten sollte.

Die beiden letzten Texte des Arch+-Heftes sind nichts weniger als skandalös. Anna Yeboah schreibt über die „Rekonstruktion der Potsdamer Garnisonskirche“ und vor allem über das Humboldt Forum in Berlin, das wieder aufgebaute Berliner Stadtschloss im Herzen des alten Ost-Berlin unweit des Alexanderplatzes. Die Kritik am Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche, die wie kein zweiter Ort für die Kollaboration von Hitler und Hindenburg, Nazis und dem Konservatismus steht, ist sehr wichtig. Das gilt auch für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses bzw. des Humboldt Forums, dessen koloniale Geschichte die Autorin aufzeigt. Die Kritik an beiden Bauten ist allerdings viel zu bedeutsam, um sie einem solchen postkolonial-ideologisierten Text zu überlassen. Denn am Ende schreibt Yeboah, wie es zu ihrem Text kam:

Die Verfasserin bedankt sich beim Bündnis Decolonize the City, ohne deren Arbeit dieser Text nicht möglich gewesen wäre.

Schaut man sich allein den Twitter-Account dieses Bündnisses Decolonize the City an, sieht man den üblichen anti-israelischen Antisemitismus in vielen Tweets.[25] Trüby hingegen bezieht sich mehrfach völlig affirmativ auf Yeboah, so in dem Zeit-Gespräch von Juni 2019 oder auf einer Heftpräsentation in der Volksbühne (siehe dazu unten mehr), wo er erwähnt, dass sie ihm und einer Gruppe von Leuten die postkoloniale Kritik am Beispiel Berlin in einem Stadtrundgang näher brachte.

Die koloniale Geschichte des wieder errichteten Berliner Stadtschlosses, also des Humboldt Forums, ist offenkundig.[26] Die Betonung Yeboahs – die auch den Alltagsrassismus von Neonazis in Brandenburg benennt, den sie persönlich als schwarze Deutsche, die auch einen ghanaischen Pass hat, regelmäßig erlebt –, dass das historische Schloß auf dem Profit basierte, den die Hohenzollern aus dem Kolonialismus zogen, ist wichtig. Es wäre auch naheliegend gewesen zu betonen, dass eine zentrale Motivation für den Bau dieses Forums/Schlosses der Abriss des Palasts der Republik der DDR war.[27] Dieser moderne Bau war ein architektonisches Glanzlicht für Ost-Berlin und die DDR-Bürger*innen. Der nicht weniger als obsessive Antikommunismus der Berliner Republik basiert städtebaulich auf der Auslöschung der Erinnerung an die DDR an diesem zentralen Platz im Herzen Ost-Berlins.

Die koloniale Geschichte des nun wieder aufgebauten Schlosses kommt additiv hinzu. Während eine solche anti-links motivierte Zerstörung oder kapitalistische Vereinnahmung von Bauten aus der Zeit des Realsozialismus im Kapitel zu Jugoslawien im Arch+ Heft unterstrichen wird, ist sie hier plötzlich gar kein Thema mehr. Ist das nicht merkwürdig? Der Postkolonialismus vernebelt auch hier alle Köpfe.

Der entscheidende und kategoriale Denkfehler von Anna Yeboah (und weiter Teile der postkolonialen Autor*innen weltweit), zeigte sich öffentlich auf einer über 2 Stunden dauernden Vorstellung des Heftes 235 von Arch+ in der Berliner Volksbühne am 24. Mai 2019[28] unter der Regie von Trüby und mit einer euphorischen Einführung durch den Arch+ Mitherausgeber Anh-Linh Ngo. Letzterer betonte, dass die rechte Ideologie vom „großen Austausch“ gefährlich und falsch ist, womit er selbstredend völlig Recht hat, und er wie alle anderen natürlich nicht gehen wird.

Im Laufe des Events der Heftvorstellung in der Volksbühne kamen unterschiedliche Beiträger*innen des Heftes auf die Bühne und präsentierten die Ergebnisse. Die Architektin Yeboah sagte, die Idee des „Anders-Seins“ sei „erst mit dem Kolonialismus“ aufgekommen. Da wird man stutzig. Also nochmal: Ausgrenzung und Grenzziehung seien erst mit dem Kolonialzeitalter aufgekommen und hätte es unter Weißen nicht gegeben; „der Standard des weißen Mannes wurde bis heute beibehalten“. Das sagte Yeboah so. Kein Widerspruch von niemand. Warum ist dieser Satz so ungeheuerlich postkolonial und falsch? Weil er die jahrtausendealte Unterdrückung der Juden nicht sehen kann. Die christlichen Kreuzzüge und das Abschlachten der Juden hat demnach wohl nichts mit dem erfundenen „Anders-Sein“ der Juden zu tun gehabt, die ja auch „Weiße“ waren, wie der postkoloniale Antisemitismus es immer sagt, seit Aimé Césaire und W.E.B. Dubois etc.pp.[29] In ihrem Text in Arch+ vertritt Yeboah den gleichen postkolonialen linken Geschichtsrevisionismus:

Mit dem Kolonialismus wurden binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert, die Menschen diskriminatorisch in ‚Zugehörige‘ und ‚Fremde‘ unterteilen.

Sie schreibt mit keinem Wort, dass es zuvor schon viel tiefer gehende „binäre Macht- und Identitätsmodelle“ gab, den Antisemitismus. Sie schreibt nicht, dass mit dem Kolonialismus ein anderes „binäres Macht- und Identitätsmodell“ auftaucht. Nein, sie schreibt, dass „mit dem Kolonialismus“ „binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert“ wurden. Etablieren meint etymologisch „befestigen“ oder „sich niederlassen“. Synonyme sind z.B. laut Duden „sich ansiedeln, aufbauen, auf die Beine stellen, begründen, einrichten, einsetzen, eröffnen, errichten, gründen, ins Leben rufen“. Demnach hat es vor dem Kolonialismus also keine „binäre[n]“ Macht- und Identitätsmodelle“ gegeben. Yeboah hat den Antisemitismus, der viel älter und unendlich tiefer in die europäische Geschichte und Gesellschaft eingeschrieben ist, einfach vergessen oder übergangen oder bewusst weggewischt, wir wissen es nicht. Die Kritik am kolonialen Denken und den kolonialen Verbrechen ist von sehr großer Bedeutung. Aber es scheint bei postkolonialen Autor*innen nicht ohne eine Diminuierung oder Vernebelung zu gehen.

Fakt ist: das ist eine unwissenschaftliche und politisch skandalöse Aussage von Yeboah in Arch+ und auf der Heftvorstellung, wo sie jeweils das exakt gleiche sagte bzw. schreibt, einmal lang diskutiert und formuliert, redigiert und lektoriert, das andere Mal spontan und live. Demnach wurden die Juden zuvor, nehmen wir das Mittelalter, nicht als „Fremde“ ausgeschlossen. Die Juden wurden also nicht als der „Antichrist“, als die Brunnenvergifter oder Blutsauger und Pestverbreiter aus der christlichen Mehrheitsgesellschaft Europas ausgeschlossen und wahlweise massakriert oder in Ghettos gesteckt. Das vierte Laterankonzil von 1215 mit seinen antijüdischen Beschlüssen hat es gar nicht gegeben, weil es ja nicht gegen Schwarze ging und nichts mit dem Kolonialismus zu tun hatte. Die jahrtausendealte Ausgrenzung der Juden wird hier einfach verleugnet und postkolonial die Geschichte umgeschrieben.

Die Juden wurden also nicht als „Fremde“ ausgeschlossen, das Muster des Ausschlusses ganzer Gruppen von Menschen würde es erst seit dem Kolonialismus geben. Das ist ein antijüdisches Märchen von Anna Yeboah, die nur pars pro toto für den postkolonialen Irrsinn steht. Weder der Gastredaktion (Stephan Trüby, Matteo Trentini, Philipp Krüpe, Verena Hartbaum, Tobias Hönig, Hartmut Mayer, Sandra Oehy, Andrea Röck, Zsuzsanne Stanitz) noch den beteiligten „Stipendiat*innen“ und der Redaktion (Nikolaus Kuhnert, Anh-Linh Ngo, Mirko Gatti, Christian Hiller, Max Kaldenhoff, Alexandra Nehmer, Nora Dünser, Angelika Hinterbrandner, Christine Rüb, Frederick Coulomb, Dorothea Hahn, Melissa Koch, Jann Wiegand), also einer geballten Ladung akademischer „Bildung“, ist da was aufgefallen. Ausgrenzung und „binäre Macht- und Identitätsmodelle“ gebe es erst seit dem Kolonialismus.

Eine solche Leugnung der jahrtausendlangen Ausgrenzung der Juden im Jahr 2019 ist beachtlich – und sie wird geschrieben, diskutiert, gedruckt und öffentlich vorgestellt, kein Widerspruch, nirgends. Alle fühlen sich als „die Guten“, es geht ja gegen rechts.

Exkurs: Postkoloniale Geschichtsumschreibung und Antisemitismus

Da sich die Arch+-Autorin Anna Yeboah so euphorisch auf ihre Freund*innen von „Decolonize the City“ bezieht, ohne deren Hilfe das Schreiben ihres Artikels nicht möglich gewesen sei, und das Team um Trüby und Arch+ sich mit „Decolonize the City“ offenkundig nicht befasst hat oder deren Ideologie unhinterfragt goutiert, mag ein Blick in das Buch dieses Bündnisses hilfreich sein. Als Herausgeber*in des Bandes „Decolonize the City! Zur Kolonialität der Stadt – Gespräche | Aushandlungen | Perspektiven“ fungiert ein „Zwischenraum Kollektiv“.[30]

„Decolonize the City“ war eine Konferenz vom 21.–23.09.2012 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung,[31] um den aktivistischen Charakter zu unterstreichen. 2017 kamen die Beiträge als Buch im Unrast Verlag heraus,[32] 2018 dann als E-Book.[33] Eine der Beteiligten von 2012 war Anna Younes,[34] die später vom Twitter-Account von „Decolonize the City“ mit einem anti-israelischen Text verlinkt wurde. 2016 wurde Younes wegen einem Festival im Ballhaus Naunynstraße in Berlin Kreuzberg kritisiert:

Von Kuratorin Anna-Esther Younes etwa ist laut ‚Berliner Zeitung‘ der Satz dokumentiert, dass ‚mit der Gründung Israels ein weiteres Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurde‘.[35]

Die BDS-Vertreterin und antisemitisch-antizionistische Jüdin Judith Butler, für die der Zionismus nicht Teil des Judentums ist, wird in dem Buch in einem Text von Paola Bacchetta, Fatima El-Tayeb und Jin Haritaworn über „Queer-of-Color-Politik und translokale Räume in Europa“ völlig positiv dargestellt und dafür gelobt, einen Preis des CSD (Christopher-Street-Day) u.a. wegen „antimuslimischem Rassismus“ oder weil die schwul/lesbisch/transsexuellen etc. Organisator*innen zu westlich, kapitalistisch, kriegerisch etc. seien, nicht angenommen zu haben.

Der ganze Ansatz des Buches „Decolonize the City“ wie weiter Teile des Postkolonialismus weltweit wird in einem Beitrag von Ramón Grosfoguel zu „Was ist Rassismus? Die ‚Zone des Seins‘ und die ‚Zone des Nicht-Seins‘ in den Werken von Frantz Fanon und Boaventura de Sousa Santos“ deutlich:

Für Fanon ist Rassismus eine globale Machthierarchie von Über- und Unterlegenheit an der Grenze zum Menschlichen, die jahrhundertelang für die moderne/koloniale, kapitalistische/patriarchale, imperialistische/westlich zentrierte Weltordnung politisch produziert und reproduziert wurde (Grosfoguel 2011). Personen, die sich oberhalb dieser Grenze befinden, werden gesellschaftlich in ihrer Menschlichkeit anerkannt und mit Rechten und Zugang zu Subjektivität und Mensch-/Bürger_innen-/Arbeitnehmer_innenrechten ausgestattet. Personen, die unterhalb dieser Grenze eingeordnet werden, werden als nicht-menschlich oder gar unmenschlich betrachtet; ihre Menschlichkeit wird infrage gestellt und ihnen abgesprochen (Fanon 2010).

Das ist völlig falsch. Das Mensch-Sein würde also einer unglaublich riesigen Zahl von Menschen seit Jahrhunderten abgesprochen, farbigen Menschen aller Art aller Zeiten, seit Kolumbus die neue Welt entdeckte (1492). Es geht hier nicht um eine völlig notwendige Herrschaftskritik, um Kritik am Rassismus Europas – sondern um eine Verleugnung des Regimes, das tatsächlich Menschen zu Nicht-Menschen deklarierte und vergaste: der Nationalsozialismus. Logisch bleiben Antisemitismus, Shoah und die deutsche Spezifik völlige Leerstellen in diesem Konzept des Postkolonialismus, der ernsthaft meint (man sieht das in jedem Text, namentlich bei Grosfoguel) die ganze Welt erklären zu können. Das kann der Postkolonialismus gerade nicht, vielmehr ist er Teil des Problems. Und das Problem heißt Antisemitismus.

Demnach gibt es für Autoren wie Grosfoguel nur Rassismus auf der Welt, Höher- und Niederwertigkeit, ja eine universell anzutreffende „Rassifizierung“, was nur andeutet, dass der Autor noch nie ein Buch oder einen Text von einem nationalsozialistischen Autor gelesen und von Nazi-Deutschland schlichtweg keinerlei Ahnung hat. Die einzige „Gegenrasse“, die jemals konstruiert wurde und vernichtet werden sollte, waren die Juden und niemand sonst. Das wird im gesamten Postkolonialismus verleugnet.

Der regelrechte sprachliche Stumpfsinn des Konzepts „Nicht-Sein“ in dem Band „Decolonize the City“ hört sich z.B. so an:

Ein nicht-westlicher, heterosexueller Mann in der Zone des Nicht-Seins lebt privilegiert und unterdrückt nicht-westliche heterosexuelle Frauen und/oder Schwule/Lesben innerhalb der Zone des Nicht-Seins. Obwohl ein nicht-westlicher, heterosexueller Mann ein unterdrücktes Subjekt in der Zone des Nicht-Seins im Vergleich zur Zone des Seins darstellt, gestaltet sich die gesellschaftliche Situation für eine Frau oder einen Schwulen oder eine Lesbe in der Zone des Nicht-Seins schlechter.

Die Kritik am Patriarchat, an Homophobie, Sexismus und Rassismus wie der bürgerlich-kapitalistischen Vergesellschaftung ist von sehr großer Bedeutung – sie wird hier aber so dermaßen absurd als „Zone des Nicht-Seins“ gefasst, dass man dieses Konzept des Postkolonialismus nicht ernst nehmen kann. Mit Gesellschaftsanalyse hat das überhaupt nichts zu tun, mit einer identitären Selbstvergewisserung, das arme Opfer zu sein und gar in einer „Zone des Nicht-Seins“ zu sein und eigentlich gar nicht da zu sein, sehr viel. Da fallen dann antisemitische Ressentiments namentlich von Schwarzen, people of colour, Muslimen, Christen, Säkularen oder anderen Menschen aus nicht-westlichen Gesellschaften völlig durch das Raster. Antisemitismus taucht als Kategorie auch überhaupt nirgends auf. Dafür umso stärker die sekundär antisemitische Analogie von Kolonialismus und Holocaust.

Der „Intersektionalismus“, also die Überschneidung verschiedener Herrschafts- oder Unterdrückungsformen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Klassismus – früher hieß das 3:1[36] – ist nichts Neues. Auffallend aggressiv sind heute jedoch z.B. muslimisch-islamistische Aktivist*innen und ihre Fans. Die Feministin Alice Schwarzer hat das 2017 bei einem Vortrag an der Universität Würzburg erlebt.[37]

Eine Handvoll aggressiver Aktivist*innen haben ihr genau das vorgeworfen, was sie gar nicht gesagt hatte: dass Islamismus und Islam das gleiche seien, dass es nur unter Nicht-Deutschen Sexismus gebe oder dass sie Algerien hassen würde, wobei Schwarzer erst kurz zuvor zwei Wochen bei Freund*innen in Algerien zu Gast war und das Land kennt und schätzt – aber zumal die Traumatisierungen durch den mörderischen islamistischen Bürgerkrieg der 1990er Jahre mit 200.000 Toten erlebte. Da hörten die jungen verschleierten und nicht verschleierten Hetzer*innen einfach nicht hin. Schwarzer fasst zusammen:

Das Phänomen ist meiner Politikgeneration wohlbekannt. In den 1968er und 1970er Jahren hießen diese Politsekten KBW oder KPDML oder Maoisten oder Trotzkisten. Ihr Diskurs war genauso verhetzt, wirklichkeitsfremd und stellvertretend (für ‚das Proletariat‘) wie der dieser heutigen, pseudolinken Szene (für ‚die Muslime‘), der jedoch fatalerweise zur Verbreitung ihrer wirren Ideen auch noch das Internet zur Verfügung steht. Und die Schlagworte heute lauten nicht mehr ‚Internationale‘ und ‚Klassenkampf‘, sondern ‚Intersektionalismus‘ und ‚Antirassismus‘.

Intersektionalismus und Antirassismus sind auch Kernpunkte des Bandes „Decolonize the City“. Es geht um die „koloniale/kapitalistische/imperiale“ Welt und man fühlt sich wie Schwarzer zurückversetzt in die primitivsten ökonomistischen Analysen der K-Gruppen der 1970er Jahre oder noch früher an die Zeiten der KPD der Weimarer Republik etc.pp.

Der „Decolonize the City“ Autor Grosfoguel steigert das noch massiv, indem er von der „Zone des Seins“ und der des „Nicht-Seins“ daher redet. Damit sind nicht Sobibor, Treblinka oder Auschwitz gemeint – sondern er meint Typisches für unsere Welt:

In der Zone des Nicht-Seins erleben Subjekte, die als unterlegen eingeordnet werden, rassistische Unterdrückung anstatt Privilegierung aufgrund von Rassismus.

Natürlich ist rassistische Diskriminierung schrecklich und gehört bekämpft, hier und heute und an jedem Ort. Aber die Menschen leben doch und das wird mit dem grotesken Terminus „Zone des Nicht-Seins“ geleugnet. Wenn der alltägliche Rassismus in London, Berlin, Paris oder Rio de Janeiro etc. eine „Zone des Nicht-Seins“ bedeutet, dann ist die eigentliche Zone des Nicht-Seins der KZ- und Vernichtungslager des Nationalsozialismus völlig trivialisiert, ja verleugnet. Der ganze Text strotzt nur so von Nichtwissen und Ignoranz gegenüber den historisch existenten Zonen des Nicht-Seins in NS-Deutschland und während des Holocaust.

Diese postkoloniale, absurde Sprache steht für das obsessive Verweigern einer Beschäftigung mit dem Holocaust. Würde sich der Postkolonialismus mit der Shoah befassen, würde er merken, dass das nicht das gleiche ist wie koloniale Gewalt wo und wann auch immer. Aber die Postkolonialist*innen fühlen sich als „die Guten“ und befassen sich weniger mit der Realität als ihren krampfhaften Analogien von NS und Kolonialismus. Da wird dann aus einer völlig lebendigen Lebensrealität hier und heute eine „Zone des Nicht-Seins“, wie bescheuert, gewalttätig, rassistisch, sexistisch oder klassistisch dieser Alltag auch immer aussieht – die Leute leben und niemand plant sie zu vergasen.

In einem Gespräch der Frankfurter Rundschau vom 4. September 2019 angesichts des Gießener Kultursommers mit zwei Aktivist*innen gegen Antisemitismus und den Sänger Xavier Naidoo, der auf dieser Veranstaltung am 31.8. vor 5000 Leuten auftrat (25 protestierten gegen ihn), kann man lernen, was der Unterschied von Rassismus und Antisemitismus ist:

Nur weil sich jemand für eine gute Sache einsetzt, schließt das nicht aus, dass dieselbe Person bei einer anderen Thematik fragwürdige Sichtweisen öffentlich äußert. Außerdem sind Rassismus und Antisemitismus zwei unterschiedliche Phänomene. Antisemitismus ist das Narrativ der übermächtigen kleinen Gruppe, die für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht wird und ein imaginiertes ‚Wir‘ durch Zersetzung bedroht. In der logischen Konsequenz können ‚Wir‘ nur gerettet werden, wenn die übermächtige Gruppe vernichtet wird. Rassismus dagegen ist die Idee, dass es unterlegene, oder gar als unzivilisiert geltende Menschen gibt, die nicht zu ‚Uns‘ gehören.

Eine solche Differenzierung kann man von typischen postkolonialen Autor*innen nicht erwarten. Kien Nghi Ha moniert in „Die fragile Erinnerung des Entinnerten“, dass zwar seit den 1960er Jahren der Holocaust erinnert werde, aber nicht der Kolonialismus, womit schon gesagt ist, dass beides irgendwie ähnlich schlimme Verbrechen gewesen seien:

Die über Jahrzehnte hinweg verweigerte Aufarbeitung des Holocaust und der nazistischen Tradierungen konnte gegen große gesellschaftliche Widerstände letztlich noch erfolgreich institutionalisiert werden, sodass diesem Aufklärungsprozess eine kontinuierliche Struktur verliehen wurde.

In dem Band schreiben zudem Vanessa E. Thompson und Veronika Zablotsky über „Nationalismen der Anerkennung – Gedenken, Differenz und die Idee einer ‚europäischen Kultur der Erinnerung‘“:

Der politische Umgang mit dem Holocaust, dem Völkermord an den Herero und Nama durch das Deutsche Kaiserreich und dem Völkermord an den Armenier_innen und anderen Minderheiten im Osmanischen Reich spannt ein Feld auf, innerhalb dessen strategisch zwischen materiellen Entschädigungen (‚Wiedergutmachung‘), politischer Anerkennung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ohne Rechtsfolgen (‚politische Äußerungen‘) und dem moralischen ‚Stehen‘ zu historischer Verantwortung ohne politische Verhandlungen im eigentlichen Sinne (‚ehrliche Aufarbeitung‘) gewählt werden kann, um ‚Unrechtsschulden“ zu ‚tilgen‘.

Ohne jegliche wissenschaftliche Differenzierung oder Analyse, ob denn das überhaupt ein Völkermord war und selbst wenn, dass ihm ein militärisch antikolonialer Angriff vorausging und so weiter – das wird alles nicht diskutiert, sondern autoritär gesetzt. Man soll es glauben, nicht wissen. Verbrechen gegen die Menschheit sollen demnach alle möglichen Kolonialverbrechen gewesen sein, so wie die Shoah. Das ist eine Universalisierung, die wiederum gesetzt wird, ohne jegliche Diskussion.

An anderer Stelle wird gerade die Architektur des Jüdischen Museums Berlin, das den Bruch, den der Zivilisationsbruch Auschwitz bedeutet, visuell andeuten möchte, diffamiert, da es sich „scharf vom übrigen Stadtbild“ im Multikulti-Bezirk Kreuzberg „absetzt“ und so

lässt sie die Umgebung im Umkehrschluss unbeteiligt erscheinen, als sei diese nun nicht länger in koloniale, imperiale, und nationalsozialistische Vernichtungspolitik impliziert.

Das hört sich so absurd an, dass man den Satz mehrfach lesen muss und ihn immer noch nicht versteht. Ein jüdisches Museum sei aufgrund der Architektur, die gerade den BRUCH, den die Shoah bedeutet, versucht diesen irgendwie in kleinsten Ansätzen darzustellen, höchst problematisch, weil es die (vor allem muslimischen oder migrantischen etc.) Nachbarn nicht dort abholen würde, wo sie wohnen, sondern mit so einer intellektuell gleichsam anmaßenden Architektur nur ausgrenzten.

Das Zitat oben ist zudem ein sekundär antisemitischer Sprech, eine Erinnerungsabwehr, die nur vorgibt, zu erinnern. Warum? Weil sie das Wort „Vernichtungspolitik“ im Kolonialismus und Imperialismus verortet und das 1:1 auf die Shoah überträgt und somit die Präzedenzlosigkeit von Auschwitz, Treblinka und den Wäldern von Litauen leugnet.

In einer Analyse an der Art des Erinnerns oder gerade Nicht-Erinnerns der Spezifik der Shoah zeigte der Historiker Saul Friedländer bereits 1982 (frz., 1984 auf dt.) in seinem Essay „Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus“ in seiner Kritik marxistischer Analysen bzw. Reduktionismen des Antisemitismus, was die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust bedeutet:

Eine solche Interpretation [wie vom Marxisten Abraham Léon, CH] sagt uns jedoch nicht, wie ein auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Antagonismus basierender Rassenhaß – der in anderen Fällen zu Plünderung, Vertreibung, Versklavung oder sporadischen Tötungen (so etwa in den Kolonien) – hier den festen Vorsatz zur totalen Vernichtung annehmen konnte.[38]

Ganz offensiv wird hingegen diese Leugnung des Nie-Dagewesenen des Holocaust in „Decolonize the City“ von Thompson und Zablotsky propagiert bzw. damit kokettiert:

Kritische Haltungen in Bezug auf die Singularität des Holocaust als erstem industriellem Massenmord und der Unmöglichkeit, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als solche darzustellen, werden somit für die Belange der Mehrheitsgesellschaft instrumentalisiert, welche die Kontinuitäten von Kolonialismus und Eugenik mit Verweis auf Erinnerungskultur und Gedenkorte in Abrede stellt.

Was sind denn „kritische Haltungen in Bezug auf die Singularität des Holocaust“? Lacht da nicht die AfD, wenn das Nie-Dagewesene des Holocaust in Abrede gestellt wird, was ja ein zentrales Ziel jedes Antikommunismus und Antisemitismus seit Ernst Nolte und zuletzt bei Timothy Snyder ist?

Sandrine Micossé-Aikins schreibt über „Vorwärtsgehen, ohne zurückblicken – eine kolonialismuskritische aktivistische Perspektive auf das Humboldtforum“ über die „brandenburgische Kolonie Großfriedrichsburg“, die in „Princess Town“ „von 1683–1717“ bestand und im kolonialen Dreieckshandel Europa-Afrika-Amerika involviert war und die Hohenzollern profitierten davon.

Dieser Text von Micossé-Aikins ähnelt in vielen Aspekten dem Text von Yeboah im Arch+ Heft 235 von 2019, was verständlich ist, da es sich heute um einen häufig sehr unkritischen bis affirmativen Diskurs handelt. Hier merkt man am deutlichsten, warum sich Anna Yeboah bei „Decolonize the City“ so herzlich bedankt. In dem Text von Micossé-Aikins wird jedoch wie selbstverständlich wiederum die Kontinuität von Kolonialismus und Nationalsozialismus und Shoah aufgemacht:

Die Geschichte dieser Gebeine markiert die in der dominanten Geschichtsschreibung weitgehend ignorierten historischen Verbindungen zwischen Kolonialzeit und dem Nationalsozialismus bzw. dem Genoziden in Deutsch-Südwest Afrika und dem Holocaust.

Da merkt man dann durchaus, woher Anna Yeboah ihre eigene Rede- und Schreibweise hat, wenn sie wie zitiert schreibt:

Mit dem Kolonialismus wurden binäre Macht- und Identitätsmodelle etabliert, die Menschen diskriminatorisch in ‚Zugehörige‘ und ‚Fremde‘ unterteilen.

Das ist exakt die Tonlage des ganzen „Decolonize the City“ Buches. Der Bezug auf Aimé Césaire ist ganz typisch für die postkoloniale Literatur. Die Zeitschrift Peripherie („Politik Ökonomie Kultur“) teilt diese Form des postkolonialen Antisemitismus. In der Ausgabe 146/147 von August 2017 schreiben Aram Ziai und Daniel Bendix:

Ein entsprechendes ‚Pro und Kontra Kolonialismus‘-Tabu gilt in der heutigen BRD nicht. Aimé Césaire hat es schon 1955 gewusst: Weiße Opfer, zu denen er Jüd*innen zählte, scheinen (zumindest für die meisten Weißen) gleicher als andere. Deswegen wurden nicht die kolonialen Völkermorde, sondern erst der Völkermord im Nationalsozialismus von der westlichen Welt als ‚Zivilisationsbruch‘ wahrgenommen (Diner 1996).

Demnach war die Shoah kein Zivilisationsbruch, sondern koloniale Verbrechen seien auch Zivilisationsbrüche gewesen. Damit wäre Auschwitz gerade nicht präzedenzlos. Das ist ein Antisemitismus mit bestem postkolonialem Gewissen, trendig und preisgekrönt jüngst via Achille Mbembe, der sich exakt auf diese Passage von Césaire bezieht.

Der Schriftsteller Heiner Müller hatte in dieser Hinsicht die gleiche Holocaust trivialisierende und universalisierende Ideologie. 2017 wurde bei Suhrkamp ein Band mit Texten Müllers gegen den Kapitalismus herausgegeben, der zeigt, wie ungeniert heute im Mainstream der Antisemitismus trivialisiert und der Nationalsozialismus und Auschwitz universalisiert werden. In Anlehnung an ein Wort des später Müller von 1995 – „Für alle reicht es nicht. Daraus folgt die Selektion“ – wird von den beiden Herausgeber*innen Helen Müller und Clemens Pornschlegel der Nationalsozialismus als bloße Epoche in der Geschichte des Kapitalismus herunter dekliniert. Der Antisemitismus hat da nicht nur keinen Platz, Auschwitz wird in seiner Sinnlosigkeit geleugnet:

Die Behauptung, dass es einen systematischen Zusammenhang gebe zwischen Hitlers massenmörderischen Selektionen und der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, zwischen Auschwitz und der Deutsche Bank (aber auch: I.G. Farben, VW, Thyssen, Bertelsmann, Audi, Hugo Boss, Oetker usw.), erschien verrückt. (…) In den Jahrzehnten nach 1990 haben nicht Frieden und Wohlstand, nicht blühende Landschaften und das kindlich-naive Vertrauen in die Gesetzlichkeiten oder harmonischen Gleichgewichte des freien Marktes zugenommen, sondern zugenommen haben (vom Reichtum der Reichen und Superreichen einmal abgesehen) Arbeitslosigkeit, Kriege, soziale und politische Gewalt (…).“[39]

Das ist Suhrkamp 2017. Von Auschwitz in wenigen Sätzen zu Arbeitslosigkeit zu gelangen ist an links-antikapitalistischer Obszönität und antijüdischem Ressentiment unüberbietbar. Das ist sekundärer Antisemitismus, eine Abwehr der Erinnerung dessen, was Auschwitz war. Es indiziert die analytische Hilflosigkeit wie auch die unverschämte linke Ignoranz gegenüber dem, was in Auschwitz geschah: der Zivilisationsbruch.

Das intellektuell nicht nur dürftige, sondern regelrecht widerwärtige, sich selbst immer nur obsessiv als Opfer des Kapitals imaginierende Niveau Heiner Müllers passt exakt zu seinen postkolonialen Epigon*innen oder literaturwissenschaftlichen Herausgeber*innen und Fans Helen Müller und Clemens Pornschlegel, wenn Heiner Müller 1984 schrieb:

Es gab ein Gastspiel mit der Aufführung SCHLACHT in Belgrad, bei BITEF, diesem Theaterfestival. Hinterher war eine Diskussion, ein Jugoslawe polemisierte gegen irgendwas, und dann habe ich gesagt, daß man doch auch sehen müßte, daß der deutsche Faschismus nur eine besonders blutige Episode war in dem kapitalistischen Weltkrieg, der schon vierhundert Jahre dauert.[40] Und das Besondere daran, daß zum ersten Mal mitten in Europa etwas gemacht wurde, was in Afrika, in Asien und in Lateinamerika völlig normal war seit Jahrhunderten: die Vernichtung von Völkern, die Versklavung von Bevölkerung. Der Jugoslawe war sehr empört, er war Partisan gewesen und sagte: Für mich war das keine Episode. Für ihn war das sein ganzes Leben. Er hat recht, aber trotzdem ist es richtig, daß man das mal sehen muß in einem globalen Kontext.“[41]

Damit universalisiert und rationalisiert Heiner Müller den Holocaust und die nie dagewesenen Verbrechen der Deutschen und ihrer Alliierten. Nie zuvor gab es den Plan, ein ganzes Volk zu vernichten, alle Juden sollten ermordet werden auf der ganzen Welt. Das gab es nie zuvor und nie seither.

Die Juden wurden mit Verschwörungsmythen wie den „Protokollen der Weisen von Zion“ (um 1905, russisch) für alles Übel auf der Welt verantwortlich gemacht, den Kapitalismus, den Kommunismus, die moderne Zivilisation und ihnen eine Weltverschwörung angedichtet. Nichts dergleichen gab es jemals zuvor oder seither mit irgendeiner anderen Gruppe von Menschen. Das zu leugnen und einen jahrhundertelangen, kapitalistischen, kolonialistischen und imperialistischen Krieg der Weißen gegen die Nicht-Weißen oder des Kapitalismus gegen den Rest der Welt zu imaginieren, ist nicht nur ahistorisch, sondern exkulpiert darüber hinaus die jeweiligen Ideolog*innen von ihrem eigenen Antisemitismus, der allein schon darin besteht, in sekundär antisemitischer, erinnerungsabwehrender Weise die Präzedenzlosigkeit von Treblinka, Sobibor, Chelmno, Majdanek, Auschwitz, den Wäldern von Litauen oder der Schlucht von Babi Yar zu leugnen.

Das passt darüber hinaus zu einer Art postkolonialer Geschichte, die Müller erzählte (wie mir berichtet wurde): In Afrika wurden demnach Filmaufnahmen aus den deutschen KZs gezeigt, um Aufklärung über die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus und den Holocaust zu leisten. Doch beim Anblick der Toten und fast Toten lachten viele afrikanische Zuschauer*innen und hielten sich die Bäuche. Warum? Weil sie es komisch fanden, „Weiße“ als Opfer von Weißen zu sehen. Auch das deutsche Publikum von Müller lachte einmal herzhaft, als er das erzählte. Diese Form des (sekundären) Antisemitismus, der Juden zu Weißen macht, ist der Kern der Geschichtspolitik des Postkolonialismus. Heiner Müller, der sich ja selbst als „Neger“ bezeichnete, war ein Vordenker hiervon, in den Fußstapfen von Aimé Césaire.

Auch Decolonize the City vertritt exakt diesen Césaire‘schen Antisemitismus, wenn Thompson/Zablotsky schreiben (in Anm. 4 zu ihrem Text):

Obwohl die Entnazifzierungspolitik der alliierten Besatzungsmächte häufig aus unterschiedlichen Gründen als unzureichend kritisiert worden ist, wurde nur selten ein expliziter Zusammenhang zur kolonialen Vergangenheit hergestellt. Als Ausnahmen sind hier insbesondere Aimé Césaires Diskurs über den Kolonialismus (1950) und Hannah Arendts Elements und Ursprünge totaler Herrschaft (1951) hervorzuheben.

Dass Césaire Juden zu Weißen machte und gerade nicht den Zivilisationsbruch Auschwitz auch nur ansprach, wird damit akzeptiert.

Andernorts spricht Kien Nghi Ha in dem gleichen universalisierenden und Auschwitz als präzedenzlos leugnenden Duktus, der nicht nur für Decolonize the City, sondern weiteste Teile postkolonialer Literatur (die Autor*innen beziehen sich auf viel Literatur, die das jeweils genauso sieht) steht:

Die strukturelle Verankerung überkommender Ideologeme, die nicht ohne die kolonialrassistische und antisemitische Vergangenheit Deutschlands denkbar sind und analysiert werden können, wirft unweigerlich politisch unangenehme Problemlagen auf.

Der Historiker Dan Diner hat seit den späten 1980er Jahren bei der Analyse des Zivilisationsbruchs Auschwitz Wegweisendes geleistet. Er sagt 2007 über die kategoriale Differenz von Kolonialismus und Holocaust:

Die Kolonialmacht will ‚pazifieren‘, nicht vernichten.

Weiter:

Wie nahe kommen sich genozidale Kolonialkriege und Holocaust? Bei aller Absolutheit der kolonialen Gewalt – und dies im Unterschied zum konventionellen Krieg zwischen sich als Gleiche anerkennenden Gegnern – steht der Holocaust als eine bloße Vernichtung jenseits von Krieg, Konflikt und Gegnerschaft. Weder gilt es durch Gewalt einen Willen zu brechen noch etwas zu erzwingen. Der Vernichtungstod ist ein im Kern grundloser Tod.[42]

Von diesen kritischen Erkenntnissen ist „Decolonize the City“ unendlich weit entfernt und steht damit exemplarisch für den Postkolonialismus. Der Afrika-Historiker Jakob Zollmann hat dieselben haltlosen Positionen einer Linie von Windhuk nach Auschwitz am Beispiel des postkolonialen Gurus Jürgen Zimmerer seit 2007 bis heute detailliert durchdekliniert und scharf kritisiert.[43] Der sekundäre Antisemitismus via Universalisierung der deutschen Tat und der Shoah wird durch den unverblümten antizionistischen Antisemitismus auf dem Twitter-Account von „Decolonize the City“ noch potenziert. Das also sind offenkundig nach Selbstauskunft die Freund*innen von Anna Yeboah, der Arch+-Autorin.

***

Der abschließende Text von Arch+ 235 von Merve Bedir ist nicht weniger desaströs als der Text von Yeboah. Es geht um die Türkei, doch das Wort Islamismus sucht man vergeblich. In einem polit-ökonomischen Reduktionismus, wie wir ihn bis heute von Sekten von MLPD, DKP bis hin zu vielen sonstigen „antiimperialistischen“ Gruppen weltweit kennen, wird der Kapitalismus als einzige Macht herbei fantasiert, die einen faschistoiden Ideologen wie Erdogan determiniere. Der Ausdruck „religiöser Nationalpopulismus“ ist ein Euphemismus und weigert sich beständig, von Islamofaschismus oder Islamismus zu reden. Doch das ganze kulminiert in dieser Suada:

Die Raumpolitik der Neuen Türkei kann nicht ohne diesen erweiterten politischen Kontext verstanden werden. Den populistischen und autoritären Nationalismus, die Entwicklung hin zu einer illiberalen Demokratie, die Ablehnung von Immigrant*innen und Globalisierung und vor allem die Tatsache, dass diese Politik bereits an der Macht ist, hat die Türkei mit Staaten  wie Ungarn, Italien, Ägypten, Israel, Indien, den Philippinen, Brasilien oder den USA gemein.

Die Kritik an Ungarn, Brasilien oder Italien ist von Bedeutung, aber der Kern ist hier der Judenstaat. Der wird einfach so denunziert, ohne jegliche Differenzierung, was zum Israel bezogenen Antisemitismus passt. Es gibt kein Land der Erde, dem mit Vernichtung gedroht wird – außer Israel, wie von der Islamischen Republik Iran. Ich bin seit Jahren ein scharfer Kritiker der rechten Politik von Benjamin Netanyahu[44] – aber als Linkszionist und nicht als antiimperialistisch herum fuchtelnde Autorin, die mit Verve den Judenstaat mit Faschisten in eine Linie setzt. Das ist keine innerzionistische Kritik an Israel, wie sie weite Teile der linken, Demokraten wählenden amerikanischen Juden und weite Teile der jüdischen Intellektuellen in Israel üben.[45]

Was Bedir nicht erwähnt, sind islamfaschistische Regime wie (schiitisch) in Teheran oder (sunnitisch) in Riad. Der Islamismus ist schlichtweg kein Thema. Bei Erdogan nicht von Islamismus zu reden, ist völlig grotesk und zeugt von einem Realitätsverlust.

Auf der Heftvorstellung in der Volksbühne wurde von Trüby am Ende die Leninsche Frage „Was tun“ gestellt, nun: Es gibt eine „Alternative zu Deutschland“,[46] sie heißt intellektuelle Kritik an den gegenintellektuellen Tendenzen. Übrigens gibt es keine rechten „Intellektuellen“, was sich die meisten Autor*innen merken sollten, die Forschung spricht bei Rechten von „Gegenintellektuellen“, auch die häufige Verwendung von „Rechtspopulisten“ oder anderen Formen von „Populismus“ ist fragwürdig und verschleiernd. In Anschluss an Siegfried Kracauer ist ein Intellektueller eine Person, die Mythen knackt und nicht reaktiviert.[47] Also kann kein Rechter je ein Intellektueller sein.

Unterm Strich war auf der Heftvorstellung die postkoloniale Ideologie überall der große Gewinner, sie überlagerte alle noch so guten und wichtigen Analysen der Neuen Rechten. Tina Hartmann sagte auf der Heftvorstellung, heutzutage bzw. seit langer Zeit (seit 9/11 meinte sie wohl) würde ein Gegensatz von Abendland und Morgenland aufgemacht, was sich sehr saidianisch anhört und noch bestärkt wurde durch ihr Betonen, dass die Position, „der Islam“ „bedrohe die Errungenschaften der Aufklärung“, falsch sei.

Doch was ist daran falsch, die Geschlechterapartheit des Islamismus, der ja eine massive Schnittmenge mit „dem“ Islam hat, ohne in ihm aufzugehen, als antiaufklärerisch zu bezeichnen? Was ist daran falsch, nach dem Pulverisieren, Zerquetschen und Verbrennen von 3000 Menschen im World Trade Center durch Mohammed Atta und die anderen Jihadisten am Dienstag, den 11. September 2001, den Islamismus als riesige Gefahr für die Menschheit, den Westen und die aufgeklärte Welt zu erkennen? Die Bemerkungen von Hartmann in der Volksbühne über den armen Islam, der zum Antipoden der Aufklärung gemacht werde und dies somit nicht sei, sind wissenschaftlich und politisch bedenklich. Diese Derealisierung von Jihad und legalem Islamismus ist weit verbreitet im sich links dünkenden kulturellen Establishment, von Arch+ bis zur Volksbühne Berlin und unzähligen Lehrstühlen und Forschungsprojekten aller Art.

Hartmanns Betonen, es gehe der „Bibliothek des Konservatismus“ um eine „Akademisierung“ der Neuen Rechten ist richtig. Nur sieht sie nicht, dass dies bereits in den 1970er Jahren durch den tatsächlich neu-rechten Henning Eichberg geschah. Dieser war national-sozialistisch, nationalrevolutionär, neu-rechts, rechtsextrem und Begründer der Querfront und nicht Siemens-kapitalistisch oder konservativ wie der selbst ernannte Faschist Armin Mohler oder die „Bibliothek des Konservatismus“, was nicht heißt, dass beide Gruppen deutsch-nationale und völkische Schnittmengen haben.

Sicherlich ist schließlich der Antisemitismus nicht mit der deutschen Nationalversammlung von 1848 entstanden, der Gegensatz von „wir“ oder „das Volk“ gegen die Juden, der ist viel älter. Hartmann meinte jedoch auf der Heftvorstellung in der Volksbühne, bis 1848 hätte es den Antijudaismus gegeben, nicht den Antisemitismus, dabei ist diese Unterscheidung in der internationalen Forschung längst ad acta gelegt und widerlegt worden.[48]

Sodann wurde auch auf dieser Heft-Präsentation zu den rechten Räumen am 24. Mai 2019 mit keinem Wort eine der antisemitischsten Kampagnen seit 1945 in der Bundesrepublik Deutschland auch nur erwähnt: die Wahlplakate zur Europawahl der Neonazi-Partei „Die Rechte“: „Zionismus stoppen. Israel ist unser Unglück.“ Ist das kein rechter Raum, wenn Neonazis im Mai 2019 solche Plakate aufhängen? In den Tagen vor der Veranstaltung gab es viele Berichte in Tageszeitungen über diese rechtsextreme antisemitische Aktion.[49]

Man fragt sich, was die letztlich 13 Leute auf dem Podium für Zeitungen lesen oder was für Medien sie konsumieren, wenn nicht eine Person die exakt in dieser Woche vom 24. Mai 2019 bundesweit diskutierte anti-israelische Hetze dieser Neonazis auch nur erwähnte (so ich es nicht überhört habe). Könnte es sein, dass die meisten Leute einfach gar nicht hinhören, sobald es gegen Israel geht, weil man selbst (wie Decolonize the City oder Zizek) gegen ein demokratisches und jüdisches Israel ist? Kein Wort bei der Heftpräsentation von Arch+ zu dieser Neuauflage von Heinrich von Treitschkes Slogan, den die NSDAP dann aufgriff: „Die Juden sind unser Unglück“.

Ja, mehr noch: Leider scheint die Arch+ tatsächlich keinerlei Problem mit dem Antizionismus oder dem Antisemitismus von BDS zu haben, in Heft 231 von 2018 publizierte sie die deutsche Übersetzung eines Kapitels aus dem Buch über Klimawandel und Kapitalismus der Bestsellerautorin und seit 2009 als antiisraelische und BDS-Unterstützerin berüchtigten kanadischen Publizistin Naomi Klein.[50] Neben Judith Butler aus den USA oder dem Musiker Roger Waters aus Großbritannien ist Klein eine der bekanntesten Unterstützerinnen dieser antisemitischen Bewegung, die immer so tut, als ob sie es nicht wäre.

Angesichts der Beiträge von Bekir und Yeboah im Heft, den internationalen Kontakten von Kirn – der Publizist und taz-Kolumnist Micha Brumlik würde hier wieder aggressiv von der angeblichen „Kontaktschuld“ oder so reden und sieht immer nur bei Kritikern des Antisemitismus einen McCarthy, aber ahnt nicht, dass er selbst zum Kommunistenfresser von damals eine viel größere Nähe haben mag, als ihm lieb sein möchte, nur frisst Brumlik keine Kommunisten, sondern Kritiker*innen des antizionistischen Antisemitismus –, der engen Beziehung von Yeboah zu „Decolonize the City“, dem Publizieren von Naomi Klein durch Arch+ und nicht zuletzt durch das Hofieren Zizeks just im Mai 2019, steht man fast sprachlos vor diesem Heft.

Die Kritik an den rechten Räumen mit teils wirklich guten Beiträgen trifft die Neue Rechte, der Aufschrei des bürgerlichen Feuilletons und der rechtsextremen Pöbler im Netz zeigen, wie gut getroffen die Autor*innen und namentlich Trüby oder Hartbaum haben – aber dann dieses selbstverliebte Schweigen und Hinnehmen des postkolonialen oder säkular-leninistisch-hegelianisch-trendigen Mainstream-Antisemitismus oder das Verleugnen der islamistischen Gefahr.

Noch nicht mal Zizeks wirklich vulgärer Patriarchalismus und seine Angst vor weiblichen Entdeckungsreisen zur Vulva sind offenbar in diesen Kreisen ein no-go, obschon doch gerade die Neue Rechte so massiv patriarchal pöbelt. Demnach spricht ein Kommentar von Margarete Stokowski, die zeigt, wie ähnlich männlich-sexistisch misogyn Superstars der Rechten (Jordan Peterson) und Linken (Slavoj Zizek) ticken, offenbar ins Leere, die Kulturelite à la Volksbühne und Arch+ ignoriert ihre Kritik jedenfalls, Zizek bleibt der Star.[51]

Die perfide Logik des Heftes von Arch+ ist nun folgende: die Autor*innen geben vor, gegen Antisemitismus zu sein. Doch darunter wird der Antizionismus gerade nicht gefasst. Auch der Postkolonialismus taucht in diesem Schema gerade nicht als überaus reduktionistische und bisweilen antisemitische Ideologie auf. Der überaus beliebte Hetzer Zizek (von der Süddeutschen Zeitung über die Arch+ bis hin zu jedem hippen Uni-Seminar in den Sozial- und Geisteswissenschaften) spricht im Mai 2019, nur einen Tag nach dem Bauchpinseln durch Trüby, vom „zionistischen Antisemitismus“,[52] weil Israel sich gegen Juden wenden würde, die nicht pro-israelisch sind.

Wer letztendlich die islamistisch organisierte Landnahme via öffentlichem Massengebet auf dem Tempelhofer Feld in Berlin im August 2019 durch die Neuköllner Begegnungsstätte sieht, die mit Tausenden Muslimen, fanatisch getrennt nach Geschlechtern, verschleiert und mit Teppichen ausgestattet, Angst und Schrecken bei weltlichen und antiislamistischen Besucher*innen des Tempelhofer Feldes evozierten (ich selbst wohnte sechs Jahre unweit des Tempelhofer Feldes und besuchte den Ort fast täglich), kann nur der liberal-muslimischen Anwältin und Feministin Seyran Ates zustimmen:

Das sind muslimische Identitäre.[53]

Man könnte sprachlich geschickter vielleicht auch von identitären Muslimen sprechen, denn der Islamismus ist ja keine Unterkategorie des Rechtsextremismus, sondern eine eigenständige Ideologie, die historisch viel mit den Nazis gemein hatte, so wie der neu-rechte Vordenker Eichberg mit Gaddafi kooperierte und die Muslimbruderschaft und die Verschleierung feierte[54] – aber heute kooperiert der Islamismus ideologisch intensiv mit der Linken.[55]

Die Schadenfreude weiter Teile der Kulturelite nach 9/11[56] wie auch das Schweigen oder klammheimliche Klatschen und Kichern angesichts des Jihad von denselben Kreisen wird in dem Band nicht erwähnt. Dabei ist das für nicht wenige heutige neu-rechten Hetzer ein Ausgangspunkt, wobei die not-wendige Kritik am Islamismus und Jihad zu einem deutsch-nationalen Furor gegen „den“ Islam, „die“ Genderideologie oder „die Flüchtlinge“ und das „rot-grün versiffte Gesocks“ sich schnell wandelte.

Vom Antisemitismus zu reden und damit „nur“ den NS oder die Neo-Nazis, die Neue Rechte und Teile der bürgerlichen Mitte zu meinen, aber nie den Antizionismus der Linken, ja nicht mal den antiisraelischen Judenhass von Neonazis, ist reduktionistisch und falsch. Das hatte mich schon im Sommer 2002 angesichts ganz typischer linker und migrantischer Invektiven bei der Hans-Böckler-Stiftung, wo ich seinerzeit Doktorand war, zu folgendem Spruch in meinem Text für die Gewerkschaftlichen Monatshefte (9/2002) bewogen:

Deutsche mögen nur tote Juden, Islamisten gar keine.[57]

Der Bundestag beschließt im Mai 2019 eine nicht verbindliche Anti-BDS-Resolution, die Bundeszentrale für politische Bildung wird vom Bundesinnenministerium finanziert und unterstützt ihrerseits z.B. die Zeitschrift Arch+, die BDS-Unterstützer*innen publiziert.

Die Frage, ob Fotos von Neuen Rechten einen Erkenntnisgewinn haben oder nicht eher affirmativ sind, stellt sich bei dem Heft 235 von Arch+ überall. Das gilt auch für geradezu einfühlend gelayoutete Aufnahmen von NS-Architektur. Solche Bilder passen dann doch besser in Cato, DU, die Junge Freiheit oder auf rechte (Architektur-)Blogs. Es behindert das Lesen nicht unwesentlich und hat teils fragwürdigen Charakter, wenn einfach fröhliche Neo-Nazis abgelichtet werden und gerade nicht Bilder, wie rechtsextreme Politiker*innen oder Akteure eine Sahnetorte ins Gesicht geworfen bekommen oder wie eine Antifa-Demo sich gegen einen rechten Aufmarsch positioniert. Eine antifaschistische Nachricht in Split beim Einmarsch der Wehrmacht 1943 ist die große Ausnahme von der pro-rechten Bebilderung. Hitler-Bilder oder Hitlergrüße etc. haben nichts in einem sich antifaschistisch gebenden Heft zu suchen.

Die Kritik an der „Metapolitik“ in dem Arch+ Heft ist von eminenter Bedeutung. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat es schon vor Jahren in seinem Buch „Die Anti-Europäer“ pointiert auf den Punkt gebracht und dabei nicht nur den Rechtsextremismus, sondern auch den Islamismus und „Eurasier“ im Visier:

Man könnte die selbsternannten Erben der Konservativen Revolution belächeln, würden sie es bei verbalem Radikalismus belassen und ohne Resonanz bleiben. Führt auch heute ein Weg von einsamen Wölfen wie Breivik und den Cliquen eines Dugin oder al-Suri in breitere weltanschauliche Milieus und etablierte Machtzirkel? Zahlenmäßig schwach, betreiben Konservative Revolutionäre eine ‚metapolitische‘ Strategie: Erst sollen die Köpfe erobert werden, dann eventuell Positionen, Territorien und Ressourcen. Das war bereits der Ansatz der Neuen Rechten seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts.[58]

Die Rechten versuchen nicht nur, ihre Ideologie in den Mainstream zu tragen, sondern praktizieren das auch ganz konkret mit architektonischen Mitteln: mit Denkmälern, wieder aufgebauten Stadtteilen oder Schlössern und Kirchen, entsprechenden Plätzen und so weiter. Die europäische Dimension wird in dem Arch+ Heft herausgestellt, man könnte das in zukünftigen Studien z.B. mit der Analyse von Würdigungen ehemaliger Nazikollaborateure und Antisemiten in der Ukraine, Lettland oder Litauen empirisch unterfüttern.

Auch die unerträglichen Jahn-Straßen oder –Sportplätze (z.B. Jahn Sportpark Berlin, Jahn-Denkmal auf der Hasenheide in Berlin-Neukölln, Fußball-Bundesligist (2. Liga) Jahn Regensburg), Hermann-Löns-Straßen oder Richard-Wagner-Plätze, -Straßen wie ‑Festspiele verdienten eine Kritik als extrem rechte Räume, mit dem Vorschlag, die jeweils umzubenennen, bundesweit, von den Treitschke- oder Hindenburg-Straßen etc. pp. nicht zu schweigen. Bezüglich der Straßen mit kolonialistischer Geschichte werden solche Änderungen im Heft auch angemahnt.

Unterm Strich gilt: Dank Stephan Trüby, seinem Institut IGmA an der Uni Stuttgart und dem Heft 235 von Arch+ hat die interdisziplinäre Forschung zur Neuen Rechten vielfältige kritische Einblicke in die europaweite ubiquitäre rechtsextreme Raumnahme erhalten, die bis weit in den bürgerlichen Mainstream ausstrahlt. Insofern hat der hypermodische und meist so affirmative wie elfenbeinturmmäßige spatial turn jetzt womöglich einen nicht zuletzt deutschlandkritischen und zur Aktion aufrufenden Touch von Antifa.

Für jene, die im gegenintellektuellen Zeitalter von Twitter und Facebook keine langen Texte zu lesen imstande oder willens sind, eine knappe Zusammenfassung:

1) Die Zeitschrift Arch+. Zeitschrift für Architektur und Urbanismus attackiert in ihrem Heft 235 von Mai 2019 zu dem Thema „Rechte Räume. Bericht einer Europareise“ den sekundär antisemitischen Charakter der Rekonstruktion der Altstadt von Frankfurt am Main.

2) Arch+ 235 skandalisiert den antisemitischen Charakter von Hans Kollhoffs Ezra Pound Zitat auf dem Walter-Benjamin-Platz in Berlin.

3) Arch+ 235 betont das völlig ungenierte Vergessen oder Feiern des Faschismus in Italien oder Spanien.

4) Arch+ 235 unterstreicht die europaweite Dimension der Neuen Rechten, von der Schweiz über Polen, Frankreich, Österreich, Holland und natürlich Deutschland und weiteren Ländern.

5) Arch+ 235 hat unnötigerweise und ohne jeden Erkenntnisgewinn viele hochauflösende Bilder von Neonazis, Neuen Rechten und von Nazi-Gebäuden, die es erschweren, das Heft zu lesen. Diese Bilder passen eher zu rechtsextremen Publikationsorten, aber haben in einem Heft, das vorgibt Antifa zu sein, schlicht nichts zu suchen.

6) Arch+ 235 bedankt sich bei einer postkolonialen Gruppe („Decolonize the City“), die gegen Israel agitiert.

7) Arch+ publizierte 2018 eine der führenden BDS-Vertreter*innen weltweit, Naomi Klein.

8) Arch+ folgt ohne jede wissenschaftliche Differenzierung dem postkolonialen Hype, dessen Antisemitismus in diesem Rezensionsessay analysiert wurde.

9) Arch+ schreibt über die heutige Türkei, ohne das Wort Islamismus auch nur einmal zu verwenden und trivialisiert die Situation mit Ausdrücken wie „Nationalpopulismus“ oder „religiöser Nationalpopulismus“. Zudem agitiert der Text gegen Israel.

10) Mit keinem Wort wird im Heft Arch+ 235 auf den Antizionismus der Neuen Rechten und Neonazis eingegangen.

 

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler, im Dezember 2002 hielt er seinen ersten Vortrag in Israel, er war 2003 und 2004 Felix Posen Fellow des Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) der Hebräischen Universität Jerusalem; dortselbst war er von Oktober 2010 bis Mai 2015 Research Fellow. Er war 2008/09 Post-Doc in Yale und von Juli bis Oktober 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hannover, Fakultät für Architektur und Landschaft, Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur, Projekt: Hachschara, Landwirtschaft, Architektur. Anfang 1989 hatte er seinen Schulfreund und Mitabiturienten Stephan Trüby eingeladen, ihn auf eine Tagung über die „Dialektik der Aufklärung und die Antiquiertheit des Menschen“ nach Frankfurt am Main zu begleiten.

 

Endnoten

[1] https://www.belltower.news/afd-spitzenkandidat-in-brandenburg-die-rechtsextreme-karriere-von-andreas-kalbitz-89325/.

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-andreas-kalbitz-war-mit-npd-funktionaeren-bei-neonazi-aufmarsch-in-athen-a-1284319.html.

[3] https://www.zeit.de/kultur/2019-09/landtagswahlen-fernsehberichterstattung-afd-rechtsextremismus-demokratie.

[4] https://www.zeit.de/kultur/2019-06/stephan-trueby-architektur-professor-rechte-raeume-kritik/komplettansicht.

[5] https://www.mousonturm.de/events/rechte-raeume-in-frankfurt-stadtspaziergaenge/?fbclid=IwAR0gjLVU9-2T8MSdPq56w0FkArPGQ-E_npmN8GgWi2gxzqCZ7D_APJrDgi0.

[6] Der Rezensent selbst steht auf einer der aktuellen quasi Abschusslisten von Neo-Nazis, „Judas Watch“, die jüngst von der Tagesschau-Sendung um 20 Uhr vom 18. August 2019 als Beispiel dafür genommen wurde, warum das Bundeskriminalamt (BKA) den Kampf gegen den Rechtsterrorismus, Hasskriminalität und den Rechtsextremismus forcieren und 10 neue Referate mit 440 neue Stellen einrichten wird, https://www.tagesschau.de/ausland/rechtsextremismus-129.html.

[7] Zu einer Kritik an Riehl, der antisemitischen Naturschutzgeschichte wie der NS-Landschaftsarchitektur siehe Clemens Heni (2009): Antisemitismus und Deutschland. Vorstudien zur Kritik einer innigen Beziehung, Morrisville.

[8] https://www.zeit.de/kultur/2019-06/stephan-trueby-architektur-professor-rechte-raeume-kritik/komplettansicht.

[9] http://www.clemensheni.net/liebende-in-new-york-city-oder-gegen-das-stolzdeutsche-nationalmannschaftsgeschwafel-von-der-heimat-von-edgar-reitz-ueber-robert-habeck-zu-cem-oezdemir-die-antiquierthei/ (07.03.2018), http://www.clemensheni.net/von-walser-1998-bis-oezdemir-2018-das-seminar-fuer-allgemeine-rhetorik-der-uni-tuebingen-die-rede-des-jahres-deutscher-antisemitismus-und-nationalismus/ (13.12.2018).

[10] http://www.clemensheni.net/kein-quentchen-linker-gesellschaftskritik/; Peter Bierl/Clemens Heni (2008): Eine deutsche Liebe. Über die braunen Wurzeln der Grünen und die Lücken der Naturschutzforschung, Konkret 1/2008, S. 24–26.

[11] Clemens Heni (2018): Der Komplex Antisemitismus. Dumpf und gebildet, christlich, muslimisch, lechts, rinks, postkolonial, romantisch, patriotisch: Deutsch, Berlin, S. 289–291.

[12] https://www.berlinerfestspiele.de/de/berliner-festspiele/programm/bfs-kuenstler/bfs_kuenstler_detail_279509.html.

[13] Siehe Clemens Heni (2013): Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin, S. 406–415.

[14] http://www.clemensheni.net/how-german-is-the-jewish-museum-berlin/; Heni 2018, S. 450–454.

[15] Clemens Heni (2010): Stuttgart ist doch keine „Vorstadt von Jerusalem“…Paul Bonatz, der Nationalsozialismus und Die Grünen (K21), 24. August 2010, http://www.clemensheni.net/stuttgart-ist-doch-kein-vorort-von-jerusalem/.

[16] Heni 2018, S. 82, Zitat von der Literaturwissenschaftlerin Susanna Moßmann.

[17] Vgl. zum Göttinger Hainbund und zu einer weiteren Bücherverbrennung von Schriften Wielands nur ein Jahr später, 1773, Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg, S. 315, Fußnote 1306.

[18] Der Mitbegründer des Konzepts Ethnopluralismus seit den späten 1960er Jahren war Henning Eichberg, siehe Heni 2007, S. 47–50.

[19] https://blogs.timesofisrael.com/the-jewish-museum-fuels-the-anti-jewish-climate-in-germany/ (14.06.2019).

[20] https://www.rt.com/op-ed/460228-anti-semitic-bds-israel-zizek/. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Zionismus siehe Clemens Heni (2014): Kritische Theorie und Israel. Max Horkheimer und Judith Butler im Kontext von Judentum, Binationalismus und Zionismus, Berlin.

[21] Cary Nelson/Gabriel Noah Brahm (Eds.) (2015): The Case against academic boycotts of Israel. Preface by Paul Berman, Chicago/New York.

[22] http://www.clemensheni.net/koennen-die-juden-in-deutschland-ueberhaupt-eigenstaendig-denken/.

[23] Clemens Heni/Thomas Weidauer (Hg.) (2012): Ein Super-GAUck. Politische Kultur im neuen Deutschland, Berlin.

[24] Heni 2018, S. 547.

[25] Tweet vom 14. Oktober 2015 zu einem Beschluss einer Gruppe von Geographen, sich dem Boykott Israels anzuschließen (https://iccg2015.org/resolution-english/); Tweet vom 26. September 2014 zur antiisraelischen schwarzen „Feministin“ Angela Davis (https://www.colorlines.com/articles/angela-davis-connects-movement-free-palestine-black-feminism), Tweet vom 28. Juli 2014 zu einem Text von Anna-Esther Younes (plötzlich heißt sie Anna-Esther, nicht mehr nur Anna wie 2012 im offiziellen Programm der Tagung „Decolonize the City“, und wird als „deutsch-palästinensische Akademikerin“ präsentiert), wo sie ihre Abscheu vor „Pro Zionisten“ freien Lauf lässt (http://www.migazin.de/2014/07/28/nahost-konflikt-rassismus-und-deutschland/), Tweet vom 25. Juli zu James Baldwins Antizionismus (http://socialistworker.org/2014/07/23/how-baldwin-saw-palestine), Tweet vom 24. Juli 2014 zu Ilan Pappé, der BDS als „legitim“ erachtet. Ebenso Bezüge zu Holocaustverharmlosenden Autoren wie Jürgen Zimmerer auf diesem Twitter Account wie auch im Text von Yeboah via einem von diesem edierten Band zur deutschen Kolonialgeschichte.

[26] https://www.humboldtforum.org/de.

[27] Ich selbst habe als Teenager bei einem Besuch in Ost-Berlin 1986 den Palast der Republik auch von innen gesehen.

[28] https://www.youtube.com/watch?v=4OFykZrIEEs.

[29] Zudem: „Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt ‚KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe‘, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm ‚Fellowship Internationales Museum‘, wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leugnenden Ungeheuerlichkeiten gegeben: ‚Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unterdrückungsmaßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.‘ Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holocaustleugnung, der Softcore-Variante, wie die Historikerin Deborah Lipstadt sagen würde“, Heni 2018, S. 367.

[30] Zwischenraum Kollektiv (Hg.) (2017): Decolonize the City! Zur Kolonialität der Stadt – Gespräche | Aushandlungen | Perspektiven, Münster.

[31] https://www.rosalux.de/dokumentation/id/13988/decolonize-the-city-1/.

[32] https://unrast-verlag.de/neuerscheinungen/decolonize-the-city-detail.

[33] https://unrast-verlag.de/ebooks/decolonize-the-city-473-detail.

[34] https://www.decolonizethecity.de/talks.

[35] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/das-ballhaus-und-die-bds/.

[36] http://www.idverlag.com/BuchTexte/DreiZuEins/DreiZuEinsViehmann.html.

[37] https://www.emma.de/artikel/ein-abend-wuerzburg-334477.

[38] Saul Friedländer (1982)/1984: Kitsch und Tod. Über den Widerschein des Nazismus, München/Wien, S. 109.

[39] Helen Müller/Clemens Pornschlegel (2017): Vorwort, in: Heiner Müller (2017): „Für alle reicht es nicht“. Texte zum Kapitalismus. Herausgegeben von Helen Müller und Clemens Pornschlegel in Zusammenarbeit mit Brigitte Maria Mayer, Berlin (zitiert nach dem E-Book).

[40] Das erinnert an die den Holocaust ebenfalls universalisierende und in seiner Spezifik leugnende Kampagne „500jähriges Reich“ von Medico International von Anfang der 1990er Jahre: Bruni Höfer/Heinz Dieterich/Klaus Meyer (Hg.) (1990): Das Fünfhundertjährige Reich. Emanzipation und lateinamerikanische Identität 1492–1992, Frankfurt am Main; Stefan Armborst/Heinz Dieterich/Hanno Zickgraf (Hg.) (1991): Sieger und Besiegte im Fünfhundertjährigen Reich. Emanzipation und lateinamerikanische Identität: 1492–1992, Bonn; Heinz Dieterich (1990a): Ironien der Weltgeschichte. Strukturparallelen zwischen Nazi-Lebensraum und Erster/Dritter Welt heute, in: Höfer/Ders./Meyer (Hg.) (1990), S. 69–147.

[41] In Müller 2017.

[42] Dan Diner (2007): Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen, S. 81.

[43] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate reviewed, in: Journal of Namibian Studies, Jg. 1, Nr. 1, S. 109–130; Jakob Zollmann (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen; Jakob Zollmann (2019): From Windhuk to Auschwitz – old wine in new bottles? Review article* (im Erscheinen).

[44] http://www.clemensheni.net/please-give-me-some-latkes-before-you-kill-me-jews-and-neo-nazis-in-germany/ (11.02.2019), http://www.clemensheni.net/kenneth-l-marcus-oxymoron-trump-and-civil-rights/ (12.03.2018), http://www.clemensheni.net/was-erlauben-lizaswelt-ueber-die-notwendigkeit-einer-selbstkritik-der-pro-israel-szene/ (24.03.2015), http://www.clemensheni.net/do-not-distract-attention-from-our-homemade-extremists/ (07.04.2014).

[45] Fania Oz-Salzberger/Yedidia Z. Stern (Hrsg.) (2017): Der israelische Nationalstaat. Politische, verfassungsrechtliche und kulturelle Herausforderungen. Aus dem Englischen von Clemens Heni und Michael Kreutz, Berlin.

[46] Clemens Heni (2017): Eine Alternative zu Deutschland. Essays, Berlin.

[47] Heni 2007, S. 87 f.

[48] Robert S. Wistrich (1991): Antisemitism. The Longest Hatred, London; New York; Robert S. Wistrich (2010): A Lethal Obsession. Antisemitism from Antiquity to the Global Jihad, New York.

[49] https://www.hna.de/kassel/israel-unser-unglueck-wirbel-wahlplakate-anti-israel-slogan-ngz-12284359.html, https://www.juedische-allgemeine.de/politik/judenhass-im-wahlkampf-muss-gestoppt-werden/, https://www.nrz.de/staedte/moers-und-umland/die-rechte-kamp-lintfort-entfernt-wahlkampf-plakate-id221160357.html.

[50] https://www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,4909,1,0.html. Im Januar 2009 kritisierte der bekannte linke Soziologe David Hirsh aus London die Pro-BDS-Position von Klein, https://engageonline.wordpress.com/2009/01/10/klein-hirsh/. Im Juli 2019 ist Naomi Klein wie gehabt im BDS-Aktivismus voll involviert, http://bdsberlin.org/2019/07/04/talib-kwelis-ausladung-vom-festivalprogramm-ist-teil-des-anti-palaestinensischen-trends-zu-zensur/.

[51] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/die-angst-der-maenner-vor-weiblicher-sexualitaet-kolumne-a-1258544.html, 19.03.2019.

[52]  Im oben bereits zitierten Text, https://www.rt.com/op-ed/460228-anti-semitic-bds-israel-zizek/ (25.05.2019).

[53] Seyran Ates zum Gebet auf dem Tempelhofer Feld „Das sind muslimische Identitäre“, 12.08.2019, https://www.tagesspiegel.de/berlin/seyran-ates-zum-gebet-auf-dem-tempelhofer-feld-das-sind-muslimische-identitaere/24895706.html. Zum Islamismus siehe Clemens Heni (2011): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Berlin; Clemens Heni (2011a): Entry „Germany“ in World Almanac of Islamism, Washington, D.C., American Foreign Policy Council (ed.), auch online (letztes Update September 2018) auf http://almanac.afpc.org/Germany.

[54] Vgl. Heni 2007.

[55] Siehe das Kapitel „The Red-Green Axis“ in Wistrich 2010, S. 399–434.

[56] Heni 2011.

[57] http://clemensheni.net/wp-content/uploads/Gewerkschaftliche-Monatshefte-2002-Heni.pdf.

[58] Claus Leggewie (2016): Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co., Berlin, S. 9 f.

©ClemensHeni

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